Protokoll der Sitzung vom 05.02.2015

Ich verstehe gar nicht, warum die Opposition in diesem Haus an solchen Verbesserungen erkennbar kein Interesse hat, sondern meint, sich lustig machen und durch Schmähkritik profilieren zu müssen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Heike Habermann (SPD): Es geht immer noch schlimmer!)

Vor diesem Hintergrund bin ich dem BUND in Hessen sehr dankbar, dass er in seiner wohltuend sachbezogenen Pressemitteilung vom 28. Januar das persönliche Engagement von Verkehrsminister Al-Wazir für die Verbesserung der Nachtruhe ausdrücklich würdigt – auch wenn dort weiter gehende Forderungen formuliert werden. Wer wollte denn nicht, dass im Lärmschutz weitere Fortschritte erzielt werden?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Natürlich sind die Lärmpausen, die im ersten Anlauf geschaffen wurden, nicht das, was alle Lärmbelasteten vollständig zufriedenstellt. Aber sie sind der Anfang einer intensiven Kooperation aller Beteiligten, um mehr Lärmschutz zu erreichen. Genau darin liegt ihr weiter gehender Wert. Der jetzt gegangene Schritt gibt nach unserer Auffassung die richtige Richtung vor.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Meine liebste Opposition in diesem Haus – damit meine ich die SPD –

(Norbert Schmitt (SPD): Das ist eine einseitige Sache!)

ist offensichtlich leider ganz anderer Ansicht. Sie hat sich zwar stets für den Flughafenausbau engagiert und, bis auf zwei Ausnahmen, im Landtag dem Bau der neuen Landebahn ausdrücklich zugestimmt – örtlicher Widerstand wurde dabei eher plattgemacht und übergangen –; aber ein wirkliches Engagement für mehr Lärmschutz, das mindestens dazugehören sollte, ist bislang ausgeblieben.

(Manfred Pentz (CDU): So sieht es aus!)

Obwohl im Landtagswahlprogramm der SPD ausdrücklich gefordert wird – ich zitiere –, „eine konzentrierte Nutzung des Bahnsystems (Lärmpausen) konsequent“ umzusetzen, gibt es diesbezüglich noch kein einziges verheißungsvolles, sachbezogenes Angebot von Ihnen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Wo sind denn Ihre Vorschläge? Verehrte Kolleginnen und Kollegen von der SPD, wie wollen Sie denn durch eine kluge Bahnnutzung die Lärmbelastung der Menschen im

Rhein-Main-Gebiet verringern? Der Kollege SchäferGümbel unterschreibt in Berlin für die SPD die Formulierung: „Generelle Betriebsbeschränkungen mit einem Nachtflugverbot lehnen wir ab.“

Frage an die SPD: Sind Ihnen die bislang geregelten sechs Stunden Nachtflugverbot schon eine zu starke Beschränkung des Luftverkehrs, und halten Sie sich deshalb mit Vorschlägen für weitere Lärmpausen und Lärmreduzierungen so deutlich zurück?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Der Fraktionsvorsitzende der SPD twittert zu den Lärmpausen lediglich seine lustige Schmähkritik und erläutert ergänzend, dass sich seine Kritik gegen den Politsprech richte. Er vergisst vor lauter Freude an seinem Gag aber, dass es nicht um die Befindlichkeiten von Sozialdemokraten geht, sondern darum, den Menschen im Rhein-MainGebiet den durch Fluglärm belasteten Alltag zu erleichtern. Deshalb sind die Auftritte für die hessische Flughafenpartei SPD in meiner Wahrnehmung nichts als armselig.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen von der SPD, warum nehmen Sie sich nicht ein Beispiel an Ihrem Parteifreund Thomas Jühe, dem Vorsitzenden der Fluglärmkommission, der sich, wenn auch durchaus kritisch und nicht ohne Blick auf die eigenen Interessen, sehr konstruktiv an den Maßnahmen beteiligt, die zur Reduzierung der Fluglärmbelastung für alle beitragen? Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, ist es nicht dringend, dass Sie ein paar eigene Vorschläge machen, um die Situation der Menschen im Rhein-Main-Gebiet zu verbessern? Bisher haben Sie sich auf die Forderung nach einem neuen Flughafendialog beschränkt. Sie laden zu Darstellungen ein, und dann kommen die meisten nicht, weil sie von Ihnen nichts mehr erwarten.

Deswegen sage ich: Gehen Sie einen Schritt voran, und bieten Sie Problemlösungen an. Dann können wir darüber diskutieren, wie es weitergeht. Im Augenblick stellen wir fest, dass diese Regierung und die sie tragenden Fraktionen handeln, dass wir mit den Lärmpausen auf dem richtigen Weg sind und dass wir diesen Weg gemeinsam weitergehen wollen. Damit machen wir genau das, was wir versprochen haben, nämlich Hessen verlässlich zu gestalten und Perspektiven zu eröffnen. – Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Kaufmann. – Das Wort hat Frau Abg. Wissler, Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! CDU und GRÜNE haben eine Aktuelle Stunde zu den sogenannten Lärmpausen am Frankfurter Flughafen beantragt. Die GRÜNEN behaupten, damit würden Zehntausende Anwohner entlastet, und die CDU versteigt sich sogar zu dem Titel: „Lärmpausen – Maßnahmen zur Lärmreduzierung gehen weiter“. Damit ist schon der Titel ihrer Aktuellen Stunde falsch.

(Beifall bei der LINKEN)

Durch Lärmpausen wird nämlich kein Lärm reduziert, sondern er wird lediglich anders verteilt.

(Beifall bei der LINKEN)

Durch den abwechselnden Verzicht auf die Nutzung einer Bahn bei stärkerer Nutzung einer anderen soll es abwechselnd eine etwas längere Nachtruhe für die Anwohnerinnen und Anwohner geben – so die Idee. Das heißt im Klartext: Es soll kein Flugzeug weniger fliegen; der Lärm soll lediglich gebündelt und umverteilt werden. Wenn es also für die einen kurzzeitig leiser wird, wird es für die anderen in den sogenannten Nachtrandstunden umso lauter.

Von verlässlichen Pausen kann überhaupt keine Rede sein. Der Minister räumt selbst ein, dass es vom Wetter und von anderen Faktoren abhängt, ob die Lärmpausen überhaupt eingehalten werden können. Wind ist bekanntlich nicht planbar. Der Hessische Rundfunk hat gestern im Radio eine sehr schöne Glosse dazu gebracht, wie Anwohner versuchen, Grillpartys nach dem Wind zu planen. Von Verlässlichkeit kann hier überhaupt keine Rede sein. Niemand weiß nämlich, wie der Wind an den nächsten Tagen weht.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn wir uns anschauen, wie häufig das Nachtflugverbot gebrochen wird, weil Ausnahmegenehmigungen erteilt werden, können wir uns vorstellen, wie oft die sogenannten Lärmpausen nicht eingehalten werden, die auf Freiwilligkeit beruhen und vor Gericht überhaupt keinen Bestand hätten. Sobald die Zahl der Flugbewegungen in den Nachtrandstunden steigt, werden sich die Lärmpausen kaum noch realisieren lassen. Wenn man vom Status quo ausgeht, kann das zwar rechnerisch noch funktionieren; nähert sich aber die Zahl der Flugbewegungen den genehmigten durchschnittlich 133 in den Nachtrandstunden, wird es Kapazitätsprobleme geben.

Ich will auch noch einmal deutlich machen, dass für die Anwohner der neuen Nordwestlandebahn keines der fünf vom Ministerium vorgeschlagenen Modelle eine Entlastung in den Morgenstunden vorgesehen hat. Sie sind immer spätestens ab fünf Uhr vom Fluglärm betroffen und werden aus dem Schlaf gerissen.

Es ist natürlich auch Augenwischerei, den Anwohnern an anderen Orten zu erklären, sie würden entlastet, wenn Flugbewegungen von der Südbahn auf die Centerbahn verlagert würden oder umgekehrt. Beide Bahnen liegen ungefähr 500 m voneinander entfernt, d. h. so dicht beieinander, dass die meisten Anwohner überhaupt keine spürbare Entlastung empfinden werden. Höchstens vielleicht in den Randbereichen der Lärmschleppe kann es mal etwas leiser werden.

Meine Damen und Herren, da wundere ich mich schon, dass Sie sich jetzt hier bejubeln, obwohl alle fünf Lärmpausenmodelle, die das Ministerium vorgeschlagen hat, bei den Bürgerinitiativen und auch bei der Fluglärmkommission faktisch durchgefallen sind. Im Beschluss der Fluglärmkommission von letzter Woche ist nachzulesen – ich zitiere –,

… dass die Kommission die dauerhafte Einführung wie auch die Durchführung eines einjährigen Probebetriebs der Modelle 1, 2 und 3 und gegebenenfalls 5 für … [Westbetrieb] sowie aller Modelle für … [Ostbetrieb] ablehnt (Ablehnungsvotum).

Das heißt, bei Ostbetrieb will man nicht einmal einen Probebetrieb unterstützen. Weiter heißt es:

Für das Modell 4 kann bei Westbetrieb … im Hinblick auf den Lärmpauseneffekt rechnerisch ein Vorteil erkannt werden. Dieser Vorteil geht aber einher mit starken Verschiebungen von Entlastungen und Neubelastungen.

Die Kommission kommt zu dem Schluss:

Trotz des rechnerisch positiven Lärmpauseneffekts will die Kommission daher keine ausdrückliche Aufforderung zur Umsetzung eines Probebetriebs für Modell 4 bei Betriebsrichtung 25 [also Westbetrieb] aussprechen (Neutralvotum).

Herr Al-Wazir, ich stelle fest, Sie haben bei den Lärmpausen eine Schlappe erlebt, die sind vollkommen durchgefallen.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und der FDP)

Die Bürgerinitiativen lehnen sie völlig ab.

(Michael Boddenberg (CDU): Die lehnen doch alles ab, so wie Sie! – Weitere Zurufe von der CDU – Glockenzeichen des Präsidenten)

Das Einzige, wozu sich die Fluglärmkommission durchringen konnte, ist, für ein Modell bei einer Betriebsrichtung kein Veto gegen den Probebetrieb einzulegen. Das ist das Einzige, was Sie erreicht haben. Das soll jetzt bei Westbetrieb ein Jahr erprobt werden, und zwar nur dann, wenn es nicht stürmt und schneit, wenn nirgendwo ein Streik stattfindet und auch sonst nichts Unvorhergesehenes geschieht.

Wir sagen: Eine Umverteilung von Lärm hilft niemandem. Wenn die Bahnen abwechselnd genutzt werden, bedeutet das, die einen haben ein bisschen länger Ruhe, und für die anderen wird es noch lauter. Deshalb ist es gut, dass die Bürgerinitiativen, die Fluglärmgegner in der gesamten Region weiterhin zusammenstehen und nicht zulassen, dass die Pläne des Wirtschaftsministers zum Spaltpilz werden. Denn was der Wirtschaftsminister vorgelegt hat, löst nicht nur das Problem nicht, sondern es ist vielmehr darauf angelegt, die Fluglärmgegner zu spalten und einzelne Kommunen gegeneinander auszuspielen.

Das werden wir jetzt sehen. Denn das Modell 4, das jetzt in den Probebetrieb geht, bedeutet abends eine Entlastung in Offenbach – Herr Al-Wazir, das freut mich sehr für Sie und Ihre Nachbarn –, aber in Hanau und Neu-Isenburg wird es dafür lauter in den Abendstunden. Morgens werden dann Hasselroth und Erlensee stärker belastet. Das löst das Problem überhaupt nicht, es schafft neue Betroffenheiten. Und ob die Lärmpausen überhaupt regelmäßig eingehalten werden, steht in den Sternen.

Deswegen sagen wir, wir müssen das Problem grundsätzlich angehen. Die Grenzen des Wachstums des Frankfurter Flughafens sind lange überschritten.

(Michael Boddenberg (CDU): Was heißt das jetzt?)

Der Flughafen liegt nun mal inmitten eines Ballungsgebiets, und die enorme Lärm- und Schadstoffbelastung gefährdet die Gesundheit der Menschen in der ganzen Region. Wir meinen, dass die Lebensqualität und die Gesundheit der Menschen Priorität haben müssen vor den Profitinteressen von Fraport und Lufthansa.

(Beifall bei der LINKEN)

Wie die Bürgerinitiativen lehnen auch wir alle fünf vom Ministerium vorgeschlagenen Modelle ab. Wir wollen das „Modell 8“, nämlich acht Stunden Nachtflugverbot ohne Wenn und Aber, so wie es die GRÜNEN den Wählerinnen und Wählern im Wahlkampf versprochen haben.

(Beifall bei der LINKEN – Günter Rudolph (SPD): Das war vor der Wahl! – Michael Boddenberg (CDU): Was ist mit der Nordwestbahn?)