Das Unternehmen hat eine Reihe von Instrumenten: von der Kapitalerhöhung über die schon erwähnten kartellrechtlichen Regelungen bis zur Akquisition weiterer Interessenten. Das wäre der berühmte „Weiße Ritter“. All das ist zurzeit Gegenstand von Gesprächen und Verhandlungen des Unternehmens – auch auf dem Kapitalmarkt.
Das Unternehmen hat natürlich nach wie vor eine ganze Reihe von Gesprächen zu führen, beispielsweise mit den Vertretern der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Ich glaube, auch in dieser Hinsicht muss ein amerikanischer Konzern wissen, dass es klare Voraussetzungen für alles Weitere geben muss, was dort möglicherweise passiert. Beispielsweise muss es eine Garantie für die Arbeitsplätze, für die Standorte in Deutschland und für das geben, was wir umweltrechtlich vereinbart haben.
Ich erinnere an den Vier-Phasen-Plan, von dem wir nach wie vor überzeugt sind, dass er auch und gerade für dieses Unternehmen Verlässlichkeit und Planungssicherheit für die Zukunft bedeutet. Das ist von erheblicher Bedeutung, zumal wir gerade bei den Ewigkeitslasten dafür Sorge tragen müssen, dass Bilanzen den Wert widerspiegeln, den das Unternehmen tatsächlich für sich erkennt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir werden heute sicherlich noch das eine oder andere auch zu dieser Frage des Vier-Phasen-Plans hören. Ich schaue in die Reihen aller Fraktionen und will abschließend sagen: Ich bin mir sehr sicher, dass es ein wichtiges Signal ist, das vom Hessischen Landtag ausgeht, wenn wir heute gemeinsam das Signal aussenden, dass wir diesen Prozess weiterhin konstruktiv begleiten, aber auch weiterhin sehr deutlich sagen, was wir wollen, nämlich dass wir ein Unternehmensmanagement in Deutschland, in Kassel, haben wollen, dass wir die Europazentrale und die Zentrale weiterhin in Kassel haben wollen und dass wir um jeden einzelnen Arbeitsplatz dort ringen, streiten und kämpfen werden. – Vielen Dank für das Zuhören.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Boddenberg, wenn ich Ihnen die Sorge um das Unternehmen abnehmen soll, dann frage ich mich doch sehr, warum nicht längst die zuständigen Wirtschaftsminister der betroffenen Länder zusammengesessen haben und warum nicht längst die zuständigen Umweltminister und Umweltministerinnen
der betroffenen Länder dabeigesessen haben, um gemeinsam darüber nachzudenken, welche Schritte jetzt angesagt wären.
Ich wage hier einmal zu behaupten: Wenn wir vor der Wahl in Thüringen ständen, wäre das auch schon längst geschehen.
Wir haben es gegenwärtig weltweit mit einem Übernahmepoker bei Kaliunternehmen zu tun. Die spanische Iberpotash, die übrigens wesentlich höhere Umweltanforderungen erfüllt als K+S zurzeit, die die Einleitung ins Mittelmeer nach Brüsseler Vorgaben eingestellt hat, ihre Halden zurückbaut und unter Tage bringt
ja, Herr Schäfer-Gümbel –, sollte von K+S übernommen werden. Die Chinesen sind gerade dabei, die kanadische Western Potash zu übernehmen, und die kanadische Potash macht sich an K+S zu schaffen. Was hier in Erwartung steigender Preise für Kalidünger gespielt wird, ist Monopoly. Die Monopolbildung wird auf dem Rücken der Menschen vor allem in Thüringen und Hessen und auf dem Rücken unserer Umwelt betrieben werden.
Der kanadische Düngemittelriese Potash hat 1996 schon einmal versucht, K+S zu schlucken. Aber die Bedingungen waren damals andere: 51 % des Grubengeschäfts lagen in der Hand von BASF. Die waren auch bereit, ihren Mehrheitsanteil an die Kanadier weiterzureichen. Der damalige Wirtschaftsminister Rexrodt – auch das haben Sie eben erwähnt – hat dies aus kartellrechtlichen Gründen verhindern können.
Aktuell befinden sich ca. 90 % der K+S-Aktien im Streubesitz überwiegend internationaler Kapitalgeber. Die kanadische Potash hat strategische Aufkäufer platziert, die versuchen, möglichst viele Anteilseigner von ihrem Angebot zu überzeugen. Geführt wird das Unternehmen von Jochen Tilk, der in Aachen Bergbau studiert hat, ein Deutscher, der gesagt hat, er wird den Standort erhalten – zuerst einmal.
Man kann davon ausgehen, dass die Kapitalgeber nur Interesse an einer möglichst guten Rendite ihrer Aktie haben. Zerstörte Umweltgüter, wie versalzenes Trinkwasser, versalzene Böden und Flüsse, dürften ihnen relativ gleichgültig sein. Auch der Erhalt der Arbeitsplätze interessiert sie vermutlich nicht, wenn der Übernahmepreis für ihre Aktienpakete stimmt. K+S hat sich in Kanada eingekauft; sie erwarten, dort durch untertägige Lagerung, also die Auflösung der Rohstoffe durch nach unten gebrachtes Wasser, Kali zu Produktionskosten von etwa 80 € pro Tonne zu produzieren. Die deutlich niedrigeren Produktionskosten als im hessisch-thüringischen Revier lassen höhere Gewinne erwarten. Das ist klar.
Potash geht von den gleichen günstigen Bedingungen aus wie K+S in Kanada. Beim gegenwärtigen Kalipreis ließe sich die gleiche Gewinnspanne in Deutschland nur bei erheblich gesenkten Löhnen und gesenkten Umweltstandards erreichen. Das kann doch in diesem Haus niemand wollen, und das will sicher auch niemand.
Ich möchte daran erinnern, dass auch K+S den konkreten Plan hat, zumindest einen Standort – Unterbreizbach in Thüringen – vor der Erschöpfung der Vorkommen zu schließen. So steht es in dem von der hessischen Umweltministerin ausgehandelten Vier-Phasen-Plan, den wir auch deshalb kritisiert haben.
Ich möchte auch darauf hinweisen, dass es in der deutschen Kaliindustrie nicht das erste Mal ist, dass eine Marktbereinigung stattfindet: Vor 24 Jahren wurde der Standort Bischofferode geschlossen. Das war damals die Treuhand. Das war also eine Marktbereinigung mit staatlicher Beteiligung. Gleich, wer der Eigentümer der Produktionsstätten in Deutschland ist: Eine Konsolidierung steht an allen Stellen bevor. Die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen werden – ob mit oder ohne Übernahme – vor die Wahl gestellt werden, niedrigere Löhne oder Entlassungen zu akzeptieren.
Ökodumping, also die Herabsetzung von Umweltstandards, setzt K+S gegenüber den Ländern bereits seit Jahrzehnten durch. Dem konnten oder wollten die letzten hessischen Landesregierungen nichts entgegensetzen.
Auch der von Schwarz-Grün eingebrachte Antrag bleibt bei dem Punkt stehen. Es ist ein bisschen schwierig, auf einen Antrag einzugehen, der erst direkt vor dem Aufruf des Tagesordnungspunkts am frühen Morgen als Tischvorlage vorgelegt wird. Das ist – das muss man einmal sagen – kein besonders guter Stil. Ich meine, Sie wissen das seit Wochen, aber schaffen es erst heute Morgen.
(Beifall bei der LINKEN – Zurufe der Abg. Her- mann Schaus (DIE LINKE) und Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) sowie von der SPD)
Das ist eine unglaubliche Leistung, es am Abend vorher herumzuschicken. – Ich möchte im Folgenden konkreter werden, einige Punkte fixieren und Vorschläge unterbreiten. Deutlich werden unserer Ansicht nach vier Punkte: Ob mit oder ohne Übernahme von K+S – eine Betriebsführung wird Produktionsstandorte im hessisch-thüringischen Kalirevier schließen wollen. Das ist bereits jetzt deutlich angekündigt.
Weiterhin wird ein Unternehmen darauf dringen, seine Abfälle zu möglichst niedrigen Kosten zu entsorgen. Um weitere Schäden an Allgemeingütern, wie Trinkwasserflüssen, Böden und den Lagerstätten, einzudämmen, kann die EU ein Bündnispartner sein – kein Hindernis, das man zum Wohl der Kaliindustrie umgehen muss, wie es die hessische Umweltministerin aktuell zu tun versucht.
Ökodumping hat die Renditeerwartungen vor allem internationaler Kapitaleigner befriedigt. Hier in Hessen hat es den Aufbau einer umweltverträglichen Kaliproduktion verhindert. Niedrigere Umweltstandards verursachen Folgekosten, die sogenannten Ewigkeitslasten, die über kurz oder lang aus öffentlichen Kassen zu begleichen sind, wie das in Thüringen seit Jahren nachdrücklich zu beobachten ist; da zahlt die öffentliche Hand seit vielen Jahren drauf. Hier unterliegt die Hessische Landesregierung unserer Meinung nach einer großen Fehleinschätzung. Aber dazu haben wir in den letzten Plenarwochen gefühlte 50 Initiativen eingebracht, ohne dass wir es Ihnen näherbringen konnten.
Ökodumping kann auch mittelfristig keine Arbeitsplätze in der Kaliindustrie sichern. Der Fragestellung, wie man unter diesen Prämissen einen Standort in Deutschland sichern
kann, müssen wir dringend nachgehen. Wir dürfen den Missbrauch der Wettbewerbssituation dahin gehend, dass es einen Wettbewerb um die niedrigsten Umweltstandards und um die niedrigsten Löhne gibt, nicht zulassen. Das gilt es zu verhindern.
Die Hessische Landesregierung darf sich nicht erpressen lassen, weiter Ökodumping in der Kaliindustrie mit hohen Folgekosten für die Allgemeinheit zu genehmigen, während die Arbeitsplätze abgebaut werden. Dieses Entwederoder ist für uns keine Option. Sie dürfen diese Gegenüberstellung nicht zulassen. Es muss miteinander gedacht werden. Das ist der entscheidende Punkt.
Vier Punkte muss die Hessische Landesregierung aus unserer Sicht sowohl dem jetzigen Betreiber als auch jedem anderen ganz klar machen: Erstens. Für die Schaffung weiterer Ewigkeitslasten, wie versalzenes Grundwasser und große Salzhalden, wird es keine behördlichen Zusagen mehr geben, weder für K+S noch für einen Konkurrenten. Die Praxis der Gewässerbelastung durch Versenkung der Salzabwässer in den Untergrund sowie durch Einleitung in die Werra und Weser ist unverzüglich zu beenden. Diese Praxis stellt einen Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie dar, vergiftet Trinkwasser und zerstört die natürliche Artenvielfalt sowie die Produktivität der Süßwasserflüsse.
Zweitens. Die Abfälle gehören wieder unter Tage. Der 1969 erlaubte Abbau der Rohstoffe ohne die Pflicht, die leer geförderten Lagerstätten wieder zu verfüllen, also der sogenannte versatzlose Abbau, muss unverzüglich zugunsten des Versatzes unter den Berg eingestellt werden.
Drittens. Die existierenden Halden sind spätestens mit der Beendigung der untertägigen Salzgewinnung zurückzubauen. Das, was jetzt schon da liegt, sind große Mengen. Das Haldenmaterial ist entweder weiter zur Herstellung von Produkten aufzubereiten oder als Versatz unter Tage zu bringen. Auf diesen Punkt muss die Landesregierung bei der Aufstellung der Abschlussbetriebspläne bestehen.
Firmen müssen sich darüber im Klaren sein, dass sie hier nicht die Rohstoffe abbauen und, wenn das nicht mehr rentabel ist, ihre Abfälle für die nächsten 1.000 Jahre einfach in der Landschaft liegen lassen können. Für all diese Forderungen gibt es Gesetzesgrundlagen, die nur entsprechend angewendet werden müssen. Dafür sind die Bergbehörde und ihre Aufsicht, die hessische Umweltministerin, zuständig.
Wenn Privatunternehmen unverantwortlich niedrige Umweltstandards durchsetzen wollen oder mit Arbeitsplatzabbau und Werkschließungen drohen, muss ihnen eines klar sein – das ist der vierte Punkt –: Bund und Länder sollten nicht zögern, sich gemeinsam der Verantwortung für den Kalibergbau zu stellen. Sie dürfen nicht zögern, sich im Kalibergbau zu engagieren und ein Unternehmen, welches im letzten Jahr 800 Millionen € Gewinn erwirtschaftet hat, obwohl es fast 1 Milliarde € in Kanada investiert hat, in eigener Regie weiterzuführen. Das ist volkswirtschaftlich viel sinnvoller, als Arbeitsplätze zu vernichten oder Ewigkeitskosten in Milliardenhöhe zu erzeugen.
Um es klar zu sagen: Es kann nicht das Ziel sein, in einen Bieterwettstreit um K+S einzusteigen. K+S wird derzeit mit rund 10 Milliarden € Börsenwert bewertet. Es kann nicht darum gehen, aus Steuergeldern einige Milliarden Euro zu investieren. Es geht darum, den Kaliproduzenten klarzumachen, dass wir das Monopoly-Spiel zulasten der Arbeiterinnen und Arbeiter sowie der Umwelt nicht mitmachen werden. Es geht darum, dass wir im Fall der Fälle genau hinsehen und uns fragen, wie wir das Gesetz erlassen können, welches Art. 41 der Hessischen Verfassung vorsieht. Dort steht, man könne den Kalibergbau in Gemeineigentum überführen.
(Lachen bei der CDU – Dr. Ulrich Wilken (DIE LINKE), an die CDU gewandt: Sagen Sie da etwas gegen die Verfassung?)
Ja, Sie müssen schauen, ob das möglich ist, und dann kann man sich überlegen, ob man diese Karte zieht. Sie lachen hier über die Verfassung; machen Sie sich das einmal klar.
Der Landtag in Thüringen ist da schon etwas weiter. Die GRÜNEN und Umweltministerin Anja Siegesmund prüfen derzeit, ob die Thüringer Landesregierung die Möglichkeit der Anwendung des K-UTEC-Verfahrens als Forschungsauftrag vergeben will. Ziel ist es, bei der Kaliförderung den Stand der Technik anzuwenden und eine deutlich umweltfreundlichere Kaliförderung durchzusetzen – gleich, wer Eigentümer ist.
Die hessische Umweltministerin sollte endlich einsehen, dass ihr Vier-Phasen-Plan nicht zielführend ist. Sie sollte sich mit ihrer thüringischen Amtskollegin zusammentun und dieses Projekt gemeinsam starten und ihr nicht in den Rücken fallen. So schwer kann das doch nicht sein. Sie gehören doch derselben Partei an.
Ich finde, dass es höchste Zeit ist, dass man gemeinsam nach fortschrittlichen Ansätzen schaut, dies mit den Ländern gemeinsam bespricht, über Parteigrenzen hinwegschaut und Ressentiments abbaut. Hier geht es darum, einer ganzen Region die Möglichkeit zu erhalten, Arbeit für Menschen zu bieten, und gleichzeitig Ewigkeitslasten zu senken. Das ist unser Auftrag, den wir zu erfüllen haben.