Mürvet Öztürk

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Sehr verehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist gut, dass wir in der Aktuellen Stunde über das Thema Flüchtlinge sprechen. Aber dass wir heute über die Verteilung der Bundesmittel sprechen, ist verfrüht, da das Finanzausgleichsgesetz noch nicht verabschiedet, das Gesetzgebungsverfahren auf der Bundesebene also noch nicht beendet worden ist.
Liebe SPD, von daher sage ich Ihnen: Zwei oder drei Sitzungen später hätten Sie mit dieser Aktuellen Stunde einen Punkt gemacht. Heute geht das leider entschieden am Thema vorbei.
Es ist Ihre Aufgabe als Opposition, die Regierung zu treiben oder auch die Regierungsfraktionen an ihre Arbeit oder ihre Vorhaben zu erinnern – die man übrigens selbst hatte, als man noch Opposition war.
Das ist alles okay, das ist alles d’accord, das ist in Ordnung. Aber schauen wir uns jetzt an, welches Bild wieder gezeichnet wird. Dem muss man natürlich widersprechen. Sie versuchen hier das Bild zu zeichnen, dass die Landesregierung klebrige Finger habe und das Geld nicht weitergeben wolle.
Obwohl Sie in den Ausschusssitzungen oder auch bei der Asylkonferenz von Minister Grüttner mehrmals bestätigt bekommen haben, dass dieses Geld im Interesse der Kommunen weitergeleitet werden wird, möchten Sie das ignorieren.
Vor allen Dingen machen wir das nicht so wie manche anderen Länder, beispielsweise Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz oder auch Niedersachsen, die schon jetzt klargemacht haben, dass sie nur einen Teil des Geldes für landeseigene Aufgaben wie die Finanzierung der Erstaufnahmeeinrichtungen zur Verfügung stellen werden.
Wir in Hessen haben ganz klar gesagt, unsere Erstaufnahme, die wir erweitern werden, wird über den Haushalt finanziert. Wir haben dafür auch Mittel zur Verfügung gestellt, und wir haben an keiner Stelle einen falschen Eindruck erweckt. Die 37 Millionen €, die noch verrechnet werden müssen, sind noch gar nicht verfügbar, sind auf keinem Konto vorhanden und werden mit der Umsatzsteuer verrechnet. Dieses Geld liegt nirgends bereit und kann deswegen auch noch nicht ausgezahlt werden. Dass wir aber schon jetzt klargemacht haben, die Erstaufnahmeeinrichtung, die Hessen – –
Wenn Sie mir einmal zuhören würden, könnte ich Ihnen das erklären. Wenn Sie sich streiten wollen, dann können Sie hinausgehen. Dafür ist die Aktuelle Stunde aber nicht da.
Wir haben in Hessen mehrmals – auch in Ausschusssitzungen – klargemacht, dass wir das Geld im Interesse der Kommunen weiterleiten werden. Ich möchte nur daran erinnern: Am 11. Dezember 2014 ist eine Vereinbarung im Bundesrat getroffen worden, dass mehr Geld zur Verfügung gestellt werden soll, damit die Gesundheitsversorgung und Unterbringung der minderjährigen Flüchtlinge und auch der erwachsenen Flüchtlinge gewährleistet werden können. Dieses Geld ist noch nicht da. Erst am 21. Mai ist dazu ein Gesetz im Bundestag verabschiedet worden, und das Finanzausgleichsgesetz ist noch nicht verabschiedet worden. Daher müssen wir jetzt zuerst einmal abwarten, was von der Bundesebene überhaupt an Vorgaben gemacht wird.
Was die Aufgabe der Landesregierung betrifft, der aktuellen Situation der Kommunen Abhilfe zu schaffen, möchte ich noch einmal daran erinnern, dass wir die Pauschalen erhöht haben. Ich nenne Ihnen jetzt auch noch einmal die Zahlen: Im November 2013 betrugen beispielsweise die Pauschalen für Kassel und Gießen je 407 €. Jetzt sind wir mit der Erhöhung bei je 601 €. Für Darmstadt und die Stadt Kassel lagen sie im November 2013 bei je 448 €. Jetzt haben wir mit der Erhöhung je 652 €.
In den Städten Darmstadt, Offenbach, Frankfurt am Main und Wiesbaden waren wir im November 2013 bei je 515 €. Jetzt sind wir bei je 725 €. Das heißt, die Pro-Kopf-Pauschalen sind jeweils schon um rund 200 € erhöht worden, mit denen man die Kommunen bei dieser Aufgabe einigermaßen unterstützt. Das möchte ich hier anerkennen.
Ich möchte Ihnen auch kurz sagen, was in anderen Ländern gemacht wird: Nordrhein-Westfalen hat schon jetzt gesagt, dass die Landesregierung von den 108 Millionen € an Zuweisungen, die das Land erhalten wird, 54 Millionen € behalten und für die eigenen Erstaufnahmeeinrichtungen zur Verfügung stellen will. Die Landesregierung dort gibt nur die Hälfte weiter.
Das ist meiner Meinung nach mit einem SPD-Innenminister in Nordrhein-Westfalen nicht vertretbar. Das können Sie gern kritisieren.
In Rheinland-Pfalz wird ebenfalls nicht die komplette Summe weitergegeben, und in Niedersachsen werden von den 40 Millionen € 5 Millionen € im Landeshaushalt zurückbehalten.
Das heißt, den Vorwurf der klebrigen Finger können Sie gern SPD-Innenministern machen – aber nicht der Landesregierung in Hessen.
Ich wünsche mir endlich eine ehrliche Debatte. Ich bedauere, dass die Bundesregierung mit dem Gesetzesentwurf, den sie am 21. Mai verabschiedet hat, gesagt hat, dass diese Summen abschließend zur Verfügung gestellt werden – obwohl alle Länder sagen: Die Herausforderungen steigen, der Bund muss mehr Verantwortung übernehmen und kann nicht so tun, als ob die Kommunen und die Länder die Aufgabe alleine zu tragen hätten.
Aufregen kann auch ich mich in dieser Debatte. Das hilft aber keinem Flüchtling vor Ort, und auch den Kommunen nicht. Der Eindruck, den Sie hier erwecken wollen, hilft sowieso niemandem. In dem Sinne: Thema verfehlt. – Herzlichen Dank.
Sehr verehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich freue mich immer wieder, wenn wir den Petitionsbericht dem Hessischen Landtag vorstellen dürfen; denn der Petitionsausschuss ist ein Ausschuss, der, wie immer wieder betont wird, parteiübergreifend an den sachlichen Feldern, Themen, Einzelfällen arbeitet, und das ist ein Ausschuss, in dem wir ausnahmsweise mit allen Ministerien kooperieren und alle Ministerien Stellungnahen an uns abliefern. Auch das Petitionsreferat ist sehr fleißig.
Daher möchte ich meine Rede damit beginnen, dem Petitionsreferat zu danken für die tatkräftige Unterstützung, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der verschiedenen Ministerien zu danken, den Ministerinnen und Ministern selbst zu danken, die dann auch immer dafür sorgen, dass wir fachlich sehr qualitative Beurteilungen bekommen, und natürlich den Mitgliedern des Petitionsausschusses, die sehr fleißig mit den Einzelfällen, die nicht immer sehr ein
fach sind, seit Jahren arbeiten und versuchen, einen Erfolg für diesen Landtag nach außen zu transportieren.
Meine Damen und Herren, es ist wichtig, dass wir einen Ausschuss haben, der für die Bürgerinnen und Bürger, für die Menschen in Hessen direkt zugänglich ist. Das ist der einzige Ausschuss – was ich auch gerne wiederhole –, bei dem jeder Hesse, egal welchen Alters oder welchen Aufenthaltsstatus, die Möglichkeit hat, sich an den Landtag zu wenden.
Die Zahlen hat meine Vorrednerin, Frau Ypsilanti, bereits genannt. Wenn wir im Jahr 2014 1.094 Eingaben hatten und 1.215 Eingaben abgeschlossen haben, zeigt das, dass wir wirklich versuchen, zügig zu arbeiten.
Schauen wir uns die Zahl der Petitionen an, die das Aufenthaltsrecht betrafen. Das waren 248 Petitionen, also 38 %. Das hört sich nach viel an. Ich habe mir die Mühe gemacht und mir angeschaut, wie viele Petitionen zu diesem Thema in den letzten Jahren im Innenministerium bearbeitet worden sind. Im Zeitraum 1999 bis 2000 waren es 820 Petitionen, also erheblich mehr. Im Zeitraum 2005/ 2006 waren es 695 Petitionen. Das heißt, wenn wir jetzt 248 ausländerrechtliche Fälle als Petitionen zu bearbeitet hatten, dann war das ein angenehmes Maß. Das war meiner Meinung nach sehr positiv.
Ich möchte auch darauf hinweisen, dass sich die Regelungen, die im letzten Jahr auf der Bundesebene im Aufenthaltsrecht beschlossen worden sind, direkt auf die Arbeit im Petitionsausschuss ausgewirkt haben. Ich glaube, es gibt schon einen Grund, warum nicht sehr viele Petitionen von Syrern bei uns gelandet sind. Das hatte damit zu tun, dass die Aufnahmeprogramme sowohl des Bundes als auch der Länder gewirkt haben. Das zeigt: Wenn man legale Wege der Migration oder der Flucht organisiert, dann kann den Menschen schneller geholfen werden, und es müssen keine „Umwege“ über den Petitionsausschuss gegangen werden. Von daher gesehen, kann ich nur dazu ermuntern, in einer sehr schwierigen humanitären Situation Aufnahmeprogramme aufzulegen.
11 % der anderen Petitionen betrafen den sozialen Bereich. Auch das ist schon erwähnt worden. Bei diesen Petitionen ging es z. B. um Streitigkeiten, die die Gewährung von Sozialleistungen oder das Schwerbehindertenrecht betrafen. Das sind meist sehr schwierige Angelegenheiten, beispielsweise deshalb, weil Menschen auf Unterstützungsleistungen hoffen und bis zur Klärung gewisser verwaltungsrechtlicher Fragen keine finanzielle Grundlage haben. Daher ist es wichtig, dass wir im Petitionsausschuss so schnell wie möglich Abhilfe zu schaffen versuchen.
Wir haben auch erfahren, dass ungefähr die Hälfte aller Petitionen mit „Sach- und Rechtslage“ abgeschlossen wird. Im Volksmund heißt das: negativ entschieden. – Es handelt sich aber nicht um negative Entscheidungen, sondern eine Entscheidung nach „Sach- und Rechtslage“ zeigt, dass der Petitionsausschuss an der getroffenen Verwaltungsentscheidung nichts zu bemängeln hat. In diesen Fällen versuchen wir als Angehörige des Landtags, zwischen dem Bürger und der Verwaltung Brücken zu bauen, indem wir die Rechtsgrundlage erklären, damit der Petent nicht das Ge
fühl hat, er hat sich an den Landtag gewandt, aber ihm wurde nicht geholfen.
Das Petitionsrecht ist ein in der Verfassung verbrieftes Recht. Die Zahl der Petitionen ist aber nicht sehr hoch. Daher müssen wir die Menschen aufklären, informieren und sie immer wieder ermuntern, von ihrem Petitionsrecht Gebrauch zu machen, sich an uns zu wenden und sich nicht davon abschrecken zu lassen, dass die Hälfte der Petitionen nach „Sach- und Rechtslage“ entschieden wird.
Daher bleibt es unsere ständige Aufgabe als Abgeordnete, die Menschen über das Petitionsrecht zu informieren, sei es auf unseren eigenen Homepages oder in den Bürgersprechstunden, die wir abhalten. Ich glaube, es ist schon ein Erfolg, dass wir die Menschen auf dem Hessentag direkt erreichen und dass wir ihnen bei Sprechstunden in Wiesbaden oder vor Ort in den Regionen die Möglichkeit geben, sich zu informieren und auch Petitionen einzureichen.
Ich will kurz etwas zum Thema Onlinepetitionen sagen. Wir haben ja lange darüber diskutiert, ob die Möglichkeit, Petitionen online einzureichen, einen großen Personalaufwand mit sich bringen oder große personelle Kapazitäten binden werde. Die Erfahrungen aus dem letzten Jahr haben gezeigt, dass Onlinepetitionen ein großer Erfolg sind. Ich freue mich, dass Hessen – wenn auch als letztes Bundesland – die Möglichkeit eingeführt hat, Petitionen online einzureichen, und dass die Menschen diese Möglichkeit rege annehmen.
Ich möchte mich ganz herzlich bei allen bedanken, die sich dafür eingesetzt haben, dass auch in Hessen Onlinepetitionen möglich sind: beim Ältestenrat, bei den parlamentarischen Geschäftsführern und bei den Fraktionen.
In dem Sinne schreiten wir weiter voran, sodass sich die Bürgerinnen und Bürger auf kurzen und schnellen Wegen an den Hessischen Landtag, an uns wenden können.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte meine Rede ein bisschen anders beginnen, als es üblich ist und man es in dieser Angelegenheit zwischen der Opposition und den Regierungsfraktionen vielleicht gewohnt ist. Ich möchte meine Rede mit der Würde des Menschen beginnen, denn „die Würde des Menschen ist“, wie wir alle wissen, „unantastbar“. Die Würde des Flüchtlings, des Arbeitsmigranten oder auch des Menschen, der sich aus irgendwelchen Gründen auf den Weg machen und zu uns nach Europa kommen möchte, ist ebenfalls unantastbar; denn das sind Menschen wie wir alle.
Die Bilder von Lampedusa im Jahr 2013 haben uns alle erschüttert. Die Bilder vom 18. April 2015 haben uns ebenfalls erschüttert. Wir haben damals, 2013, gedacht, es gebe keine Steigerung der Katastrophe. Wir sind leider im April eines Besseren belehrt worden und mussten feststellen, dass die Zahl der Flüchtlinge, die im Mittelmeer sterben, steigt und wahrscheinlich auch in Zukunft steigen wird. Deswegen ist es auch richtig, dass wir das nicht nur mit Schulterzucken zur Kenntnis nehmen, sondern uns Zeit nehmen, über den richtigen Weg zu diskutieren.
Über die Bilder, die wir aus dem Mittelmeer bekommen haben, sind alle erschüttert. Wir sind darüber erschüttert, dass Menschen ihre Hoffnung, die sie hatten, in Europa nicht realisieren konnten, sondern im Boot vor den Toren Europas den Tod gefunden haben. Das macht uns beschämt. Das macht uns auch betroffen. Das macht uns auch ein Stück ratlos, weil wir seit Jahren über den richtigen Weg streiten. Wir versuchen seit Jahren, legale Wege nach Europa zu organisieren. Wir diskutieren seit Jahren darüber, wie diese Menschen sicher in Europa aufgenommen werden können und wie Flüchtlinge endlich eine neue Heimat und ein neues Zuhause finden können. Denn: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“
Es besteht kein Streit darüber, dass wir in Hessen Menschen Schutz gewähren wollen. Es gibt keinen Streit darüber, dass wir uns unserer Verantwortung und unserer Pflicht als Wertegemeinschaft in der Europäischen Union bewusst sind. Es ist selbstverständlich, wenn Menschen Schutz suchen, dass sie auch bei uns in Hessen eine neue Heimat finden sollen.
Deswegen möchte ich an dieser Stelle ganz klar alle Anschläge, die es auf Asylbewerberheime gibt, sei es in Hessen oder in ganz Deutschland, verurteilen. Das ist eine Straftat, das hat keinen Platz in dieser offenen Gesellschaft, die wir sind. Wir verurteilen es auch, wenn lokale Politikerinnen und Politiker und engagierte Bürgerinnen und Bürger sich für Flüchtlinge einsetzen und dafür von anderen Menschen eingeschüchtert werden. Das ist keine Vaterlandsliebe, sondern Handeln gegen den demokratischen Willen unseres Landes. Flüchtlinge sind in diesem Land willkommen. Das möchte ich festhalten.
Bei jeder Diskussion, die wir führen, bei jeder Frage, die wir stellen, sollten wir sortieren, was wir als Europäische Gemeinschaft nicht bereit sind, mit den Menschen zu teilen, die zu uns flüchten wollen. Was ist es? Ist es unsere Erde, ist es Europa, das Stück Land, das wir nicht teilen wollen? – Das kann es, glaube ich, nicht sein. Sind es unsere Werte, unsere Stabilität und unsere Sicherheit, die wir nicht teilen wollen? – Das kann es auch nicht sein, denn wir sind eine Wertegemeinschaft.
Oder ist es, wie manche Menschen behaupten, unser Sozialstaat, den wir nicht teilen wollen? – Dazu möchte ich ganz klar sagen: Menschen, die sich auf die Flucht begeben, Boote nehmen, die ihnen den Tod bringen werden, dafür Tausende, manchmal sogar Zehntausende von Euro bezahlen, kommen nicht nach Europa, um die 375 € Sozialhilfe zu bekommen. Diese Menschen kommen nach Europa, weil sie Angst um ihre Zukunft haben, weil sie vor Gewalt flüchten. Von daher bitte ich darum, dass wir mit unseren Werten und unseren Menschenrechten, die wir für uns beanspruchen, großzügiger sind und diese Rechte auch den Menschen zuerkennen, die zu uns flüchten wollen.
Noch einen Punkt möchte ich ansprechen und dann zu den Inhalten der Anträge übergehen. Letzte Woche haben wir gemeinsam daran gedacht, dass der Völkermord an den Armeniern sich zum 100. Mal gejährt hat. Wir haben alle darum gestritten, dass wir das auch so benennen. Mir war es wichtig, dass man es Völkermord an den Armeniern benennt. Armenier sind damals in die Wüste nach Deir ezZor vertrieben worden. Viele Armenier haben sich damals in Deir ez-Zor eine neue Heimat aufbauen müssen. Viele Nachkommen dieser Armenier sind jetzt aufgrund der kriegerischen Situation wieder auf der Flucht. Viele dieser Menschen haben mir berichtet, dass sie gezwungen sind, über illegale Fluchtwege nach Libyen zu kommen, und von dort aus versuchen, mit diesen Booten nach Europa zu gelangen.
Wir machen uns also auch historisch mitschuldig an den Nachkommen dieser Armenier, aber nicht nur an den Armeniern, wenn wir nicht endlich legale Wege nach Europa organisieren. Das ist eine gemeinsame Herausforderung. Die Europäische Union hat, glaube ich, dieses Umdenken erkannt. Jetzt ist die Frage, ob wir wenigstens am 8. Mai auf Bundesebene, beim nationalen Flüchtlingsgipfel, ein Umdenken und ein anderes Umsetzen in den legalen Wegen nach Europa erreichen. Das ist unser Wunsch. Ich hoffe, dass das auf Bundesebene erreicht wird.
Meine Damen und Herren, zu Hessen. In Hessen haben wir uns seit eineinhalb Jahren regelmäßig mit der Flüchtlingspolitik beschäftigt. Wir haben öfter darüber diskutiert, welcher Schritt gegangen werden muss. Es ist aber falsch, wenn man der Landesregierung vorwirft, überhaupt nicht zu handeln und keine Verbesserungen erzielt zu haben. Es ist doch diese Landesregierung gewesen, die mit Unterstützung der Koalitionsfraktionen eine 15-prozentige Erhöhung der Pauschalen hinbekommen hat. Das ist etwas, was man einfach anerkennen muss. Es ist auch wichtig, dass wir im Nachtragshaushalt 2014 die Summen erhöht haben, die den Kommunen zur Verfügung gestellt worden sind.
Das kann man meiner Meinung nach in der Diskussion nicht einfach mit der Hand wegwischen und so tun, als würden wir nicht der Verantwortung gerecht werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, das ist nicht zutreffend.
Wir haben es gemacht. – Wenn wir ernsthaft vor Ort in den Kommunen die Bereitschaft zur Aufnahme von Flüchtlingen erhalten wollen, dann ist es wichtig, dass wir von dieser Geld- und Streitfrage wegkommen.
Viele Menschen in den Kommunen engagieren sich vor Ort. Wir brauchen engagierte und innovative Kommunen, die sich einen Weg überlegen, wie man ehrenamtliche Menschen, die sich beispielsweise für Sprachkurse und soziale Betreuung stark machen, auf der kommunalen Ebene koordiniert und sie in die lokale politische Entscheidung einbezieht.
Was die Unterbringung betrifft, brauchen wir unterschiedliche Antworten. Im Ballungsraum sieht die Situation anders aus, da sind die Bedarfe anders als im ländlichen Raum Hessens. Von daher können wir nicht mit einer einfachen Antwort suggerieren, dass dort die Lösung sei. Wir müssen mit den Kommunen weiter gemeinsam Dialoge führen. Das haben wir in der Vergangenheit gemacht und werden es auch in Zukunft machen.
Es ist aber wichtig, zu unterscheiden, dass wir im Ballungsraum nicht sagen können, Gemeinschaftsunterkünfte, die über 50 Personen aufnehmen, sollten eine Ausnahme sein. Das fordert die SPD. Wir wissen doch genau, dass viele Kommunen vor Ort das nicht schaffen werden. Sie brauchen Raum, damit den Menschen ein Dach über dem Kopf gegeben werden kann. Wenn wir jetzt mit Vorgaben an die Kommunen herantreten, laufen wir Gefahr, unüberbrückbare Probleme zu erzeugen.
Ich wünsche mir auch, dass ein höherer Betreuungsschlüssel organisiert wird. In der aktuellen Situation müssen wir uns aber darauf konzentrieren, dass wir die Menschen sozial und ehrenamtlich vor Ort begleiten.
Wir müssen Sprachkurse zur Verfügung stellen. Da ist der Bund in der Pflicht. Wenn der Bund nicht mehr Mittel zur Verfügung stellt, die wir als Länder an die Kommunen weitergeben können, dann ist das ein Streit, der uns in den nächsten Jahren lange beschäftigen wird. Er wird den Menschen vor Ort aber nichts bringen.
Mein Plädoyer lautet: Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns nicht im Klein-Klein verharren oder an den kleinen Streitpunkten verirren. Lassen Sie uns lieber uns weiter im Dialog über den besten Weg austauschen.
Es ist mir wichtig, dass wir im Interesse der Menschen vor Ort zu Lösungen kommen. Es ist mir wichtig, dass wir im Interesse einer pluralen und werteorientierten Gemeinschaft zu Lösungen kommen. Es ist mir wichtig, dass wir im Interesse der Menschlichkeit zu Lösungen kommen. Denn: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Die des Flüchtlings und des Arbeitsmigranten auch. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Kollege Merz, ich schätze Sie sehr, und deswegen bin ich auch noch einmal hierhin gekommen, um Ihnen eine Antwort zu geben.
Natürlich habe ich Ihren Antrag gelesen, und natürlich wissen wir, dass wir mit unserer Pauschale nicht die Kosten decken. Was wir aber nicht machen, ist, mit dem Finger auf andere zu zeigen, während wir dieses Problem auch in anderen Bundesländern haben,
in anderen Bundesländern, wo die SPD gemeinsam mit den GRÜNEN regiert oder auch die SPD mit den LINKEN.
Bundesweit haben wir nirgends eine kostendeckende Pauschale, außer in Bayern, so heißt es, und auch da müsste man einmal nachschauen.
Das aber ist genau der Grund, weswegen wir sagen, der Bund muss auf der anderen Seite mehr Mittel zur Verfügung stellen. Es bringt doch nichts, bei den unterschiedlichen Situationen, wie sie bundesweit organisiert sind, so zu tun, als wären die Hessen die Einzigen.
Wir haben die Mittel erhöht. Damit haben wir fast 80 % der entstehenden Kosten gedeckt. Wir müssen aber auch mit den Kommunen darüber reden, was sie mit den Pauschalen machen und an welcher Schraube wir gemeinsam drehen können. In diesem Dialog sind wir schon.
Sie versuchen, immer wieder das Bild zu zeichnen, in Hessen würde man der Verantwortung nicht gerecht. Wir werden der Verantwortung genauso wie andere Bundesländer mehr oder weniger gerecht. Die Herausforderung ist eine gemeinsame große. Es ist auch nicht das Beste, was wir schon erreicht haben. Deswegen sind wir in einer Diskussion. Aber so zu tun, als wären wir die Schmuddelkinder der Nation, finde ich falsch. – Herzlichen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir beschäftigen uns heute mit der kurdischen Minderheit in Hessen. Das sollten wir auf jeden Fall zum Anlass nehmen, uns die Thematik der kurdischen Identität und die Kämpfe, die kurdische Menschen gerade in Syrien und auch im Irak gegen den IS führen, noch einmal klar vor Augen zu führen.
Unsere Solidarität gilt den kurdischstämmigen Hessinnen und Hessen, die Angehörige in Syrien und im Irak haben, vor allem den jesidischen Minderheiten, deren Angehörige – Frauen und Kinder – immer noch in der Hand des IS versklavt sind und auf Befreiung warten. Die Solidarität in Hessen ist groß. Das kann man in diesem Haus noch einmal kundtun. Wir wünschen uns, dass die Frauen, die Jesidinnen, so schnell wie möglich aus den Händen des IS befreit werden und das in der politischen Priorität ein Stück weit nach oben rückt, meine Damen und Herren.
Deswegen spielen die Identitätsfrage und die Rechte dieser Minderheit hier schon eine Rolle. Das ist von den hessischen Bürgerinnen und Bürgern bisher nicht ignoriert worden. Daher müssen wir zwei Fragen trennen: Einmal geht es um die Anerkennung der kurdischen Minderheit. Wo sollte sie anerkannt werden? Wenn wir uns anschauen, welche Völkergruppen in Deutschland anerkannt sind, nämlich die Sorben, die Friesen, die Dänen und die Sinti und Roma, dann wissen wir, dass der Anerkennungsgedanke in der Verfassung daher kommt, dass es sich um indigene Völker Deutschlands handelt und sie daher hier eine Anerkennung finden.
Was die Kurden betrifft: Ihre Herkunftsregionen sind die Türkei, Syrien, Iran, Irak. Es ist ganz selbstverständlich, dass die Menschen dort für ihre Anerkennung kämpfen. Es ist auch wünschenswert, dass die kurdische Minderheit irgendwann in der Türkei anerkannt wird. Im Vertrag von Sèvres war das vorgesehen, ist im Vertrag von Lausanne von 1923 aber leider herausgefallen.
Wir müssen uns auch vor Augen führen, dass bei der Republikgründung damals sowohl die Kurden als auch die Aramäer durch das Raster gefallen sind. Das heißt, wenn wir jetzt die Anerkennung von Minderheiten fordern, dann müssen wir gerecht sein und entweder alle Minderheiten anerkennen, die damals durch das Raster gefallen sind, was ich falsch finde, oder wir müssen akzeptieren, dass wir in Deutschland nicht die Geburtsfehler der Republik Türkei ausbessern und dafür auch nicht eine Politik machen können, die diese Menschen einfach nur enttäuscht.
Liebe LINKE, wir würden gerne im Ausschuss detailliert darüber diskutieren, aber die Anerkennung der indigenen Völker ist eine Sache, die in den Herkunftsländern zu regeln ist und nicht hier in Deutschland.
Ich möchte auch klar unterscheiden, was damit gemeint ist, wenn Menschen von kurdischer Identität sprechen. Viele Kurdinnen und Kurden leben seit Jahren friedlich und anerkannt in Deutschland, machen hier ihre Karriere, nehmen an unserer Gesellschaft teil und sind vereinsrechtlich organisiert. Sie sind anerkannte Bürgerinnen und Bürger. Viele dieser Menschen haben sich aber auch 1993, als es Ausschreitungen der PKK auf deutschen Straßen gab, als man angefangen hat, türkische Einrichtungen in Deutschland mit Molotowcocktails anzugreifen, von der Gewalt distanziert und ganz deutlich gesagt, dass die PKK nicht ihre Repräsentanz ist, dass sie sich bei einer Anerkennung als Kurden nicht von der PKK vereinnahmen lassen wollen. Das müssen wir ebenfalls zur Kenntnis nehmen und dürfen nicht so tun, als würden alle Kurdinnen und Kurden automatisch von der PKK repräsentiert. Das wäre ungerecht, meine Damen und Herren.
Aber in dem Antrag sieht es ein bisschen aus, als würde man allen Kurdinnen und Kurden die Anerkennung zugestehen, wenn man das PKK-Verbot aufheben würde. Viele fühlen sich von der PKK überhaupt nicht vertreten, sie fühlen sich heute ausreichend in Deutschland anerkannt. Das müssen wir zur Kenntnis nehmen, liebe Kollegin Cárdenas.
Es ist wichtig, dass wir uns anschauen, wie beispielweise die Kulturpflege oder die Pflege der kurdischen Sprachen organisiert werden kann. Ich finde es aber falsch, dass wir das über eine Art muttersprachlichen Unterricht organisieren sollen. Genau das ist ein bisschen anachronistisch und kommt aus der Gastarbeiterphilosophie. Man hat damals muttersprachlichen Unterricht für die Gastarbeiterkinder organisiert, weil man dachte, dass sie irgendwann zurückgehen. Sie sollten dann in ihren Herkunftsländern wieder in die Schule integriert werden können. Das finde ich falsch.
Man müsste sich eher darüber Gedanken machen, wie man Menschen, die über Vereine und Organisationen freiwillig muttersprachlichen Unterricht anbieten wollen – seien es Kurden, seien es Aramäer –, unterstützen kann. Das muss aber nicht in der Schule stattfinden, es gibt auch andere Möglichkeiten. Sonst stehen wir immer vor der Herausforderung: Wenn wir die einen anerkennen, was machen wir mit den anderen, die nicht anerkannt werden? Damit würde man meiner Meinung nach eine neue Ungerechtigkeit hervorrufen, die wir eher vermeiden sollten, meine Damen und Herren.
Last, but not least: Wir sollten das Thema sehr gelassen im Ausschuss beraten und uns das Ganze ansehen. Wir sollten hier keine Propaganda – so nenne ich es mal – für eine einseitige Organisation machen. Das wird der kurdischen Identität weder in Deutschland noch in der Türkei gerecht.
Ich wünsche mir, dass es in der Türkei endlich Frieden zwischen den Kurden und den Türken gibt. Ich wünsche mir, dass die kurdische genauso wie die aramäische Minderheit in der Verfassung der Türkei anerkannt wird. Ich wünsche mir, dass dort nicht mehr Waffen sprechen, sondern sich die Menschen in ihrer Identität endlich frei entfalten können. Die Probleme von dort hierherzutransportieren, ist nicht der richtige Weg. Daher werden wir Ihren
Antrag nicht unterstützen können, das sage ich jetzt schon. – Herzlichen Dank.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute ist die dritte Lesung des Härtefallkommissionsgesetzes, das wir gemeinsam als CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN verändern wollen. Ich freue mich sehr, wenn wir heute endlich nach der dritten Lesung dieses Gesetz verabschieden können, damit viele Menschen draußen, die auf eine Verbesserung warten, diese dann auch erhalten können.
In Hessen haben wir schon öfter über die Härtefallkommission diskutiert. Und wir haben auch schon öfter gemeinsam in verschiedenen Rollen über Verbesserungen gerungen. Ich muss auch zugeben, dass ich in den Jahren 2008 und 2009, als wir eine andere Härtefallkommission beschlossen hatten, in der erstmals nicht nur Abgeordnete, sondern auch zivilgesellschaftliche Gruppen, Kirchen und Ministerien vertreten waren, skeptisch war, dass überhaupt noch Abgeordnete dieser Kommission angehören.
Im Laufe der Arbeit haben wir gesehen, dass es ganz gut ist, dass auch Abgeordnete in der Härtefallkommission und neben den Ministerien auch die Kommunalen Spitzenverbände vertreten sind. Ebenso gehören Frauenrechtsorganisationen und Menschenrechtsorganisationen mit ihrem Fachwissen in die Härtefallkommission. Es ist eine sehr große Kommission, die insgesamt 23 Mitglieder hat. Das ist in anderen Bundesländern nicht der Fall. Von daher war es uns GRÜNEN wichtig, aus der Arbeit heraus Verbesserungen zu erzielen. Das heißt z. B., das Zweidrittelquorum abzuschaffen und durch eine einfache Mehrheit zu ersetzen. Das ist ein Erfolg, den möchte ich auch heute feiern.
Ein zweiter Punkt, den wir in der Härtefallkommission durch das gemeinsame Mitarbeiten immer wieder festgestellt haben, ist die Situation von Familien, von kranken Personen oder aber auch von alleinerziehenden Müttern, die bisher über den Rechtsweg keinen Aufenthalt bekommen haben. Sie hatten nun über die Härtefallkommission die Hoffnung, endlich einen gesicherten Aufenthaltstitel zu bekommen. Sie haben teilweise auch gearbeitet, konnten aber ihren Lebensunterhalt nicht vollständig sichern.
In der Härtefallkommission haben wir oft gemeinsam gerungen, wie wir dieser Personengruppe helfen können. Es ist aus der Situation heraus klar geworden, wenn wir den Härtefällen gerecht werden möchten, müssen wir es auf jeden Fall hinbekommen, die vollständige Sicherung des Lebensunterhalts abzuschaffen bzw. abzumildern und zu ändern in die überwiegende Sicherung des Lebensunterhalts.
Das machen wir mit diesem Gesetz. Jetzt gilt es, das Gesetz zu verabschieden, es in der Praxis auszuprobieren und zu sehen, in wie vielen Fällen es den Menschen helfen wird. Ich bin mir sicher, dass es viele Fälle sein werden. In vielen Fällen müssen wir überhaupt nicht über den Lebensunterhalt diskutieren, weil die Menschen eigene Arbeit gefunden haben und ihren Lebensunterhalt selbst sichern können.
Wir müssen uns nicht in irgendwelche Streitereien oder hypothetische Auseinandersetzungen begeben, sondern wir vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sind dafür, dieses Gesetz zu verabschieden, um für viele Menschen eine konkre
te Verbesserung zu erreichen. Dann kann man schauen, wo es noch hakt, und dann kann man auch noch einmal darüber reden. So, wie es jetzt in die Wege geleitet wird, ist es gut und richtig und entspricht auch dem humanitären Bedürfnis der Menschen und auch unserer humanitären Verantwortung.
Ich möchte noch kurz etwas zu dem Punkt Dublin III sagen. Herr Roth, es ist richtig, dass in unserem Petitionsverfahren die „Dublin-Dreier“ keine Berücksichtigung finden. Aber man darf auch nicht verleugnen, dass diese Fälle im Petitionsverfahren auf Bundesebene bearbeitet werden. Solange eine rechtliche Situation nicht verändert wird und solange rechtlich von der Bundesebene im Aufenthaltsgesetz die Dinge nicht verändert werden, wird es auch über die Härtefallkommission für die Dublin-Fälle keine gute Lösung geben.
Wenn man es gut machen will, wäre es deswegen wichtig, dort anzusetzen, wo auch die Ursache liegt. Das ist nun einmal das Aufenthaltsgesetz des Bundes. Dann muss auf der Bundesebene nachgearbeitet werden. Ich bin eher dafür, dass wir uns in der Härtefallkommission in Hessen auf die Fälle von Personen konzentrieren, die seit Jahren hier leben, die seit Jahren ihren Lebensmittelpunkt in Hessen gefunden haben und die aufgrund besonderer Härte noch keinen Aufenthalt bekommen konnten. Jetzt ist es mit dem neuen Härtefallgesetz wohl auch gut für den Minister und auch besser für die Härtefallkommission, wenn freier entschieden werden kann.
Im Großen und Ganzen ist es ein sehr gutes Gesetz, was hier heute verabschiedet wird. Ich hätte es gern im November in der zweiten Lesung verabschiedet gewusst, jetzt ist es nun einmal die dritte Lesung – Hauptsache, es geschieht noch in diesem Jahr und unsere Koalitionsvereinbarungen werden mit Blick auch auf die humanitären Fragen rasch umgesetzt.
Dies tun wir hier. In diesem Sinne ist es ein Erfolg, den wir gemeinsam feiern können. Ich hätte mir gewünscht, dass auch die Opposition es mitgetragen hätte. Wie dem auch sei, es ist Ihre Entscheidung. Wir sind damit sehr zufrieden und freuen uns über die Verbesserung der humanitären Situation in Hessen. – Herzlichen Dank.
Sehr verehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es freut mich sehr, dass wir auch heute wieder über das Thema Flüchtlinge in diesem Hause sprechen. Das ist auch gut so; denn alle in diesem Hause haben in der Vergangenheit festgestellt, dass uns das Thema auch in der Zukunft beschäftigen wird.
Wenn ich aber heute die Beiträge von Herrn Rentsch und Frau Cárdenas nehme, dann stelle ich fest, Sie haben uns mehr oder weniger in unserer Forderung bestärkt, eine nationale Asylkonferenz durchzuführen; denn die Zustände, die Sie aus Bayern und Nordrhein-Westfalen beschrieben haben, haben wir hier Gott sei Dank nicht.
Das spricht umso mehr dafür, dass wir eine nationale Asylkonferenz brauchen, um auf nationaler Ebene zu schauen, wie man mit den anderen Ländern kooperieren kann.
Ich freue mich sehr, dass es von der Opposition und den Regierungsfraktionen Anträge gibt. Wie ich es verstanden habe, werden sie an die Fachausschüsse überwiesen werden. Dort werden wir auch noch intensiv darüber diskutieren.
Ich will zu Beginn direkt etwas zum Thema Abschiebestopp in die von der Ebola-Epidemie betroffenen Länder sagen. Frau Cárdenas, Sie fordern einen generellen Abschiebestopp. Ich habe mich erkundigt: In keinem der anderen Bundesländer gibt es einen generellen Abschiebestopp. Sogar in Brandenburg, wo Sie gerade verhandeln,
habe ich nachgefragt: Auch dort hat man nicht vor, einen generellen Abschiebestopp einzuführen.
Das Einzige, was geschieht, ist das, was die Länder eigenständig machen können, und das machen wir in Hessen. Von daher haben wir heute mit dem Antrag gezeigt, dass wir das Gleiche machen wie die anderen sensiblen Länder. Von hier werden keine Flüchtlinge in die von Ebola betroffenen Länder abgeschoben, und das bleibt auch so. Das noch einmal zur Klärung, meine Damen und Herren.
Ich möchte noch einmal die Zahlen in Erinnerung rufen. Bisher hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge prognostiziert, dass 2015 ungefähr 300.000 Flüchtlinge in Deutschland ankommen werden. Ungefähr 40.000 werden wir in Hessen unterzubringen haben. Wir wissen auch, dass wir trotz der internationalen Krisen, die wir weltweit beobachten, immer noch nicht die Zahlen aus den Neunzigerjahren erreicht haben.
Wenn wir die Zahl der Menschen, die zu uns kommen und die wir aufnehmen, im Verhältnis zu dem anschauen, was die direkten Nachbarländer leisten, die selbst oft instabil sind und keine starke politische oder strukturelle Situation haben, dann stellen wir fest, dass diese Nachbarländer viel mehr Menschen aufnehmen. Wir haben in der Vergangenheit schon über den Libanon, über Jordanien und die Türkei gesprochen. Das heißt, die eigentliche Verantwortung wird immer noch überwiegend in den Nachbarregionen übernommen.
Bundesentwicklungsminister Müller, der vor Kurzem in Erbil im Irak war, hat selbst in einem Interview festgestellt und darauf hingewiesen, dass die Zahl derer, die zu uns kommen werden, weiter steigen wird, dass damit aber auch unser Beitrag steigen wird.
Ja, es werden mehr leidtragende Menschen, die vor Kriegen oder Gräueltaten geflohen sind, ihren Weg zu uns nach Hessen suchen. Wir sind als Hessen bereit, unseren Beitrag zur humanitären Verantwortung zu leisten. Wir wollen diesen Menschen möglichst schnell helfen und sie möglichst schnell in die deutsche Gesellschaft integrieren. Das ist unser Ziel. Das möchte ich hier festhalten.
Meine Damen und Herren, dafür führen wir Gespräche mit den betroffenen Kommunen, Kreisen, Kirchen und Wohlfahrtsverbänden. Von einer Abschottungspolitik können wir beim besten Willen nicht sprechen. Die Art und Weise, wie wir mit den unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen in Hessen umgehen, mit den hohen Standards, die wir gesetzt haben, war jahrelang immer ein Beispiel für andere Bundesländer. Wir haben auch nicht vor, diese hohen Standards abzubauen. Wir wollen nach wie vor die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge, aber auch die erwachsenen Flüchtlinge bei uns vernünftig unterbringen.
Es ist richtig, dass die Clearingstellen zurzeit sehr überfordert sind, dass ihre Kapazitäten ausgeschöpft waren. Wir wissen aber auch alle, dass das daran gelegen hat, dass die Kreise und Kommunen die zugewiesenen Jugendlichen nicht aufgenommen haben. Dazu habe ich auch in der Vergangenheit gesagt: Es gibt einen Unterschied. Man darf von mir aus bei den erwachsenen Flüchtlingen darüber streiten, ob genug finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt
werden. Aber bei den unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen werden die Kosten zu 100 % getragen. Es ist auch das Land Hessen gewesen, das darauf gedrängt hat, dass die Kreise diese unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge schneller aufnehmen.
Von daher ist in unserem Antrag und unserem Maßnahmenpaket die Rede davon, dass wir uns dieses Themas besonders annehmen wollen, dass wir die Integration dieser unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge in das Schulsystem, in das Bildungs- und Ausbildungssystem forcieren wollen, ein Konzept erstellen wollen.
Meine Damen und Herren, insofern machen wir unsere Hausaufgaben, und das ist auch gut so. Daher möchte ich an dieser Stelle sowohl dem Sozialminister als auch Herrn Staatssekretär Dippel und allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Sozialministerium danken. Gespräche werden geführt, Lösungsvorschläge werden erarbeitet. Das Kultusministerium will jetzt in Kooperation mit dem Sozialministerium ein Konzept für die UMF erarbeiten.
Wir machen viel. Es mag sein, dass es nicht ausreicht. Aber uns vorzuwerfen, dass wir nur Symbolpolitik betrieben oder uns abschotteten – das ist mitnichten so. Das möchte ich hier festhalten.
Zum Schluss. Wir alle wissen, dass am Montag
ich weiß, ich muss aufhören – in Baden-Württemberg eine Asylkonferenz von Ministerpräsident Kretschmann durchgeführt worden ist. Auch dort ist gesagt worden, wir brauchen
eine Unterstützung vom Bund. Diese brauchen wir definitiv in der Unterbringungsfrage und in der Gesundheitsversorgungsfrage. Auch dort ist das Ergebnis gewesen: nationale Asylkonferenz. Der Bundesrat hat dem überwiegend schon zugestimmt. Ich hoffe, dass das bald kommt, damit der Streit konstruktiver geführt wird. – Herzlichen Dank.
Sehr verehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Ich freue mich, heute mit Ihnen die zweite Lesung des Härtefallkommissionsgesetzes vornehmen zu können. Als Koalition von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und CDU haben wir bereits vor der Sommerpause einen Entwurf eingebracht und auch kundgetan, dass wir die Änderungen und die Novellierungen, die wir im Härtefallkommissionsgesetz vorhaben, sehr gut finden.
Wir haben schon in der Vergangenheit in der Opposition durchaus in der Arbeit der Härtefallkommission die eine oder andere Verbesserung gesehen. Diese sind jetzt quasi schon vor der Sommerpause als erster Entwurf eingebracht worden.
Im September haben wir die Anhörung zu diesem Gesetzentwurf gehabt. Wir sind heute in der zweiten Lesung. In der Anhörung haben wir verschiedene Initiativen und auch verschiedene Anregungen bekommen. Die einen waren uns durchaus bekannt, die anderen wiederum neu. Es waren ein paar verwaltungsrechtliche Vorschläge gewesen, die wir als Koalition aufgenommen haben.
Einer davon ist heute in der Drucks. 19/944 Grundlage. Es geht darum, dass wir in den Verwaltungsvorschriften die Widerspruchsverfahren für ausländische Bürger und Unionsbürger vollkommen abschaffen wollen. Dass wir hier
eine einheitliche Regelung machen wollen, kommt daher, weil bereits im Jahre 2006 ein Urteil gefallen ist, das diese Sonderregelung außer Kraft gesetzt hat.
Das heißt nicht, dass den Menschen der Rechtsweg nicht mehr gegeben ist, sondern der Rechtsweg besteht nach wie vor. Aber es gibt einfach kein besonderes Widerspruchsverfahren mehr, sondern alle ausländischen Bürger und Unionsbürger werden jetzt gleich behandelt. Das ist eine Ausführung der Notwendigkeit, die schon längst Praxis ist.
Von daher will ich mich heute gar nicht lange in Details vertiefen, sondern möchte aus der Anhörung anmerken, dass uns das durchaus bewusst ist. Den Änderungsvorschlägen, die in der Richtung gekommen waren, beispielsweise Petitionsverfahren nicht mehr vorzuschalten oder einen Härtefallfonds einzuführen, sind wir nicht gefolgt.
Ich möchte aus der Anhörung daran erinnern: Ich hatte beispielsweise den rheinland-pfälzischen Bürgerbeauftragten gefragt, wie hoch denn der Härtefallfonds ist. Darauf kam leider keine Antwort. Wir konnten nicht genau vonseiten des rheinland-pfälzischen Bürgerbeauftragten den Hinweis bekommen, wie viele Fälle sie über den Härtefallfonds bearbeiten, wie viele Fälle beispielsweise von dem Fonds, der zurückgelegt wird, abgedeckt werden, was gemacht wird, wenn der Fonds ausgegeben ist. Dahin gehend kamen keine Hinweise.
Wir haben uns in dem Härtefallkommissionsgesetz, wie ich gesagt habe, darauf konzentriert, dass wir die Zweidrittelquoren abschaffen und die überwiegende Sicherung des Lebensunterhalts einführen wollen. Das ist nach wie vor Bestandteil des Gesetzes.
Das ist auch vonseiten der ganzen NGOs und auch vonseiten der Wohlfahrtsverbände sehr positiv begleitet und begründet worden, weil die Härtefälle, wenn wir uns die anschauen, zeigen, dass viele Härtefallersuchen durchaus positiv an den Minister weitergeleitet werden, die Personen aber dann auf eine Entscheidung warten, weil der Lebensunterhalt nicht vollständig, sondern nur überwiegend gesichert werden kann.
Beispielsweise gibt es im Jahr 2014 – daran möchte ich erinnern – insgesamt 24 Härtefallersuchen, die wir positiv an den Minister gerichtet haben. Davon sind 21 Fälle noch nicht entschieden, wovon 52 Personen betroffen sind. Bei diesen 52 Personen besteht überwiegend der Grund, dass der Lebensunterhalt nicht vollständig, sondern nur teilweise gesichert ist.
Von daher finden wir es wichtig, uns auf diese zwei Punkte zu konzentrieren, und viele andere Vorschläge, die gemacht worden sind – darauf wird die Opposition natürlich gleich eingehen –, haben wir nicht aufgegriffen. Ich gebe auch zu: Man kann nicht alles haben, was man will. Es ist nun einmal in einer Koalition so, dass man Kompromisse eingehen muss. Wir sind diesen bewusst eingegangen. Wir stehen auch dazu.
Ich glaube, wenn wir als Koalition gemeinsam in diesen zwei Punkten eine Änderung des Härtefallkommissionsgesetzes schon einmal durchsetzen und vollziehen können, ist vielen Menschen damit geholfen.
Von daher möchte ich für die Unterstützung dieses Gesetzes werben. Ich will gar nicht lange ausführen. Ich vermute, es wird eine dritte Lesung geben. Dann werden wir uns wahrscheinlich in der November-Runde noch einmal ausführlich damit befassen. Als Koalition haben wir unser
Versprechen gehalten, denken an die Menschen da draußen und wünschen uns auch die konstruktive Begleitung vonseiten der Opposition. – Herzlichen Dank.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Herr Präsident, sehr verehrte Kommunen! Auch die Kommunen werden wahrscheinlich zuhören, ebenso wie viele Flüchtlinge in diesem Land, die diese Debatten, die wir hier führen, bestimmt interessiert verfolgen. Auch an sie möchte ich meine Worte adressieren. Wenn wir im Hessischen Landtag über das Thema Asyl sprechen, was wichtig ist, wenn wir uns die Bewegungen und Krisen weltweit anschauen, halte ich es auch für wichtig, dass wir in dieser Debatte möglichst fair bleiben und versuchen, dort, wo Kritikpunkte angebracht sind, diese zwar anzubringen, aber auch anzuerkennen, wo etwas geschieht und sich entwickelt.
Von daher möchte ich zuerst einmal der Hessischen Landesregierung dafür danken, dass sie dieses Maßnahmenpaket zum Thema Asyl und Flucht verabschiedet hat. Sie sagt auch klar, dass es ein erster Schritt ist und dass weitere folgen werden. Das ist eine konstruktive Arbeit, wie ich sie mir vorstelle. Daher an dieser Stelle herzlichen Dank.
Die Zahlen kennen wir: Weltweit sind derzeit ca. 51 Millionen Menschen auf der Flucht. Diese Zahl, geschätzt durch internationale Einrichtungen, liegt weit höher als die Zahl der Flüchtlinge nach dem Zweiten Weltkrieg.
Dass viele dieser Menschen auch zu uns nach Deutschland und nach Hessen kommen, das finden wir gut, weil wir als ein wohlhabendes Land dieser internationalen Verantwortung, die wir haben, gerecht werden wollen, indem wir diese Menschen willkommen heißen und sie bei uns verantwortungsvoll unterbringen. Deswegen werden wir auch nicht müde werden, immer wieder zu erwähnen, dass die Humanität im Mittelpunkt der hessischen Flüchtlings- und Asylpolitik steht.
Man kann dieser neuen Landesregierung von mir aus viel vorwerfen, aber nicht, dass sie nicht handelt und nicht das Ohr bei den Kommunen, den ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern oder bei den Flüchtlingen selbst hätte. Die kommunale Verantwortung tragen viele in diesem Landtag anwesende Parteien vor Ort. In verschiedenen politischen Konstellationen sind wir vor Ort in Verantwortung und versuchen, der Situation gerecht zu werden.
Deswegen ist es richtig, dass diese Landesregierung gesagt hat, die Pauschalen werden im Jahr 2015 um 15 % erhöht. Das werden wir als ersten Schritt tun. Im Gespräch mit den Kommunen werden wir immer wieder erörtern, ob weitere Schritte notwendig sind.
Die Kommunen sagen von sich aus, dass sie mit der Situation überfordert sind. In den letzten Jahren ist man aufgrund zurückgegangener Flüchtlingszahlen davon ausgegangen, vorhandene Strukturen abbauen zu können. Im Jahre 2010 haben wir alle gefordert, dass die Gemeinschaftsunterkünfte abgeschafft werden und die Menschen in Wohnungen untergebracht werden sollen, weil wir ein Rekordtief an Flüchtlingszahlen in Deutschland hatten. Diese Situation ist nicht mehr die gleiche. Wir haben jetzt ein Rekordhoch. Die Zahlen werden weiter steigen.
Ich freue mich darüber, dass die Bereitschaft zur Aufnahme innerhalb der Bevölkerung vor Ort sehr groß ist. Deswegen bitte ich auch die Kommunen, alle ihre Belange und Bedarfe so ausgewogen vorzutragen, dass wir die Aufnahmebereitschaft der Menschen vor Ort nicht gefährden, sondern für die Flüchtlinge, soweit es geht, eine optimale Versorgung bekommen.
Daher ist, auch wenn Sie anderer Meinung sind, die nationale Asylkonferenz eine wichtige Angelegenheit. Im Rahmen der nationalen Asylkonferenz kann man es schaffen, zu schauen, welche Probleme es in anderen Bundesländern gibt und vor welchen Herausforderungen die anderen Bundesländer stehen. Wir haben gemerkt, dass die Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen in allen Ländern unterschiedlich organisiert ist. Deswegen standen wir in Hessen vor der Situation, dass andere Bundesländer ihre Aufnahmeeinrichtungen geschlossen haben und die Men
schen zu uns nach Hessen, nach Gießen, gebracht worden sind.
Auch die Erstaufnahmeeinrichtung in Gießen darf nicht überfordert werden. Von daher finde ich es richtig, dass in unserem Asylmaßnahmenpaket die Entlastung der Erstaufnahmeeinrichtung in Gießen vorgesehen ist, sowohl personell als auch finanziell, und man die Möglichkeit hat, weitere Standorte zu erschließen, damit die Menschen in Hessen in unterschiedlichen Regionen untergebracht werden können.
In Gießen ist eine enorme Arbeit geleistet worden. Ich möchte mich im Namen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN dem Dank an die Erstaufnahmeeinrichtung in Gießen und an den Regierungspräsidenten anschließen. Wir sehen, dass das keine Selbstverständlichkeit ist. Wir sind uns auch dessen bewusst, wenn wir dieser Situation Abhilfe schaffen wollen, müssen wir uns in der Zukunft die Zahlen weiter genau anschauen. Für die Versorgung der – wir werden nachher darüber sprechen – unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge oder der jungen Menschen, die ab 16 Jahren zu uns gekommen sind und im deutschen Schulsystem keinen Fuß fassen können, müssen wir Konzepte erarbeiten. Das ist uns völlig klar.
Ich möchte eigentlich diese Aktuelle Stunde damit schließen: Es gibt nichts Gutes, außer man tut es. – Von daher ist es gut, dass die Landesregierung in Hessen etwas tut. Wir wissen, dass wir noch nicht beim Königsweg angekommen sind, aber der Wille zum Handeln ist da. Von daher bitte ich, auch alle politischen Kritiken so abzuwägen – –
Herr Präsident, ich schließe mit den Worten, denn eigentlich sind wir uns einig: herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
Herr Präsident, sehr verehrte Damen und Herren! Die Gräueltaten und die Vertreibung durch die Milizen der ISIS – ich benutze diesen Begriff bewusst, die Selbstbezeichnung „IS“ möchte ich nicht verwenden – im Irak und
in Syrien hat uns alle sehr erschüttert, vor allem seit August dieses Jahres. Im Rahmen einer Delegationsreise hatte ich die Möglichkeit, mir mit Kirchenvertretern und Journalisten aus Baden-Württemberg letzte Woche ein Bild von der Situation vor Ort zu machen und ein Gefühl dafür zu bekommen, was im Nordirak los ist.
Wir bekommen jeden Tag Bilder in unsere Wohnzimmer geliefert, abends nach dem Essen, und wir sind jeden Tag erschüttert, wenn wir sehen, dass Menschen in der Lage sind, im Namen der Religion andere Menschen abzuschlachten, andere Menschen vor laufenden Kameras zu enthaupten, Frauen, die zu anderen Religionen gehören, zu entführen, sie mehrfach zu missbrauchen, zu vergewaltigen und dann auf Märkten verkaufen zu wollen. Wir sind erschüttert darüber, dass Männer kaltblütig abgeschossen werden und dass im Nahen Osten zurzeit eine ethnische Säuberung, ein Völkermord stattfindet. Das ist eine Situation, die uns alle sehr erschüttert.
Wir alle fragen uns: Wie sieht die Lösung aus? Wie können wir in Hessen diesen Menschen helfen? Wie können wir einerseits die Gräueltaten vor Ort aufhalten, andererseits dem Leid der Menschen, die auf der Flucht sind, Abhilfe schaffen?
Wir sollten nicht vergessen: Viele der Menschen, die jetzt im Norden Iraks unterwegs sind, haben Angehörige und Verwandte bei uns in Hessen – oder zumindest in Deutschland. Denken Sie an die vielen traumatisierten Familien, die hier in Deutschland leben, mit ihren Angehörigen vor Ort verbunden sind und versuchen, diesen unbürokratisch zu helfen. Deshalb ist wichtig, dass wir uns in diesem Landtag darüber unterhalten, wobei ich die Bitte äußere, den Fokus nicht auf die Militärschläge, sondern auf die Situation der Zivilbevölkerung zu legen und sich darüber Gedanken zu machen, wie wir den Menschen konkret helfen können.
Die Hilfe der internationalen Gemeinschaft ist vor Ort vorhanden, soweit ich gesehen habe, aber die Hilfe kommt schleppend an – das muss man zugeben –, weil die Zahl der Flüchtlinge enorm hoch ist. Wir haben im Norden Iraks erfahren, dass seit kurzer Zeit, seit dem 3. August, ungefähr 400.000 Jesiden aus dem Shingal-Gebirge in die Regionen Dohuk und Erbil geflüchtet sind. Einschließlich der syrischen Binnenflüchtlinge, die der Irak aufnimmt – das sind etwa 200.000 Menschen –, sowie der Chaldäer, Mandäer und der sunnitischen und schiitischen Minderheiten sind es insgesamt 1,8 Millionen Binnenmigranten und -flüchtlinge, die zurzeit im Norden Iraks versuchen, Unterkunft zu finden. Das ist eine Herausforderung, die die Regionen destabilisiert, eine Situation, die dazu führen könnte, dass die Regionen kollabieren. Daher brauchen diese Menschen unsere Hilfe.
Wenn wir uns jetzt darüber unterhalten, ob die militärische Intervention die richtige oder die falsche Entscheidung war, dann kann ich mich nur dem Satz anschließen: Nichts zu tun ist ebenfalls eine Gefahr, deren Konsequenzen wir tragen müssen. – Falsches Handeln bringt ebenfalls Gefahren, mit deren Konsequenzen wir leben müssen. Ich glaube, es gibt zurzeit nicht nur die eine richtige Antwort. Ich finde aber, dass wir im Hessischen Landtag anerkennen müssen, dass im Bundestag verschiedene Fraktionen eine sehr intensive Auseinandersetzung über diese Fragen und
auch darüber führen, wie man die ISIS im Irak und in Syrien bekämpfen kann. Ich glaube, dass in dieser Region eine Gesamtstrategie notwendig ist, und ich glaube auch, dass die Lieferung von Militärausrüstung und von Beratern der Bundeswehr an die Peschmerga ein wichtiger und richtiger Schritt ist. Auch wenn bei der Abstimmung jeder eine Entscheidung nach seinem Gewissen treffen muss, ist es, wenn wir uns die Belange der Menschen vor Ort anschauen, zurzeit wichtig, dass überhaupt gehandelt wird.
Wenn wir vom Bürgerkrieg und von unterschiedlichen Parteien sprechen, dann muss uns klar sein, von wem wir reden. Die Peschmerga ist ein fester Bestandteil der nordirakischen Verteidigung, während die ISIS als militärische Einheit kein fester Bestandteil des Irak ist. Die ISIS ist vielmehr eine Terrormiliz, die den Menschen Angst und Schrecken einjagt und sie vertreibt.
In dieser Ausnahmesituation ist es zur Verhinderung eines Völkermordes ein legitimes Mittel, militärische Hilfe zu leisten und vor Ort präsent zu sein. Gleichwohl weiß ich, dass dieser erste Schritt nicht der Schritt ist, der die Region retten wird, auch nicht der Schritt ist, der diese Region auf die Dauer stabilisieren wird. Deswegen müssen weitere Schritte folgen.
Wenn wir über weitere Schritte sprechen, dann möchte ich mein Augenmerk in der verbliebenen Zeit auf die Situation der Frauen richten. Wir alle vergessen bei der Diskussion um Militärschläge und Rüstungslieferungen sowie bei der politisch-strategischen Dauerdiskussion, dass heute noch ca. 5.000 Frauen in den Händen der ISIS sind. Diese Frauen sind verschleppt und in der Region um Mossul festgehalten worden. Man bekommt unterschiedliche Berichte, was mit diesen Frauen geschieht. Ein Teil der Frauen soll, so heißt es, vergewaltigt worden sein und soll verkauft werden. Ein anderer Teil der Frauen wurde umgebracht. Die Situation der Frauen, die noch am Leben sind, ist dramatisch. Sie melden sich täglich bei ihren Familien in Erbil und in Dohuk und bitten darum, gerettet oder befreit zu werden. Ich weiß nicht, ob man die Befreiung von hier aus organisieren kann. Ich möchte aber nicht, dass wir so tun, als ob es diese Frauen nicht gäbe, die auf Hilfe warten.
Es ist unsere Pflicht, auf diese Situation aufmerksam zu machen und uns zu überlegen, wie wir den Geflüchteten therapeutische Hilfe leisten können, wenn sie gerettet sind, und wie wir sie – ungefähr 300 Frauen haben es geschafft, sich aus den Händen des IS zu befreien – vor Ort, in der jesidischen und in der christlich-chaldäischen Gemeinde, unterstützen können.
Wir müssen wissen, dass die Menschen vor Ort kein Dach über dem Kopf haben, dass in sechs Wochen im Norden Iraks der Winter beginnt und dass die Menschen in Rohbauten, in Schulen, in Zelten und in provisorischen Lagern darben. Nahrungsmittel gibt es in einigermaßen ausreichender Menge. Aber wenn sie nicht binnen sechs Wochen winterfeste Unterkünfte bekommen, werden diese Menschen erfrieren.
Wenn die Frauen jetzt keine traumatherapeutische Unterstützung und Begleitung bekommen, droht die Gefahr, dass sie Selbstmord begehen, weil sie sich als geschändete, entwürdigte Frauen nicht mehr in ihre Familien zurückwagen. Das will ich nicht. Es gehört dazu, dass wir das sehen und
versuchen, von hier aus Hilfe für diese Frauen zu organisieren.
Im Norden Iraks ist der Schulbetrieb nicht aufgenommen worden. Am 15. September hätten die Schulen geöffnet werden müssen. Aber da alle Gebäude besetzt sind, gibt es keinen normalen Schulbetrieb.
Die normalen Krankenhäuser sind überfordert, weil auch die Flüchtlinge dort behandelt werden. Wenn Angehörige der einheimischen Bevölkerung krank werden und eine Notversorgung in den Krankenhäusern benötigen, bekommen sie diese nicht, weil sie einfach überfüllt sind.
Deswegen glaube ich, dass eine Diskussion, die wir führen sollten, die über die langfristigen Ziele – über die wir ja reden – und über die politischen Gesamtstrategien ist, die wir brauchen. Die dringende Diskussion ist: Wie schaffen wir es, innerhalb von sechs bis acht Wochen winterfeste Unterkünfte in dieser Region zu errichten? Die Vereinten Nationen sind aktiv, aber es reicht nicht. Der Raum, in dem sich die Menschen bewegen, die versorgt werden müssen, ist viel zu groß. Die karitativen Verbände, die dort unterwegs sind, sind mit ihren Möglichkeiten am Ende. Die kurdische Regionalregierung unter Barzani versucht mit allen Mitteln, zu helfen, aber auch sie sind am Ende.
Ganz schwerwiegend ist, dass das Vertrauen, das die Menschen bislang den anderen entgegenbrachten – z. B. ihren Nachbarn –, erschüttert ist. Das heißt, die Christen vertrauen den Muslimen nicht mehr, die Jesiden vertrauen den Sunniten nicht mehr, und die Schiiten vertrauen den anderen ebenfalls nicht mehr. Die multikulturelle Gesellschaft – die Wiege der zivilisierten Kultur, die aus dieser Region stammt – droht zu kollabieren bzw. auf immer und ewig zerstört zu werden. Ein Weltkulturerbe droht zerstört zu werden.
Deswegen glaube ich, dass wir in drei Schritten vorgehen müssen. Der erste Schritt sind die kurzfristigen Hilfeleistungen, um die Menschen vor den Folgen des Winters zu retten. Der zweite Schritt ist, zu überlegen, wie man die Menschen in ihren Dörfern, wenn sie dorthin zurückkehren wollen – viele wollen zurückkehren –, bei Aufbau- und Infrastrukturmaßnahmen unterstützen kann. Der dritte Schritt ist eine politische Gesamtstrategie für den Nahen Osten: wie man dort eine Stabilisierung hinbekommt, bei der nicht nur die Ressourcenpolitik eine Rolle spielt, sondern bei der es auch um die Menschen und um die multikulturelle Zusammensetzung dieser Gesellschaft geht.
Das alles sind Dinge, die wir gemeinsam andenken können. Aber ich denke, aus Hessen werden uns begrenzte Mittel zur Verfügung stehen.
Von daher ist mein letzter Appell: Lassen Sie uns der jesidischen Gemeinschaft in Hessen und auch den christlichen Gemeinschaften in Hessen – der chaldäischen und der syrisch-orthodoxen – die Hand reichen, damit wir gemeinsam an Wegen und Lösungsmöglichkeiten arbeiten, um den Menschen vor Ort direkt und unbürokratisch zu helfen. Das ist mein Appell. Ich hoffe, dass wir nicht sehr oft über dieses Thema reden müssen. – Herzlichen Dank.
Sehr verehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es freut mich, dass wir heute in diesem Hause erneut über die Situation der Flüchtlinge in Hessen sprechen. Wir als Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sind gemeinsam mit der CDU-Fraktion immer bereit für einen offenen, konstruktiven Dialog und führen diesen auch gern.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, ich muss aber auch sagen, allein der Titel Ihres Antrags zeigt, dass Sie die Diskussion wohl noch nicht verstanden haben; denn bei Ihnen heißt es „Flüchtlingsstrom erfordert Flüchtlingsgipfel“. Eigentlich hatten wir gemeinsam festgestellt, dass wir beim besten Willen nicht von Flüchtlingsströmen nach Deutschland reden können. Daher denke ich eher: Dass Sie das ernst meinen wollen, das glaubt Ihnen keiner, meine Damen und Herren von der FDP.
Es ist bereits heute Morgen umfangreich dargestellt worden, dass international und weltweit viele Menschen auf der Flucht sind. Frau Beer selbst hat gesagt, 51 Millionen Menschen seien auf der Flucht. Das ist die größte Fluchtbewegung nach dem Zweiten Weltkrieg. Wir haben heute Morgen gemeinsam festgestellt, dass im Jahr 2014 mit großer Wahrscheinlichkeit 20.000 Personen nach Hessen gekommen sind, die untergebracht werden müssen, und im Jahr 2015 werden es Pi mal Daumen 40.000 sein, wenn sich die Prognosen bestätigen.
Dass Sie trotzdessen von angeblichen Flüchtlingsströmen sprechen, wundert mich wirklich.
Ich glaube, dass diese Diskussion so, wie Sie sie führen wollen, nicht so konstruktiv ist, wie Sie es nach außen hin darstellen. Ich möchte Sie auch daran erinnern, liebe Kollegen von der FDP, dass Sie bis vor einem Jahr in der Landesregierung waren. Sie hatten eine Kultusministerin, einen Wirtschaftsminister und einen Integrationsminister, die durchaus in der Lage gewesen wären, im Vorfeld die vorausplanende Politik zu realisieren. Dies nun alles der CDU-Fraktion in die Schuhe zu schieben, dass es mit denen nicht gegangen sei, stimmt nun überhaupt nicht – den besten Beweis liefern wir gerade. Wir setzen nämlich die Dinge um, die in der Flüchtlingspolitik notwendig sind, meine Damen und Herren.
Deswegen freut es mich, dass wir in dieser Debatte nicht in theoretische Diskussionen einsteigen, sondern ganz konkret unser Maßnahmenpaket schon heute Morgen angekündigt haben und im Rahmen des Antrags noch einmal vorstellen wollen. In diesem Maßnahmenpaket sind umfangreiche erste Schritte, jawohl, schon gegangen worden bzw. in Planung. Wir hatten die Diskussion um die Kosten. Auch da sind wir bereit, mit der Erhöhung der Pauschalen um 15 % den Kommunen eine gewisse Entlastung zu ermöglichen. Mit den 60 Millionen €, die in diesem Nachtragshaushalt schon eingestellt worden sind, wurde definitiv eine Entlastung erreicht – ob dies nun genug ist, wissen wir nicht. Das werden wir mit den Kommunen und auch den Flüchtlingsverbänden in der nächsten Zeit diskutieren.
Wir haben über die Bildungspolitik gesprochen, über die Integrationsmöglichkeit der Jugendlichen in das Bildungssystem. Auch hier ist uns bewusst, dass man nacharbeiten muss, weil die Zahlen der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge enorm gestiegen sind, dass die Clearingstellen in Gießen und Frankfurt überfordert sind und wir dort Abhilfe schaffen müssen. Dazu gibt es bei uns konkrete Vorstellungen. Über die Erstaufnahme in Gießen haben wir gesprochen.
Was mich, wie gesagt, nach wie vor wundert, ist, dass Sie auf der einen Seite schon eher konstruktiv diskutieren wollen, aber immer von Ihrer eigenen Verantwortung, die Sie vor einem Jahr im Bund und auch in Hessen hatten, entweder gänzlich ablenken oder auch gar nicht erzählen, was denn Ihre Konzepte waren, die Sie hätten umsetzen wollen, aber nicht umsetzen konnten.
Das ist beim besten Willen keine seriöse Diskussion über die Flüchtlingspolitik, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP. Das möchte ich Ihnen an dieser Stelle gern noch einmal mitgeben.
Ja, das ist auch gut so. Vielleicht erinnern Sie sich ja daran, welche Rolle Sie vorher hatten. Im Endeffekt hätten Sie ja schon vieles anders machen können.
Aber ich möchte zu dem Ansatz zurückkommen, wie wichtig es ist, dass wir im Ausschuss gemeinsam darüber nachdenken, in welchen Bereichen Verbesserungen stattfinden müssten. Dazu haben wir schon die einen oder anderen Punkte aus dem Maßnahmenkatalog erwähnt. Ich glaube,
dass wir in erster Linie natürlich, wenn wir die Menschen bei uns unterbringen, sie mit Sprachkursen dabei unterstützen müssen, dass sie auch in Hessen vielleicht irgendwann reell ihren Lebensunterhalt verdienen, Ausbildungen nachmachen, einen Wohnraum beziehen und aus den Gemeinschaftsunterkünften herauskommen können. All das sind Ziele, die wir gemeinsam mit den Kommunen zu diskutieren haben.
Ich glaube auch, dass, wenn wir Wohnraum schaffen wollen, wir ganz gezielt schauen müssen, wie beispielsweise sozialverträglicher Wohnraum geschaffen wird, damit diese Menschen eben nicht auch in den Kommunen in Gemeinschaftsunterkünfte gebracht werden.
Es ist durchaus wichtig, dabei positive Signale zu senden und die Willkommenskultur, von der wir immer sprechen, auch vor Ort umzusetzen, damit Menschen ihre privaten Wohnräume für Flüchtlinge zur Verfügung stellen, dass diese angemietet werden können.
Die Reaktionen, die ich von vielen Kommunen bekomme, sieht so aus, dass, wenn Wohnraum aus privatem Eigentum gefunden wurde und sie die Menschen dort unterbringen wollen, teilweise große Unsicherheit herrscht, weil man nicht weiß, was das für Menschen sind, die dann kommen usw. Ich glaube, mit positiver Unterstützung und Begleitung kann die Bereitschaft geweckt werden, die Menschen in solchen Wohnungen unterzubringen.
Was die Jugendlichen betrifft: Im Maßnahmenpaket ist bereits klar formuliert, dass im Kultusministerium ein Konzept erarbeitet werden wird. In diesem Konzept stellen wir uns konkret die Frage, wie wir unser bestehendes Schulsystem mit den Menschen, die aus dem Ausland kommen, teilweise ohne Papiere und ohne Zeugnisse, kompatibel einschulen und ihnen den Erwerb der fehlenden Qualifikationen ermöglichen können. Es gibt dazu Ideen, die wir durchaus gemeinsam umsetzen sollten. Aber ohne ein gescheites Konzept auf Kultusministerebene, das wir zunächst erarbeiten wollen, direkt, wie Sie es in Ihrem Antrag verlangt haben und was wir am Nachmittag vielleicht noch diskutieren werden, ins Blaue hinein zu agieren, das finde ich ein bisschen gewagt, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Zu dem Gipfel, den Sie auf hessischer Ebene haben möchten, sind wir GRÜNEN schon der Meinung, dass es erst einmal notwendig ist, auf Bundesebene mit den anderen Bundesländern das gemeinsame Gespräch zu führen. Auch Ministerpräsident Bouffier hat deutlich gemacht, dass wir, wenn wir nicht erst einmal mit anderen Bundesländern gemeinsame Koordinierungseckpunkte festhalten, in Hessen das Problem allein nicht werden bewältigen können, weil es weit über die hessische Kompetenz hinausragt. Daher ist der richtige Weg, zunächst unsere Asylkonferenz auf der Bundesebene einzurichten und dann im Gespräch mit den Verbänden und den Kommunen zu schauen, was davon wir auf die hessische Ebene herunterbrechen können.
Von der Diskussion über die Verantwortung, die wir zu tragen haben, möchte ich gar nicht ablenken. Ich glaube, dass wir auch in der Vergangenheit oft gemeinsam darüber gerungen haben, wie viele Flüchtlinge wir aufnehmen soll
ten und wie viele wir aufnehmen können. Ich bin sehr froh, dass wir auf Bundesebene hinsichtlich der syrischen Flüchtlinge zweimal 5.000er-Kontingente eingerichtet haben.
Das sind 10.000 Menschen, die zu uns kommen können und auch kommen. Ich bin auch sehr froh – deswegen ein Dank an die Bundesregierung, dass sie unkompliziert mitgemacht hat –, dass wir auf der hessischen Ebene zwei eigene Landesaufnahmeprogramme hinbekommen haben. Das sind die konkreten Maßnahmen, die wir in der Vergangenheit erreicht haben. In der Umsetzung gibt es natürlich Probleme, die korrigiert werden.
Von daher glaube ich, bevor wir auf der hessischen Ebene einen Gipfel machen und von Flüchtlingsströmen sprechen, wären wir gut beraten, auf Bundesebene erst einmal gemeinsame Linien festzuhalten und mit unserem Maßnahmenpaket die konkreten Punkte in Hessen anzugehen. Das ist das, was wir hier anbieten. Wir laden Sie dazu ein, mit uns im Ausschuss konstruktiv zu diskutieren.
Meine Damen und Herren, ich freue mich auf die Debatte nächste Woche. – Herzlichen Dank erst einmal.
Sehr verehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte feststellen, dass für uns, die Mitglieder des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, das Grundrecht auf Asyl ein sehr hohes Gut ist, dass Asylsuchende natürlich Anspruch auf ein rechtsstaatliches Verfahren haben und dass asylrechtliche Entscheidungen immer zügig und anhand klarer Kriterien abzuwägen und dann umzusetzen sind.
Ich möchte aber auch festhalten, dass wir das Konzept der sicheren Herkunftsstaaten generell für schwierig erachten. Das ist ein Konzept, das wir auch in der Vergangenheit sehr kritisch bewertet haben und in der Gegenwart kritisch bewerten, weil es eben die Gefahr birgt, dass pauschal Flüchtlinge aus bestimmten Herkunftsländern als offensichtlich unbegründete Asylbewerber abgelehnt werden und man damit unter Umständen dem Schutzbedarf des einzelnen Flüchtlings nicht gerecht wird.
Ein so sensibles Thema wie die Einstufung der sicheren Herkunftsstaaten muss daher umfassend und verantwortungsbewusst erörtert werden, mit Ruhe und ohne Polemik, sondern einfach mit der Gelassenheit, die notwendig ist.
Deshalb haben BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und alle von ihnen mitregierten Länder, auch die SPD-grün-regierten Länder, dafür gesorgt, dass am 13. Juni im Bundesrat mit einer Enthaltung dieser Gesetzentwurf nicht beschlossen worden ist, sondern weiter im Beratungsverfahren geblieben ist. Das ist ein Erfolg, den wir als GRÜNE gemeinsam in diesen Ländern verabredet und besprochen haben. In einem ersten Schritt haben wir durchgesetzt, dass diesem
Gesetz noch nicht zugestimmt worden ist, sondern dass es weiter in den Beratungen ist.
Wir haben auch in allen sieben grünmitregierten Ländern wie in Brandenburg eine einheitliche Position hinbekommen können, weil wir uns darüber klar waren, dass dieses Gesetzesvorhaben sehr problematisch ist und dass es auch weitere problematische ausländerrechtliche Gesetzesvorhaben gibt, die man sich genauer anschauen muss.
Es geht dabei um die Einschränkung von EU-Freizügigkeit, um höchst problematische Änderungen bei der Ausweisung von ausländischen Staatsangehörigen, um Verschärfung der Inhaftierungsmöglichkeiten von Asylsuchenden, es geht aber auch um Vorhaben wie: endlich eine stichtagsunabhängige Bleiberechtsregelung hinzubekommen, endlich einen erleichterten Arbeitsmarktzugang für Flüchtlinge hinzubekommen, aber auch Veränderungen im Asylbewerberleistungsgesetz hinzubekommen. Das heißt, sowohl die schwierigen Themen als auch die durchaus positiven Themen sind miteinander verknüpft worden und sollen jetzt bis Herbst miteinander diskutiert und in einem ausgewogenen Bereich entschieden werden.
Vor diesem Hintergrund haben wir GRÜNE und die grünmitregierten Länder Gesprächsangebote der Großen Koalition angenommen. Wir sind jetzt mit ihnen in Verhandlung und versuchen einmal, herauszufinden, was denn die eigentlichen Vorhaben bezwecken und was sie wollen. Wir wollen auch da ganz klar versuchen, im Interesse der Flüchtlinge, die bei uns Schutz suchen, so viel wie möglich herauszuholen und Rechte für diese Menschen hinzubekommen, damit ihre Lebenssituation in Deutschland verbessert wird.
Das zum Thema, was gerade aktuell passiert ist. Deswegen habe ich mich gewundert, als der Antrag von der LINKEN kam. Denn ich habe mir gedacht: Das ist doch alles das, was wir GRÜNEN gemacht haben. Wollen Sie unsere Verhandlungsposition stärken oder schwächen, es für sich noch einmal politisch instrumentalisieren oder belehren? – Ich habe das nicht ganz verstanden, weil wir ganz genau wissen, wie wir mit dieser Thematik sehr sensibel umzugehen haben und wie wir unsere Haltung dazu klargemacht haben.
Deswegen ist auch, wie gesagt, im Bundesrat am 13. Juni genau das entschieden worden, was entschieden worden ist.
Ich möchte aber auch klarmachen, dass wir in dieser Frage sehr sensibel miteinander umgehen müssen. Wenn wir über das Thema sichere Herkunftsstaaten Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina reden, möchte ich nicht, dass wir uns das leicht machen. Auf der einen Seite gibt es auch einen CDU-Politiker wie Herrn Professor Dr. Schwarz-Schilling, der anmahnt, die Situation vor Ort sei katastrophal und wir dürften sie nicht außer Acht lassen. Aber es gibt auch einen SPD-Politiker wie Rüdiger Veit, der da sehr kritisch ist, und es gibt auch die GRÜNEN, die da sehr kritisch sind.
Ich möchte aber auch nicht verhehlen, dass wir in dieser Diskussion sehen müssen, dass bundesrechtliche Gesetzgebungen in Zukunft so erlassen werden, dass wir den Menschen, die bei uns Schutz suchen, auf jeden Fall bessere
Lebensmöglichkeiten, einen besseren Arbeitsmarktzugang und eine bessere soziale Teilhabe organisieren können.
Ich finde aber auch, dass man nicht das Spiel spielen sollte, die verschiedenen Gruppen gegeneinander aufzuwiegen oder abzuwägen. Trotzdem bin ich sicher – so, wie die Bundesregierung jetzt ihr Gesprächsangebot gemacht hat und wie sich die Landesregierung hier aus Hessen im Bundesrat verhalten hat –, dass man sehr sorgsam mit dieser Frage umgehen wird, dass man sehr sorgsam alles abwägen wird, um verschiedene Entwicklungen und gesetzliche Verbesserungen zu erzielen, ohne dabei die eine Gruppe gegen die andere auszuspielen. In diesem Sinne habe ich vollstes Vertrauen, dass das, was im Herbst dabei herauskommen wird, im Interesse aller Flüchtlinge in Deutschland sein wird. Dass natürlich eine europaweite Lösung für die Roma gefunden werden muss, ist keine Frage. Ob das unbedingt über das Asylrecht geregelt werden muss, werden wir noch diskutieren.
Mehr habe ich dem nicht hinzuzufügen. Wichtig sind Gelassenheit und Nichtinstrumentalisierung der Situation der Menschen. Das, was im Herbst entschieden wird, sollte für uns alle gemeinsam tragbar sein, damit den Menschen, den Flüchtlingen hier in Hessen, die höchste und beste Möglichkeit der Teilhabe organisiert wird. – Herzlichen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herzlichen Dank, es ist unser Setzpunkt. Wir GRÜNE haben uns entschieden, in dieser Plenarrunde das WIR-Programm zu unserem Setzpunkt zu machen. Denn wir wollen immer wieder klarmachen: Vom Ihr zum Wir ist unser politisches Ziel. Das wollen wir auch in Hessen signalisieren und realisieren, und daher heute dieser Antrag.
Seit Jahren reden wir gemeinsam darüber, dass Hessen ein buntes und vielfältiges Land ist. In Hessen spricht man bei jedem Vierten von einem sogenannten Migrationshintergrund. In unserem Alltag haben wir uns schon längst von einem sogenannten Ihr zu einem Wir weiterentwickelt. Den sogenannten Ausländer gibt es schon lange nicht mehr, den sogenannten Einheimischen auch nicht. Viele von uns haben Vorfahren, die aus einem anderen Land hierher nach Deutschland gekommen sind oder die aus einer anderen Region Deutschlands nach Hessen gekommen sind. Das ist auch gut so, denn Vielfalt bereichert unsere Gesellschaft.
Im Koalitionsvertrag haben wir auch dies ganz ausdrücklich niedergelegt. Im Koalitionsvertrag haben wir vieles zum Thema Integration und Flüchtlingsarbeit geschrieben, und wir haben dort auch festgehalten: Wenn wir eine echte, eine gelingende Integration erreichen wollen, ist es
wichtig, eine echte Willkommens- und Anerkennungskultur als Leitbild der hessischen Integrationspolitik zu realisieren.
WIR fördert den Zusammenhalt dieser Gesellschaft. WIR fördert die Menschen dabei, ihre Identität zu entwickeln, neu zu entwickeln, zu Hessen zu werden und trotzdem mit ihrer transnationalen oder transkulturellen Identität bei uns eine Heimat zu finden. Meine Damen und Herren, WIR sorgt auch dafür, dass wir Integration als Teilhabe verstehen, dass wir Integration auf Augenhöhe betreiben. Das ist unser gemeinsames Ziel in dieser Koalition, und das möchten wir hier nochmals festhalten.
Es gibt verschiedene Bausteine, um dieses Ziel zu erreichen. Wir haben immer gesagt, wir wollen eine Integrationspolitik nach Plan und Maß, eine Integrationspolitik aus einem Guss. Meine Damen und Herren, das war in der Vergangenheit unsere Kritik, und deswegen waren wir mit den Einzelanträgen nicht immer sehr zufrieden. In dieser neuen Koalition wollen wir jetzt eine Integration mit Maß und vor allen Dingen nach Plan realisieren.
Das WIR-Programm ist ein wichtiger Baustein dieses Integrationszieles. Wenn wir Menschen, die zu uns eingewandert sind, dabei unterstützen wollen, sich hier zurechtzufinden und dabei Integrationsleistungen zu erbringen, ist das WIR-Programm ein äußerst wichtiger Baustein. Meine Damen und Herren, das möchten wir Ihnen heute hier vorstellen.
Es ist auch nichts Abstraktes. Das möchte ich hier ausdrücklich festhalten. Wenn wir von kultureller Vielfalt reden, dann müssen wir uns nur unsere bunte, coole Nationalelf vorstellen. Diese Nationalelf ist mit ihrer vielfältigen Stärke bis zur Weltmeisterschaft gekommen. Sie hat dafür gesorgt, dass wir gemeinsam Weltmeister geworden sind. Das heißt, Vielfalt ist immer eine Stärke für die Zukunft. Meine Damen und Herren, das wollen wir auch in Hessen beherzigen und uns jeden Tag erneut vor Augen führen.