Protokoll der Sitzung vom 22.07.2015

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das gilt aber nicht nur für Frauen, denn auch Männer übernehmen Familienaufgaben. Für sie gilt selbstverständlich das Gleiche. Das ist auch beim Zugang zu Fortbildungsangeboten notwendig; denn diese sollen künftig besser auf die Belange von Kollegen zugeschnitten werden, die gleichzeitig Familienaufgaben leisten.

Unser drittes Ziel ist die bessere und besondere Berücksichtigung von Frauen mit Behinderungen. Diese sind aufgrund ihres Frau-Seins und ihrer Behinderung einer Doppelbelastung ausgesetzt. Auch das ist eine Forderung, die wir bereits im Koalitionsvertrag verankert haben und jetzt umsetzen.

Das vierte Ziel ist die Stärkung der Rolle der Frauenbeauftragten. Dabei legen wir einen Schwerpunkt auf die Verbesserung der Instrumentarien und die deutliche Erhöhung der Verbindlichkeit der Maßnahmen, um die Frauenbeauftragten in ihrer Tätigkeit zu stärken.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN)

Dazu gehört das Initiativrecht ebenso wie das Organklagerecht. Beides waren lang gehegte Wünsche der Frauenbeauftragten. So haben die Frauenbeauftragten bei Verstößen gegen ihre Mitwirkungsrechte ein Widerspruchsrecht. Sollte aber diesem Widerspruch nicht stattgegeben werden, hat die Frauenbeauftragte quasi als Ultima Ratio das Organklagerecht, und sie kann das Verwaltungsgericht anrufen.

Ein ebenso wichtiges Anliegen der kommunalen Frauenbeauftragten war der direkte Zugang zum Ministerium in Fragen, die von grundsätzlicher Bedeutung sind. Auch das setzen wir in diesem Gesetzentwurf um.

Deshalb lässt sich zusammenfassend feststellen: Wir legen Ihnen heute einen Gesetzentwurf vor, der die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und von Familie und Karriere wesentlich voranbringen wird. Wir verbessern den Zugang von Frauen zu Führungs- und Leitungsaufgaben und zu den Gremien. Wir stärken die Frauenbeauftragten in der Erfüllung ihrer Aufgaben.

All das hat in einem breiten Diskussionsprozess stattgefunden. Deshalb möchte ich mich hier ausdrücklich bei der Landesregierung bedanken, die unseren Meinungsbildungsprozess im Vorfeld der Gesetzesvorlage immer unterstützt hat.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Gerhard Merz (SPD): Bravo!)

„Bravo!“ Genau, Herr Merz, das ist so. – Den weiteren Beratungen sehen wir gespannt entgegen. Wir werden deshalb weiter auf unser klares Ziel hinarbeiten.

Am 1. Januar 2016 wird unser heute vorgelegtes, modernes und fortschrittliches Hessisches Gleichberechtigungsgesetz in Kraft treten. Die Frauenbeauftragten haben Planungssi

cherheit, und die Gleichberechtigung im öffentlichen Dienst und bei privaten Beteiligungen wird wesentlich vorangebracht. Deshalb freue ich mich auf die Beratungen in den Ausschüssen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Kollegin Ravensburg. – Das Wort hat Frau Abg. Lisa Gnadl, SPD-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Lange haben die Frauenbeauftragten auf diesen Gesetzentwurf warten müssen. Endlich gibt es einen schwarz-grünen Gesetzentwurf; denn Ende dieses Jahres läuft das bisherige Hessische Gleichberechtigungsgesetz aus. Ihr Gesetzentwurf war längst überfällig.

(Beifall bei der SPD)

Sie – CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – haben sich eineinhalb Jahre Zeit gelassen, um heute einen Fraktionsgesetzentwurf in erster Lesung einzubringen. Sie haben es bei diesem für den öffentlichen Dienst und insbesondere für die Gleichberechtigung von Frauen und Männern wichtigen Thema nicht vermocht, einen Regierungsentwurf in den Hessischen Landtag einzubringen. Damit umgehen Sie ein ordentliches Verfahren mit einer Regierungsanhörung. Das ist jetzt aus Zeitgründen nicht mehr möglich. Im Hauruckverfahren werden die Anzuhörenden den nun vorliegenden Gesetzentwurf über die Sommerpause lesen und bewerten müssen, und wieder wird die Zeit knapp.

(Beifall bei der SPD)

Dieses Vorgehen zeigt, welchen Stellenwert das Hessische Gleichberechtigungsgesetz für die Regierungsfraktionen hat.

Die SPD-Fraktion hat schon 2013 einen eigenständigen, umfangreichen und fortschrittlichen Entwurf in den Hessischen Landtag eingebracht, diesen nach der damaligen Anhörung überarbeitet und Anfang 2015 erneut vorgelegt. Immerhin konnten wir Sie mit unserem Gesetzentwurf ein bisschen treiben.

Inhaltlich findet sich davon allerdings wenig in Ihrem Gesetzentwurf wieder. Der Entwurf für ein schwarz-grünes HGlG ist aus unserer Sicht inhaltlich enttäuschend. Ihre Vorschläge erfüllen nicht die Erwartungen an eine Gesetzesnovelle. Ihre Änderungen haben wenig Substanz, und sie werden kaum den dringend notwendigen Fortschritt bringen.

(Beifall bei der SPD)

Zur Erinnerung: In Hessen gibt es viel Nachholbedarf in Sachen Gleichberechtigung. Wir wissen, dass es an der Spitze der Landesverwaltung Ministerien gibt, die frauenfreie Zonen sind, z. B. das Innenministerium oder das Wirtschaftsministerium. Wir kennen die Zahlen bei den Abteilungsleiterstellen: Von 56 Abteilungsleiterstellen der Ministerien sind nur neun von Frauen besetzt. Der Aufstieg in Führungspositionen ist in Hessen für Frauen im öffentlichen Dienst nach wie vor steinig und schwer.

Meine Damen und Herren, während wir in unserem Gesetzentwurf deutlich machen, dass Frauen nach wie vor benachteiligt sind, insbesondere in Bezug auf das Erreichen von Führungspositionen, fehlt es bei Ihnen schon bei der Definition des Ziels an Deutlichkeit. Im Gegensatz zu Ihrem Gesetzentwurf folgt unser SPD-Gesetzentwurf der klaren Regel, dass Frauen dort, wo sie unterrepräsentiert sind, bei gleicher Eignung, wenn nicht ein Mann offensichtlich besser qualifiziert ist, bevorzugt eingestellt werden müssen.

Zwei entscheidende Punkte, um für mehr Gleichberechtigung zu sorgen, fehlen bei Ihnen komplett: erstens die Verpflichtung zur öffentlichen Ausschreibung und zweitens die paritätische Besetzung von Auswahlkommissionen bei Personalentscheidungen. Während wir mit eindeutigen Begriffsbestimmungen und ausführlichen Regelungen, die wenig Interpretationsspielraum lassen, die Frauenbeauftragten stärken wollen, zwingen Sie sie weiter in zermürbende Auseinandersetzungen mit den Dienststellenleitungen und den Personalchefs um die Frage, wie was ausgelegt wird.

Während wir die Frauenbeauftragten endlich angemessen ausstatten und freistellen wollen, damit sie für ihre Tätigkeit als Frauenbeauftragte entlastet werden, gibt es bei Ihnen nur eine minimale Verbesserung: bei 150 bis 300 Beschäftigten eine Freistellung von 25 %. Damit, meine sehr verehrten Damen und Herren von CDU und GRÜNEN, sind Sie noch weit von dem ehemaligen rot-grünen Gesetzentwurf in Hessen entfernt.

(Beifall bei der SPD)

An dieser Stelle möchte ich vor allem den Frauenbeauftragten meinen herzlichen Dank aussprechen, die sich trotz dieser schwierigen Bedingungen und trotz der schlechten Ausstattung engagiert für Frauenförderung und Gleichberechtigung in Hessen einsetzen.

Völlig wirkungslos ist die Formulierung, dass in Dienststellen mit mehr als 2.000 Beschäftigten, falls erforderlich, weitere Stellenanteile zur Verfügung zu stellen sind. „Falls erforderlich“ – die Dienststellenleitung, die da etwas freiwillig für erforderlich hält, müssen Sie mir noch zeigen.

Während wir den Frauenbeauftragten ein umfassendes Klagerecht einräumen wollen, bei dem auch die Entscheidung an sich beklagt werden darf, räumen Sie den Frauenbeauftragten nur ein Organklagerecht beim Verwaltungsgericht ein, wenn die Frauenbeauftragte ihre Rechte verletzt sieht oder kein Frauenförderplan vorliegt. Das hat bei Ihnen aber noch nicht einmal eine aufschiebende Wirkung, und deswegen ist es kaum ein echter Fortschritt.

Gerade die Frauenbeauftragten haben eine Schlüsselposition inne, um für mehr Gleichberechtigung zu sorgen und sie auch durchsetzen können, wenn man sie nur lässt. Deshalb sind, wie es in unserem Gesetzentwurf beschrieben wird, die angemessene Ausstattung, die klaren Vorgaben und die wirkungsvollen Instrumente, mit denen die Frauenbeauftragten die Rechte von Frauen durchsetzen können, so wichtig.

Statt hier für wirkungsvolle Verbesserungen zu sorgen, bleiben Sie auf halber Strecke stehen. Während wir den Geltungsbereich wesentlich breiter anlegen und damit auch für eine größere Wirkung des Gesetzes sorgen wollen, haben Sie am Geltungsbereich so gut wie nichts geändert. Manchmal hilft es, wenn man die Gesetzentwürfe neben

einanderlegt, um zu erkennen, was hinter den Presseankündigungen steckt.

Solange bei Ihnen nur „darauf hinzuwirken“ ist, dass bei Beteiligungen an privatrechtlichen Unternehmen bei der Personalwirtschaft die Grundsätze des HGlG anzuwenden sind, können Sie nicht ernsthaft von einer Erweiterung des Geltungsbereichs sprechen. Wenn Sie das wirklich wollen, erweitern Sie den Geltungsbereich so, wie wir es vorgeschlagen haben, und machen Sie das vor allen Dingen verpflichtend; denn ein Darauf-Hinwirken wird am Ende nichts verändern.

(Beifall bei der SPD)

Ich finde es bei den wenigen substanziellen Veränderungen gewagt, von einer echten Novelle zu sprechen. Es ist nicht erkennbar, wie die schwarz-grüne Landesregierung das Fortkommen von Frauen fördern will, um bessere Ergebnisse als bisher zu erzielen. Ich habe den Eindruck, dass Sie sich nicht wirklich darüber einig sind, was Sie wollen. Sie versuchen, den richtigen Weg einzuschlagen, und greifen ansatzweise wichtige Punkte auf. Gleichzeitig bleiben Sie aber vage und unkonkret.

Der eine Teil von Ihnen will den Geltungsbereich erweitern, der andere Teil nicht. So kommt am Ende ein „Wir wollen darauf hinwirken“-Kompromiss heraus. Dieses Zaudern und Zögern zieht sich wie ein roter Faden durch Ihren Gesetzentwurf. Ein neues, wirksames Gleichberechtigungsgesetz, das seinen Zweck auch effektiv erfüllt und einen Fortschritt erbringt, ist möglich. Das zeigen wir Ihnen mit unserem Gesetzentwurf für ein Hessisches Gleichberechtigungsgesetz.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Gnadl. – Das Wort hat Herr Abg. René Rock, FDP, Seligenstadt.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Die Gleichberechtigung ist ein Thema, das uns im Landtag schon sehr lange beschäftigt, leider auch in einer Art und Weise, wie wir uns das nicht immer vorgestellt haben. Die Verlängerung der Geltungsdauer des Gesetzes und die Überlegung, wann Sie hier endlich zu Entscheidungen kommen, haben uns sehr umgetrieben. Ich glaube, wir haben nun einen Gesetzentwurf vorliegen – wo auch immer er erarbeitet worden ist, jedenfalls wurde er von den Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebracht, bei dem man nicht so genau weiß, wo man hinwill. Frau Gnadl, meine Vorrednerin, hat es schon ausgeführt.

Man kann den Weg der SPD gehen in dem Glauben, dass man Gleichberechtigung per Gesetz durchsetzen kann. Oder man kann versuchen, die Themen Rahmenbedingungen, gesellschaftliche Akzeptanz und das Selbstverständnis der Gleichberechtigung entsprechend hochzuhalten. Man kann die Frage nach der Quote stellen, oder man kann die Frage nach echtem Respekt und nach der Art und Weise des Umgangs miteinander stellen.

(Timon Gremmels (SPD): Weil es bei der FDP so gut klappt, spricht dazu auch ein Mann!)

Herr Gremmels, ich glaube, man kann da unterschiedlicher Auffassung sein; aber bei dem Gesetzentwurf, der jetzt vorgelegt worden ist, weiß ich nicht, welche Auffassung die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen, die ihn eingebracht haben, hierzu vertreten. Das wird sich für uns in der Anhörung noch einmal zeigen müssen. Ich bin auch etwas überrascht, dass ich jetzt Themen und Vorschläge vorfinde, die, als wir den SPD-Gesetzentwurf diskutiert haben, zumindest auf Unionsseite mit großen Vorbehalten diskutiert worden sind.

Ich kann mir die Debatten lebhaft vorstellen, die in den Koalitionsrunden zu diesem Gesetzentwurf geführt worden sind. Ich kann mich gut in die einzelnen Diskutanten hineinversetzen. Von daher sage ich: Dieser Gesetzentwurf hat keine wirkliche Richtung, weil nicht klar ist, was eigentlich die Ziele sind. Glauben Sie, dass die bisherige Förderung besser gelebt werden und man vielleicht nur ein bisschen nachjustieren muss? Oder glauben Sie im Grundsatz, dass man mit einem Organklagerecht, mit Ausweitungen usw. sozusagen gesetzlichen Zwang ausüben müsste, um hier voranzukommen? Das ist mir noch nicht ganz klar geworden. Ich denke, in der Anhörung wird das noch etwas klarer werden.

Der Gesetzentwurf der SPD geht uns zu weit; das haben wir auch in der letzten Legislaturperiode deutlich gemacht.

Ich bin mir abschließend noch nicht klar darüber, was ich von Ihrem Gesetzentwurf halten soll. Ich denke, den endgültigen Meinungsbildungsprozess werden wir uns hier nach der Anhörung mitteilen und durch ein Abstimmungsverhalten klarmachen. Allerdings ist mir, wie gesagt, nicht ganz klar, ob Sie den Kurs der SPD gehen wollen oder ob Sie der Meinung sind, dass das, was bis jetzt vorgelegen hat, im Grundsatz ausreichend sein könnte. Wir sind, wie gesagt, auf die Anhörung gespannt und werden uns dazu hernach eine Meinung bilden. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Kollege Rock. – Das Wort hat Frau Abg. Schott, Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Peinlichkeiten der hessischen Regierungspolitik bezüglich der Frauenund Gleichstellungspolitik gehen in eine neue Runde. Schauen wir uns noch einmal an, was bisher gelaufen ist. Wir sind jetzt im Jahre 2015, und seit 2011 haben wir die Evaluation vorliegen, die sehr umfangreich ist und nach der man hätte handeln müssen. Die damalige Regierung hat auch angekündigt, noch im selben Jahr einen Gesetzentwurf vorzulegen; das selbige Jahr hat offensichtlich sehr lange gedauert.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Ein Schaltjahr!)