Protokoll der Sitzung vom 05.02.2015

Frau Wissler, Sie müssen zum Schluss kommen.

Ich finde, wir müssen uns mit dem Rassismus auseinandersetzen. Wir müssen den Rassismus widerlegen. Wir dürfen die Anliegen aber doch nicht „aufgreifen“. Um Gottes willen, das wäre ein Fehler. Gerade das dürfen wir doch nicht machen. Wir dürfen deren Forderungen deshalb nicht aufgreifen, weil sie nicht berechtigt sind. Wir müssen den Anliegen etwas entgegensetzen, statt sie aufzugreifen. Deshalb die Bitte – vielleicht kann man ja den Antrag an den zuständigen Ausschuss überweisen –, über diese Formulierung noch einmal nachzudenken.

(Beifall bei der LINKEN und der Abg. Heike Haber- mann (SPD))

Danke, Frau Wissler. Ich bitte um Entschuldigung, die Technik hat hier etwas anderes angezeigt, als es im realen Leben der Fall war.

Es spricht als Nächster Herr Pentz für die CDU-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Schauen wir auf einzelne Regionen unseres Landes und dort in die Mitte der Gesellschaft, dann sehen wir seit Oktober letzten Jahres jeden Montag Zigtausende Menschen, die in Dresden und einigen anderen Städten regelmäßig an Demonstrationen gegen eine „Islamisierung des Abendlandes“ teilnehmen. Diese Menschen haben Ängste, tragen Bedenken. Sie haben komische Gefühle, sie sehen ihre Sicherheit durch nationale und internationale Konflikte bedroht, den inneren und äußeren Frieden Deutschlands und Europas anscheinend gefährdet.

Es ist falsch, alle Teilnehmer an diesen Demonstrationen als islamfeindlich oder rechtsextrem zu brandmarken.

(Beifall bei der CDU)

Genauso falsch ist es aber, über islamfeindliche oder rechtsextremistische Äußerungen von Protagonisten dieser Demonstrationen hinwegzusehen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir müssen berechtige Anliegen aufgreifen. Wir müssen aber allen Versuchen, Hass und Gewalt in die Gesellschaft zu tragen, entschlossen entgegentreten.

Sehr geehrte Frau Kollegin Faeser, wenn Sie in unserem Antrag den roten Faden vermissen, dann muss ich Ihnen Folgendes entgegenhalten. Vor einigen Wochen haben wir von Ihrer Generalsekretärin, Frau Fahimi, gehört: Wir reden nicht mit PEGIDA. – Heute steht in der „Bild“-Zeitung: „Sigmar Gabriel: PEGIDA gehört zu Deutschland“. – Frau Fahimi sagt heute in der „Bild“-Zeitung: „Ich habe auch schon mit Neonazis gesprochen“. – Ich will das gar nicht bewerten; das steht mir auch gar nicht zu. Ich muss aber sagen: Wir haben keinen Bedarf, uns von Ihnen sagen zu lassen, dass das Wesentliche nicht in unserem Antrag stehe.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, für uns als schwarz-grüne Koalition steht fest: In Hessen und in Deutschland ist kein Platz für Hetze und Verleumdung von Menschen, die aus anderen Ländern zu uns kommen. Dazu heißt es in unserer „Künzeller Erklärung“, die unser Fraktionsvorsitzender auch gestern angesprochen hat – ich zitiere –:

Die christliche Prägung unseres Landes ist mit der Verantwortung zu Respekt, Offenheit und Toleranz gegenüber anderen Religionsgemeinschaften untrennbar verbunden.

Hessen ist und bleibt ein weltoffenes, tolerantes Land, das wie kein zweites von seiner Internationalität und Vielfalt und damit von Respekt vor der Unterschiedlichkeit geprägt ist und in dem Rassismus und Menschenfeindlichkeit keinen Platz haben.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Für uns sind aus diesem Grunde die Meinungs-, die Presseund die Versammlungsfreiheit unveräußerliche Grundrechte, die unter einem besonderen Schutz des Grundgesetzes und der Hessischen Verfassung stehen. Diese Freiheiten sind ein hohes Gut – ein Gut, das wir uns durch keinen Terror dieser Welt nehmen lassen.

Mit der Ausübung der Freiheitsrechte geht allerdings stets eine besondere Verantwortung einher. Wir dürfen es deshalb nicht hinnehmen, wenn elementare Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger oder die Freiheit der Berichterstattung durch Einschüchterung oder Gewaltanwendung bedroht werden. Wir dürfen es aber auch nicht zulassen, dass genehmigte Demonstrationen – wie die in Leipzig – durch Sitzblockaden behindert werden. Schon gar nicht ist es zu tolerieren, wenn daran Abgeordnete des Bundestages oder von Landtagen beteiligt sind. Es ist nicht hinzunehmen, wenn einige zwar das Demonstrationsrecht für sich reklamieren, die Versammlungsfreiheit friedlicher Demonstranten, die eine andere Meinung vertreten, aber mit Gewalt angreifen.

(Beifall bei der CDU – Zurufe von der SPD und der LINKEN)

Wir dürfen nicht zulassen, dass Menschen unter Berufung auf ihre Religion unsere freiheitliche Gesellschaft oder Weltanschauung bekämpfen.

Wir dürfen nicht übersehen, dass die Menschen durch ihre Teilnahme an den Demonstrationen ihre Ängste und ein Gefühl des Unverstandenseins und des Nichtgehörtwerdens zum Ausdruck bringen wollen. Ich appelliere daher an die Demonstranten, die sich von PEGIDA gerufen fühlen, an die Gegendemonstranten und an die Medien, sich ihrer Verantwortung für das friedliche Miteinander und den Zusammenhalt in unserem Land bewusst zu sein.

Unser Land hat sich in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten stark verändert. Die Zuwanderung stellt uns vor Herausforderungen, die wir tatkräftig anpacken müssen, deren Schwierigkeiten wir aber auch nicht schönreden dürfen. Die Zehntausende, die PEGIDA Woche für Woche folgen, sind mit vielem unzufrieden. Das scheint von der GEZ-Gebühr über die hohe Zahl von Zuwanderern bis hin zu Angst vor Arbeitslosigkeit zu reichen. Anscheinend drängt hier das Magma unrepräsentierten Empfindens in Deutschland nach oben, in Dresden als Vulkan und in anderen deutschen Städten eher als kleiner Geysir. An dieser Stelle müssen wir aber dringend versuchen, diesen Ent

wicklungen entgegenzuwirken und den Menschen Antworten auf ihre Fragen zu liefern. Unterdrücken lässt sich ein solcher Vulkanismus auf Dauer nicht.

Wir als hessische CDU sind aus diesem Grund am vergangenen Wochenende zusammengekommen und haben uns in unserer „Künzeller Erklärung“ eine Standortbestimmung gegeben. Alle unsere Abgeordneten sind tief in den Wahlkreisen verwurzelt. Sie nehmen jeden Tag die Dinge auf, die die Menschen bedrücken, und sie nehmen die Stimmungen sehr ernst und sehr gut wahr. Es hilft uns nicht, meine Damen und Herren, ständig nur die Probleme zu benennen, sondern wir müssen den Menschen auch Antworten auf ihre Fragen geben.

(Gernot Grumbach (SPD): Welche denn?)

Mit unserer „Künzeller Erklärung“ haben wir versucht, auf das Spannungsverhältnis zwischen der Freiheit und der Verantwortung des Staates und jedes Einzelnen Antworten zu geben. Wir dürfen als demokratisch gewählte Politiker nicht wegschauen, wenn sich Bürgerinnen und Bürger von der Demokratie abwenden, sondern wir alle müssen Anstrengungen unternehmen, dass sich die Bürger aktiv an der Demokratie als Grundlage unserer Staatsordnung beteiligen.

Meine Damen und Herren, ich bitte Sie ausdrücklich, unseren Entschließungsantrag zu unterstützen. Setzen Sie gemeinsam mit uns ein Zeichen für die Freiheit, für die Verteidigung der Freiheit und für Freiheitsrechte in unserem Land. Lassen Sie uns alle gemeinsam darum kämpfen, den Menschen ihre Ängste zu nehmen.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Danke, Herr Pentz. – Für eine Kurzintervention hat sich Frau Faeser, SPD-Fraktion, zu Wort gemeldet.

Herr Präsident! Herr Pentz, Ihre Rede hat bestätigt, warum man bei Ihnen einen roten Faden vermisst. Ich will es noch einmal sagen: Wenn die CDU Hessen nicht in der Lage ist, klare Kante zu zeigen – wie es z. B. auch heute Morgen im Zusammenhang mit Herrn Irmer der Fall war; der Landesvorsitzende hat sich bis heute nicht eindeutig geäußert –, dann tun Sie etwas, was leider in bestimmten Teilen der Gesellschaft auf fruchtbaren Boden fällt.

(Zuruf der Abg. Judith Lannert (CDU))

Es geht darum, dass Sie z. B. nicht zur Kenntnis nehmen, Frau Lannert, was gerade in Dresden passiert. Dadurch, dass nicht klare Kante gezeigt wurde, kommt es in Dresden jetzt vermehrt zu Beleidigungen und auch Übergriffen auf Migranten. Dem muss man entschieden entgegentreten. Das tun Sie mit Ihrem heutigen Antrag leider nicht.

(Karin Wolff (CDU): Das tun wir jederzeit!)

Nein, das tun Sie nicht. – Ich will noch einmal etwas zu Herrn Gabriel sagen. Herr Pentz, Sie haben mich auf das angesprochen, was er gesagt hat. Meine Worte wären es nicht gewesen, die er im „Stern“ gewählt hat. Das sage ich ausdrücklich.

(Zurufe von der CDU)

Nein. – Man kann es aber etwas deutlicher formulieren, und ich will das mit einem Zitat von Evelyn Beatrice Hall machen, das häufig Voltaire zugeschrieben wird. Ich zitiere:

Ich missbillige, was du sagst, aber würde bis auf den Tod dein Recht verteidigen, es zu sagen.

Das wäre eleganter gewesen. Das können Sie mit Sicherheit auch unterschreiben. – Herr Pentz nickt.

So etwas lässt sich oft nicht vermeiden, wenn man mit Menschen ins Gespräch kommt. Unsere Jusos – es sind zehn Jusos – sind in der Wetterau allein damit beschäftigt, Jugendliche aus einem rechtsextremen Umfeld herauszuziehen. Natürlich muss man, damit das einem gelingt, mit ihnen reden. Aber man muss das, was sie sagen, nicht teilen. Man muss auch deutlich machen, dass man nicht teilt, was sie sagen. Das ist der entscheidende Unterschied, den Sie in Ihrem Antrag leider nicht machen.

(Beifall bei der SPD)

Danke, Frau Faeser. – Herr Pentz verzichtet auf eine Erwiderung.

Dann erteile ich für die Landesregierung Herrn Innenminister Beuth das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Faeser, ich möchte beim letzten Punkt beginnen. Sie haben sich in Ihrem Redebeitrag gegenüber der FDP beklagt, dass Themen hier unzulässig vermischt worden sind. Dazu muss ich aber sagen: Sie haben in Ihrer Stellungnahme gerade zwei Debatten vermischt, die wirklich nicht zusammengehören. Das sollten wir uns an dieser Stelle ersparen.

(Beifall bei der CDU)

Ich finde, wir sind gut beraten, wenn wir heute im Hessischen Landtag vor allem versuchen, die Gemeinsamkeiten zu betonen. Ich glaube nämlich, das war am Ende das Ziel der FDP. Aber es war auch unser Ziel, dass wir gemeinsam Haltung zeigen gegenüber Protestformen in unserem Land, die wir hier angesprochen haben.

Wir haben zur Kenntnis zu nehmen, dass wir größere Demonstrationen im Land haben, insbesondere in Dresden. Ich glaube, dass es, wenn dort 20.000 Menschen auf die Straße gehen, etwas anders zu bewerten ist, als wenn an einem anderen Ort 100, 200 oder 300 Menschen auf die Straße gehen. Ich will zumindest andeuten, dass man diese Differenzierung vielleicht vornehmen sollte.

Das, was von Dresden aus in den Rest des Landes hinübergeschwappt ist, hängt – das ist hier beschrieben worden – mit diffusen Ängsten vor Flüchtlingen und vor Muslimen zusammen. Es ist eine Unzufriedenheit über die Politik zum Ausdruck gebracht worden, die nicht so recht einzuordnen ist. Ich will gleich versuchen, das ein bisschen aufzubohren.

Uns eint aber, wir sind besorgt, dass Menschen über ihre Ängste instrumentalisiert werden. Diese Sorge ist es doch, die uns eint. Das Schüren von Vorbehalten gegenüber Flüchtlingen, gegenüber Muslimen und gegenüber dem Is

lam ist das Unverantwortliche, und die Sorge darüber eint uns in diesem Landtag. Dann lassen Sie uns das doch betonen.

(Beifall bei der CDU, der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)