260 Stellen im Bereich Deutschförderung, 220 Stellen im Bereich Inklusion, 120 Stellen im Bereich Sozialindex, alles Maßnahmen für mehr soziale Gerechtigkeit. Und was sagt die SPD, wenn soziale Gerechtigkeit konkret wird? „Wir sind dagegen.“ – Das verstehe ich nicht, meine Damen und Herren.
Das Argument ist jetzt: Wir sind dagegen, weil für diese Umverteilung, für die Stärkung der sozialen Gerechtigkeit bei den Schülerinnen und Schülern, die es dringend brauchen, auch 160 Stellen aus der Oberstufe abgezogen werden müssen. – Wir sind uns sofort einig: Wenn Sigmar Gabriel und Angela Merkel uns mehr Geld geben würden, dann müssten wir das nicht machen. Aber solange wir nicht mehr Geld haben, müssen wir uns fragen: Wie können wir vorhandene Ressourcen möglichst effektiv in unserem Bildungswesen einsetzen? Ist es vielleicht erträglich und machbar, dass wir die Situation an den Oberstufen etwas ändern,
um Geld für die Menschen zu haben, die sonst keine Chancen in unserem Bildungswesen hätten? Ich dachte immer, bei einer solchen Umverteilung von den Gewinnern des Bildungswesens zu denjenigen, die keine Chancen im Bildungswesen haben, ist die SPD an unserer Seite. Leider Fehlanzeige, meine Damen und Herren.
Es bleibt dabei: Sie glauben, Sie hätten Schwarz-Grün mit dem, was Sie auf dem Bildungsgipfel gemacht haben, eins ausgewischt.
Meine Damen und Herren von der Opposition, all das fällt auf Sie zurück. Wir werden die vielen guten Anregungen des Bildungsgipfels umsetzen und weiter daran arbeiten. Sie hatten Ihre Chance zur Mitgestaltung, Sie haben sie nicht genutzt. Dann gestalten wir eben ohne Sie. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Günter Rudolph (SPD): Schuld sind immer die anderen, und Herr Bouffier hat immer recht! – Zurufe von der CDU – Glockenzeichen des Präsidenten)
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zu Beginn dieser Legislaturperiode ist eine Koalition zwischen zwei Parteien eingegangen worden, die durchaus von unterschiedlichen Grundpositionen herkommen und in der Vergangenheit auch in der Bildungspolitik unterschiedliche Vorstellungen formuliert haben. CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben sich dennoch erfolgreich verständigt und weisen jetzt in nunmehr eineinhalb Regierungsjahren kontinuierlich nach, was bei gutem Willen der Beteiligen, gemeinsam etwas auf die Beine zu stellen, in einem konstruktiven Dialog an tragfähigen Vereinbarungen möglich ist.
Vielleicht hat uns diese gute Erfahrung zu etwas viel Optimismus verleitet, was die Möglichkeit anbetrifft, auch mit anderen bildungspolitischen Akteuren auf einer praktisch vernünftigen Basis zu einer Verständigung zu kommen. Trotzdem gibt es an diesem Versuch nichts zu bedauern, meine Damen und Herren.
Die Landesregierung hat mit der Einberufung des Gipfels drei Zielsetzungen verfolgt – man muss nicht alles gleich von Anfang an in den Koalitionsvertrag schreiben –:
Erstens. Wir wollten Experten aus Schule, Gesellschaft, Wirtschaft und Politik in die Weiterentwicklung der hessischen Bildungspolitik einbeziehen und damit eine neue Kultur der bildungspolitischen Auseinandersetzung ermöglichen. Das hat es in der schulpolitischen Debatte in Hessen so noch nie gegeben. Es ist daher auch, was mich freut, von vielen Teilnehmern des Bildungsgipfels in der abschließenden Sitzung entsprechend gewürdigt worden.
Wir haben über 100 bildungsnahen Institutionen die Möglichkeit gegeben, sich aktiv in den Prozess einzubringen. In fünf Arbeitsgruppen, 32 Sitzungen, fünf Workshops, vier Unterarbeitsgruppen haben sie alle als Gipfelteilnehmer und Impulsgeber engagiert mitgewirkt, intensiv diskutiert und schließlich Ergebnisse vorgelegt, die neben den grund
sätzlichen Dissensen, die hier schon hinreichend aufgeschienen sind, durchaus konkrete Vorschläge beinhalten. Dafür möchte ich mich zunächst noch einmal herzlich bedanken.
Ich freue mich, dass wir uns jedenfalls in diesem Punkt einig sind. Das alleine zeigt schon: Es ist nicht allein der Punkt, dass wir darüber geredet haben, obwohl das in Hessen vor dem Hintergrund der bildungspolitischen Vergangenheit vielleicht auch schon als Errungenschaft für sich gewertet werden könnte.
Vor allem aber, meine Damen und Herren, ist das Material, das so entstanden ist, gleichbedeutend mit der Erreichung des zweiten Ziels, das wir mit dem Bildungsgipfel verfolgt haben, nämlich der Gewinnung konkreter praktischer Tipps und Hinweise aus dem Dialog mit den Experten, aus der Fülle von Begegnungen, die im Zuge dieses Prozesses stattgefunden haben, aus den Gesprächsfäden, die in dem Zusammenhang geknüpft worden sind, die wir auch nicht abreißen lassen wollen. Denn der Gipfel hat uns wertvolle Anregungen für die weitere Gestaltung des Regierungshandelns gegeben.
Ich will Ihnen ein konkretes Beispiel nennen. Wir können auch zwei nennen; denn berufliche Bildung ist sogar von Herrn Schäfer-Gümbel angesprochen worden. Ich will hinzufügen: Auch an der Öffnung des Pakts für den Nachmittag für gebundene bzw. teilgebundene Ganztagsschulen einerseits und in Richtung der weiterführenden Schulen andererseits werden wir festhalten und dies bereits in die nächste Runde der Paktverhandlungen mit den Schulträgern einbeziehen.
Ich finde Schuldzuweisungen an dieser Stelle eigentlich müßig, aber da Sie sich so viel auf unsere bilateralen Gespräche bezogen haben, Herr Schäfer-Gümbel, will ich nun auch zwei, drei Sätze dazu sagen. Ja, wir hatten konstruktive Gespräche speziell zu dem Thema Ganztagsschulen. Wir haben das letzte Problem, nämlich wie sich eine Zielzahl mit dem Prinzip der Freiwilligkeit vereinbaren lässt, nicht abschließend geklärt. Aber das – ich glaube, das haben wir schon in der letzten Plenardebatte festgestellt – hätten wir geschafft. Wir hatten auch sonst gute Gespräche, die mir immerhin geholfen haben, die Position der SPD besser zu verstehen. Aber wenn wir ganz ehrlich sind: So richtig zusammengekommen sind wir in den anderen Bereichen auch in diesen Gesprächen nicht.
Ich hatte Sie in unserem letzten Gespräch ausdrücklich darum gebeten, die Vorschläge doch einmal konkretisiert in die Verfahren der Arbeitsgruppen einzubringen.
Da haben Sie mir erklärt, das nicht machen zu wollen. Stattdessen haben Sie einen Brief an den Ministerpräsidenten geschrieben. Dann hatten wir eine letzte SMS-Korrespondenz – es ist in Ordnung, wenn Sie aus unseren Gesprächen zitieren, aber ich glaube, dann darf ich das auch offenlegen –, in der Sie sich bei mir beschwert haben, dass ich eine Pressekonferenz durchführe, um die Ergebnisse der Arbeitsgruppen vorzustellen. Darauf hatte ich Ihnen zurückgeschrieben, das sei inhaltlich nichts Neues, sondern wirklich erst einmal die Zusammenfassung der Ergebnisse der Arbeitsgruppen. Das betrachtete ich als Beratungsgrundlage, da sei keine Überraschung drin. Wir hätten jetzt
auch noch einige Wochen Zeit für politische Gespräche. Dann haben Sie das Angebot der beiden Fraktionsvorsitzenden der Regierungsfraktionen bekommen, solche Gespräche zu führen, das Sie aber nicht angenommen haben.
Sie können dazu gerne eine Gegendarstellung abgeben, aber das ist meine Wahrnehmung des Prozesses. Ich konstruiere daraus auch überhaupt keinen Vorwurf, aber das gehört einfach zur Darstellung des Gesamtprozesses dazu.
Das dritte Ziel des Bildungsgipfels – nämlich mit allen Beteiligten eine Verständigung über Leitlinien und Eckpunkte der Entwicklung des Bildungssystems zu erreichen – hat sich auch nach zehn Monaten wirklich intensiver Arbeit auf allen Seiten als nicht erreichbar erwiesen. Das ist schade. Allerdings nicht deswegen, weil es der Landesregierung so wehtäte.
Es besteht ein Grunddissens vor allem in den Bereichen Schulstruktur und Inklusion, aber auch bei der Lehrerbildung und mit einer gewissen Resthaftigkeit noch beim Ganztag. Das aber ist das Entscheidende: Wir haben doch keinen Grunddissens über die Frage sozialer Gerechtigkeit in dem Sinne, dass der Bildungserfolg von Schülerinnen und Schülern möglichst von der sozialen Herkunft abgekoppelt sein sollte. Das ist doch kein Ziel, über das wir ernsthaft streiten. Da haben wir sofort einen Konsens – ich bin davon überzeugt, auch im gesamten Haus –, aber wir streiten über den Weg dorthin, wir streiten über die richtigen Mittel. Dort liegen unsere Grunddissense. Wir wollen alle dasselbe, aber wir haben unterschiedliche Vorstellungen davon, wie wir dorthin kommen können. Das ist das Problem.
Wenn diese Grunddissense so tief sind, dass sie jede Vereinbarung verhindern: Gut, dann tragen wir sie eben in Zukunft wieder im politischen Meinungskampf aus, das ist für mich kein Problem. Es ist nur schade für die Schulen, denen eine gewisse Sicherheit vor grundstürzenden Veränderungen für die nächsten zehn Jahre gutgetan hätte.
Das hätte aber vorausgesetzt, dass sich auch andere Beteiligte so sehr bewegen, wie es die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen – aber auch Akteure wie die Landesschülervertretung – getan haben, statt bis zum Ende auf unannehmbaren Maximalpositionen zu beharren.
Dafür will ich Ihnen gerne ein Beispiel geben: Beschluss des Landesvorstandes der GEW vom 28. Mai 2015, der auch entsprechend publiziert und dem ganzen Bildungsgipfel zugeleitet worden ist, d. h. unmittelbar vor dem letzten Durchlauf der Arbeitsgruppen. Da haben wir eine Erklärung vonseiten der GEW, wonach jede weitere Schulentwicklungsplanung auf integrierte inklusive Ganztagsgesamtschulen ausgerichtet sein müsse und jede Abweichung von diesem Ziel im Einzelfall extra begründet werden müsse. Und die GEW hat auch noch die Stirn, dies als Schulkompromiss zu bezeichnen.
Nein, meine Damen und Herren, das ist kein Kompromiss – das ist die Einheitsschule in Reinkultur. Wer das nach
acht Monaten des Prozesses als Vorschlag einbringt, der zeigt nur, dass er an einem Erfolg dieses Prozesses niemals ein Interesse hatte.
Wir haben in jeder Gipfelrunde diese Versuche der Torpedierung erlebt: Erst über die Arbeitsorganisation, dann über das Verfahren um die Zusammensetzung der Arbeitsgruppen, dann über die thematische Fokussierung.
Jedes Mal ist die Landesregierung den selbst ernannten Gipfelstürmern entgegengekommen und hat alles versucht, um diesen Prozess nicht abreißen zu lassen. Die vierte Runde haben wir dann nicht mehr erlebt. Wahrscheinlich wäre es spätestens dann am Ressourcenpunkt gescheitert. Das zeigt auch die Verknüpfung, die in dieser Debatte zwischen Bildungsgipfel und Ressourcenfrage hergestellt wird. Deswegen will ich gerne zu der Ressourcenfrage noch ein paar Bemerkungen machen.
Meine Damen und Herren, die Landesregierung hatte eigentlich auch mit Blick auf den Bildungsgipfel von Anfang an eine bemerkenswerte Basis für jede Ressourcenregelung geschaffen, indem wir nämlich – das kann man nicht oft genug wiederholen – trotz der zurückgehenden Schülerzahlen keine einzige Lehrerstelle aus dem System nehmen. Deswegen ist auch die Unterstellung, die Lehrerversorgung werde insgesamt verschlechtert, und es werde an der Bildung insgesamt gespart, einfach nur eine unglaubliche Dreistigkeit.
Ja, wir hatten 2013/14 die bis dahin beste Lehrerversorgung aller Zeiten. Das war schon eine große Errungenschaft.
Aber wir sind inzwischen noch besser geworden. Wir haben nämlich noch immer die gleiche Anzahl an unterrichtswirksamen Lehrerstellen wie vor zwei Jahren, aber über 10.000 Schüler weniger, Herr Rentsch. Und jeder kann sich ausrechnen, was das für die Schüler-Lehrer-Versorgung bedeutet. Wir hatten die 105 % bei der Lehrerversorgung erreicht, und wir haben sie gehalten. Das gilt auch, wenn die Kurse in der gymnasialen Oberstufe jetzt vielleicht etwas größer werden; denn wir haben uns auch in der Vergangenheit, als wir die Klassengrößen ständig reduziert haben – z. B. durch die Abschaffung der Sternchenregelung –, deswegen keine Prozente gutgeschrieben.
Alles, wohin wir jetzt die durch zurückgehende Schülerzahlen frei werdenden Lehrerstellen lenken – Ganztag, Deutschförderung, Sozialindex, Inklusion –, zählen wir sowieso extra. Wenn wir das alles mitrechnen würden, wären wir weit jenseits der 110 %. Das machen wir aber nicht, das wäre auch nicht ehrlich gerechnet. Aber dann soll man bitte auch umgekehrt fair rechnen und an dieser Stelle nicht die Klassen- oder Kursgröße in Prozente der Lehrerversorgung umrechnen. Das ist einfach nicht in Ordnung.