Protokoll der Sitzung vom 26.03.2015

Außerdem hat Ihre Fraktion die letzten beiden Kultusministerinnen gestellt. Unzählige Briefe bezüglich der viel zu hohen Arbeitsbelastung von Lehrerinnen und Lehrern haben Sie in den letzten Jahren erreicht, ebenso Petitionen, Resolutionen und Hilferufe.

Meine Dame und meine Herren von der FDP, das alles haben Sie in den letzten Jahren nicht nur ignoriert, sondern Sie haben diese schlimme Situation an den hessischen Schulen mit Ihrer Politik etabliert und fortgeschrieben.

(Beifall bei der LINKEN)

Sich also jetzt hier als Verfechter für gute Arbeitsbedingungen an den hessischen Schulen hinzustellen, das mag zwar in Ihren Plan einer parteilichen Neuausrichtung hineinpassen, scheitert aber leider an einer Realität, die Sie selbst geschaffen haben.

Sie hatten es doch mit Ihrer Kultusministerin in der Hand, genau das abzuändern, was hier in Ihrem Antrag aufgeführt wird. Hätten Sie die Nöte der Lehrerinnen und Lehrer auch nur ansatzweise ernst genommen, wäre in den letzten Jahren längst etwas an dieser Situation, an dieser tatsächlich viel zu hohen Arbeitsbelastung geändert worden.

Auch wenn ich in der Regel wissenschaftliche Untermauerung befürworte – die Frage nach Informationen über die Arbeitszeitbelastung dürfte Ihre ehemalige Kultusministerin doch zur Genüge beantworten können.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich kann also festhalten: Wie das Fähnchen im Wind, so sieht Ihre Politik aus. Pech für Sie, dass dieses Schauspiel nicht nur mehr als durchschaubar ist; es hat auch den Be

griff des Fremdschämens verdient. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke schön. – Als Nächster spricht Kollege Irmer, CDUFraktion.

Werte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Dem ersten Satz des FDP-Antrags können wir sicherlich alle zustimmen, wenn es dort heißt, dass der Landtag die Arbeitsbelastung der Lehrer insgesamt anerkennt und sich dafür einsetzt, dass diese Anerkennung und Wertschätzung für die wichtige Arbeit erfahren müssen. Ich teile das ausdrücklich.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Liebe Kollegen von der FDP, aber glaubwürdiger wäre eine solche Initiative, wenn sie zu der Zeit gekommen wäre, als Sie selbst die Verantwortung hatten. Fünf Jahre haben Sie die Kultusministerin gestellt. Sie hatten also im Grunde genommen fünf Jahre Zeit, genau das zu machen, was Sie heute fordern. Das ist das eine.

(Beifall bei der CDU – Zurufe von der FDP)

Bei aller Wertschätzung: Das müssen Sie sich gefallen lassen. – Zum Zweiten, lieber Kollege Lenders, wäre dieser Antrag noch glaubwürdiger, wenn er nicht teilweise wortidentisch von einem Antrag der FDP-Landtagsfraktion Niedersachsen abgeschrieben worden wäre. So weit dazu, so viel muss sein.

(Florian Rentsch (FDP): Die haben die gleiche Situation wie wir!)

Sie haben zu Recht auf die Bedeutung des Lehrers für den Bildungserfolg der hessischen Schüler hingewiesen. Hattie-Studie, Schaarschmidt-Studie und andere – alle kommen zum gleichen Ergebnis: Lehrer sind die gesellschaftlichen Architekten der Zukunft. Lehrer halten den Schlüssel zu besseren Lernergebnissen in ihren Händen. Lehrer tragen dazu bei, dass sich Schüler zu Persönlichkeiten entwickeln und ihr Leistungspotenzial ausschöpfen können.

Das ist das Ergebnis vieler entsprechender Studien und alles richtig. Deshalb ist es aus unserer Sicht genauso wichtig, dass wir alles dazu beitragen, dem Lehrerberuf auch entsprechendes Ansehen zu verleihen. Da sind Formulierungen und Beschimpfungen wie die früheren schröderschen „faulen Säcke“ alles andere als hilfreich; sie sind fatal und genau das Falsche.

Verehrte Frau Kollegin Beer, dazu gehört auch Ihre Aussage als Generalsekretärin vor einem guten Jahr: Wir haben viele Lehrer, die nicht in die Schule gehören. – Auch das ist die falsche Botschaft, die Sie gesendet haben, liebe Frau Kollegin. Deshalb müssen wir alles daransetzen, wie es in Finnland ist, dazu beizutragen, dass der Lehrerberuf den entsprechenden Stellenwert hat. Dazu müssen wir alle beitragen.

(Beifall bei der CDU)

Kollege Irmer, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Bei fünf Minuten keine, ich bitte um Verständnis.

(Zuruf der Abg. Nicola Beer (FDP))

Meine Damen und Herren, wir begrüßen, dass es seit Jahren einen deutschen Lehrerpreis gibt, dass es einen Schulpreis gibt, also Best-Practice-Beispiele. Herr Kollege Schaus, wir haben am 5. Oktober den Weltlehrertag. Das Motto 2014 war „Invest in the future – invest in teachers“. Das ist genau das, was wir auch – früher mit der FDP – heute mit den GRÜNEN machen. Wir investieren in Lehrer, um damit die entsprechenden Voraussetzungen zu schaffen.

(Beifall bei der CDU)

Verehrte Kollegen von der FDP, Sie haben in Ihrem Antrag viele Punkte angesprochen, was Lehrer alles machen müssen – alles korrekt, alles in Ordnung. Vieles davon ist das, was tatsächlich jeden Tag, im Übrigen seit 20 Jahren, geschieht. Aber es gibt in der heutigen Zeit auch zusätzliche Belastungen. GEW, Philologenverband, VBE – ohne Wertung, ohne alles –: Mehrbelastung durch Inklusion, Vertretungsunterricht, aggressives Schülerverhalten, Lärm, Ausweitung der Leistungserhebung, heterogenere Schülerschaften, Bürokratieaufwand, Elternansprache heute schwieriger, Erziehungsdefizite größer, Sekundärtugenden ausbaufähig. Das ist eine kurze Auswertung von vielen Belegen und Erklärungen von unterschiedlichen Lehrerverbänden, die ich in der Sache teile.

Jetzt kommen wir zu der Arbeitsbelastung, die gehört nämlich auch dazu. Die Arbeitsbelastung ist im Übrigen auch abhängig von der Lehrerpersönlichkeit, vom Lehramt, von der Frage des Einsatzes in Grundschule, Mittelstufe oder Oberstufe. Habe ich ein Korrekturfach, habe ich zwei Korrekturfächer, welche habe ich, habe ich beispielsweise Latein? „Coniuratio Catilinae“ von Sallust, „De Bello Gallico“ von Caesar sind immer noch das Gleiche. Da braucht man nicht viel zu ändern. Oder Pythagoras.

Aber habe ich Englisch und Gemeinschaftskunde, da verändert sich eine ganze Menge. Das gehört alles zu den unterschiedlichen Belastungen. Deshalb kann ich das nicht so pauschal machen, wie es hier vorgesehen ist.

Meine Damen und Herren, wir wissen, die Belastung liegt unterschiedlich bewertet irgendwo bei 1.750 Stunden im Jahr. Deshalb müssen wir alles daransetzen – und das muss das Ziel sein, statt Studien –, zu sehen, wo wir Entlastungen hineinbringen können.

Das ist das Beispiel der Entbürokratisierung. Das ist das Beispiel der Assistenzen. Schulsozialarbeit, Sozialindex, kleinere Klassen, Sternchenregelung haben wir wegfallen lassen, Vertretungsmittel erhöht, 104, 105 % Lehrerversorgung, Arbeitsbedingungen in Klassen auch von den Schulträgern verbessert – das alles sind Rahmenbedingungen, die helfen, die Situation insgesamt entsprechend zu verändern oder zu verbessern. Da müssen wir uns zusammensetzen. Dafür brauchen wir keine teuren Studien.

Herr Kollege Irmer, kommen Sie bitte zum Ende.

Frau Präsidentin, ich bin am letzten Satz. – Das Ziel muss doch sein, Lehrern mehr Zeit zu geben, um persönliche Zuwendung von Mensch zu Mensch geben zu können. Sie ist, wie Hartmut von Hentig das formuliert, eine heilende emotionale Kraft.

Kollege Irmer, bitte kommen Sie zum Schluss.

Frau Präsidentin, deshalb sage ich, wir brauchen keine teuren Studien, sondern müssen alles daransetzen, um etwas dazu beizutragen. Das ist der Punkt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Kolleginnen und Kollegen, als Nächster spricht Kollege Degen für die SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich stelle fest: Niemals geht man so ganz.

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Immerhin habe ich wieder die Aufmerksamkeit des Hauses. Das ist zu so später Stunde doch schwierig.

Ich möchte mit einem Satz anfangen, den ich gefunden habe. Er lautet:

Sie verbringen in ihrem Leben mehr Zeit damit, Telefonate mit Eltern zu führen, als mit dem Küssen.

So beginnt der Leitartikel in „Bildung bewegt“. Das ist die Ausgabe vom Dezember 2014. Herausgeber ist das Landesschulamt. Nicht alles, was das Landesschulamt gemacht hat, war schlecht.

(Beifall des Abg. Wolfgang Greilich (FDP))

Ich fand diesen Artikel ganz spannend. Ich will noch weiter die Einleitung zitieren. Dort heißt es:

Sie müssen sich in regelmäßiger Wiederkehr sehr schnell fast 200 Kindernamen einprägen und die Biografien hinter den Namen kennenlernen. Sie werden mehrere Stunden am Tag einem Lärm ausgesetzt, der einer viel befahrenen Hauptverkehrsstraße gleicht. Ihr Körper, ihr Geist und ihre Psyche werden in ihrem Beruf stark beansprucht. Pausen stellen keine Erholung dar. Sie korrigieren in einem Jahr häufig Tausende an Arbeiten. Sie jonglieren tagtäglich mit diskrepanten Rollenerwartungen und sind doch Hoffnungsträger und stille Heldinnen und Helden: Lehrerinnen und Lehrer.

Ich finde, das ist ein sehr treffendes Zitat. Ich finde, der Antrag der FDP-Fraktion ist es durchaus wert, debattiert zu

werden. Die Thematisierung ist richtig, um wirklich einmal über die Arbeitsbedingungen der Lehrkräfte zu sprechen.

Herr Kollege Irmer, ich verstehe die hohe Emotionalität nicht, mit der Sie sich sperren, einmal genau hinzuschauen und Transparenz zu erzeugen. Ich finde, in dem Antrag ist gar keine große Wertung. Es soll darauf hinauslaufen, einmal zu schauen, was Lehrkräfte heute zu tun haben.

Was die Kosten angeht, kann man sagen: Das Land Hessen hat einige Universitäten. Ich könnte mir denken, dass man schauen kann, ob man nicht Mittel und Wege findet, ein Projekt zu entwickeln, das vielleicht gar nicht so unermesslich teuer wäre. Darüber sollte man erst einmal reden.