Protokoll der Sitzung vom 27.05.2015

Wir verurteilen derartige Übergriffe entschieden. Wer Rettungskräfte und Polizeibeamte angreift, muss wissen, dass der demokratische Rechtsstaat ein derartiges Verhalten nicht hinnimmt. Diese Einsatzkräfte sind zum Schutz unseres Gemeinwesens tätig. Daher haben sie auch ein Recht darauf, von uns als Gesellschaft besonders geschützt zu werden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Aus diesem Grund hat sich die schwarz-grüne Koalition schon im Dezember 2013 darauf verständigt, eine Bundesratsinitiative zu ergreifen, wonach tätliche Angriffe auf diesen Personenkreis unter eine besondere Strafe gestellt werden. Wir haben uns auf der einen Seite darauf verständigt, für die Bürgerinnen und Bürger die Transparenz der Polizei bei Einsätzen zu verbessern – das haben wir über die Kennzeichnungspflicht erreicht –, und auf der anderen Seite haben wir gesagt, dass wir diejenigen, die das staatliche Gewaltmonopol wahrnehmen, die für uns Sicherheit, Recht und Ordnung darstellen, in besonderem Maße schützen. Das setzen wir mit der Bundesratsinitiative gerade um.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Im Jahr 2014 waren 3.200 Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte bei ihrer täglichen Arbeit Übergriffen ausgesetzt. Wir mussten erleben, wie Feuerwehrleute im Einsatz angegriffen werden und wie Rettungskräfte bei ihrer Arbeit behindert, bedroht und beschimpft werden. Das ist ein Zustand, den wir alle so nicht hinnehmen können. Hier muss ein deutliches Stoppschild aufgestellt werden, hier brauchen wir deutliche Signale der Gesellschaft zum Schutz dieser Menschen, die sich für diese Gesellschaft engagieren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Natürlich wissen wir – Kollege Greilich hat das hier, finde ich, zum Teil richtig ausgeführt –, dass Strafverschärfung und neue Paragrafen alleine ein derartiges Verhalten nicht ändern. Wir wissen auch, dass zusätzliche Maßnahmen nötig sind, um Übergriffe zu verhindern und um Einsatzkräfte besser zu schützen.

Eine Vielzahl von Maßnahmen haben wir schon ergriffen. Kollege Bauer ist darauf eingegangen. Wir haben den passiven Schutz für die Beamtinnen und Beamten verbessert, wir haben die persönliche Schutzausstattung verbessert, wir haben in ballistischen Hals- und Tiefschutz investiert, um Verletzungen zu verhindern, wir haben den BodyCam-Einsatz neu geregelt, d. h. gewaltpräventive Maßnahmen umgesetzt, die verhindern, dass es überhaupt erst zu Gewaltausbrüchen kommt. Wir haben Kommunikationsund Deeskalationsmaßnahmen verbessert, wir haben kontinuierliche Fort- und Weiterbildung organisiert, und wir haben die interkulturelle Kompetenz der Beamtinnen und Beamten gestärkt, um sie in die Lage zu versetzen, alle Bevölkerungsgruppen anzusprechen. Wir haben also nicht nur auf diese Maßnahme gesetzt – wir haben eine Vielzahl von Maßnahmen vereinbart. Ich glaube, es sind gute Maßnahmen, die wir hierbei ergriffen haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Trotz dieser Maßnahmen kommt es immer wieder zu Übergriffen. Die Hemmschwelle sinkt, die Brutalität steigt. Das ist leider die Realität, die wir feststellen müssen. Der Gipfel der Brutalität gegen Polizei, Feuerwehr und Rettungskräfte waren wohl die Gewaltexzesse der BlockupyDemonstrationen in Frankfurt – Bilder, die, glaube ich, so schnell keiner von uns vergessen wird. Ich habe derartig brutale Angriffe auf Einsatzkräfte in Hessen noch nie gese

hen. Dass man Einsatzfahrzeuge der Polizei anzünden kann, in denen noch Menschen sitzen, ist für mich unbegreiflich.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU sowie der Abg. Angelika Löber (SPD))

Dass man Feuerwehrleute, die zum Einsatz fahren, mit Steinen bewerfen kann, ist für mich nicht nachzuvollziehen, und dass man Sanitäter, die ihre Arbeit machen wollen, angreift, ist für mich nicht nachvollziehbar.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Hier ist das Maß übervoll. Meine sehr verehrten Damen und Herren, es handelt sich bei denen, die hierbei für uns tätig sind, auch um Menschen. Ich frage mich manchmal, ob man das betonen muss: In dieser Uniform stecken Menschen, die angegriffen werden. Das muss man hier in die Richtung von Herrn Kollegen Wilken vielleicht deutlich sagen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Hermann Schaus (DIE LINKE): Unsinn!)

Diese Menschen schützen und ermöglichen nicht nur unsere Grundrechte, sondern diese Menschen haben selbst auch Grundrechte, nämlich das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Ich finde, solche Übergriffe sind schändlich. Ich finde, solche Übergriffe sind vollkommen inakzeptabel und durch nichts zu rechtfertigen. Diese Übergriffe sind kriminell. Gewalt gegen Einsatzkräfte hat nichts, aber auch gar nichts mit zivilem Ungehorsam zu tun.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Ziviler Ungehorsam nimmt bewusst Regelverstöße in Kauf. Ziviler Ungehorsam ist aber nicht gewalttätig. Das sollten diejenigen, die so etwas sagen, einmal zur Kenntnis nehmen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Ich kann überhaupt nicht nachvollziehen, dass Kollege van Ooyen in einer Pressemitteilung die irrige Auffassung vertritt, dass die geplante Bundesratsinitiative das Demonstrationsrecht einschränkt. Herr Kollege, Gewaltanwendung bei Demonstrationen ist schon immer verboten. Dafür braucht es diese Bundesratsinitiative nicht. Es ist Willi van Ooyen, der gesagt hat, dass Autos anzuzünden kontraproduktiv sei, und der gesagt hat, dass derjenige Sturm ernten wird, der Wind sät. Herr Kollege van Ooyen, ich kann mich nur wundern: Bis heute haben Sie sich von diesen Gewaltexzessen nicht eindeutig distanziert. Diese Gelegenheit haben Sie heute wieder verstreichen lassen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Hermann Schaus (DIE LINKE): Er ist ja gar nicht da!)

Ich will hier noch einmal betonen: Auch die jetzigen Regelungen des Demonstrationsrechts lassen Gewalt gegen Menschen und Sachen nicht zu. Kollege van Ooyen sollte zur Kenntnis nehmen: In Art. 8 des Grundgesetzes heißt

es: „Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.“

Meine Damen und Herren, es gibt unter uns – ich glaube, zumindest bei der großen Mehrheit dieses Hauses – den demokratischen Konsens, dass Gewalt kein Mittel der politischen Auseinandersetzung ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Ich glaube, dass Sie diesen demokratischen Konsens, der unter der Mehrheit im Hause herrscht, nicht teilen. Das Demonstrationsrecht ist bei uns ein hohes Gut, grundgesetzlich geschützt. Aber es sind doch gerade die Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten, die dieses Grundrecht schützen und die Wahrung und Wahrnehmung dieses Grundrechts ermöglichen.

Bei der Bundesratsinitiative geht es auch darum, ein Bewusstsein dafür entstehen zu lassen, dass Gewalt gegenüber Menschen, die anderen in Not helfen oder anderen die Geltendmachung ihrer Grundrechte gewährleisten, ein besonderes Unrecht darstellt. Wer diese Menschen angreift, setzt sich in besonderem Maße ins Unrecht.

Die bisherige Regelung ist insoweit unzureichend, als dass ein besonderes Sanktionsmittel nur vorgesehen ist, wenn eine Polizeibeamtin oder ein Polizeibeamter während einer Vollstreckungshandlung angegriffen wird, also beispielsweise bei einer Reaktion auf eine Verkehrskontrolle oder eine Festnahme. Mit der neuen Regelung wird ermöglicht, einen tätlichen Angriff auch dann besonders zu sanktionieren, wenn er in Bezug auf den Dienst des Beamten erfolgt, der Beamte also angegriffen wird, weil er Polizeibeamter ist, weil er beim Rettungsdienst tätig ist oder weil er als Feuerwehrmann im Einsatz ist.

Meine Damen und Herren, man kann über die Regelung sicherlich kontrovers diskutieren. Aber ich glaube, eines sollte klar sein: Wir werden und müssen deutlich machen, dass wir nicht akzeptieren, dass Menschen, die für unsere Grundwerte einstehen und unsere Grundrechte verteidigen, in solch einem Maße angegriffen werden;

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

das Gewaltmonopol des Staates ist eine zivilisatorische Errungenschaft. Bei uns funktioniert Rechtsdurchsetzung glücklicherweise nach rechtsstaatlichen Prinzipien. Man kann sich in vielen Ländern dieser Welt anschauen, was passiert, wenn dieses Gewaltmonopol des Staates nicht funktioniert. Chaos und das Recht des Stärkeren sind nicht das, was wir hier wollen.

Im Übrigen funktioniert dort auch Demokratie nicht, im Übrigen funktioniert dort auch Meinungsfreiheit nicht, im Übrigen funktioniert dort auch die Wahrnehmung des Grundrechts auf Demonstrationsfreiheit nicht. Deswegen sollten wir uns immer gewahr werden, dass es gerade Beamtinnen und Beamte der Polizei sind, die dieses Gewaltmonopol im Dienst repräsentieren und dafür Sorge tragen, dass wir unsere Grundrechte wahrnehmen können.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Kollege Frömmrich, Sie müssen zum Schluss kommen.

Ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin. – Wir wissen natürlich auch, dass eine derartige Regelung wie der § 112 Diskussionen auslöst. Eines ist aber klar: Wir haben mit diesem Vorstoß schon jetzt eine breite Debatte über Gewalt gegen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte sowie Rettungskräfte ausgelöst. Diese gesellschaftliche Debatte ist dringend notwendig; denn an dem Zustand, wie wir ihn zum Teil in Frankfurt beobachten mussten, müssen wir dringend etwas ändern.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Vielen Dank. – Kolleginnen und Kollegen, ich begrüße auf der Tribüne Bischof Dr. Hein, der heute Morgen die Andacht im Landtag gehalten hat. Herzlich willkommen.

(Allgemeiner Beifall)

Als Nächster spricht Kollege Günter Rudolph, SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ja, es ist wahr: Tagtäglich leisten Polizeibeamtinnen und -beamte, Feuerwehrbeamtinnen und -beamte aber auch Mitarbeiter im Rettungsdienst eine harte und beschwerliche Arbeit – nicht nur in Hessen, sondern in der gesamten Bundesrepublik und teilweise unter Einsatz ihres Lebens. Diese Arbeit verrichten sie täglich auch mit einem hohen Risiko: Es finden täglich Angriffe auf eingesetzte Beamte statt; etwa neun schwere Straftaten sind jeden Tag zu verzeichnen. Das betrifft auch Fälle, bei denen wir dies nicht vermutet hätten; bei ganz normalen Routineeinsätzen nimmt Gewalt – schwere oder gefährliche Körperverletzung – insbesondere auch gegen Polizeibeamte zu.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ja, es ist eine gesellschaftliche Realität, dass die Hemmschwelle deutlich gesunken ist – nicht erst seit den Vorfällen in Frankfurt im Zusammenhang mit Blockupy. Es ist ein Prozess, den wir schon seit Jahren feststellen. Ich will daran erinnern, dass die SPD-Fraktion im Jahre 2013 einen Gesetzentwurf in den Landtag eingebracht und beraten hat, nämlich zur Änderung des Rettungsdienstgesetzes. Damals ging es unter anderem um die Frage: Wie können wir Rettungskräfte besser schützen?

(Holger Bellino (CDU): Ja!)

Den – Herr Kollege Bellino, weil Sie so schön nicken – haben Sie bzw. die CDU allerdings abgelehnt, weil es nach Ihrer Auffassung nicht notwendig war. Nein, wir hätten schon damals reagieren können, wollen und müssen, um das sehr deutlich zu sagen.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Holger Belli- no (CDU))

Wir müssen gemeinsam feststellen: Alltägliche Beleidigungen und andere Respektlosigkeiten gegenüber Polizei

beamten oder Einsatzkräften werden teilweise schon gar nicht mehr erfasst. Ich will auf eine interessante Studie aus Nordrhein-Westfalen aus dem Jahre 2013 verweisen. Damals gab es eine Untersuchung mit dem Titel „Gewalt gegen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte“. Daran haben sich fast 18.000 Polizeibeamte in Nordrhein-Westfalen beteiligt. Der damalige und heutige Innenminister Ralf Jäger sagte, er sei erschrocken gewesen, dass Polizeibeamte oftmals Gewalt nicht verarbeiteten. Deswegen ist der Ansatz richtig, auch bei der Ausrichtung der Polizei, auf schwierige Polizeieinsätze vorbereitet zu werden. Wichtig ist aber auch die psychologische Betreuung hinterher. Das ist ein Phänomen, mit dem wir uns auseinandersetzen müssen. Diese Studie kann vielleicht auch einmal ein Thema in Hessen sein. Dies sind Erkenntnisse, die wir gemeinsam verarbeiten müssen.

(Beifall bei der SPD)

Jetzt kommt die Bundesratsinitiative aus Hessen. Man hätte auch einen anderen Weg gehen können. Man hätte auch den Weg über das Parlament gehen können, um gemeinsam aus dem Parlament heraus politisch tätig zu werden, was übrigens auch zulässig wäre. Ich lasse jetzt einmal den formalrechtlichen Teil weg, dass nur die Landesregierung Bundesratsinitiativen einbringen kann, aber sonst sind Sie auch nicht so kleinlich. Wir hätten uns dieser Thematik gemeinsam stellen und fragen können: Was sind die Erkenntnisse und Ergebnisse der exzessiven Gewaltausbrüche im Zusammenhang mit den Blockupy-Demonstrationen in Frankfurt? Welche Konsequenzen müssen wir daraus ziehen? Diesen politischen Diskurs hätten wir uns gern auch im Hessischen Landtag respektive im Innenausschuss gewünscht.