Protokoll der Sitzung vom 22.07.2015

Dieser Frage müssen Sie sich stellen. Frau Kollegin Wissler, welche Antwort geben Sie den Schülerinnen und Schülern in der Mittelstufe oder in der Grundschule, die ein ganztägiges Angebot wollen? Welche Antwort geben Sie denen – außer: „mehr Geld“? Welche Antwort geben Sie den Flüchtlingen, die bei uns in das Schulsystem einwandern und dringend auf Deutschförderung angewiesen sind – außer: „mehr Geld“?

(Janine Wissler (DIE LINKE): So spielt man die einen gegen die anderen aus!)

Welche Antwort geben Sie den Schulen, die dringend eine bessere Lehrerzuweisung brauchen,

(Zurufe von der CDU – Glockenzeichen des Präsi- denten)

weil sie in einem schwierigen Stadtteil arbeiten – außer: „mehr Geld“? Welche Antworten geben Sie den Eltern, die

für ihre Kinder die inklusive Beschulung wollen – außer: „mehr Geld“?

Frau Wissler, mit Ihrer Parole von mehr Geld lassen Sie die Menschen im Regen stehen.

(Lebhafter Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der CDU – Janine Wissler (DIE LINKE): So spaltet man und spielt Gruppen gegeneinander aus!)

Nein, das hat nichts mit dem Ausspielen von Gruppen zu tun, sondern mit der Entgegennahme der Realität. Ihre Parteifreunde in Thüringen wurden beim Abschluss der Koalition – Frau Wissler, habe ich Ihre Aufmerksamkeit? –

(Zuruf – Glockenzeichen des Präsidenten)

gefragt: Wie finanzieren Sie denn das alles? – Was war die Antwort Ihrer Landesvorsitzenden? Originalzitat: „Wir haben die Gelddruckmaschinen schon bestellt.“ So kann man zwar Politik machen, aber man löst so kein einziges reales Problem, Frau Wissler.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Wenn Sie es mit dem Beispiel Thüringen noch einmal wissen wollen, Frau Wissler: Wenn Ihre Partei denn tatsächlich einmal regiert, was steht dann in dem Koalitionsvertrag – entgegen dem, was Sie dem Auditorium hier weismachen wollen? Da steht wörtlich: Der Stellenabbaupfad in der Landesverwaltung wird fortgesetzt. – Das steht in dem Koalitionsvertrag, den Ihre Partei in Thüringen ausgehandelt hat. Frau Kollegin Wissler, halten Sie hier doch nicht solche Reden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Zurufe von der LINKEN)

Ein Letztes, Frau Kollegin Wissler, und zwar zum Thema soziale Gerechtigkeit. Auch ich wünsche mir, wir hätten mehr Geld. Auch ich wünsche mir, wir könnten alles gleichzeitig finanziell bedienen.

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Frau Wissler, so funktioniert Politik aber nicht. Politik ist manchmal schwieriger. Wenn ich eine Förderung für Zuwanderer hinbekomme, wenn ich eine Förderung Bedürftiger in unserem Bildungswesen hinbekomme und dafür in Kauf nehmen muss, dass man sich in den Oberstufen etwas einschränken muss, dann weiß ich, wie ich mich entscheide. Da bin ich ein Linker, Frau Kollegin Wissler. Da weiß ich, auf welcher Seite ich stehe, wenn ich solche schwierigen Entscheidungen treffen muss. Wer sich vor solchen Entscheidungen drückt, der ist letztlich nicht politikfähig, Frau Kollegin Wissler.

(Anhaltender lebhafter Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Vielen Dank, Kollege Wagner. – Wir sind am Ende der Debatte. Was machen wir mit dem Entschließungsantrag der SPD-Fraktion? Gleich abstimmen?

(Günter Rudolph (SPD): Ja!)

Dann rufe ich den Entschließungsantrag unter Tagesordnungspunkt 66, Drucks. 19/2214, zur Abstimmung auf.

Wer dem Entschließungsantrag seine Zustimmung gibt, den bitte ich um ein Handzeichen. – SPD und DIE LINKE. Wer ist dagegen? – CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Wer enthält sich? – Die FDP. Damit ist der Entschließungsantrag abgelehnt.

Es wird vorgeschlagen, die Tagesordnungspunkte 53, 61, 78 und 80 an den Ausschuss zu überweisen.

(Widerspruch bei der SPD)

Herr Kollege Rudolph.

Wir bitten, über unseren Antrag, Tagesordnungspunkt 53, ebenfalls abzustimmen.

Herr Bellino.

Das Gleiche gilt für unseren Antrag.

Ich schlage vor, wir stimmen über alle genannten Tagesordnungspunkte ab.

(Zustimmung des Abg. René Rock (FDP))

Tagesordnungspunkt 53, Antrag der Fraktion der SPD betreffend kein Bildungsabbau in Hessen, Drucks. 19/2181: Wer stimmt zu? – SPD, FDP und DIE LINKE. Wer ist dagegen? – CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Abgelehnt.

Tagesordnungspunkt 61, Antrag der Fraktion der FDP, Drucks. 19/2205: Wer ist dafür? – SPD, FDP, LINKE. Wer ist dagegen? – CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Abgelehnt.

Tagesordnungspunkt 78, Dringlicher Antrag der Fraktion DIE LINKE, Drucks. 19/2267: Wer ist dafür? – SPD und DIE LINKE. Wer ist dagegen? – CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und die FDP. Abgelehnt.

Tagesordnungspunkt 80, Dringlicher Antrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Drucks. 19/2269: Wer ist dafür? – CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Wer ist dagegen? – Der Rest des Hauses. Damit ist dieser Dringliche Antrag angenommen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 3 auf:

Erste Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für ein Hessisches Gesetz über die Gleichberechtigung von Frauen und Männern und zum Abbau von Diskriminierungen von Frauen in der öffentlichen Verwaltung (Hessisches Gleichberechtigungsgesetz – HGlG) – Drucks.

19/2161 –

Das Wort hat die Kollegin Ravensburg. Sie bringt den Gesetzentwurf ein. Bitte sehr.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir bringen heute gemeinsam mit unserem Koalitionspartner BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Hessische Gleichberechtigungsgesetz ein, ein Gesetz, das wegweisend für eine fortschrittliche Frauenpolitik im öffentlichen Dienst in Hessen sein wird.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben im Vorfeld viele Gespräche mit den Frauenverbänden, mit den Gewerkschaften und mit den Kommunalen Spitzenverbänden geführt. Dabei gab es durchaus unterschiedliche Auffassungen, welchen Weg wir gehen sollen. Der Gesetzentwurf, den wir Ihnen heute vorlegen, berücksichtigt viele der wertvollen Vorschläge, und zwar immer unter dem Aspekt, was uns bei unserem gemeinsamen Ziel, der Gleichberechtigung von Frauen und Männern auf allen Ebenen der Verwaltung, voranbringt.

(Günter Rudolph (SPD): Dieser Gesetzentwurf jedenfalls nicht!)

Dieser Gesetzentwurf setzt konsequent an den entscheidenden Stellschrauben an, um Frauen auf dem Weg in Führungspositionen besser zu qualifizieren, ihre Chancen zu verbessern und sie auf ihrem Weg zu unterstützen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das geplante Gesetz lässt aber gleichermaßen Fragen der Effizienz nie aus den Augen. Deshalb möchte ich Ihnen unsere vier übergeordneten Ziele nennen, die wir in diesem Gesetz verankern wollen.

Erstens die Verbesserung des Anteils von Frauen in Führungspositionen. Schließlich arbeiten bereits heute mehr Frauen als Männer im öffentlichen Dienst. In Leitungsoder Führungspositionen sind Frauen aber nach wie vor zu selten zu finden. Das wollen wir ändern. Vorgesetzte und Führungskräfte, beispielsweise Dienststellenleitungen, haben die Erreichung der Ziele dieses Gesetzes ausdrücklich zu fördern und die Chancengleichheit von Frauen und Männern als durchgängiges Leitprinzip ihrem Handeln zugrunde zu legen.

Das heißt, Frauenförder- und -gleichstellungspläne sind durch geeignete Maßnahmen umzusetzen. Hierzu gehört auch die Anwendung moderner Personalentwicklungsmaßnahmen. Solche Personalentwicklungskonzepte waren im bisherigen Gesetz als Modellvorhaben erfasst. Jetzt werden sie als mögliche Regelmaßnahmen in das Gesetz integriert. Dazu gehören das Personalbudgeting, gezielte Fortbildungen für Frauen und die Erprobung von Teilzeitarbeit auch in Führungspositionen.

Es geht uns hier auch um den Zugang zu den Gremien, zu denen ein Entsendungsrecht besteht. Wir wollen hier eine deutlich bessere und deutlich erhöhte Verbindlichkeit schaffen. Schließlich ist unser Ziel, dass die Hälfte der in diese Gremien Entsandten Frauen sind. Ausnahmen von der hälftigen Besetzung der Gremien sind künftig nur noch aus erheblichen Gründen zulässig und dann auch aktenkundig zu machen.

Unser zweites Ziel ist die bessere Berücksichtigung der Übernahme von Familienaufgaben. Die Übernahme einer Familienaufgabe, ob in Voll-, in Teilzeit oder in Telearbeit, darf sich nicht mehr nachteilig auswirken, z. B. beim Zu

gang zu Personalentwicklungsmaßnahmen. Zudem ist die Betreuung von Kindern oder die Pflege von Angehörigen eine hoch qualifizierende Aufgabe, die künftig im Beruf, in der Qualifikationsbeurteilung, aber auch bei Auswahlentscheidungen noch mehr anerkannt werden muss. Sie darf bei den Frauen nicht mehr automatisch zu einem Karriereknick führen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)