Protokoll der Sitzung vom 06.02.2014

Gerade wir Europäer können nicht neutral bleiben; denn dort wird auch für unsere Werte gestritten. Ich glaube, wir sind uns einig darin, dass die schwer angeschlagene Ukraine Hilfe braucht. Dies sollten wir alle politisch unterstützen. Vor allem müssen wir als Demokraten die Europäische Union darin unterstützen, sich dafür einzusetzen, dass es zu einem für beide Seiten tragfähigen Kompromiss kommt. Es ist notwendig, darauf zu dringen, dass die Verantwortlichen in der Ukraine die Menschenrechte achten. Ich sage ganz deutlich: Nur so können die Zunahme von Gewalt und schlimmstenfalls sogar ein Bürgerkrieg verhindert werden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, dies ist ein Signal, das der Hessische Landtag gegen die Menschenrechtsverletzungen in der Ukraine aussenden muss. Ein Volk ist nur dann frei, wenn die Bürger gehört werden und nicht daran gehindert werden, ihren Willen zu äußern. Ein Land, das seine Bürger unterdrückt, hat keine Zukunft. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der CDU und der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Hammann. – Das Wort hat Frau Abg. Beer, FDP-Fraktion.

Herr Präsident, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Auf dem Maidan kämpfen Menschen um ihre Rechte. Sie kämpfen für Demokratie, für Rechtsstaatlichkeit, für ihre Meinungs- und Demonstrationsfreiheit, vor allem für das Ende der Willkür durch die vorhandene Exekutive; und damit kämpfen sie – ich glaube, das ist wirklich das Bedeutsame – für europäische Werte und für Demokratie.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, das verdient nicht nur unseren Respekt; es verdient vor allem auch unsere Unterstützung. Es zeigt die Attraktivität der europäischen Idee sehr deutlich, die sich ja vor allem auf Frieden, auf Demokratie und auf Freiheit stützt. Ich halte es für notwendig – Herr van Ooyen, gerade da ich Ihren Redebeitrag gehört habe –, dass wir als Europäer sehr deutlich aussenden, gerade in die Richtung Russlands, dass, wenn wir uns als Europäer um die Ukraine, um die Auseinandersetzung um Freiheit und Demokratie kümmern, dies keine Einmischung ist, sondern der Ausdruck der europäischen Wertegemeinschaft, in die ich die Ukraine mit einbeziehe.

(Beifall bei der FDP, der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich denke, wir können alle miteinander nachempfinden, wie groß die Enttäuschung in der Ukraine war, ein bereits fertig paraphiertes Abkommen mit der EU dann doch nicht zu unterzeichnen. Was vordergründig vielleicht aussehen mag wie das Preisehochtreiben des dortigen Präsidenten, ist in Wahrheit ein unverhohlener Kampf Russlands und Putins um die russische Einflusssphäre.

Herr van Ooyen, so richtig es ist, nicht wieder einen neuen Kalten Krieg zu inszenieren, so wenig kann ich, um ein Schröder-Zitat zu verwenden, Ihre Ausführungen zu dem „lupenreinen Demokraten“ Putin teilen.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Was hat er denn gesagt?)

Vielleicht lassen Sie mich erst einmal ausreden.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Anhaltende Un- ruhe bei der LINKEN – Glockenzeichen des Präsi- denten)

Putin äußert relativ unverhohlen, dass er es für den größten Fehler des 20. Jahrhunderts hält, dass man die Staaten der

ehemaligen UdSSR aus der Einflusssphäre Russlands entlassen habe.

(Dr. Ulrich Wilken (DIE LINKE): Und das haben wir begrüßt?)

Ich habe gar nicht gesagt, dass Sie das begrüßt haben, aber die Art und Weise, wie Herr Kollege van Ooyen Russland und die notwendigen Beziehungen zu Russland dargestellt hat, ließ einen hier doch vermuten, dass Sie ernsthaft der Ansicht seien, dass ein „lupenreiner Demokrat“ am Hebel ist.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Wollen Sie die Beziehungen zu Russland abbrechen?)

Ich glaube, dass es genau diese Auseinandersetzung ist, die die Menschen auf dem Maidan für ihre wirkliche Freiheit streiten lässt.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Hermann Schaus (DIE LINKE): Dann vermuten Sie mal weiter! Schröder hat gesagt, dass Putin ein „lupenreiner Demokrat“ ist, sonst keiner!)

Die Art und Weise, wie sich Herr Putin in dieser Auseinandersetzung aufstellt, zeigt uns doch auch, wie wichtig es war, dass wir die Europäische Union erweitert haben, dass die baltischen Staaten, die osteuropäischen Staaten bis hin zu Rumänien, Bulgarien und Kroatien auf dem Balkan mittlerweile zur Europäischen Union gehören und mit uns dieselben Grundrechte teilen. Deswegen füge ich an dieser Stelle auch hinzu: Ich halte es für plumpe Stimmungsmache, gerade in solch einer Situation die europäischen Grundfreiheiten, inklusive der Freizügigkeit, infrage zu stellen.

(Beifall bei der FDP)

Wir könnten uns kaum ausmalen, was passieren würde, wenn wir diese Osterweiterung der Europäischen Union nicht gehabt hätten, wie schnell auch diese Länder wieder unter den Druck Russlands gelangen würden und genau in dieselben Problemlagen einbezogen würden wie momentan die Ukraine.

(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Insofern ist die Ukraine insbesondere ein wichtiges Feld der Auseinandersetzung um die Freiheit. Während der Internationale Währungsfonds und die EU darauf bestehen müssen, dass die Verwendung der in Aussicht gestellten Gelder transparent dargelegt wird, lockt Putin mit lockerem Geld, egal wer sich damit die Taschen vollmachen möchte, und führt seinen Kampf über Gas und Gaspreise.

Ich denke, es ist wirklich wichtig, dass Europa ein deutliches Zeichen setzt. Auch wenn wir wissen – es ist eben schon darauf hingewiesen worden –, dass sich die Opposition wahrscheinlich nur so lange wirklich einig ist, wie es um die Absetzung von Janukowitsch geht, ist es meines Erachtens wichtig und richtig, dass die Europäische Union im Sinne ihrer Wertegemeinschaft agiert, dass sie sich einsetzt für Freiheit, für die Garantie der Menschenrechte, für den Gewaltverzicht und für die Möglichkeit, wirkliche, freie und geheime Wahlen in der Ukraine durchzuführen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Frau Kollegin Beer, Sie müssen zum Schluss kommen.

Meines Erachtens könnte die Wiedereinsetzung der Verfassung von 2004 eine Brücke darstellen, gerade weil sie die Macht – oder, besser gesagt: die Übermacht – des Präsidenten einschränkt. Aber wir müssen in diesem Zusammenhang eben auch schauen, dass die Ukraine neben dieser demokratischen Perspektive auch eine wirtschaftliche Perspektive bekommt. Die Ukraine braucht den Beistand der Europäischen Union, gerade eines starken Mitgliedstaats wie der Bundesrepublik Deutschland, damit sie weiterhin konsequent und nachhaltig auf dem Weg der Freiheit voranschreiten kann. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP, der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. – Das Wort hat Frau Staatsministerin Puttrich.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Vorhin ist die Frage gestellt worden, warum sich der Hessische Landtag mit den Verhältnissen in der Ukraine beschäftigt. Ich sage: Wir beschäftigen uns deshalb mit den Verhältnissen in der Ukraine, weil wir überzeugte Europäer sind,

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

weil wir Menschen unterstützen und mit ihnen solidarisch sind, die für Frieden, Freiheit und Demokratie kämpfen, weil Hessen mitten in Europa liegt und weil die Grundwerte und die Werteunion, die Europa bedeutet, uns alle miteinander verbinden.

Es ist eben zu Recht darauf hingewiesen worden, dass die Menschen dort für das kämpfen, was auch uns in Deutschland und in Europa miteinander verbindet. Wir haben in unserem Grundgesetz geregelt, dass die Würde des Menschen unantastbar ist. „Die Würde des Menschen ist unantastbar“; und das ist unverletzlich und unveräußerlich. Im Grundgesetz, in Art. 20, ist genauso geregelt, dass die Demokratie als Staatsform gelten soll. Das, was in Deutschland geregelt ist, ist auch das, was uns in der europäischen Werteunion miteinander verbindet. Wir sind deshalb in einer europäischen Werteunion erfolgreich, weil genau das die Klammer ist, die uns eint und die die Garantie für Frieden und Freiheit ist. Das ist der Grund, warum es notwendig ist, dass sich auch der Hessische Landtag mit dieser Thematik auseinandersetzt und die Hessische Landesregierung klare Worte spricht, schlicht und einfach weil die Menschen, die in der Ukraine für Frieden und Freiheit kämpfen, jedes Zeichen der Solidarität brauchen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Jeder Mensch, der dort steht, der dort bedroht wird, der verletzt wird, und Menschen, die zu Tode kommen, haben

unsere Aufmerksamkeit verdient. Wir sollten zumindest das tun, dass wir jedem ein Zeichen der Solidarität senden, um zu zeigen: Wir akzeptieren nicht, wenn Menschenrechte verletzt werden. Deshalb beschäftigt sich der Hessische Landtag heute auch zu Recht mit diesem Thema.

Sehr geehrte Damen und Herren, man könnte es mit Gelassenheit betrachten und sagen: Was geht es uns an? – Es geht uns sehr viel an, wenn wir erleben, dass dort Menschen verhaftet werden, dass Menschen ihre Gesundheit und ihre Freiheit riskieren. Ich glaube, da hilft auch keine Relativierung in gut oder schlecht. Da muss man sagen: Immer, wenn Recht verletzt wird, müssen wir unsere Stimme erheben und Solidarität zeigen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dazu gehört selbstverständlich auch, dass ein entsprechender Austausch, dass Gespräche stattfinden, dass Kommunikation stattfindet. Deshalb gibt es die unterschiedlichsten Besucher, die im Moment in die Ukraine kommen. Gestern war Frau Ashton dort, um die entsprechenden Gespräche zu führen und zu sehen, wie man unterstützen kann. Das eine sind die solidarischen Worte, die man ausdrücken kann. Das andere sind selbstverständlich auch konkrete Hilfen.

Wenn man sieht, dass Putin – das muss man in dieser Deutlichkeit sagen – auf ein Land finanziellen Druck ausübt, das sich nach Europa orientieren möchte, dann ist das unerträglich. Es ist unerträglich, wenn über finanziellen Druck und über die Nichtunterzeichnung des Assoziierungsabkommens des Präsidenten aus der Ukraine in der Art und Weise eine Wegorientierung von Europa und eine Zuwendung zu Russland geschehen soll. Die Menschen, die dort demonstrieren, haben sich ein Stück entschieden, wofür sie eintreten wollen. Sie haben das Recht, dies entsprechend zu tun. Es ist zu Recht darauf hingewiesen worden, dass dies ein Thema ist, das selbstverständlich in der Ukraine entschieden werden muss.

Aber das muss, bitte schön, in einer demokratischen Auseinandersetzung geschehen. Das muss in freien und geheimen Wahlen geschehen, sodass die Menschen sich entscheiden können und nicht der Staat für sie entscheidet.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Vizepräsidentin Heike Habermann übernimmt den Vorsitz.)

Deshalb ist es auch vollkommen richtig, wenn die Opposition die entsprechenden Forderungen stellt, dass dort freie Wahlen durchgeführt werden können und die Menschen von ihrer Seite dazu beitragen können, dass die Macht des Präsidenten nicht unbegrenzt ist. Die Macht des Präsidenten ist dort in einem hohen Maße vorhanden. Im Moment werden Menschenrechte unterdrückt.

Im Moment passiert in der Ukraine in der Tat Folgendes: Es gibt eine Diskussion, bei der man vermeiden muss, dass es eine Spaltung dieses Landes gibt – eine Spaltung in proeuropäische und prorussische Kräfte. Das hilft keinem. Denn wir wollen, dass den Menschen dort geholfen wird. Deshalb sind dazu auch die unterschiedlichsten Gespräche notwendig. Wenn die Europäer dort von ihrer Seite finanzielle Unterstützung zusagen oder anbieten, dann möchte ich ganz klar und deutlich sagen, dass es nicht das Interesse an der wirtschaftlichen Entwicklung ist, das Europa in den Vordergrund stellt, sondern hier ist immer wieder zu

sagen, dass die Europäische Union eine Werteunion ist. Wenn hier finanzielle Angebote gemacht werden, dann werden sie deshalb gemacht, um die Stabilität dieses Landes zu sichern und die Ukraine nicht unter den Druck und den Geldhahn von Russland zu setzen, sodass Russland hinterher sagen kann, dass es ihn aufdreht oder schließt.

Frau Präsidentin, ich weise darauf hin, dass die Redezeit der Fraktionen abgelaufen ist.

Ich bin zwar nicht die Präsidentin, sondern die Ministerin, aber ich werde meine Rede entsprechend beenden.

(Heiterkeit bei der CDU)