Protokoll der Sitzung vom 06.02.2014

(Janine Wissler (DIE LINKE): Es geht um den ländlichen Raum!)

Die subjektbezogene Förderung, die Gewährung der Fördermittel je Kind behandelt alle Kinder gleich und beendet eine Praxis, die dazu geführt hat – Stichwort „ländlicher Raum“ –, dass in strukturschwachen Gebieten mit rückläufigen Kinderzahlen deutlich kleinere Gruppen mit demselben Förderbetrag des Landes bedacht wurden wie sehr viel größere in den Städten.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Wo sollen die Leute im ländlichen Raum denn hin? – Gegenruf der Abg. Nancy Faeser (SPD): Wer soll das denn finanzieren? Die Schutzschirmkommunen?)

Damit kein Missverständnis entsteht: Wir gönnen allen Beteiligten, dass es so war. Wir wünschen uns auch überall möglichst gute Betreuungsbedingungen; das ist überhaupt nicht der Punkt. Der Punkt ist, dass diese Fördersystematik des Landes unfair war. Deshalb haben wir sie verändert. Die Fördersystematik des KiföG behandelt alle Kinder nach einheitlichen Kriterien und überlässt es den Trägern, über Gruppengrößen und Betreuungsschlüssel jenseits des Mindeststandards selbst zu entscheiden. Dafür gibt es mehr Geld und auch besondere Förderpauschalen, z. B. für benachteiligte Kinder in Schwerpunktkitas, die ich bereits erwähnt habe. All das ist gut und richtig so.

Punkt 4: Sie beklagen den vermeintlich zu hohen Verwaltungsaufwand für Einrichtungen und Träger. Grundsätzlich teilen wir die Sorge, eine möglichst hohe Fördergenauigkeit und zugleich eine gute Handhabbarkeit zu erzielen. Das sind übrigens Ziele, die man beliebig gegeneinander ausspielen kann; den perfekten Mittelweg gibt es wahrscheinlich nicht. – Das nur am Rande.

Die jetzige Regelung des KiföG erscheint uns aus heutiger Sicht sehr gut handhabbar, denn die Meldung der Kinderzahl ist für die Kinder- und Jugendhilfestatistik per Anfang März ohnehin erforderlich. Sie verursacht also keinerlei nennenswerten Mehraufwand.

Auch die Tatsache, dass Förderpauschalen für das ganze Jahr gezahlt werden, während es unterjährig insbesondere im Sommer im Regelfall viele Übergänge in geringer geförderte Betreuungsstadien oder auch in die Schule gibt, hilft, Unschärfen der Pauschalförderung abzufedern. Dennoch ist auch das ein Punkt, an dem wir sehr genau zuhören werden, ob die Praxis unseren Erwartungen entspricht oder – und inwiefern – nicht.

Punkt 5, Inklusion von Kindern mit Behinderungen: Frau Schott, ich muss Ihnen sagen, Sie tragen Eulen nach Athen. Unser Koalitionsvertrag adressiert gerade diesen Punkt in weitreichender Weise. Ja, das ist eine Weiterentwicklung. Das Ziel, die in der Vergangenheit gut geglückte Betreuung von I-Kindern in hessischen Kinderbetreuungseinrichtungen weiter sicherzustellen, teilen wir ja. Allerdings respektieren wir die Zuständigkeiten. Für Eingliede

rungshilfe und Jugendhilfe sind die Kommunen zuständig, sie legen sogar Wert darauf.

Den Landesbeitrag zu dieser gesamtgesellschaftlichen Aufgabe wollen wir genauso entschlossen leisten. Deshalb sehen wir vor, die bereits durch das KiföG erhöhten Integrationspauschalen nochmals zu erhöhen, sodass die bisherigen Betreuungsstandards fortgeführt werden können. Allerdings soll die Voraussetzung dafür sein, dass die originär zuständigen Wohlfahrtsverbände und Kommunen ihre Hausaufgaben machen und die Rahmenvereinbarung Integrationsplatz auf dem bisherigen Niveau fortschreiben.

Ich halte dies für eine intelligente Verabredung. Denn sie respektiert die Verantwortlichkeiten und hilft gleichwohl, Anstrengungen zu bündeln. Ihre Forderung hingegen, das Land möge diese Aufgabe an sich ziehen und selbst erledigen, ist in ihrer Schlichtheit wenig verantwortlich.

Abschließend zur Fachkräftegewinnung. Dazu können Sie das Notwendige auf Seite 54 des Koalitionsvertrags nachlesen. Das Thema ist der CDU-Fraktion außerordentlich wichtig und nicht erst seit der Landtagswahl, wie die vielfältigen Aktivitäten der Vorgängerregierung dokumentieren.

(Beifall bei der CDU)

Ich möchte kurz zusammenfassen. Wir gehen gemeinsam einen ehrlichen Weg in Richtung hochwertiger, bedarfsgerechter Kinderbetreuung in Hessen. Der Ausbau ist gut vorangekommen. Dank des KiföG haben wir einen guten Qualitätsrahmen, den sich das Land trotz Schuldenbremse einen erheblichen Betrag kosten lässt. Die Förderung erfolgt transparenter und differenzierter, fairer als bisher. Sie folgt Kriterien der Handhabbarkeit und der Flexibilität für die Träger, denn die örtlichen Situationen sind verschieden.

Wir werden dieses Gesetz in seinen Wirkungen sehr intensiv begutachten und entsprechend den gemachten Erfahrungen weiterentwickeln. Noch mehr als bisher wollen wir den Dialog mit den Beteiligten führen, um Hessen als Familienland weiter voranzubringen – wozu insbesondere die vollständige Umsetzung des Bildungs- und Erziehungsplans und der Ausbau der Sprachförderung von der Kita bis zur Schule und auch ein flächendeckendes flexibles Betreuungsangebot für Grundschulkinder am Nachmittag gehören.

Ich sehe in alldem einen großen Fortschritt und lade Sie ein, daran mitzuwirken – vielleicht heute, indem Sie dem schwarz-grünen Antrag Ihre Zustimmung geben. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Wiesmann. – Als Nächster hat Herr Kollege Bocklet, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Kern geht es heute um die Frage: Wie geht es mit der Kinderbetreuung in Hessen weiter? Ich unterstelle der LINKEN einmal, dass es ihr heute darum geht, den GRÜ

NEN das Verrat-Etikett anzustecken. Ich glaube, in den zehn Minuten Redezeit lässt sich das gut aufarbeiten.

Zum ersten Teil, zum fachlichen, sage ich: Die Kinderbetreuung in Hessen wird weiterentwickelt und weiter verbessert. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist eine gute Botschaft für alle Eltern in diesem Land.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Das Kinderförderungsgesetz von heute ist nicht das KiföG, wie es damals, 2013, als Gesetzentwurf in den Landtag eingebracht wurde.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Die Verabschiedung war im Mai 2013!)

Herr Kollege Willi van Ooyen, bei der dritten Lesung sah der Gesetzentwurf nicht mehr so aus wie bei der ersten.

(René Rock (FDP): Das ist bei Gesetzen nicht selten! – Janine Wissler (DIE LINKE): Er hat ja auf Presseerklärungen verwiesen!)

Darf ich wenigstens den Versuch unternehmen, die Sache zu erklären? – Bei der dritten Lesung sah der Gesetzentwurf anders aus als bei der ersten.

(Zuruf des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Heute kann ich Ihnen sagen: Das KiföG am Ende dieses Jahres wird nicht das KiföG von heute sein.

Ich wiederhole es gerne: So wie das KiföG heute aussieht, wird es am Ende dieses Jahres auch nicht mehr aussehen. Insofern ist der Vorwurf, wir würden alles so akzeptieren, wie Sie es gerne glauben machen wollen, schlicht falsch. Auch das KiföG wird – wie insgesamt die Kinderbetreuung – weiterentwickelt, und auch das ist gut so.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Aus Sicht der GRÜNEN war es in der Tat so, dass es in der ersten Lesung bis zu sechs Punkte gab, die wir an diesem Gesetzentwurf kritisiert haben. Deswegen haben wir aufgefordert, es zurückzuziehen.

Frau Schott, bevor Sie sich hier weiter hochfahren – und auch die anderen Redner: Ich habe die Flugblätter noch dabei, übrigens auch meine zwölf Presseerklärungen und drei Reden aus dem Plenum. Nur, damit wir nicht zu einer Geschichtsklitterung kommen: In der Tat haben wir dazu gestanden – und dazu stehen wir auch heute noch –, dass wir den Gesetzentwurf in erster Lesung zurückgezogen sehen wollten. Auch nach der dritten Lesung haben wir gesagt, dass im KiföG, wie es damals war, entscheidende Bedingungen gefehlt haben und es deshalb falsch war.

Deswegen haben Sie mich zwar richtig zitiert, aber nicht bis zum Ende, denn die Frage lautet: Warum wollten wir damals nach der dritten Lesung nicht zustimmen?

(Dr. Ulrich Wilken (DIE LINKE): Was wahr ist, muss auch wahr bleiben!)

Korrekt. Und das „bleibt“ bezieht sich auf was, Herr Kollege Dr. Wilken? – Jetzt kommt es: Es ist eine intellektuelle Leistung, zu erkennen, dass man auch in der Opposition unterschiedliche Konzepte hatte. Wir hatten drei Punkte kritisiert: erstens die Inklusion, die nicht geregelt wurde, zweitens die Grundschulkinderbetreuung, und drittens wollten wir bei der Frage nachsteuern, wenn es auf

grund der neuen Finanzierung Probleme im ländlichen Raum geben wird.

(Zuruf der Abg. Nancy Faeser (SPD))

Wir haben gesagt: Alle drei Punkte fehlen, und deshalb wollen wir den Gesetzentwurf so nicht in Kraft treten lassen. – Alle drei Aspekte werden heute verändert. Jetzt frage ich Sie: Wo ist der Verrat? – Genau so ist es richtig.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Frau Schott, wer wollte Spitze der Bewegung sein? Das waren Sie. Praktisch jede Forderung von draußen haben Sie 1 : 1 übernommen. Ich nenne nochmals die Stichpunkte: Gruppengröße für Ältere – was auch die SPD nach wie vor fordert –, die Frage, ob pro Kopf finanziert wird oder ob Gruppen pauschal finanziert werden. Dazu habe ich in meiner Rede, das können Sie nachlesen, gesagt, dass wir in Frankfurt vor rund 20 Jahren von einer Gruppenpauschale auf eine Kopfpauschale umgestellt haben. Liebe Kollegen von der SPD, jetzt halten Sie sich gut fest: Das haben wir in Frankfurt mit der SPD beschlossen. Und wir fahren gut damit.

(Zurufe von der SPD)

Deshalb verstehe ich nicht, dass man nicht zur Kenntnis nimmt, dass man in der Opposition unterschiedliche Konzepte davon hat, was notwendig ist. Wir GRÜNE hatten eine klare Schwerpunktsetzung, die sagte: Das Kinderförderungsgesetz ist so falsch, weil es die Inklusion und die Schulkinderfrage nicht ausreichend bearbeitet hat und auch nicht die Frage, was mit kleinen Gruppen auf dem Land passiert. Das war der Grund unserer Ablehnung, nichts anderes. Dazu stehen wir auch heute. Die neue Landesregierung insgesamt steht dafür, dass wir genau diese Problemfelder aufgreifen. Deswegen gehen wir als neue Landesregierung genau den richtigen Weg.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Ich kann Ihnen sagen: Das, was Sie mit ein bisschen Hohn und Spott begleitet haben, ist genau das, was Sie als LINKE beispielsweise selbst mit uns GRÜNEN gefordert haben: einen Kinderbetreuungsgipfel. Warum hat man den damals gefordert? Warum wollen wir ihn jetzt durchführen? Nach unserer Ansicht war es so, dass es in diesem Land verhärtete Gräben gab und man mehr übereinander statt miteinander gesprochen hat. Wenn Sie damals mit den Wohlfahrtsverbänden gesprochen haben, dann wussten Sie, warum. Es gab eine – ich will es einmal so sagen – eindeutige Eiszeit. Man hat es nicht mehr geschafft, gemeinsam einen Dialog zu führen.

Ich sage, ich nehme es mit großem Wohlwollen auf, dass jetzt eine Veränderung dieser Mentalität eingetreten ist und man sagt: Ja, wir setzen uns wieder an einen Tisch.

Übrigens schauen wir nicht nur auf das KiföG. Wir schauen insgesamt darauf, wie die Kinderbetreuung in Hessen aufgestellt ist. Und vergessen wir nicht die Frage: Haben wir tatsächlich genug U-3-Betreuungsplätze? Haben wir genug Fachkräfte, Erzieherinnen und Erzieher? Funktioniert die Grundschulkinderbetreuung? Ist die Qualität in den Kindereinrichtungen tatsächlich gewährleistet?

Das alles wird auf einem Kinderbetreuungsgipfel zum Thema werden, mit allen Akteuren in diesem Land. Ich sage:

Ich bin stolz darauf, dass die neue Landesregierung diesen Weg gehen wird.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)