Protokoll der Sitzung vom 18.12.2014

Wir haben uns aus verschiedenen Gründen vorgenommen, nach drei Jahren die Auswirkungen unserer Regelungen auf die Einhaltung der Tariftreue zu überprüfen. Wir werden dann sicherlich auch Gelegenheit nehmen, in der Frage der Nachweise und Kontrollen zu prüfen, wie sich die Bestimmungen auswirken. Wir werden aber selbst mit einer noch so engmaschigen Kontrolle nicht verhindern, dass es schwarze Schafe gibt. Ich glaube, darin sind wir uns einig.

Wir müssen aber dafür sorgen, dass schwarze Schafe entdeckt werden, dass ihnen das Handwerk gelegt wird und dass die Strafen, die wir vorsehen, umgesetzt werden, dass sie nämlich für drei Jahre von der Vergabe von Aufträgen ausgeschlossen werden. Das muss jedem klar sein, der einen öffentlichen Auftrag annehmen will. Ich sage aber noch einmal in aller Deutlichkeit: Wir wollen, dass der Mittelstand arbeiten kann und nicht durch überzogene Forderungen gelähmt wird. Das ist ein wichtiger Punkt bei der Formulierung des Hessischen Tariftreue- und Vergabegesetzes.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir sollten jetzt einmal schauen, wie sich diese gesetzliche Regelung auswirkt. Ich hoffe, dass der Mittelstand regen Gebrauch davon macht, für die öffentliche Hand Angebote abzugeben, gute Aufträge zu bekommen und durch Qualität, Lieferfähigkeit, Liefer- und Termintreue zu überzeugen. Ich glaube, dass wir gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen von der Fraktion der GRÜNEN einen guten Gesetzentwurf für die Belange gemacht haben, die wir hier aufgezählt haben.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat Herr Kollege Lenders für die FDP-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Liebe Kollegen, auch wir hätten keine dritte Lesung gebraucht, denn nach unserer Auffassung haben wir über das Gesetzesvorhaben ausreichend diskutiert. In dieser Legislaturperiode, aber auch in der letzten Legislaturperiode hat kaum ein Vorhaben so viel Platz eingenommen wie das Mittelstands- und Vergabegesetz.

Meine Damen und Herren, nach unserer Auffassung wäre es besser, man ließe es bei der alten Regelung. Die CDUFraktion hat in der letzten Legislaturperiode viel Zeit in Anspruch genommen, um das seinerzeitige Gesetzesvorhaben von CDU und FDP landauf, landab mit den Mittelstandsverbänden und mit dem Handwerk zu diskutieren. Wir waren uns damals einig, dass das Mittelstands- und Vergabegesetz ein sehr gutes und unbürokratisches Gesetz war. Jetzt sehen wir allerdings, wie weit es der CDU wirklich wichtig war, einem unbürokratischen Gesetz Gültigkeit zu verschaffen.

Liebe Kollegen von der CDU-Fraktion, es kam schon in der Rede der Kollegin Wissler vor: Die Frage, ob Kommunen freiwillig oder nicht freiwillig von diesem Gesetz Gebrauch machen, wird sich am Ende in den Kommunen – ebenso wie hier im Landtag – entscheiden. Ich kann Ihnen aber versprechen, Sie werden in den Kommunen Linksfraktionen haben, Sie werden Fraktionen der GRÜNEN haben, Sie werden Fraktionen anderer Couleur haben, und alle werden darauf drängen: „Das steht jetzt im Gesetz, das könnt ihr machen, also macht es auch.“

Das wird auf die kommunalen Entscheidungsträger so viel Druck ausüben, dass sie gar nicht drum herumkommen werden, so zu handeln, sodass das keine Frage der Freiwilligkeit mehr sein wird, sondern sich aufgrund des in der Diskussion ausgeübten Zwangs ergeben wird. Das wollen wir als FDP-Fraktion mit Sicherheit nicht.

(Beifall bei der FDP – Clemens Reif (CDU): Das sind ja Kassandrarufe!)

Das mögen Kassandrarufe sein. – Eines gebe ich Ihnen auch noch mit, Herr Reif. Es klang hier schon an: Die Frage, ob wir einen Mindestlohn in das Gesetz hineinnehmen, eröffnet die Debatte darüber, ob wir nicht auch einen hessischen Mindestlohn einführen, der sich von dem gültigen gesetzlichen Mindestlohn abhebt.

Ich verspreche Ihnen, wir werden diese Diskussion in vollem Umfang bekommen. Schon heute diskutiert DIE LINKE darüber, ob der gesetzliche Mindestlohn von 8,50 € überhaupt ausreicht. Deren Zielen zufolge müsste er viel höher sein.

(Zurufe der Abg. Dr. Walter Arnold (CDU) und Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Das Vergabegesetz, wie Sie es jetzt planen, ist keine Verbesserung. Ich kann der Logik dessen, was Kollege Kai Klose gesagt hat, nämlich dass damit der Korruption besser Einhalt geboten werden kann, nicht ganz folgen, denn die Vergabegrenzen sind hoch geblieben. Dafür ein ausdrückliches Lob. Das ist etwas, wofür wir einmal gemeinsam gekämpft haben. Das ist ein Stück weit Bürokratieabbau. Deswegen hätten Sie es besser einfach gelassen, lieber Kai Klose, einen Korruptionsverdacht in den Raum zu stellen. Das passt an dieser Stelle überhaupt nicht.

Aber die Kriterien, die hier neu aufgenommen worden sind, bedeuten zusätzliche Bürokratie. Schon heute sind viele Handwerksbetriebe nicht mehr in der Lage, eine öffentliche Ausschreibung wirklich sachgerecht auszufüllen. Sie beteiligen sich schon heute oftmals nicht mehr an Ausschreibungen. Diesen Zustand verschärfen Sie, wenn Sie diesen Gesetzentwurf annehmen.

(Zuruf des Abg. Holger Bellino (CDU))

Wenn Sie in der Anhörung die Handwerker, die Mittelständler fragen, dann sagen die: Na ja, es hätte alles noch schlimmer kommen können. – Das stimmt.

(Holger Bellino (CDU): Ja!)

Aber wenn Sie die Kollegen fragen: „Wollt ihr lieber das alte Gesetz, das CDU und FDP formuliert haben, oder wollt ihr das, was die neue Landesregierung mit den GRÜNEN jetzt auf den Weg bringt?“, ist die Antwort relativ klar:

(Timon Gremmels (SPD): Oder wollt ihr MAOAM? – Heiterkeit bei der SPD – Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

„Wir wollen, dass das alte Gesetz Gültigkeit behält.“ Das will auch die FDP. Deswegen werden wir alle drei Gesetzentwürfe ablehnen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Für die Landesregierung erteile ich Herrn Staatssekretär Samson das Wort.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir sind heute in der dritten Lesung und bringen damit ein Gesetzgebungsverfahren zum Abschluss, das wir seit einigen Monaten sehr intensiv führen. Im Mai war die erste Lesung hier im Haus, im November die zweite Lesung. Dazwischen hatten wir eine sehr intensive Anhörung mit viel Engagement, viel Diskussion, viel Streit und mit unterschiedlichen Vorstellungen.

Das ist klar, weil es sich hier um ein ganz wichtiges Gesetz für den öffentlichen Bereich an der Schnittstelle zwischen privater und öffentlicher Wirtschaft handelt. Wie geht das Land, wie gehen öffentliche Auftraggeber insgesamt mit öffentlichem Geld um – mit einem knappen Gut, mit dem wir sorgfältig, aber auch verantwortungsvoll wirtschaften wollen? Dafür ist das, was wir heute hier verabschieden, ein ganz wichtiger zentraler Baustein.

Ich glaube, für das Vergaberecht und für das Tariftreuerecht ist heute ein guter und wichtiger Tag.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Jedes Landesvergabegesetz und jedes Landestariftreuegesetz muss sich an den Vorteilen messen lassen, die es den Unternehmen, die im Wettbewerb stehen, aber auch der öffentlichen Hand ganz konkret bietet. Dieser Prüfung hält der von den Regierungsfraktionen vorgelegte Gesetzentwurf in hervorragender Weise stand.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Er setzt neue Standards, wichtige Standards, die dem Land Hessen als Auftraggeber, aber auch der Wirtschaft dienen. Natürlich sind wir nicht bei allen Fragen einer Meinung. Das ist bei der Komplexität dieser Materie nicht zu erwarten.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Das hat aber mit der Komplexität nichts zu tun! Das hat mit der Zielsetzung zu tun!)

Wir haben unterschiedliche Vorstellungen. Die haben wir diskutiert. Natürlich wollen die einen mehr Kontrolle und die anderen am liebsten überhaupt keine. In diesem Meinungsspektrum haben wir uns bewegt. Ich glaube, was wir hier vorlegen, ist ein guter Weg für einen neuen Anfang.

Es gibt offene Fragen. Das ist gesagt worden. Die schauen wir uns in den nächsten drei Jahren an. Wir sind fairer Kritik gegenüber nicht verschlossen. Das hat das Verfahren bewiesen. Wir haben noch in letzter Minute Änderungen vorgenommen. Deswegen machen wir hier eine dritte Lesung. Ich glaube, wir werden uns auch weiterhin sehr offen anschauen, was die Praxis bringt.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Tariftreuepflicht, d. h. die Pflicht eines Unternehmens, seinen Arbeitnehmern den jeweils geltenden Tariflohn zu zahlen, ist ein ganz wichtiger Meilenstein für das hessische Gesetz. Davon profitieren nicht nur die Arbeitnehmer, sondern auch die hessischen Unternehmen und die Allgemeinheit, denn Lohndumping, Schwarzarbeit und Preisverfall werden damit im Vergabeprozess Riegel vorgeschoben. Anhand der konkreten Abwicklungsfälle der einzelnen Aufträge werden wir uns sehr genau anschauen, ob eine Prüfbehörde notwendig ist.

Ich glaube, wir können vorerst auf den von Ihnen geforderten Schiedsrichter verzichten. Zumindest als ich Fußball gespielt habe, war es der wirksamste „Schiedsrichter“, dass man sich der Kontrolle der jeweils anderen unterziehen musste.

(Zurufe von der SPD)

Ich glaube, jeder Unternehmer weiß sehr genau, wo die schwarzen Schafe zu finden sind.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die zweite Säule bilden die Nachhaltigkeitskriterien. Wir können endlich auf die gesamte Nutzungsdauer schauen, denn wir alle wissen: Das günstigste Angebot ist nicht immer das beste.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auch an dieser Stelle werden wir in Hessen eine neue Vergabekultur etablieren. Da bin ich mir sicher. Wir werden das weiterhin auswerten und prüfen. Ich bin der festen Überzeugung, dass auch hier der Weg der Freiwilligkeit mit einer Sollvorschrift der richtige ist, um die Leute mitzunehmen, die vor Ort in den Vergabestellen sitzen. Das wird nicht von heute auf morgen gehen. Wir werden unsere Erfahrungen sammeln und zu gegebener Zeit auswerten.

Es gibt viele Details, über die lange diskutiert wurde und über die ich hier nicht erneut diskutieren möchte, weil wir am Ende eines langen Wegs stehen. Ich glaube, das ist der richtige Zeitpunkt, um allen Beteiligten – auch der Opposition, den Regierungsfraktionen, den Berichterstattern, aber auch den Beteiligten in den Ministerien – für ihre engagierte Diskussion zu danken.

Lassen Sie uns an der Stelle jetzt den Beschluss fassen, in Ruhe prüfen, was die Praktiker dazu sagen, und dann in

Ruhe auswerten, ob wir weitere Anpassungen brauchen. Dies ist ein wichtiger Tag für das hessische Vergabegesetz. Das sollten wir nach außen so vertreten. – Ganz herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. – Meine Damen und Herren, mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Wir kommen zur Abstimmung über die drei Entwürfe. Ich rufe zunächst zur Abstimmung in dritter Lesung über den Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE zu diesem Thema auf. Wer diesem Gesetzentwurf in dritter Lesung zustimmen kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die Fraktion der LINKEN. Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Dann stelle ich fest, dass der Gesetzentwurf bei Ablehnung durch die Fraktionen der CDU, der SPD, der GRÜNEN und der FDP und Zustimmung der Fraktion DIE LINKE abgelehnt worden ist.

Dann rufe ich zur Abstimmung in der dritten Lesung den Gesetzentwurf der Fraktion der SPD zu diesem Thema auf. Wer dem zustimmen kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Enthaltungen? – Ich stelle fest, dass dieser Gesetzentwurf bei Ablehnung durch die Fraktionen der CDU, der GRÜNEN und der FDP und Zustimmung von SPD und LINKEN abgelehnt worden ist.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN für ein Hessisches Vergabe- und Tariftreuegesetz in dritter Lesung. Wer dem zustimmen kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind CDU und GRÜNE. – Wer ist dagegen? – Das sind die übrigen Fraktionen des Hauses. Ich darf feststellen, dass der Gesetzentwurf damit in dritter Lesung mit der Mehrheit des Hauses angenommen worden ist, und erhebe ihn zum Gesetz.