Protokoll der Sitzung vom 27.05.2015

(Holger Bellino (CDU): Jawohl!)

Und jetzt zu der Schärfe, die von mir eben angesprochen wurde. Sie nehmen Bezug auf die Äußerungen des Ministerpräsidenten. Ich weiß gar nicht, was daran verkehrt sein kann, wenn man feststellt, dass jeder in seiner Fraktion natürlich bestimmte schulpolitische Überzeugungen hat, zu denen man steht. Es ist das Ziel des Bildungsgipfels, zu schauen, in welchen Bereichen man zusammenkommen kann.

(Norbert Schmitt (SPD): Darum geht es nicht! Es geht um die Diffamierung von uns, dass die SPDPolitik „inhuman“ ist! – Anhaltende Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Es ist doch fast abenteuerlich, zu glauben, dass zum Schluss alle hier hinausmarschieren und sagen: „Wir sind jetzt alle gleich.“ Das ist wieder das Thema Einheitsschule bzw. Einheitslehrer. Das ist doch Quatsch.

(Gerhard Merz (SPD): Könnten Sie einmal etwas anderes sagen als diese „Einheitsschule“? Das geht einem echt auf den Keks!)

Es kann doch nicht sein, dass es am Schluss nur Kongruenzen gibt, dass die Schnittmengen wirklich zu einer kongruenten Fläche werden. Das ist auch nicht das Ziel und das Thema der Arbeitsgruppen auf dem Bildungsgipfel, sondern es gilt, auszutarieren, wo man zusammenkommt, wo das Verbindende ist, aber wo möglicherweise auch ein Dissens ist. Das darf ich hier einmal unterstreichen. Ich denke, es braucht die nötige Sachlichkeit, die nötige Seriosität, aber auch die nötige Ehrlichkeit, um in der Sache voranzukommen. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU – Lachen und Zurufe von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Schwarz. – Meine Damen und Herren, Sie haben gleich die Möglichkeit, sich weiter auszutauschen. Das Wort hat der Kultusminister. Herr Prof. Lorz, bitte.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zunächst auch ein Wort zu den Ressourcen sagen. Wir haben am Anfang dieser Legislaturperiode ein zentrales Versprechen abgegeben. Dieses lautet: Trotz zurückgehender Schülerzahlen – wir hatten allein in diesem Schuljahr 11.000 Schülerinnen und Schüler weniger als im vorangegangenen Schuljahr – bleibt die demografische Rendite im System. Wir nehmen keine einzige Lehrerstelle heraus.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dieses Versprechen halten wir. Aber es entbindet uns natürlich nicht von der Überlegung – das ist schon allein aufgrund der Schuldenbremse geboten –: Wofür setzen wir denn diese Zahl von Lehrerstellen ein, insbesondere auch die Reserve, die eben dadurch entsteht, dass die Schülerzahlen zurückgehen? Ich lese aus den Äußerungen in diesem Hause, dass wir einen großen Konsens darüber haben, dass wir sie, jedenfalls zu einem beträchtlichen Teil, für den Ausbau der ganztägig arbeitenden Schulen einsetzen wollen.

Jetzt kann man sich darauf beschränken und sagen: Na ja, es ist halt das, was durch die demografische Rendite zur Verfügung steht, und mehr gibt es eben nicht. – Oder man kann sich überlegen: Ist uns dieser Ausbau der Ganztagsangebote so wichtig – ich lasse im Moment noch offen, nach welchem Modell –, dass wir überlegen, ob die Stellen dort nicht noch besser, noch sinnvoller eingesetzt wären als an anderen Stellen im Bildungssystem innerhalb der bestehen bleibenden Lehrerstellen?

Daher darf ich noch einmal auf die Feststellung zurückkommen, die wir vorhin getroffen haben, nämlich dass die Vorstellungen, die die SPD in ihrem Wahlprogramm formuliert und die die Landesregierung mit dem Pakt für den Nachmittag versprochen hat, jedenfalls von der Größenordnung des Investitionsvolumens her nicht himmelweit auseinanderliegen. Deswegen ist es in der Tat richtig, Herr Schäfer-Gümbel, und das bestätige ich Ihnen gern, dass wir schon zu Beginn dieses Jahres darüber gesprochen haben, dass eine Kompromisslösung, eine Brücke, eine Verständigung möglich sein könnte.

Ich glaube, es ist auch ein bisschen der Dramaturgie des Prozesses geschuldet, dass dies jetzt etwas hitzigere Formen annimmt. Aber ich gebe Ihnen recht, wir sollten uns jetzt wieder darauf besinnen; die Frage lautet schlicht und ergreifend: Machen wir zumindest an diesem Punkt in den nächsten Wochen den Deckel drauf, oder lassen wir uns möglicherweise von anderen, von Nebenkampfschauplätzen, sei es innerhalb oder außerhalb des Bildungsgipfelprozesses, ablenken? Ich jedenfalls sehe diese Chance, und ich würde sie auch weiterhin nutzen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister. – Das Wort hat Herr Kollege Schäfer-Gümbel.

Herr Präsident, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister Lorz, zunächst herzlichen Dank für Ihre Klarstellung. Ich will das noch einmal ergänzen: Am 20. Januar, am 26. März, in einem Telefonat am 5. April sowie am heutigen Tag haben wir genau über diese Frage intensiv miteinander gesprochen – einschließlich der Frage, wie mögliche Korridore aussehen könnten und wie die Finanzierung aussehen könnte. Deswegen, lieber Herr Kollege Mathias Wagner: Die Frage ist beantwortet; natürlich ist beides möglich.

(Demonstrativer Beifall des Abg. Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Die Frage lautet in der Tat: In welchen Ausbaukorridoren ist das möglich? Denn wenn Sie – Herr Schwarz, ich kann es Ihnen leider nicht ersparen; es ist einfach so – bei 1.168 Grundschulen nur fünf gebundene Ganztagsschulen haben, dann stelle ich fest: Dann ist das ein Thema. Ob das am Ende dazu führt, was in den Gesprächen ein möglicher Vorschlag war, dass der Pakt für den Nachmittag in seiner Umsetzung deutlich geschoben wird, weil man natürlich das Ressourcenthema zu berücksichtigen hat, wird man in der Tat in nächster Zeit diskutieren müssen.

Man wird auch über die Frage reden müssen, in welchen Mengengerüsten dies passiert. Dass Sie am Ende nicht die 100 Ganztagsschulen unterschreiben werden, die wir in unserem Wahlprogramm haben, weiß doch auch ich. Ich weiß auch, wie die Verhandlungen in solchen Konstellationen geführt werden. Was da am Ende herauskommt, kann ich Ihnen nicht sagen. Aber es wird am Ende bei der Frage der Ganztagsschule, glaube ich, einen weitgehenden Kompromiss geben können, weil die Vorstellungen dort in der Tat nicht so sehr weit auseinander sind. Wir wissen auch, dass die Bewegungsnotwendigkeiten dabei weder bei der FDP, den GRÜNEN noch bei uns liegen, sondern dass der Weg auf Unionsseite der deutlich weitere war.

Zum zweiten Punkt. Herr Schwarz, das will ich dann doch noch einmal sagen: Wissen Sie, das mit der Schärfe kommt nur immer dann zum Ausdruck – ich habe mich in den letzten Wochen bei sehr vielen Fragen, die die Bildungspolitik angehen, sehr zurückgehalten –,

(Zuruf von der CDU)

wenn der Ministerpräsident in seiner unnachahmlichen Art und Weise auf Parteiveranstaltungen nicht in der Sache Position bezieht. Wenn Herr Ministerpräsident Bouffier sich als CDU-Landesvorsitzender hinstellt und erklärt, er sei jetzt der Retter der Gymnasien in Hessen, so wie Sie es eben für sich in Anspruch genommen haben, dann ist das geschenkt. Wenn das für Sie zur Parteitagsrabulistik gehört, dann machen Sie das so. Wenn aber Herr Ministerpräsident Bouffier, sozusagen nach der Verabredung am 20. Januar über die Frage, wie wir in den nächsten Wochen miteinander umgehen, davon spricht, dass die bildungspolitischen Vorstellungen der SPD zutiefst „inhuman“ seien, dann ist das eine Form der Denunziation, die dem Prozess nicht angemessen ist.

(Beifall bei der SPD – Manfred Pentz (CDU): Ja, jetzt sind Sie beleidigt!)

Dazu, die Formulierung „inhuman“ in einem solchen Kontext zu verwenden, sage ich ganz oft – denn wenn ich von Inhumanität spreche, dann mache ich das normalerweise in anderen Kontexten –: So eine Formulierung in so einem Kontext zu wählen, auch im Kontext des parteipolitischen Streits und der Profilierung, die man unter Umständen braucht, weil man der CDU-Basis zwingend erklären muss, warum das mögliche Auslaufen von vier eigenständigen Hauptschulen nicht das Ende des Hauptschulabschlusses bedeutet, spricht sozusagen für Ihre innere Welt.

(Beifall bei der SPD)

Herr Schwarz, es rechtfertig aber nicht, dass diese Attacken in unsere Richtung betrieben werden, um sozusagen Ihre Kampfaufstellung zu produzieren.

Deswegen noch einmal: Wir werden ein paar Themen bekommen, bei denen es möglicherweise Lösungen gibt. Bei der Ganztagsschule bin ich ganz optimistisch. Die Themen Inklusion, Lehrerbildung, Schulsozialarbeit und eine angemessene Ausstattung von Schulträgern, um Ganztagsschulprogramme zu machen – das ist einer der Punkte, warum Ihre geringfügigen Lehrerzuweisungen vielleicht nicht genutzt werden können –, sind Themen, die wir auf der Wegstrecke noch beantworten werden. Ich sage Ihnen aber: Der Zuruf, dass das Auslaufen oder die Umbenennung von vier Hauptschulen schon der Kompromiss für den Bildungsgipfel sei, ist allerdings eine sehr irrige Annahme. Das werden wir ganz sicherlich nicht unterschreiben.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank. – Meine Damen und Herren, es gibt keine Wortmeldungen mehr.

(Zurufe: Oh! – Mathias Wagner (Taunus) (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN): Gleich geht es mit Bildungspolitik weiter!)

Wir überweisen die Anträge Drucks. 19/1976 und 19/2011 an den Kulturpolitischen Ausschuss. – Das ist einvernehmlich.

Ich rufe auf Tagesordnungspunkt 6 auf:

Erste Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktion der SPD für ein Gesetz zur Änderung des Dritten Gesetzes zur Qualitätssicherung in hessischen Schulen – Drucks. 19/1981 –

mit Tagesordnungspunkt 76:

Dringlicher Antrag der Fraktion der FDP betreffend Bildungsgipfel retten – verlässliche Schulpolitik fortführen – Gymnasien schützen – notwendige Ressourcen bereitstellen – Drucks. 19/2000 –

und Tagesordnungspunkt 80:

Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Bildungsgipfel bietet Chance für langfristige Planungssicherheit im Interesse unserer Schulen – Drucks. 19/ 2012 –

Zunächst hat sich Kollege Christoph Degen, SPD-Fraktion, gemeldet.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die SPD-Fraktion unterstützt Schwarz-Grün in Frankfurt.

(Beifall bei der SPD)

Wir unterstützen insbesondere die grüne Schuldezernentin in Frankfurt, denn auch hier gilt wie schon beim vorherigen Tagesordnungspunkt: Wir wollen ermöglichen statt verordnen. Wir wollen den Schulträgern, die eigenständige Oberstufen gründen wollen, dies ermöglichen. Schulträger, die Oberstufen lieber an Gymnasien oder an Gesamtschulen eingliedern wollen, können das nach wie vor tun. Die Stadt Frankfurt wünscht sich ausdrücklich für ihre neue Oberstufe, die noch nicht eigenständig ist, die Eigenständigkeit. Derzeit wird die Oberstufe als Dependance der Max-Beckmann-Schule geführt, weil es bei Schulgründungen üblich ist. Nach dem Willen unserer ehemaligen Kollegin Sarah Sorge soll der Übergangsstatus spätestens am neuen Standort enden. Eine langfristige Anbindung an eine bestehende Schule hat sie explizit abgelehnt, so die „FAZ“ vom 20.05.

Die Frage der eigenständigen Oberstufe ist aber nicht nur eine Frankfurter Angelegenheit. Es ist eigentlich sowohl für die Stadt als auch für das Land eine Win-win-Situation, diese Möglichkeit wieder in das Schulgesetz aufzunehmen,

(Beifall bei der SPD)

weil es gerade vor dem Hintergrund zurückgehender Schülerzahlen künftig immer schwieriger sein wird, alle Bildungsgänge überall im Land anzubieten und eigenständige gymnasiale Oberstufen zu ermöglichen. Deswegen brauchen wir die eigenständigen Oberstufen. Gerade wenn es um die Sicherstellung der Erreichbarkeit aller Bildungsgänge geht, AG 2 Bildungsgipfel, dann müssen wir, wenn es integrierte Systeme sein werden, die das ermöglichen, in der Sekundarstufe I sicherstellen, dass die Abgänger dieser integrierten Systeme in eigenständigen Oberstufen, die zwischen diesen Schulen liegen, das Abitur machen können. Das ist auch ein wichtiger Beitrag für den ländlichen Raum.

(Beifall bei der SPD)

Wenn man jetzt die Presseberichterstattung der letzten Tage verfolgt, dann war schon wieder klar, dass SchwarzGrün auch hier offenbar wieder blockieren will. Statt etwas voranzubringen, wurde schon wieder geäußert, dass man offenbar die Konkurrenz für grundständige Gymnasien fürchte. Meine Damen und Herren, das sind doch wirklich Debatten von vorgestern. Das sind wirklich die Schubladen der alten Zeiten, die sind eines Schulfriedens nicht würdig.

(Beifall bei der SPD)

Es wurde auch argumentiert, man wolle den Abschluss des Bildungsgipfels abwarten. Beim Bildungsgipfel hat es sich bisher um viele Fragen gedreht, die eigenständigen gymnasialen Oberstufen sind mir bis dato nicht untergekommen. Sie haben da bisher keine Rolle gespielt. Wir können doch jetzt ein Signal setzen, indem wir diese Möglichkeit wieder in das Schulgesetz aufnehmen.

Schwarz-Grün hat sonst auch kein Problem damit, Entscheidungen vorwegzunehmen. Ich will nur das Beispiel

nennen, das schon genannt wurde, der Steinbruch der Oberstufen, wo Stellen abgebaut werden sollen. Sie haben auch kein Problem damit, Tatsachen zu schaffen, indem Briefe geschrieben werden.