Protokoll der Sitzung vom 22.07.2015

(Beifall bei der LINKEN – Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Vielen Dank. – Als Nächster spricht Kollege SchäferGümbel, SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich will zunächst in den Dank einsteigen, den

bereits Herr Boddenberg formuliert hat. Ich will mich auch meinerseits ganz herzlich dafür bedanken, dass es in den letzten Tagen gelungen ist, seitens der beiden Regierungsfraktionen, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, sowie der sozialdemokratischen Landtagsfraktion eine gemeinsame Positionierung zur Frage der möglichen Übernahme von K+S zu entwickeln – eine Position, die ausdrücklich, das will ich hier erwähnen, auch Wunsch und Anliegen der Beschäftigten und ihrer Vertretung, der IG BCE, war und ist. Das Thema, das wir heute behandeln, ist eben nicht so ganz banal, und es geht nicht irgendwie nur um eine Betriebsübernahme.

(Beifall bei der SPD)

Deswegen ganz herzlichen Dank in Ihre Richtung, dass das am Ende möglich war, auch trotz der anfangs unterschiedlichen Sichtweisen. Aber, ich denke, das hat sich am Ende ganz gut gerüttelt, wenn man sich einmal auf das Wesentliche konzentriert.

Frau Schott, damit ich auf den Kern eingehen kann, will ich zunächst zwei Vorbemerkungen machen, und zwar sind es nur zwei kurze Bemerkungen:

Erstens. Sie können, glaube ich, davon ausgehen – ich bin selten in der Situation, den Ministerpräsidenten hier zu verteidigen –, dass in dieser Frage zwischen den Ministerpräsidenten von Sachsen-Anhalt, Thüringen, Niedersachsen und Hessen sowie den notwendig beteiligten Regierungsmitgliedern in Berlin ein enger Austausch stattfindet, um diesen Prozess zu begleiten, und zwar im Interesse dessen, was ich gleich sage.

Zweitens. Ich will in Anbetracht der despektierlichen Bemerkungen zu den Fragen: „Welche Ökobilanz hat K+S, und wie schlimm ist das alles mit dem Bergbau?“, wenigstens darauf hinweisen, dass die Schmutzfracht seit 1993 um das 20-Fache gesenkt wurde.

(Beifall bei der SPD)

Es ist nicht so, dass da gar nichts passiert ist. Ich finde, das kann man nicht einfach ignorieren, unabhängig von der Frage, wie man zum Bergbau in Nordhessen grundsätzlich steht. Seitens meiner Fraktion will ich das sehr klar sagen: Wir stehen zum Bergbau in Nordhessen als ein ganz wesentliches Element für die regionale Wertschöpfung und Entwicklung.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Ich sage auch ganz offen, dass diese Fragen für uns nicht abschließend oder unumstößlich sind; es wäre auch abenteuerlich, das so zu machen: „Wie viel mehr Umweltschutz muss es im Vergleich zum Bergbau sein, und wie viel mehr Bergbau muss es im Vergleich zum Umweltschutz sein?“ Dazu gibt es auch bei uns manchmal kritische Debatten in den eigenen Reihen. Aber warum diskutieren wir das heute überhaupt?

Kollege Schäfer-Gümbel, gestatten Sie eine Zwischenfrage vom Kollegen Schaus?

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Schade!)

Herr Schaus kann ja kurz intervenieren; danach kann ich dann noch einmal. Ich möchte aber auch gern meine anderen Punkte vortragen; ich freue mich anschließend auf die Frage.

Warum diskutieren wir das hier und heute? – Weil es bei K+S um ein Unternehmen geht, bei dem es im Fall einer Übernahme nicht nur um ein möglichst hohes Angebot geht, sondern der Vorstand und der Aufsichtsrat von K+S haben mit der Ablehnung der Offerte von Potash ausdrücklich darauf hingewiesen, dass diese Übernahme nicht nur aufgrund der Höhe des Angebots unzureichend ist, sondern dass sie für die Standorte und die Beschäftigten in Hessen und darüber hinaus schädlich ist. Das ist ein ganz wesentlicher Punkt.

Wir reden über ein Unternehmen mit 14.000 Beschäftigten, es sind etwa 7.500 Beschäftigte in Hessen, ein Unternehmen, das ganz wesentlich für die Wohlstandsentwicklung einer ganzen Region Verantwortung trägt, das mit seiner Wertschöpfung Arbeit und Einkommen in einer großen Region unseres Bundeslandes schützt und entwickelt. Es ist ein Unternehmen, das sein eigenes Geschäftsmodell hat; es hat sich gut entwickelt und ist trotz einer schwierigen Marktlage – Herr Boddenberg hat darauf hingewiesen – eigenständig und finanziell gesund.

Gleichzeitig gibt es – auch darauf hat Herr Boddenberg schon hingewiesen – auf der einen Seite einen Kalimarkt, der sich in den letzten Jahren drastisch verändert hat, unter anderem durch den Bruch des russischen Kalikartells und die Veränderungen am Markt bei der Preisbildung. Auf der anderen Seite gibt es neue Lagerstätten in Kanada, da spielt K+S auch eine Rolle; auch gibt es beispielsweise Interessenlagen in China bei der Entwicklung im Kalibergbau. Das sind alles Themen, die mit Blick auf wachsende Bedarfe, beispielsweise in Lateinamerika und Afrika, natürlich auch hohe wirtschaftliche Interessenlagen wecken.

Gleichzeitig gibt es aber auch enorme Überkapazitäten. Insbesondere Potash ist nun mal ein Unternehmen, das viel investiert hat und jetzt erhebliche Probleme hat. Für sich genommen ist das erst einmal das Problem von Potash. Aber Potash versucht jetzt offensichtlich, das ist meine Interpretation, das eigene Problem auf dem Rücken eines anderen zu lösen. Das ist ein klassischer Versuch der Marktbereinigung. Ich finde, wenn es um hessische Arbeitsplätze und hessische Wertschöpfung geht, darf der Hessische Landtag in der Tat sagen: Das schauen wir uns nicht nur genau an, sondern das Land Hessen hat daran ein Interesse, weil wir wollen, dass Menschen in den betroffenen Regionen Nordhessens auch in Zukunft Arbeit und Einkommen haben und ein Unternehmen erfolgreich ist, das im Kern die Lebensader einer ganzen Region ist. – Deswegen müssen wir dies hier diskutieren.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Ich will das klar sagen: Ein Unternehmen, das ankündigt, bis zu 8 Milliarden € in die Hand zu nehmen, um ein anderes zu kaufen, mir aber öffentlich nicht erklären kann, wie diese 8 Milliarden € denn anschließend verdient werden – ehrlich gesagt, an den Glücksritter glaube ich im Sektor der Rohstoffwirtschaft ausdrücklich nicht –, solange mir dieses Unternehmen nicht erklären kann, wie das mit den 8 Milliarden € sein soll, macht mich das außerordentlich bösgläubig mit Blick auf abstrakte Erklärungen, nach dem Motto: Man könne über Garantien hier und dort reden, man könne über alles Mögliche reden, auch über die Frage,

ob eine kleine Konzernzentrale in Kassel bleibe, was am Ende zum Wohle aller sei, weil man sich dadurch strategisch mit Blick auf neue Minenprojekte in Russland, aber auch mit Blick auf die Entwicklungen in Kanada besser aufstelle.

Ich glaube das nicht. Ich sage das in aller Offenheit. Mich überzeugt das nicht, und mich überzeugt auch die Kursrallye an den Börsen nicht, die wir derzeit bei der K+S-Aktie erleben. Ich erlebe, dass in diesen Tagen viele Dollar- und Eurozeichen in den Augen haben, weil sie glauben, ein gutes Geschäft machen zu können.

Das Parlament ist der richtige Ort, zu sagen, dass unsere Interessenvertretungen nicht an erster Stelle diejenigen sind, die sich mit Dollar- und Eurozeichen in den Augen über ein solches Projekt freuen. In allererster Linie muss es unser Interesse sein, dass auch zukünftig in Nordhessen Menschen Arbeit und Einkommen bekommen und ein Unternehmen erfolgreich arbeiten kann. Deswegen ist es richtig, wenn der Hessische Landtag sagt: Wir wollen, dass K+S eigenständig, erfolgreich und zukunftsfähig bleibt. – Dafür herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD, der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Eine vertrauensbildende Maßnahme könnte im Übrigen sein, dass Potash den Prospekt veröffentlicht, mit dem die 8 Milliarden € bei großen Fonds in Nordamerika eingesammelt wurden. Darin steht, was der Grund und die Strategie sind und wie man mit den 8 Milliarden € Invest am Ende um die Ecke kommt. Das wäre eine spannende Frage. Ich weiß auch, dass wir das nicht hinbekommen werden. Es wäre wirklich interessant, in die Karten der Protagonisten auf der kanadischen Seite zu schauen.

Deswegen sage ich sehr klar: Für uns ist kein Geschäftsmodell erkennbar. Die Garantien scheinen sehr nebulös zu sein. Die Situation der Beschäftigten scheint mir nicht geklärt zu sein. Das geht bis hin zu den Fragen der Mitbestimmung. Es nutzt uns nichts, wenn in einem großen Konzern unsere Ideen von Mitbestimmung und Beteiligung für deutsche Standorte abgesichert sind, aber am Ende die Investitionsentscheidung in Kanada oder anderswo getroffen wird. Das gilt im Übrigen auch für die Ökothemen, deswegen ist das auch Gegenstand des Antrags geworden. Wir wissen, je näher die Verantwortlichen an den Standorten und den Problemen sind, umso wahrscheinlicher ist es, dass sie am Ende zu tragfähigen und gemeinsamen Lösungen kommen. Deswegen ist es gut, dass wir heute darüber sprechen und gemeinsam sagen, was wir wollen.

Lassen Sie mich zum Schluss noch ein paar wenige grundsätzliche Bemerkungen machen. Es geht hier nicht um ein Ökothema. Es geht auch um ein Ökothema, es geht aber vor allem um ein Thema der Industriepolitik. Es geht auch deswegen um ein Thema der Industriepolitik – auch das darf man im Hessischen Landtag manchmal sagen –, weil es in einem Umfeld stattfindet, in dem große Akteure auf der Grundlage der Globalisierung versuchen, Rohstoffmärkte unter sich aufzuteilen. Es gibt wenige Bereiche, in denen aus Deutschland heraus noch wirklich handlungsfähige Strukturen im Rohstoffsektor vorhanden sind. Wenn wir diese Kompetenzen verlieren, verlieren wir auch das Know-how. Wir verlieren die Technik. Damit verlieren wir am Ende auch Wettbewerbsfähigkeit. Deswegen muss dieses Thema hier auf den Tisch.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Jürgen Lenders (FDP))

Meine letzten zwei Sätze: Wir müssen auch aufpassen, dass wir im Wettbewerb – das bezieht sich jetzt weniger auf Kanada, aber auf viele andere – in staatsautoritären Systemen und Marktwirtschaften nicht, weil wir die ordnungspolitischen Grundsätze für wichtiger halten als Interessenlagen, am Ende unsere Optionen verlieren. Deswegen ist es richtig, das nicht zu diskutieren. Wir müssen sagen: Die Politik will, dass K+S hessisch bleibt, dass es frei bleibt und dass es eigenständig bleibt. – Deswegen ist das heute eine gute Debatte. Herzlichen Dank dafür.

(Beifall bei der SPD, der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. – Für eine Kurzintervention hat Kollege Schaus das Wort. Zwei Minuten.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Nachdem Herr Schäfer-Gümbel mich eingeladen hat, eine Kurzintervention zu machen, will ich das an dieser Stelle auch tun.

(Günter Rudolph (SPD) und Florian Rentsch (FDP): Ein Einladung muss man nicht annehmen!)

Ich will das mit einer Frage verbinden, die mich umtreibt, seitdem bekannt geworden ist, dass Potash an der Übernehme von K+S Interesse gezeigt hat, Herr Schäfer-Gümbel, die Frage, die ich Ihnen stellen will, lautet: Sind Sie nicht auch der Meinung, dass die laschen Umweltauflagen, die die hessische Umweltministerin erst vor wenigen Monaten gegenüber K+S erlassen hat,

(Florian Rentsch (FDP): Da macht Sie schon einmal etwas richtig!)

die eine weitere Einleitung der Abfälle über längere Zeit zulassen, die eine Regenerierung der Umwelt erst bis zum Jahr 2075 vorsehen, geradezu eine Einladung an Potash waren, langfristig gesichert hier Abbau betreiben zu können,

(Michael Boddenberg (CDU): Haben Sie eigene Vorschläge?)

um dann diese Offerte zu bringen?

(Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Was ist Ihre Idee?)

Wir sind durchaus an Ihrer Seite, vor allem, wenn es um die Frage der Mitbestimmung in internationalen Konzernen geht. Mich würde dann aber auch interessieren, inwieweit – es geht um ein kanadisches Unternehmen – Ihre Partei im Hinblick auf CETA und TTIP, die in diesem Zusammenhang auch eine Rolle spielen, zu einer Positionsänderung kommt. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN – Zurufe von der CDU und der FDP)

Kollege Schäfer-Gümbel zur Erwiderung.

Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Schaus hat eine Frage gestellt, die ich gern kurz und klar beantworten will: nein.

Zweitens. Zu Ihrem verschwörungstheoretischen Aspekt zu CETA sage ich Ihnen: Es sind verschwörungstheoretische Optionen. An der Stelle auf CETA anzuspielen, ist wirklich so absurd. Vielleicht sollten wir manches so sortieren, wie es gehört. Das würde mancher Debatte guttun.

(Beifall bei der SPD, der CDU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Vielen Dank. – Als Nächster spricht Kollege Lenders, FDP-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Bis heute gibt es kein offizielles Übernahmeangebot der Firma Potash an das Unternehmen K+S. Bisher gibt es einen Vorschlag an das Management von K+S, der vom Vorstand und Aufsichtsrat geprüft und abgelehnt wurde, weil er nach Auffassung der Unternehmensführung nicht im Sinne der Eigentümer, der Aktionäre, ist.

Seitdem ist es um Potash still geworden. Damit fehlt auch die Basis, um weitere Gespräche zwischen den Unternehmen zu führen. Kaum ist der Vorschlag veröffentlicht worden, wie es die Pflicht von Vorstand und Aufsichtsrat ist, schaltet sich die Politik ein. Die Reaktionen von Politikern und Regierungen folgen dabei einem Muster, wie es auch in anderen Fällen in Hessen schon zu sehen war, wie beispielsweise bei Philipp Holzmann, Opel oder Schlecker.