Protokoll der Sitzung vom 26.03.2015

Wir begrüßen bei diesem Thema den konstruktiven Austausch zwischen Kommunen, Regierungspräsidien, der freien Wohlfahrtspflege, den Kirchen, den Vertretern der Fraktionen im Hessischen Landtag sowie dem hessischen Sozial- und Integrationsministerium.

Um den Ansturm dieser traumatisierten Menschen zu bewältigen, wird die Landesregierung in Büdingen und in Neustadt weitere Erstaufnahmeeinrichtungen schaffen.

Damit man den Flüchtlingen, die zu uns nach Hessen kommen, helfen und ihnen die besten Chancen auf einen neuen Start ermöglichen kann, entwickelt unsere Landesregierung ein Konzept zur Integration junger Flüchtlinge und Zuwanderer. Es sollten vor allem die fehlenden Deutschkenntnisse in Kombination mit einer sozialpädagogisch orientierten Netzwerkarbeit angegangen werden, um damit den Übergang zwischen Schule und Beruf zu optimieren. Dadurch bekommen junge Flüchtlinge in Zukunft eine passgenaue sprachliche Intensivförderung und eine Chance, sich bei uns in Hessen ein neues Leben aufzubauen.

Natürlich werden Vereine, die sich im Umfeld der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei bewegen, strenger beobachtet als Vereine, die unabhängig von der PKK agieren, liebe Frau Cárdenas. Das ist doch selbstverständlich. Denn die PKK steht sowohl international als auch auf der Ebene der Europäischen Union auf der Liste der Personen, Vereinigungen und Körperschaften, die unter Terrorismusverdacht fallen.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Da müssen sie aber wieder runter!)

Die Aufnahme in die Liste ist in diesem Jahr durch Beschluss des Rates der Europäischen Union erneut bestätigt worden. Solange das der Fall ist, ist es völlig richtig, dass es in Deutschland ein entsprechendes Betätigungsverbot für die PKK gibt.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Sehr richtig!)

Diejenigen Kurden, die mit der PKK und ihren Umfeldorganisationen nichts zu tun haben, sind heute schon gut in unserer Mitte integriert. Die sogenannten Problemfelder, welche die Linkspartei hier aufführt, sind hauptsächlich auf eine Benachteiligung der PKK zugeschnitten und daher für mich nicht von Bedeutung. Die Gleichstellung kurdischer Vereine mit anderen Vereinen von Migrantenorganisationen hinsichtlich der Anerkennung der Gemeinnützigkeit ist bereits gesetzlich sichergestellt.

Darüber hinaus steht das Hessische Kultusministerium kurdischen Vereinen und Selbstorganisationen offen gegenüber. Auf der 343. Kultusministerkonferenz hat das Hessische Kultusministerium dem Wunsch der kurdischen Gemeinde in Deutschland entsprochen, in den Kreis der Migrantenorganisationen aufgenommen zu werden. In der hessischen Erstaufnahmestelle werden selbstverständlich Sprachmittler für kurdische Sprachen eingesetzt.

Ich halte den Antrag der LINKEN weder für sinnvoll noch für aktuell, liebe Kolleginnen und Kollegen. Das Weitere besprechen wir im Ausschuss. – Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. – Als Nächste spricht Kollegin Öztürk, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir beschäftigen uns heute mit der kurdischen Minderheit in Hessen. Das sollten wir auf jeden Fall zum Anlass nehmen, uns die Thematik der kurdischen Identität und die Kämpfe, die kurdische Menschen gerade in Syrien und auch im Irak gegen den IS führen, noch einmal klar vor Augen zu führen.

Unsere Solidarität gilt den kurdischstämmigen Hessinnen und Hessen, die Angehörige in Syrien und im Irak haben, vor allem den jesidischen Minderheiten, deren Angehörige – Frauen und Kinder – immer noch in der Hand des IS versklavt sind und auf Befreiung warten. Die Solidarität in Hessen ist groß. Das kann man in diesem Haus noch einmal kundtun. Wir wünschen uns, dass die Frauen, die Jesidinnen, so schnell wie möglich aus den Händen des IS befreit werden und das in der politischen Priorität ein Stück weit nach oben rückt, meine Damen und Herren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der CDU und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Deswegen spielen die Identitätsfrage und die Rechte dieser Minderheit hier schon eine Rolle. Das ist von den hessischen Bürgerinnen und Bürgern bisher nicht ignoriert worden. Daher müssen wir zwei Fragen trennen: Einmal geht es um die Anerkennung der kurdischen Minderheit. Wo sollte sie anerkannt werden? Wenn wir uns anschauen, welche Völkergruppen in Deutschland anerkannt sind, nämlich die Sorben, die Friesen, die Dänen und die Sinti und Roma, dann wissen wir, dass der Anerkennungsgedanke in der Verfassung daher kommt, dass es sich um indigene Völker Deutschlands handelt und sie daher hier eine Anerkennung finden.

Was die Kurden betrifft: Ihre Herkunftsregionen sind die Türkei, Syrien, Iran, Irak. Es ist ganz selbstverständlich, dass die Menschen dort für ihre Anerkennung kämpfen. Es ist auch wünschenswert, dass die kurdische Minderheit irgendwann in der Türkei anerkannt wird. Im Vertrag von Sèvres war das vorgesehen, ist im Vertrag von Lausanne von 1923 aber leider herausgefallen.

Wir müssen uns auch vor Augen führen, dass bei der Republikgründung damals sowohl die Kurden als auch die Aramäer durch das Raster gefallen sind. Das heißt, wenn wir jetzt die Anerkennung von Minderheiten fordern, dann müssen wir gerecht sein und entweder alle Minderheiten anerkennen, die damals durch das Raster gefallen sind, was ich falsch finde, oder wir müssen akzeptieren, dass wir in Deutschland nicht die Geburtsfehler der Republik Türkei ausbessern und dafür auch nicht eine Politik machen können, die diese Menschen einfach nur enttäuscht.

Liebe LINKE, wir würden gerne im Ausschuss detailliert darüber diskutieren, aber die Anerkennung der indigenen Völker ist eine Sache, die in den Herkunftsländern zu regeln ist und nicht hier in Deutschland.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ich möchte auch klar unterscheiden, was damit gemeint ist, wenn Menschen von kurdischer Identität sprechen. Viele Kurdinnen und Kurden leben seit Jahren friedlich und anerkannt in Deutschland, machen hier ihre Karriere, nehmen an unserer Gesellschaft teil und sind vereinsrechtlich organisiert. Sie sind anerkannte Bürgerinnen und Bürger. Viele dieser Menschen haben sich aber auch 1993, als es Ausschreitungen der PKK auf deutschen Straßen gab, als man angefangen hat, türkische Einrichtungen in Deutschland mit Molotowcocktails anzugreifen, von der Gewalt distanziert und ganz deutlich gesagt, dass die PKK nicht ihre Repräsentanz ist, dass sie sich bei einer Anerkennung als Kurden nicht von der PKK vereinnahmen lassen wollen. Das müssen wir ebenfalls zur Kenntnis nehmen und dürfen nicht so tun, als würden alle Kurdinnen und Kurden automatisch von der PKK repräsentiert. Das wäre ungerecht, meine Damen und Herren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Barbara Cárdenas (DIE LINKE): Ist doch meine Rede!)

Aber in dem Antrag sieht es ein bisschen aus, als würde man allen Kurdinnen und Kurden die Anerkennung zugestehen, wenn man das PKK-Verbot aufheben würde. Viele fühlen sich von der PKK überhaupt nicht vertreten, sie fühlen sich heute ausreichend in Deutschland anerkannt. Das müssen wir zur Kenntnis nehmen, liebe Kollegin Cárdenas.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Es ist wichtig, dass wir uns anschauen, wie beispielweise die Kulturpflege oder die Pflege der kurdischen Sprachen organisiert werden kann. Ich finde es aber falsch, dass wir das über eine Art muttersprachlichen Unterricht organisieren sollen. Genau das ist ein bisschen anachronistisch und kommt aus der Gastarbeiterphilosophie. Man hat damals muttersprachlichen Unterricht für die Gastarbeiterkinder organisiert, weil man dachte, dass sie irgendwann zurückgehen. Sie sollten dann in ihren Herkunftsländern wieder in die Schule integriert werden können. Das finde ich falsch.

Man müsste sich eher darüber Gedanken machen, wie man Menschen, die über Vereine und Organisationen freiwillig muttersprachlichen Unterricht anbieten wollen – seien es Kurden, seien es Aramäer –, unterstützen kann. Das muss aber nicht in der Schule stattfinden, es gibt auch andere Möglichkeiten. Sonst stehen wir immer vor der Herausforderung: Wenn wir die einen anerkennen, was machen wir mit den anderen, die nicht anerkannt werden? Damit würde man meiner Meinung nach eine neue Ungerechtigkeit hervorrufen, die wir eher vermeiden sollten, meine Damen und Herren.

Last, but not least: Wir sollten das Thema sehr gelassen im Ausschuss beraten und uns das Ganze ansehen. Wir sollten hier keine Propaganda – so nenne ich es mal – für eine einseitige Organisation machen. Das wird der kurdischen Identität weder in Deutschland noch in der Türkei gerecht.

Ich wünsche mir, dass es in der Türkei endlich Frieden zwischen den Kurden und den Türken gibt. Ich wünsche mir, dass die kurdische genauso wie die aramäische Minderheit in der Verfassung der Türkei anerkannt wird. Ich wünsche mir, dass dort nicht mehr Waffen sprechen, sondern sich die Menschen in ihrer Identität endlich frei entfalten können. Die Probleme von dort hierherzutransportieren, ist nicht der richtige Weg. Daher werden wir Ihren

Antrag nicht unterstützen können, das sage ich jetzt schon. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Vielen Dank. – Für die FDP-Fraktion spricht Kollege Rock.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Es ist schon einiges zu dem Thema gesagt worden. Das möchte ich nicht zwingend wiederholen, sondern ich möchte auf die Aspekte eingehen, die aus meiner Sicht noch nicht so im Fokus standen.

Wir wissen: Seit 50 Jahren kommen kurdische Migrantinnen und Migranten aus der Türkei zu uns. Heute leben rund 1 Million kurdischstämmige Migranten in Deutschland. Die allermeisten haben sich hervorragend in unsere Gesellschaft integriert und wirken hier konstruktiv mit.

Natürlich kann man sich, wie jetzt DIE LINKE, auf den Standpunkt stellen, auch diese Anerkennung einzufordern. Ich muss sagen, dass ich mich über die Integration dieser Menschen freue, dass sie ein Teil unserer Gesellschaft geworden sind und sich hier – ohne in irgendeiner Weise zwingend einen besonderen Status erlangen zu müssen – einbringen und eine Heimat gefunden haben.

Ich muss auch ganz speziell auf Ihren Teil bezüglich der PKK eingehen: Da bin ich nicht ganz bei Ihnen. Ich bin der Meinung, dass wir die Beurteilung des Verfassungsschutzes zu den Aktivitäten der PKK gerade in Deutschland ernst nehmen sollten. Solange der Verfassungsschutz große Bedenken hat, müssen wir es auch konkret ernst nehmen. Davon möchte ich auch nicht abweichen.

(Beifall bei der FDP)

Ich finde es auch richtig, dass der Verfassungsschutz bei Einbürgerungen prüft, gerade, wenn vor diesem Hintergrund Bedenken bestehen, ob diejenigen in irgendeiner Form in diesem Bereich aufgefallen sind. Auch damit kann ich gut leben, und das ist auch in Ordnung. Für mich als Freien Demokraten ist es wichtig, dass kurdischstämmige Migranten bei der Integration nicht benachteiligt werden. Das sehe ich aber nicht.

Das Ziel ist vielmehr, die Menschen mit Migrationshintergrund, die zu uns kommen, gleichberechtigt in unsere Gesellschaft zu integrieren. Ich denke, das findet auch statt. Wenn es in Einzelfällen nicht stattfindet, bin ich gern bereit, dem auch nachzugehen. Aber ich glaube nicht, dass wir hier eine besondere Aufmerksamkeit speziell darauf lenken sollten, sondern wir sollten das Hauptziel darauf legen, das die Migranten, die zu uns kommen, ein Teil unserer Gesellschaft werden, uns bereichern und sich einbringen können. Da sind wir in Deutschland auf einem guten Weg, darum sehen wir keinen Handlungsbedarf in Bezug auf das, was Sie hier beantragen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Kurt Wiegel (CDU))

Danke schön. – Für die SPD-Fraktion spricht Kollege Roth.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Als ich zum ersten Mal den Antrag der LINKEN gesehen habe, war meine erste Frage, wer von der Landesregierung dazu sprechen würde. Ich habe mittlerweile herausgefunden, dass es der Integrationsminister tut. Es hätte aber auch der Innenminister sein können, und es hätte genauso gut der Kultusminister sein können. Damit ist ein Schwachpunkt des Antrags angesprochen, das will ich deutlich sagen.

Was den muttersprachlichen Unterricht angeht und wie er gestaltet wird, ist die zweite Frage. Darüber muss man reden und kann man reden. Weiter geht es mit der Frage, wie es mit der Migrantenberatung aussieht. Darüber kann man reden und muss man reden, wenn man diese Menschen unter der Überschrift „Integration“ gut in dieses Land integrieren will.

Pädagogisch aber ist es nicht wertvoll, liebe Kolleginnen und Kollegen der LINKEN, wenn ein so sensibles Thema mit dem ersten Punkt begonnen wird, der da heißt: Aufhebung des PKK-Verbots.

(Barbara Cárdenas (DIE LINKE): Das war nicht der erste Punkt!)

Darüber kann man in der Tat auch reden und muss es wahrscheinlich auch. Aber rufen wir uns in Erinnerung: In den letzten 30 Jahren sind in diesem Konflikt 42.500 Menschen umgekommen. Das ist nicht einfach von hier aus wettzumachen, indem man sagt, das klären wir jetzt – wie es im Antrag steht – durch irgendeine Initiative im Bundesrat.

Die Situation in der Türkei ist in dieser Frage – das ist in der einen oder anderen Rede deutlich geworden – alles andere als versöhnt. Dennoch gilt: Auch in der Türkei ist in der Kurdenfrage wechselseitig etwas in Gang gekommen. Auch das ist von Vorrednern benannt worden.

Ich glaube, das ist für ein friedliches Zusammenleben dieser unterschiedlichen Gruppen in unserem Land von größter Bedeutung. Von daher: Integration ja, Gleichstellung – dort, wo es um Gleiches geht – auch ja, und ich greife den Gedanken der Kollegin Öztürk auf: aber bitte nicht nur Gleichstellung der kurdischen Minderheit. Warum nur die? Warum nicht alle, die in dieser Frage betroffen sind?

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LIN- KEN)

Was wir in der Türkei brauchen, ist für das Zusammenleben für uns hier ein wichtiges Signal. Ich darf das als Mitglied der SPD-Fraktion so sagen: In dieser wichtigen Frage brauchen wir auch einen Wandel durch Annäherung.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Wenn wir uns gemeinsam hier und in der Türkei auf den Weg machen, dass diejenigen, die sich gegenseitig bekriegt haben, anfangen, Zusammenleben zu gestalten, dann wird auch Integration hier anders möglich sein, als das in einzelnen Punkten derzeit möglich ist.