Protokoll der Sitzung vom 25.03.2015

Frau Kollegin, Herr Kollege René Rock möchte Ihnen eine Zwischenfrage stellen. Möchten Sie auch?

(Lisa Gnadl (SPD): Nein, angesichts der fortgeschrittenen Redezeit möchte ich erst einmal zum Ende kommen! Wir können das dann in der Debatte weiter diskutieren!)

Nein, sie möchte nicht. Herr Kollege, sie möchte nicht. – Langsam. Sie haben jetzt gleich wieder das Wort. Bitte sehr.

Das hatten wir auch ursprünglich mit der Verdoppelung der Integrationspauschale erreichen wollen. Uns hat aber die Argumentation des Landkreistages in der Anhörung überzeugt, hier keine Verdoppelung der Pauschale vorzunehmen, sondern die höheren Fördermittel für Kinder mit Behinderungen ebenso wie bei Kindern ohne Behinderungen mit der Betreuungsdauer ansteigen zu lassen. Diesem Wunsch des Landkreistages nach differenzierter und passgenauer Fördersystematik sind wir mit unserem Änderungsantrag zum eigenen Gesetzentwurf nach der Anhörung nachgekommen.

Zweitens. Wir wollen die Anreize für längere Betreuungszeiten im Gesetz verankern. Zwar haben Sie gesetzlich nachgebessert, und es gibt jetzt einen neuen Betreuungszeitraum von 45 Stunden und mehr. Aber durch diesen neuen Betreuungszeitraum entstehen natürlich bei den Trägern auch höhere Personalaufwendungen, höhere Kosten. Das wiederum haben Sie nicht im Gesetz finanziell hinterlegt.

Dass hier – anders als bei den anderen Betreuungsmittelwerten – keine erhöhte Pauschale gegeben werden soll, erschließt sich uns nicht. Das wollen wir mit unserem Änderungsantrag korrigieren.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

In der ersten Lesung sagte Herr Rock dazu sehr treffend: Es ist völlig unsystematisch, dass man dort keine Mittel hinterlegt hat. – Meine Damen und Herren, ich bin davon überzeugt, dass Sie diese Mittel nicht hinterlegen wollen, dass Sie die zusätzlichen Kosten nicht tragen wollen, die durch diese verlängerten Betreuungszeiten zustande kommen. Das aber mit dem Kindeswohl zu begründen, halte ich nicht für richtig. Es gehört doch zur gesellschaftlichen Realität, dass die Betreuungszeiten in Anspruch genommen werden bzw. von den Familien wegen der gesellschaftlichen Veränderungen, die wir haben, in Anspruch genommen werden müssen – zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Trotz Arbeit stehen viele Familien finanziell schlecht da, und dadurch ergeben sich veränderte Familienstrukturen. Darauf reagieren die Einrichtungen mit längeren Betreuungszeiten. Dadurch steigen die Kosten, aber die Landesförderung bleibt niedrig. Dieser Sachverhalt wird von der schwarz-grünen Landesregierung schlicht und ergreifend ignoriert.

(Beifall bei der SPD)

Drittens. Wir wollen die kleinen Einrichtungen fördern. Für uns ist auch ohne Evaluation klar: Es gibt demografische Gründe, aber auch andere Gründe wie die bauliche Situation, dass kleine Einrichtungen finanzielle Einbußen hinnehmen müssen, weil sie nicht die erforderliche Anzahl von Kindern haben. Sie können die Gruppengröße bis 25 Kinder gar nicht erreichen – und damit eben auch nicht das Maximum der Landesförderung.

Das trifft insbesondere den ländlichen Raum, weil dort, bedingt durch die demografische Entwicklung, die erforderliche Zahl an Kindern fehlt. Am Ende hat das ganz konkrete Auswirkungen und Konsequenzen für diese kleinen Einrichtungen, wenn diese Regelung in Ihrem Gesetz nicht geändert wird. Deshalb schlagen wir in unserem Gesetzentwurf vor, dass die zwei- oder dreigruppigen Einrichtungen, die ihre Gruppen nicht bis zur gesetzlich vorgesehenen und für die Landesförderung maßgeblichen Maximalzahl füllen können, eine zusätzliche Förderung erhalten, genauso wie die eingruppigen Einrichtungen.

(Beifall bei der SPD)

Am Ende muss es doch unser gemeinsames Interesse als Hessischer Landtag sein, dies zu ändern, um die Strukturprobleme im ländlichen Raum zu mildern und für gleichwertige Lebensverhältnisse in Stadt und Land zu sorgen.

Schauen Sie sich doch nur die aktuellen Debatten, beispielsweise in der Gemeinde Hosenfeld im Landkreis Fulda an, in Blankenau. Dort soll der Kindergarten aus Kostengründen geschlossen werden. Am Ende kann das uns als Landespolitikern doch nicht egal sein.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Viertens. Wir wollen die Stichtagsregelung rechtssicher ändern, durch eine Verankerung im Gesetz. Das haben wir schon in der ersten Lesung deutlich gemacht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Debatte zu unserem Gesetzentwurf hat bisher gezeigt, dass Sie diese Notwendigkeiten einer schnellen Verbesserung nicht sehen. Wir hingegen sehen schon heute konkreten Änderungsbedarf. Wenigstens diese Punkte am KiföG wollen wir verbessern – auch wenn wir dieses Gesetz im Grundsatz ablehnen.

Frau Kollegin Gnadl, Sie müssen zum Schluss kommen.

Wir wollen diese Punkte nicht auf die lange Bank schieben. Dafür sehen wir auch keinen Grund. Wir brauchen jetzt Hilfe für kleine Einrichtungen, mehr Förderung für lange Betreuungszeiten und eine klare Regelung für die Inklusion in der Kinderbetreuung.

Deshalb: Stimmen Sie unserem Gesetzentwurf zu – dann sind die schlimmsten Mängel am KiföG bereinigt.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Gnadl. – Das Wort hat Frau Abg. Wiesmann, CDU-Fraktion.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sprechen heute tatsächlich schon zum zweiten Mal über diesen Gesetzesvorschlag der SPD zur Änderung des hessischen KiföG bzw. seines Niederschlags im HKJGB.

Liebe Frau Gnadl, ich nehme gerne zur Kenntnis – eigentlich nicht so gerne –, dass Sie jetzt gesagt haben, das ist kein Perspektivenwechsel. Denn ich hatte mich sehr gefreut, feststellen zu können, dass die SPD-Fraktion ihre Totalblockade wohl – aber eben dann vielleicht doch nicht – aufgegeben hat.

Ich will aber auch darauf hinweisen, dass ich es als einen Fortschritt gewertet habe, dass Sie die Beratung Ihres Gesetzentwurfs im Ausschuss mehrfach vertagt haben. Tatsächlich haben die Stellungnahmen in der schriftlichen und mündlichen Anhörung Sie mehrfach darauf hingewiesen, dass die Umsetzung des Gesetzes und seine Evaluation zunächst abgewartet werden sollten, bevor man ernsthaft über eventuelle Änderungen debattieren könne. Das war teilweise auch von Anzuhörenden vorgebracht worden, die in der KiföG-Debatte in den Jahren 2012 und 2013 noch an Ihrer Seite gestritten hatten.

Ich stelle also einfach fest: schade. Aber die Hoffnung stirbt zuletzt, vielleicht können wir von Ihnen doch irgendwann einmal wieder konstruktive Beiträge bekommen. Jetzt sind Sie wieder der Ungeduld verfallen.

(Günter Rudolph (SPD): Na, na, na!)

Das ist die vornehmste der Untugenden. Ich fand das eigentlich noch ganz freundlich formuliert.

(Günter Rudolph (SPD): Frau Kollegin, falsch bleibt es aber trotzdem!)

Sie stellen den Entwurf nach der Befassung im Sozial- und Integrationspolitischen Ausschuss heute hier zur Abstimmung. Wir werden ihn ablehnen. Lassen Sie mich nochmals die Gründe dafür nennen, und zwar zusammenfassend.

Es ist und bleibt wahr: Ihr Vorschlag kommt zu früh. Das KiföG ist erst teilweise umgesetzt. Die Übergangsfrist läuft noch bis zum Herbst. Gerade weil wir uns für die Wirkung dieses Gesetzes interessieren, wird es bereits bis zum Ende

des kommenden Jahres evaluiert werden. Weil wir Interesse an baldigen, sogar noch schnelleren Rückmeldungen haben, wird es noch in diesem Jahr eine Neuauflage des Runden Tisches Kinderbetreuung geben, an dem unter anderem – nicht nur, aber eben auch – bereits darüber gesprochen werden kann.

Zweitens. Was wir bereits von der Umsetzung wissen, ist eher ermutigend. Ich nenne nur die Qualitätspauschale, die die Arbeit nach dem Bildungs- und Erziehungsplan honoriert. Ich nenne die Schwerpunktpauschale, die dem besonderen Förderbedarf in Einrichtungen mit einem erheblichen Anteil von Kindern mit sprachlichen oder sozialen Benachteiligungen Rechnung tragen soll. Bislang werden beide von denen, die die neue KiföG-Förderung bereits in Anspruch nehmen, gut angenommen. Ich sage das genau so, auch wenn dies unter Umständen nicht der endgültige Stand ist. Ich hoffe, es bestätigt sich, aber ich weiß es noch nicht. Deshalb bewerten wir es entsprechend vorsichtig.

Drittens. Derzeit haben wir keine Erkenntnisse, wonach die Gestaltung der Förderpauschalen selbst – Ihre Stichworte: Staffelung nach Betreuungsdauer oder Kleinkitapauschale auch für die zweigruppigen Einrichtungen – einer grundsätzlichen Neuregelung bedürfte. Der Zusammenhang, den Sie zwischen Personalbemessungen nach Betreuungsdauer und Förderungsstufen herstellen, ist überhaupt nicht zwingend. Denn die gesamte Betriebskostenförderung durch das HKJGB ist eine pauschalierte Festbetragsfinanzierung. Sie soll allgemein entlasten, aber nicht spezifisch einzelne Stunden teilvergüten – um das einmal so zu formulieren.

Ihre Formulierung eben fand ich bemerkenswert: Sie bemängeln, dass wir keine „Anreize“ – das war Ihr Wort – für die Ganztagsbetreuung schaffen. Wir wollen keine Anreize für die Ganztagsbetreuung schaffen, wir wollen einem Bedarf entsprechen. Deshalb können wir uns diesen Ansatz, den Sie hier gewählt haben, nicht zu eigen machen.

Übrigens, auch das will ich Ihnen noch antworten: Für das Kindeswohl sorgt die Personalbemessung. Die Personalbemessung aber haben wir sehr wohl in der Mindeststandardformulierung, die im Gesetz enthalten ist, auch für die besonders langen Betreuungszeiten angepasst.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf der Abg. Lisa Gnadl (SPD))

Ja, das darf man ruhig einmal würdigen.

Sie haben auch die Kleinkitapauschale nochmals angesprochen. Sie soll tatsächlich helfen, Existenzbedrohungen zu vermeiden. Tut sie dies nicht genug, werden wir hier wirklich nachsteuern. Ich habe davon noch kaum Kenntnis von dem, was Sie hier angeführt haben: ein Kindergarten, der über Schließung nachdenken muss. Das sind Themen, die wir im ländlichen Raum, wo teilweise wirklich stark rückläufige Kinderzahlen da sind, adressieren müssen. Ich will es überhaupt nicht ausschließen, dass in Hessen irgendwo einmal auch ein Kindergarten geschlossen werden muss. Die Frage ist, ob man das auf Förderungsbedingungen zurückführen kann. An der Stelle muss genau hingeschaut werden. Da reicht es nicht, hier einfach nur den Namen einer Einrichtung zu nennen. Wir werden genau hinschauen. Die Dinge werden auf den Tisch kommen. Wenn es eine unzureichende Unterstützung durch die Kleinkitapauschale geben sollte, dann wird das Thema werden, dann wird man da auch nachsteuern.

Viertens. Die Stichtagsproblematik haben Sie jetzt gar nicht mehr angesprochen, aber in Ihrem Gesetzentwurf ist sie enthalten. Sie ist für neue Einrichtungen und Gruppen bereits adressiert. Das wissen Sie.

Es gibt eine neue Anschubfinanzierung, und die grundsätzliche Überprüfung ist – vielleicht haben Sie es nach der Anhörung selbst gemerkt – gar kein so großes Thema. Aber wenn es ein Thema werden sollte, dann kommt es auf den Tisch, wenn hinreichend Erfahrungen vorliegen.

Fünftens. Jetzt wird es vielleicht noch einmal interessanter. Wir wollen und werden die Pauschalen für Integrationskinder erhöhen. Das haben wir uns vorgenommen. Das ist auch schon im Haushalt veranschlagt. An diesem sensiblen Punkt geht aber Gründlichkeit vor Schnelligkeit.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir wollen nämlich eine belastbare, von den Spitzenverbänden der freien Träger wie von der kommunalen Familie getragene Ausgestaltung dieser Förderung erarbeiten. Unabhängig davon werden die im Nachtragshaushalt 2014 veranschlagten 10 Millionen € bereits verausgabt, und zwar transparent und unbürokratisch. Niemandem entgeht etwas.

Letzter Punkt. Zu Ihrer zentralen Forderung, die Sie eben noch einmal dargestellt haben, haben wir einen klar abweichenden Standpunkt. Wir sehen keinerlei Grund, die Standards der Rahmenvereinbarung Integration, über deren Fortschreibung wir uns ausdrücklich freuen, gesetzlich zu verankern. Unsere Intention ist dabei keine andere als Ihre. Wir wünschen uns, dass die im Zuge der KiföG-Diskussion allseits gelobten Regelungen der alten Rahmenvereinbarung fortgelten. Die neue Vereinbarung sieht genau dies vor. Die für die Integration von Kindern mit Behinderungen Zuständigen haben sie geschlossen. Das finden wir großartig. Darauf können wir uns vielleicht einigen. Wir haben keine Hinweise darauf, dass diese Vereinbarung nicht eingehalten wird, in der Vergangenheit nicht eingehalten wurde oder dies für die Zukunft zu befürchten wäre.

Das Land hat hier eine unterstützende und beratende Rolle. Es hat diese sehr aktiv wahrgenommen, wofür ich mich bedanken möchte. Es gibt überhaupt keine Notwendigkeit, sich seitens des Landes auf diesem Feld eine Zuständigkeit anzumaßen. Der Gesetzgeber wird hier nicht gebraucht. Die Sozialpartner kommen ihrer Aufgabe nach, wie es sich in einem subsidiär gestalteten Gemeinwesen gehört, für das ich dankbar bin.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich fasse zusammen. Ihr Gesetzentwurf wirft wichtige Fragen auf. Leider ist es aber auch heute, ein halbes Jahr nach der ersten Lesung, noch so, dass keiner der Änderungsvorschläge zum jetzigen Zeitpunkt zustimmungsfähig ist, entweder aufgrund grundsätzlicher Erwägungen, oder weil er zu früh kommt.

Als CDU-Fraktion sind wir weiterhin davon überzeugt – das will ich noch einmal sagen, weil Sie hier von einer grundsätzlichen Ablehnung gesprochen haben –, dass das KiföG, insgesamt gesehen, ein gutes Gesetz ist, weil es die Landesförderung auf hohem Niveau weiterführt – sie sogar nochmals um 10 Millionen € erhöht –, einen guten Mindeststandard sichert, die Trägervielfalt bewahrt, Qualitätsanreize setzt und in seiner Förderlogik gerecht ist. Es wird,

das sage ich noch einmal, ein vielleicht noch besseres Gesetz werden – ganz sicher dann, wenn die Integrationspauschalen erhöht werden, wie wir es anlässlich der Fortschreibung der Rahmenvereinbarung zugesagt haben und zum Haushaltsjahr 2016 verlässlich umsetzen wollen.

Ich sage abschließend: Zugleich werden wir weiterhin sehr aufmerksam verfolgen, was uns aus der Fachpraxis zurückgemeldet wird, und nachsteuern, wo es sinnvoll ist. Der runde Tisch war ein guter Auftakt. Unsere letzte Debatte über das KiföG und unsere heutige Diskussion waren dem Anliegen am Ende vielleicht doch nicht abträglich. Das Qualitätsmonitoring, die Neuauflage des runden Tisches und schließlich die Auswertung der Evaluation werden uns helfen, das Gesetz vielleicht doch noch ein bisschen besser zu machen und damit eine verlässliche und hochwertige Kinderbetreuung und -förderung in ganz Hessen zu unterstützen.