Protokoll der Sitzung vom 05.02.2015

Ich hätte mir gewünscht, dass Sie in Ihrem Antrag die berechtigten Ängste der Flüchtlinge aufnehmen, die einen unsicheren Aufenthaltsstatus haben und Anfeindungen ausgesetzt sind. Ich finde, deren Ängste und Sorgen sollten wir als Politik endlich einmal ernst nehmen, statt hier rassistische Bewegungen zu hofieren.

(Zuruf des Abg. Manfred Pentz (CDU))

Ich will nur darauf hinweisen: In den letzten Jahren gab es viele Bewegungen, die sehr viel mehr Menschen auf die Straße gebracht haben,

(Zurufe der Abg. Holger Bellino und Horst Klee (CDU))

ohne dass Günther Jauch wöchentlich Sendungen dazu gemacht hat und ohne dass Spitzenpolitiker sie deshalb ernst genommen hätten. Ich finde es wichtig, dass der Landtag jede Form von Rassismus zurückweist, und ich hätte mir gewünscht, dass wir das so hinbekommen hätten wie in Frankfurt, wo alle Parteien gemeinsam eine Erklärung abgegeben haben und gemeinsam zur Demonstration aufgerufen haben.

(Clemens Reif (CDU): Nach dieser Rede?)

Ich hätte mir gewünscht, dass wir das im Landtag auch hinbekommen hätten.

(Beifall bei der LINKEN)

Es reicht aber nicht aus, Rassismus zurückzuweisen. Wir müssen auch sehen, wie Vorurteile und Hass entstehen und dass PEGIDA nicht vom Himmel gefallen ist.

Wer über PEGIDA spricht, der darf über den Rassismus der sogenannten Mitte der Gesellschaft nicht schweigen. Es waren doch die Sarrazins, die mit dem Nimbus „Das wird man doch einmal mutig sagen dürfen!“ angebliche Wahrheiten aussprechen.

(Thorsten Schäfer-Gümbel und Nancy Faeser (SPD): Stimmt!)

Dabei verkünden sie weder Wahrheiten, noch ist es mutig, Stimmungen gegen Minderheiten zu schüren.

Wer PEGIDA das Wasser abgraben will, darf solche Stimmungen nicht schüren und ihnen nicht hinterherlaufen oder in vorauseilendem Gehorsam ihren Forderungen nachkommen.

(Zuruf des Abg. Clemens Reif (CDU))

Wer sich die Forderungen von PEGIDA und AfD zu eigen macht, der stärkt sie. Das hat die CSU-Kampagne „Wer betrügt, der fliegt!“ ganz deutlich gezeigt. Der ehemalige CSU-Europaabgeordnete Posselt kritisierte diesen Wahlkampf mit den Worten: Man soll nie versuchen, das Stinktier zu überstinken. – Ich ergänze: Denn wenn sich die schlechten Gerüche erst einmal ausgebreitet haben, wird man sie nicht mehr los.

Deshalb fand ich es auch sehr wichtig, dass Gabriele Scherle als Vertreterin der evangelischen Kirche bei der Kundgebung in Frankfurt darauf hingewiesen hat, dass der Kampf gegen Rassismus auch den Kampf gegen den sozialen Nährboden beinhaltet, auf dem rechte Ideologien gedeihen. Sie sagte:

Wer die soziale Spaltung fördert, wer die sozialen Sicherungssysteme mutwillig beschädigt und die Lohnarbeit unter die Existenzsicherung drängt, der bereitet den Boden für die Verachtung unserer Gesellschaft. Wer den Kult der Stärke und der Leistungsfähigkeit betreibt und den Schwachen keine Chance gibt, verrät die Solidarität, die unsere Gesellschaft zusammenhält.

Ich will ergänzen: Statt schärferer Einwanderungs- und Asylgesetze, statt einer Abschottungspolitik brauchen wir offene Grenzen für Menschen in Not. Das Asylrecht darf nicht immer weiter verschärft und ausgehöhlt werden, wie es durch Dublin II, durch die Drittstaatenregelung und das Flughafenverfahren, die sogenannten sicheren Herkunftsländer, geschehen ist. Heute gibt es für Flüchtlinge kaum noch einen legalen Weg, nach Deutschland einzureisen. Das Mittelmeer ist faktisch zu einem Massengrab geworden, weil die EU mit Frontex auf Abschottung statt auf Hilfe setzt.

In einer der reichsten Volkswirtschaften der Welt muss es möglich sein, mehr Flüchtlinge aufzunehmen und sie menschenwürdig unterzubringen.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, PEGIDA wendet sich gegen eine „Islamisierung des Abendlandes“ und bezieht sich auch hier auf Stimmungen, die seit Jahren geschürt werden. Vielerorts stehen Muslime unter Generalverdacht. Sie gerieten im Zuge vermeintlicher Terrorismusbekämpfung ins Visier von Ermittlungsbehörden und sind Vorurteilen ausgesetzt.

PEGIDA versucht jetzt, die Anschläge von Paris und den Terror des IS zu nutzen, um in Deutschland Stimmung gegen Flüchtlinge und Muslime zu machen – obwohl viele dieser Flüchtlinge gerade vor dem Terror des IS geflohen sind.

Die Muslime in Deutschland haben nichts mit IS zu tun – genauso wenig wie die Christen mit dem Ku-Klux-Klan, auch wenn sich der christlich nennt.

Wenn von muslimischen Verbänden immer wieder gefordert wird, sie müssten sich doch von Terror, Krieg und Gewalt distanzieren – was sie im Übrigen auch immer wieder tun –, dann frage ich: Warum wird das eigentlich gefordert? Es ist doch die Aufgabe aller, aufzustehen gegen Krieg, gegen Unterdrückung und Verfolgung – ganz gleich, im Namen welcher Religion Verbrechen verübt wurden.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Problem ist nicht, dass sich die muslimischen Gemeinden nicht klar von Terror und Gewalt abgrenzen. Das tun sie, bis auf wenige Ausnahmen. Ich frage aber: Wo waren denn die Lichterketten, als Marwa El-Sherbini in einem deutschen Gerichtssaal erstochen wurde, weil sie Muslimin war? Wo waren die Zivilgesellschaft und der Rechtsstaat, als neun Menschen mit Migrationshintergrund vom NSU ermordet wurden und die Sicherheitsbehörden sie und ihre Familien zu Tätern gemacht haben, statt vorurteilsfrei zu ermitteln?

Frau Wissler, kommen Sie bitte zum Schluss.

Ich komme zum Schluss. – Wenn Muslime, Juden, Menschen mit Migrationshintergrund, Flüchtlinge angefeindet werden, wenn Moscheen und Synagogen angegriffen werden, dann ist das ein Angriff auf die Demokratie insgesamt. Ich denke, es ist die Aufgabe aller Demokraten, sich dem entgegenzustellen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN und des Abg. Lothar Quanz (SPD))

Danke, Frau Wissler. – Zu einer Kurzintervention hat sich Herr Klose von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gemeldet.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Wissler, ich muss mich dagegen verwahren, dass Sie versuchen, an einer wichtigen Stelle unseren Antrag bewusst misszuinterpretieren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Ich will das noch einmal bekräftigen: Ja, wir nehmen zur Kenntnis, dass in Dresden und auch in anderen Städten diese Demonstrationen stattfinden. Und ja, es ist unsere Aufgabe, gerade als politisch Verantwortliche, Sorgen der Bevölkerung ernst zu nehmen und berechtigte Anliegen aufzugreifen.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Aber was ist das „berechtigte Anliegen“?)

Das heißt aber nicht, dass wir mit unserem Antrag die Anliegen all derer, die in Dresden und anderswo demonstrieren, für berechtigt erklären.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Dies mag von Ihnen eine, mit Verlaub, böswillige Vermischung dieser beiden Sätze sein. Sie sind so nicht in unserem Antrag enthalten,

(Heike Habermann (SPD): Es ist aber so interpretierbar!)

und ich verwahre mich dagegen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Danke, Herr Klose. – Frau Wissler, Sie haben Gelegenheit zur Antwort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Klose, zunächst einmal: Selbstverständlich weiß ich, dass sich GRÜNE PEGIDA in den Weg stellen und dass die GRÜNEN in Frankfurt und an vielen anderen Orten mit demonstrieren; und natürlich ist mir auch klar, dass die GRÜNEN die Anliegen von PEGIDA nicht teilen. Deshalb sind selbstverständlich die GRÜNEN – wie auch andere Parteien – für uns Bündnispartner im Kampf gegen Rassismus und gegen PEGIDA.

Ich war aber in der Tat überrascht, als ich diesen Satz gelesen habe. Ich möchte Sie bitten, darüber nachzudenken, ob man diesen Satz wirklich so im Antrag haben möchte. Er lautet – ich sage es nochmals –:

Seit wenigen Wochen finden in Dresden und einigen anderen Städten regelmäßig Demonstrationen statt, die sich „gegen eine Islamisierung des Abendlandes“ richten. Der Landtag ist sich seiner Aufgabe bewusst, einerseits Sorgen der Bevölkerung ernst zu nehmen und berechtigte Anliegen aufzugreifen und andererseits allen Versuchen, Hass und Gewalt in die Gesellschaft zu tragen, entschlossen zu begegnen.

(Zurufe von der CDU)

Dazu habe ich die Frage:

Eine ganz kurze Frage, bitte.

Was ist das „berechtigte Anliegen“ dabei, das Sie „aufgreifen“ möchten? Bei den Rassisten, bei diesen rechten Strukturen, die hier in Hessen auf die Straße gegangen sind, kann ich, ehrlich gesagt, weder Ängste erkennen,

(Zurufe von der CDU)

noch kann ich „berechtigte Anliegen“ erkennen. – Vielleicht denken Sie noch einmal darüber nach, ob Sie diesen Satz wirklich so zur Abstimmung stellen wollen.

Frau Wissler, Sie müssen zum Schluss kommen.