Insoweit glaube ich, dass Ihr Punkt nicht dazu diente, wozu er dienen sollte. Die Kritik ist nicht berechtigt. Der ÖPNV ist in Hessen gut aufgestellt, und wir werden uns weiter darum kümmern. Darauf können sich die Menschen verlassen.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Woraus finanziert sich der öffentliche Personennahverkehr? Im Wesentlichen aus drei Säulen:
Erstens aus der Finanzierung der Verkehrsleistungen. Das ist das, was die Städte und Gemeinden dazugeben, und vor allem das, was der Bund dazugibt, Stichwort: Regionalisierungsmittel. Wir sind momentan in einer Situation, dass selbst das, was es in der Vergangenheit gab und was unzureichend war, nämlich eine jährliche Erhöhung um 1,5 % dieser Mittel, nicht kommt, weil die Bundesregierung – lieber Uwe Frankenberger – aus CDU, SPD und CSU nicht bereit war, rechtzeitig diese Revision durchzuführen.
Wir haben erstmals in dieser Legislaturperiode des Deutschen Bundestages den Vermittlungsausschuss angerufen, und zwar einstimmig alle Länder, über alle Parteigrenzen hinweg, mit 16 : 0. Nach der Sommerpause wird der Vermittlungsausschuss tagen. Wir hoffen, dass der Bund in dieser Beziehung endlich seiner Verantwortung gerecht wird, weil wir vor der Situation stehen, dass wir keine Klarheit haben, was in diesem, im nächsten und im übernächsten Jahr geschieht. Wenn wir es in diesem Herbst nicht wissen, müssen wir – ehrlich gesagt – anfangen, Leistungen abzubestellen. Nicht wir, sondern die Verbünde müssen das tun. Meine sehr verehrten Damen und Herren, daran kann niemand ein Interesse haben. – Das ist die eine Finanzierungsquelle.
Die andere Finanzierungsquelle ist die Finanzierung der Infrastruktur. Es geht um die Frage, wie wir beispielsweise in Zukunft große Schienenprojekte finanzieren. Dazu braucht man Mittel aus dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz. Auch da haben wir keinerlei Klarheit, weil das in den Bund-Länder-Finanzbeziehungen offen ist. Wir wissen nicht, ob es nach 2019 überhaupt noch ein Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz und die entsprechenden Mittel geben wird. Dementsprechend können wir auch jetzt kein Landes-GVFG als Gesetz machen; denn wir müssen erst einmal wissen, ob es überhaupt noch ein GVFG geben wird.
Herr Frankenberger, wenn wir diese Klarheit haben, dann – da können Sie sicher sein – werden wir auch ein Landesgesetz machen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, dazu ist die Koalition entschlossen, und das haben wir auch dementsprechend beschlossen. Diese Klarheit brauchen wir. Das heißt, wir haben auch bei der Finanzierung der Infrastruktur Unklarheiten.
Jetzt kommt die dritte Einnahmesäule. Das sind die Fahrpreise, die Fahrgelder. Einmal ganz nebenbei gesagt, sind das – RMV, NVV und VRN – kommunale Zweckverbände. Daher ist es nicht das Land, das diese Preise beschließt, aber, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linksfraktion, in einer solchen Situation wäre ein Verzicht auf eine moderate Anhebung der Fahrpreise absolut unverantwortlich.
Um Ihnen das einmal deutlich zu machen: Die Fahrpreiserhöhung von 1,9 % beim RMV – um genau zu sein: um 1,85 % – wird im Jahr 2016 für Mehreinnahmen von ungefähr 14 Millionen € sorgen.
Der RMV selbst geht davon aus, dass er im Jahr 2016 mit einem Mittelmehrbedarf in einem deutlich höheren Umfang zu rechnen hat. Das heißt, auch da müssen wir schon davon ausgehen, dass wir unbedingt einen Beitrag des Bundes zur Kostendeckung brauchen – sonst bekommen wir hier ein echtes Problem.
Einmal ganz nebenbei: Ich weiß, der RMV ist vergleichsweise teuer. Aber der RMV ist dabei, z. B. den Preissprüngen – Sie haben Frankfurt/Offenbach angesprochen – durch die Einführung des Handytickets zu begegnen, indem er Modelle schafft, damit man nur noch für die gefahrenen Kilometer zahlt und nicht mehr dafür, dass man eine Stadtgrenze überschreitet. Das ist noch die alte Wabenstruktur. Auch an der Lösung dieses Problems wird gearbeitet.
Eine kleine Antwort auf die Frage, woher man diese 14 Millionen € nehmen sollte – auf die man verzichten würde, wenn man keine Preisanhebung hat –, kann man auch von der Linksfraktion erwarten, oder man könnte das.
In diesem Zusammenhang will ich ausdrücklich sagen: Ja, der RMV gehört zu den eher Teuren. Aber das bedeutet immer noch, dass von den Fahrpreisen nur etwas über die Hälfte der Kosten gedeckt ist. Momentan ist die Inflation zwar vergleichsweise niedrig, aber das hilft den Verkehrsunternehmen nicht unbedingt; denn die Trassenpreise steigen, die die Bahn verlangt, und die Personalkosten steigen.
Ich bin ausdrücklich dafür, dass auch die ÖPNV-Leistungen nach Tarif bezahlt werden. Aber das hat natürlich seinen Preis. Egal, ob die GdL oder die Eisenbahnergewerkschaft für höhere Löhne streikt, Sie stehen normalerweise an ihrer Seite und schwenken eifrig Fahnen. Das ist Ihr gutes Recht, aber es hat natürlich Auswirkungen auch auf der Kostenseite, wenn die GdL höhere Tarife durchsetzt. Insofern ist das, was da passiert, eigentlich völlig logisch. Deswegen müssen wir ja so dringend darum kämpfen, dass der Bund die Regionalisierungsmittel erhöht.
Insofern sind wir sehr gespannt darauf, was nach der Sommerpause passiert. Ich kämpfe wirklich dafür, dass die Brisanz dessen, was passieren könnte, wenn nichts passiert, allen bewusst wird.
Ein letzter Punkt, weil der Kollege Frankenberger, den ich ansonsten sehr schätze, gesagt hat, im ÖPNV passiere in Hessen nichts. Ich weiß nicht, lieber Uwe Frankenberger, wo Sie leben. Wir haben die drei Abschnitte der Nordmainischen S-Bahn in die Planfeststellung gebracht – ein Projekt, über das seit 20 Jahren geredet wird. Jetzt sind die drei Abschnitte in der Planfeststellung.
Wir haben den Finanzierungsvertrag für die S-Bahn-Station Gateway Gardens unterschrieben – ein Projekt, über das schon lange geredet wird. Jetzt wird es angepackt.
Wir hatten bei der S 6, Frankfurt-West – Bad Vilbel, jetzt mit dem Gleiswechselbetrieb den formalen Baubeginn des dritten und des vierten Gleises zu verzeichnen. Wir werden dieses Projekt vorantreiben. Über dieses Projekt wird geredet, solange ich mich erinnern kann. Jetzt wird es umgesetzt, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Das Land Hessen ist der Planungsgesellschaft für die Regionaltangente West beigetreten, um zu zeigen, dass dieses Projekt wirklich nach ganz vorne gehört. Lieber Uwe Frankenberger, die EU hat dieses Projekt in der letzten Woche als eines von zwei Projekten in Deutschland als besonders förderungswürdig anerkannt und wird die Hälfte der Planungskosten übernehmen. Jetzt wird es gemacht, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Am 11. September sind Sie alle zur Wiedereröffnung der Strecke Korbach – Frankenberg herzlich eingeladen. Ich hoffe, dass ich dich dort sehe, lieber Uwe; dann können wir gemeinsam mit der Kurhessenbahn fahren.
Wir arbeiten am Bahnhofsmodernisierungsprogramm weiter. Wir haben, wie in der Koalitionsvereinbarung beschlossen, die Verteilung der Entflechtungsmittel für die Bereiche Straßenbau und ÖPNV wieder auf das Verhältnis 50 : 50 umgestellt.
Ich würde es einmal so formulieren: Es gibt kaum eine Landesregierung, die so aktiv ist, um den ÖPNV nach vorne zu bringen, wie die jetzige Hessische Landesregierung. Man muss sie dafür ja nicht loben, dann aber noch zu kritisieren und zu behaupten, es passiere nichts, das verstehe ich einfach nicht.
Insofern arbeiten wir am Projekt „Mobiles Hessen 2020“ weiter, und ich hoffe, das ganze Haus unterstützt die Hessische Landesregierung dabei.
Vielen Dank, Herr Minister. – Keine weiteren Wortmeldungen. Damit ist Tagesordnungspunkt 69 behandelt.
Antrag der Fraktion der CDU betreffend eine Aktuelle Stunde (Neues Landesprogramm „Kompetenzen ent- wickeln – Perspektiven ermöglichen“ erhöht Chancen für Langzeitarbeitslose in Hessen) – Drucks. 19/2234 –
Antrag der Abg. Merz, Decker, Di Benedetto, Gnadl, Roth, Dr. Sommer, Dr. Spies (SPD) und Fraktion betreffend Langzeitarbeitslosigkeit abbauen – Drucks. 19/1804 –
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! In Hessen herrscht Vollbeschäftigung. Es gab noch nie so viele sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze. Der Fachkräftemangel ist das Hauptproblem der Arbeitsmarktpolitik. Wir haben aber auch 130.000 Langzeitarbeitslose. Durch das Programm „Kompetenzen entwickeln – Perspektiven eröffnen“ will Hessen Wege aufzeigen, auch ihnen einen Weg in den ersten Arbeitsmarkt zu ermöglichen.
Bei Langzeitarbeitslosen sind meist mehrere Vermittlungshindernisse in Ausbildung und Arbeit zu finden. Erstens sind es Faktoren der Berufsbiografie: abgebrochene Berufsausbildung oder kein Schulabschluss. 68 % haben keinen Berufsabschluss, 26 % keinen Schulabschluss. Dies ist oft aber nicht der einzige, der alleinige Grund, schlechte Chancen auf den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt zu haben. Es kommen Faktoren hinzu, die personenbezogen die Türen zu Ausbildung und Beruf schließen: Krankheit – einschließlich Suchtprobleme –, besondere Herausforderungen in der Familie, Alleinerziehung, Viele-Kinder-Haushalt, Pflegebedürftigkeit in der Familie.
Wir wollen, dass Konzepte entwickelt werden, damit wenigstens eines dieser Vermittlungshindernisse abgebaut wird, um Chancen für den ersten Arbeitsmarkt zu eröffnen. Wir wissen, dass sich die bestehenden Arbeitsmarktprogramme oft nur einem Vermittlungshindernis widmen, sodass Menschen mit vielfältigen Problemen teilweise durch das soziale Netz fallen.
Jobcenter, Unternehmen, Kreise und kreisfreie Städte sowie karitative Organisationen können jetzt durch unser Programm Modelle entwickeln, die folgende Voraussetzungen erfüllen:
Erstens. 30 % der teilnehmenden Arbeitslosen eines Projektes müssen in einem Unternehmen sozialversicherungspflichtig beschäftigt sein, gegebenenfalls in Teilzeit, damit sie die Tagesstruktur im Arbeitsleben praktizieren und
Zweitens. 30 % der Langzeitarbeitslosen sollen in Familienverantwortung stehen. Wir wissen nämlich, dass 42 % der Langzeitarbeitslosen in einer Bedarfsgemeinschaft mit Kindern leben.