Protokoll der Sitzung vom 06.02.2014

(Alexander Bauer (CDU): Zwei Fraktionen haben gesagt, dass es gut ist!)

Soll ich noch einmal benennen, welche es waren? Oder erinnern wir uns noch? Ich glaube, es waren vor allem die SPD, DIE LINKE und die GRÜNEN. Wenn die GRÜNEN auf dem Podium gesessen haben, haben sie jedes Mal gesagt: Wir holen dieses Gesetz zurück, sollte es zum Tragen kommen.

Das haben Sie auch in Ihr Wahlprogramm geschrieben. Da heißt es nämlich – ich darf zitieren –:

Und wir wollen die Qualität der Kinderbetreuung verbessern, damit Bildungsprozesse für Kinder individuell, kontinuierlich und auf hohem Niveau gestaltet werden können. Kindergärten sollen sich zu Bildungsgärten und Familienzentren weiterentwickeln. In diesem Sinne werden wir das sogenannte Kinderförderungsgesetz … umgehend nach einem Regierungswechsel grundlegend überarbeiten und für eine faire Finanzierung aller Träger sorgen. Behinderte und nicht behinderte Kinder sollen gemeinsam aufwachsen können. Bei allen unseren bildungspolitischen Maßnahmen ist uns die Umsetzung des Ziels der Inklusion ein wichtiges Anliegen.

(Beifall bei der LINKEN)

So weit will ich aus Ihrem Wahlprogramm zitieren.

(Marcus Bocklet (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Schott, gewählt haben Sie uns trotzdem nicht!)

Sie haben gesagt, dass Sie nach einem Regierungswechsel das Gesetz umgehend grundsätzlich überarbeiten wollten. Den Regierungswechsel hatten wir nun. Wir warten jetzt auf die grundsätzliche Überarbeitung.

Ich habe mir Ihren Dringlichen Antrag angeschaut. Ich glaube, da steht zehnmal, dass Sie die Landesregierung bitten. Das ist ein sehr freundlicher Umgangston. Wenn das der neue Ton ist, dann ist das schön. Die Landesregierung wird gebeten. Aber sollte man sie nicht doch gelegentlich auch einmal auffordern? Denn wir sind eigentlich keine Bittsteller, sondern wir stellen der Landesregierung Forderungen. Aber das mag man unterschiedlich bewerten.

(Holger Bellino (CDU): Das Ergebnis ist doch entscheidend!)

Sicherlich ist das Ergebnis entscheidend. Aber im Prinzip soll das Parlament hier nichts anderes tun, als den schwarzgrünen Koalitionsvertrag noch einmal abzusegnen. Denn in diesem Dringlichen Antrag steht nichts anderes als das, was in Ihrem Koalitionsvertrag steht. Da heißt es – auch das will ich noch einmal zu Gemüte führen –:

Wir wollen mit dem Hessischen Kinderförderungsgesetz die Förderung aller Kinder in Kindertageseinrichtungen voranbringen. Wir werden deshalb den Umsetzungsprozess des Kinderförderungsgesetzes permanent begleiten und durch ein Qualitätsmonitoring bei etwaigen Problemen in der Praxis nachsteuern.

Wie war das mit dem „grundlegend überarbeiten“? – Davon lese ich da nichts mehr. Ich erlebe, dass die CDU ihrer Linie treu geblieben ist. Das muss man einfach einmal sagen. Die GRÜNEN haben offensichtlich eine komplette Kehrtwende gestartet. Sie haben diese bis heute noch nicht begründet. Wir erwarten von Ihnen eine Begründung für diesen Verrat an den Wählerinnen und Wählern.

(Beifall bei der LINKEN)

Das ist ein Verrat an 140.000 Menschen, die sich darauf verlassen haben, dass Sie genau dieses Anliegen umsetzen. Sie sind losgezogen, um damit Stimmen einzufangen, indem Sie gesagt haben: Diese Kinderförderung, die in diesem Land breit gefächert abgelehnt wird, tragen wir nicht mit. Wir werden sie beenden.

Was tun Sie jetzt? – Sie stellen sich hin und bitten die Landesregierung, diese Kinderförderung mit diesem Gesetz aufrechtzuerhalten. Sie reden das schön.

Sie haben angegriffen, dass die Nachmittagsbetreuung an den Grundschulen in diesem Gesetz überhaupt nicht enthalten ist. Stattdessen haben Sie jetzt einen Pakt für die Nachmittagsbetreuung angekündigt, bei dem an den Kommunen irgendwie hängen bleiben wird, es zu machen. Wäre das ins Kinderförderungsgesetz aufgenommen worden, dann wäre auch klar, dass die Landesregierung in der Verantwortung wäre, das zu finanzieren.

Sie lassen die Kommunen im Gegensatz zu all dem, was Sie vorher immer angeprangert haben, im Regen stehen. Das Thema der Betreuung der Grundschulkinder war in diesem Zusammenhang immer ein ganz wesentliches.

Genauso lassen Sie auch die Eltern der Kinder mit Behinderungen im Regen stehen. Da gibt es die Ankündigung: Wenn es denn wieder zu Vereinbarungen kommen wird, dann werde sich auch die Landesregierung bewegen. – Verdammt noch einmal, Ihre Forderung im letzten Jahr war, dass die Landesregierung klar Position beziehen sollte. Sie sollte die Inklusion finanziell so fördern, dass das auch funktionieren kann.

Wo ist die Forderung hin? Vergessen? Oder gibt es eine Entwicklung, die Ihnen jetzt sagt: „Es ist nicht mehr an der Zeit“? Was haben Sie an der Stelle dazugelernt, dass Sie hier zu einer Meinungsänderung gekommen sind? Ich möchte, dass Sie das klar und öffentlich sagen und auch erklären, warum Sie zu anderen Ergebnissen gekommen sind.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD)

Ich finde es unerträglich, wenn man wenige Wochen nach der Wahl sagt: Das, was ich vor der Wahl aufgeschrieben habe, interessiert mich nicht mehr. – Ich finde es unerträglich, wie Sie mit den Menschen in diesem Land umgehen, die darauf gesetzt haben, dass Sie bei dem Thema, über das Sie sehr intensiv gestritten haben, bei dem bleiben, was Sie gesagt haben.

(Vizepräsident Wolfgang Greilich übernimmt den Vorsitz.)

Ich finde es unerträglich, wie Sie versucht haben, sich an die Spitze einer Bewegung zu stellen, die Sie jetzt treten. Ich finde es unerträglich, wie Sie die Kinder und die Kindertagesstätten in diesem Land hängen lassen und jetzt eine Politik betreiben, die das Gegenteil von dem darstellt, was Sie noch vor einem halben Jahr für richtig gehalten haben, nur um in der Regierung zu sein, um Regierungssessel einzunehmen und hier mitspielen zu dürfen. – Entsetzlich.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin. – Das Wort hat für die CDUFraktion Frau Kollegin Wiesmann.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Am 23. Mai letzten Jahres hat der Landtag das Hessische Kinderförderungsgesetz verabschiedet. Vor wenigen Wochen erst ist es in Kraft getreten. Ich kann verstehen, dass Ihnen die Zeit seit unserer letzten parlamentarischen Debatte dazu ein wenig lang geworden ist, liebe Frau Schott. Aber dass Sie Ihren aktuellen Antrag mit der Forderung „KiföG zurücknehmen“ überschrieben haben, wirkt doch ziemlich unzeitgemäß. Ich muss, ehrlich gesagt, hinzufügen: Unzeitgemäß war auch Ihr Debattenbeitrag eben. Wenn Sie sich an den GRÜNEN abarbeiten wollen, dann ist das vor allen Dingen schade; denn es geht um ein wichtiges Thema, das in den Vordergrund gehört.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir alle – darauf hat vorgestern auch Herr Schäfer-Gümbel zu Recht hingewiesen – haben wohl um kein Gesetzesvorhaben der vergangenen Legislaturperiode so intensiv gestritten wie um dieses. Ich bin darum nicht böse, denn das gehört in der Demokratie dazu, genauso wie der Wahlkampf mit seinen Zuspitzungen. All das können wir verkraften, wir brauchen es auch.

Die CDU-Fraktion hat gemeinsam mit unserem damaligen Partner, der FDP, unermüdlich auf die Vorzüge des Gesetzes hingewiesen.

(René Rock (FDP): Unter schwierigen Bedingungen!)

Der Vollständigkeit halber will ich heute nach längerer Zeit kurz die wichtigsten in Erinnerung rufen:

Das KiföG bringt 20 % mehr Finanzmittel ins Betreuungssystem.

(Manfred Pentz (CDU): So ist es! – Willi van Ooyen (DIE LINKE): Daran war ja wohl der Staatsgerichtshof schuld!)

Es definiert eine klare und anspruchsvolle Qualitätsunterkante, was die Gruppengrößen und die Betreuungsrelation angeht, die dank der höheren Förderpauschalen leichter als bisher erreicht, gehalten oder überschritten werden kann. Es behandelt alle Kinder hessenweit gleich, was Förderkriterien und Mindeststandards betrifft. Es bündelt Fördertöp

fe und Programme und schafft so eine bessere Handhabbarkeit für die Träger. Andererseits lässt es Gestaltungsspielräume, z. B. bei Öffnungszeiten. Es erhält das höhere Förderniveau für kirchliche und frei-gemeinnützige Träger und sichert so die Vielfalt des Angebots. Es führt erstmals Förderpauschalen besonderer Art für die Umsetzung des BEP und für Einrichtungen mit besonderen Förderbedarfen ein.

In Summe, so denken wir, haben wir ein Gesetz verabschiedet, dessen Regelungen wir für klug und berechtigt halten können, von dem wir heute frohen Mutes sagen: Gut, dass es in Kraft ist.

(Beifall bei der CDU und des Abg. René Rock (FDP))

Das ist aber nicht alles. Wir haben ein nach unserer Meinung und nach Meinung vieler Fachleute kluges Gesetz verabschiedet. Wir waren aber nie und sind auch heute nicht der Meinung, es zum jetzigen Zeitpunkt abschließend beurteilen zu können.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): War falsch, ist falsch und bleibt falsch!)

Deshalb haben wir zusätzlich zur alle fünf Jahre ohnehin stattfindenden Evaluierung des HKJGB in Art. 5a eine spezifische Überprüfung des KiföG, und zwar nach vollständiger Umsetzung, bis Dezember 2016 verankert.

So weit waren wir schon im Mai. Den Weg beschreiten wir jetzt weiter. Deshalb heißt es im Koalitionsvertrag zwischen Schwarz und Grün dazu – ich zitiere, es wurde schon gesagt –:

Wir werden deshalb den Umsetzungsprozess des Kinderförderungsgesetzes permanent begleiten und durch ein Qualitätsmonitoring bei etwaigen Problemen in der Praxis nachsteuern.

Weiter heißt es:

Zudem werden wir Mitte 2014 einen „Runden Tisch Kinderbetreuung“ einberufen, um gemeinsam mit den Verbänden und Trägern eine erste Evaluierung zur Wirkung des Kinderförderungsgesetzes durchzuführen …

Liebe Frau Schott, liebe Kollegen und Kolleginnen, es scheint mir schon die richtige Reihenfolge zu sein, ein Gesetz erst einmal anzuwenden und seine Wirkung ein Stück weit entfalten zu lassen, bevor man es evaluiert und über die Weiterentwicklung berät.

(Beifall bei der CDU)

Das sollten Sie ganz beruhigt und ergebnisoffen auf sich zukommen lassen.

Ich glaube sogar, dass die erste Evaluierung nach einem halben Jahr noch nicht alle wichtigen Erkenntnisse auf den Tisch bringen wird. Das eine oder andere, z. B. die Wirkung der Stichtagsregelung, um es konkret zu sagen, wird sich verlässlich erst nach Jahresfrist zeigen. Die Hast, mit der Sie Ihre Forderungen auspacken, zeugt jedenfalls nicht von Realitätssinn. Vielmehr scheint Ihnen – das muss auch gesagt werden – noch ein wenig nachzuhängen, dass sich die vielleicht ursprünglich gehegte Hoffnung, mit den Vorurteilen zum KiföG auch im Wahlkampf punkten zu können, nicht so ganz erfüllt hat. – So viel zur Überschrift und zu Punkt 1 Ihres Antrags.

Wenig begründet erscheint er auch in den nachfolgenden Punkten. Zu den Punkten 2 und 3: Ihre Forderung – häufig auch die der SPD – nach gruppenbezogener Förderung klingt verführerisch, sie führt aber in die Irre. Denn es geht hier nicht um die Pädagogik, die selbstverständlich das einzelne Kind und den Gruppenzusammenhang in ausgewogener Weise berücksichtigen muss, es geht um Fördergerechtigkeit.