Protokoll der Sitzung vom 23.07.2015

(Zuruf von der CDU: Nein, ist nicht in aller Munde!)

Das hat der BUND vor fast zwei Jahren in einer Studie gezeigt. 182 Urinproben von Menschen aus Großstädten in 18 Ländern Europas wurden auf Glyphosat untersucht, und in keinem einzigen Land waren alle Proben frei von Glyphosat. Unabhängig von der Frage möglicher Gesundheitsgefährdungen ist das ein alarmierendes Zeichen.

(Beifall bei der LINKEN)

Das alles erinnert stark an den Einsatz von DDT seit 1945. Auch diese Agrochemikalie wurde in der Muttermilch nachgewiesen, aber erst in den Siebzigerjahren schrittweise in Europa verboten.

Von den Forschungseinrichtungen der WHO kamen in den letzten Jahren unterschiedliche Einschätzungen über die Gefährlichkeit von Glyphosat. Im März dieses Jahres hat die WHO Glyphosat als wahrscheinlich krebserregend eingestuft. Das war ein ziemlicher Paukenschlag. Damit wurde die Substanz plötzlich in die zweithöchste Risikostufe eingeordnet, wie z. B. Blei.

Das Bundesinstitut für Risikobewertung konnte dieses Ergebnis bis dato nicht nachvollziehen und kommt zu der Einschätzung, dass es bislang keine Nachweise gesundheitlicher Folgen gibt, prüft aber noch die Einschätzung der WHO. Es liegen eine Stellungnahme des Bundesinstituts für Risikobewertung vor und eine Empfehlung der Nationalen Stillkommission, worin die gemessenen Gehalte in der Muttermilch als gesundheitlich unbedenklich eingeschätzt werden. Aber es ist da, und damit ist es schon problematisch. Die wissenschaftliche Dokumentation dazu soll in Kürze erscheinen. Ja, es ist völlig legitim, die Ergebnisse der WHO noch einmal zu überprüfen. Aber dass Union und Bundesregierung schon vorab die wissenschaftliche Kompetenz der WHO-Agentur infrage stellen, finde ich absolut inakzeptabel.

Wir alle nehmen derzeit an einem Großversuch teil. Vielleicht erst in einigen Jahren wird die Wissenschaft zweifelsfrei feststellen, ob Glyphosat krebserregend oder erbgutschädigend ist oder das Nervensystem angreift. Ich für meine Person habe eigentlich keine Lust, unfreiwillig an solch einem Großversuch teilzunehmen.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir begrüßen ausdrücklich, dass sich die Hessische Ministerin für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz der Initiative von elf weiteren Bundesländern angeschlossen hat, die Anwendung von Glyphosat im öffentlichen Raum weitestgehend zu verbieten. Allerdings fragen wir uns: Warum nur weitestgehend und nicht ganz? Darüber hinaus wünschen wir uns, dass die Ministerin auch in anderen Bereichen den wegweisenden Vorschlägen ihrer Kollegen folgen möge. Um Verbraucherinnen und Verbraucher wirksam zu schützen, ist aber die Bundesregierung gefordert, ein Verbot von Glyphosat zu erlassen. Auch der Bundesrat hat das bereits so formuliert.

Für den Haus- und Kleingartenbereich beispielweise sind 51 glyphosathaltige Mittel zugelassen. Man kann sie kanisterweise in Baumärkten kaufen, angeblich mit Beratung. Nur, bei dem größten Internethändler – der mit den

schlechtesten Löhnen – gibt es 500 ml „Roundup Easy“ für 17,63 €, gänzlich ohne Beratung.

In Nord- und Südamerika werden glyphosatresistente Gentechnikpflanzen in großer Menge angebaut und nach Europa importiert. Auch so kommt Glyphosat in den Urin der europäischen Bevölkerung. Es ist das weltweit am stärksten verbreitete Pflanzenschutzmittel, und es ist ein Riesengeschäft für Monsanto, möglicherweise mit schwerwiegenden Folgen für unsere Gesundheit.

Bis heute wurde keine einzige repräsentative Studie in Auftrag gegeben, um die widersprüchlichen Ergebnisse entweder zu widerlegen oder zu bestätigen. Das ist die Aufgabe der Bundesregierung, und da hat sie versagt. Die Fragen der Risiken müssen geklärt werden. Die ökologischen Risiken sind im Grundsatz klar, aber die Wissenslücken bei den gesundheitlichen Risiken sind groß. Es gibt zwar immer Hinweise auf erhebliche Tiergesundheitsprobleme bei Rindern und Schweinen, die mit Glyphosat in Verbindung gebracht werden, aber offiziell wurden diese gesundheitlichen Risiken immer verneint, bis zum Paukenschlag der WHO im März.

Aus unserer Sicht – diese Forderung stellen wir seit einem Jahr – muss die Bundesregierung den Verkauf von glyphosathaltigen Pflanzenschutzmitteln an Laien untersagen und ihren Einsatz in privaten Gärten und auf Plätzen verbieten.

(Beifall bei der LINKEN)

Diese Forderung wird von vielen Baumärkten schon umgesetzt, sie nehmen das Glyphosat aus dem Sortiment. Was sagt das eigentlich über unser Land, wenn Baumärkte vorsorgender sind als die Regierung?

Die Anwendung glyphosathaltiger Pflanzenschutzmittel zur Sikkation in der Landwirtschaft muss verboten werden, und es muss verbindlich definiert werden, dass Sikkation eben nicht zur guten fachlichen Praxis gehört. Da haben wir eine dezidiert andere Meinung als Sie.

Auf EU-Ebene muss die Bundesregierung gegen alle Anträge auf Anbauzulassung gentechnisch veränderter Pflanzen drängen und an der Stelle die Verantwortung übernehmen.

Kollegin Schott, kommen Sie bitte zum Schluss.

Letzter Satz. – Eine umfassende Risikoforschung muss finanziert werden. Selbst wenn wir es schaffen, den Einsatz von Glyphosat in Deutschland stark einzuschränken oder zu verbieten, brauchen wir wegen der Einfuhr von glyphosathaltigen Futter- und Pflanzenmitteln das Wissen um die Risiken, damit wir uns dagegen zur Wehr setzen können. An der Stelle kann ich nur sagen: CETA und TTIP lassen grüßen.

(Beifall bei der LINKEN und der Abg. Martina Feldmayer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Vielen Dank. – Nächste Rednerin ist Kollegin Löber, SPDFraktion.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Erst einmal freue ich mich, zu einer so schönen Uhrzeit sprechen zu dürfen und nicht immer den Rausschmeißer zum Ende der Plenartage machen zu müssen. Das finde ich sehr angenehm, vielen Dank dafür.

Die neuen Ergebnisse und Befunde hinsichtlich der gesundheitlichen Wirkung von Glyphosat für den Menschen sind mehr als erschreckend und geben erneut erheblichen Anlass, endlich schnell zu handeln. Es sind aber nicht zum ersten Mal erschreckende Ergebnisse: Auch in den letzten Jahren gab es immer wieder erschreckende Ergebnisse.

Wieso aber wird erst jetzt gehandelt und eine Aktuelle Stunde der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu Glyphosat abgehalten? Warum wurde nicht bereits vor einem Jahr oder früher das Thema ernster aufgenommen? Liegt es etwa daran, dass nun die Bundestagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eine Untersuchung in Auftrag gegeben hat und darin festgestellt wurde bzw. sich bestätigt hat, wie alarmierend die Ergebnisse sind, da bei 16 untersuchten Frauen in der Bundesrepublik bei allen 16 die Werte in der Muttermilch erschreckend über den Grenzwerten für Trinkwasser liegen? Es ist wirklich mehr als erschreckend, auch diese Untersuchung. Weiterhin kommt hinzu, dass inzwischen auch das Krebsforschungsinstitut der Weltgesundheitsorganisation Glyphosat für wahrscheinlich krebserregend hält.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Bedenken gegenüber Glyphosat sind allerdings – das kann man nicht oft genug betonen – kein neues Thema. Der Wirkstoff Glyphosat kam in Deutschland erstmals in den 1970er-Jahren mit dem Pflanzenschutzmittel Roundup auf den Markt. Derzeit sind im Ackerbau – auch hierauf sind die Kolleginnen und Kollegen schon eingegangen – rund 70 glyphosathaltige Pflanzenschutzmittel zugelassen, ein großer Teil dieser Pflanzenschutzmittel darf sogar auch im herkömmlichen Haus- und Kleingartenbereich eingesetzt werden.

Der Wirkstoff Glyphosat ist heute der weltweit am häufigsten verwendete Stoff bei Pflanzenschutzmitteln mit den eben schon angesprochenen wirtschaftlichen Interessen, die dabei im Hintergrund stehen.

Auf europäischer Ebene findet derzeit immer noch eine Neubewertung des Wirkstoffes als Grundlage für die weitere Zulassung statt. Die eigentliche Neubewertung hätte allerdings bereits zum Jahr 2012 abgeschlossen werden sollen. Der Abschluss des Verfahrens soll nun endlich Ende Dezember dieses Jahres – drei Jahre später – erfolgen.

In Medienberichten ist Glyphosat regelmäßig auch im Zusammenhang mit Monsanto ein Thema. Alle paar Wochen gibt es neue erschreckende Berichte, gerade auch in Bezug auf Auswirkungen auf die Menschen und die nachfolgenden Generationen, wenn Menschen mit Glyphosat in Kontakt gekommen sind und es über Nahrung oder auf andere Weise aufgenommen haben. Gerade die Berichte im amerikanischen Raum über Menschen im Zusammenhang mit Feldern, wo Glyphosat im großen Stil aufgebracht wird, sind bereits seit Längerem alarmierend.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie der Abg. Martina Feldmayer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN))

Schon im letzten Jahr habe ich daher die Ministerin mithilfe eines Berichtsantrags auf das Gefährdungspotenzial von

Glyphosat für den Menschen hingewiesen und hierbei auch um eine Einschätzung des Gefährdungspotenzials gebeten. Grund für den Berichtsantrag waren schon damals die Erkenntnisse einer durch „Öko-Test“ veröffentlichten Studie aus dem Jahr 2013, nach der bereits Rückstände des Pestizids in diversen Lebensmitteln, aber auch schon damals in menschlichem Urin festgestellt worden sind. Zudem kommen bereits im Jahr 2014 veröffentlichte Untersuchungen aus den USA zu erschreckenden Ergebnissen über Rückstände von Glyphosat in Muttermilch. Gerade zu diesem Punkt haben wir explizit im Ausschuss nachgefragt, diskutiert und Antworten bekommen.

Frau Ministerin Hinz hatte schon damals Gelegenheit, die Gefahren von Glyphosat ernst zu nehmen und schnell zu handeln.

(Timon Gremmels (SPD): So ist es!)

Stattdessen verwies sie lediglich auf die Schlussfolgerungen des Bundesinstituts für Risikobewertung und wollte zunächst weitere Untersuchungen über die gesundheitlichen Auswirkungen von Glyphosat abwarten. Bereits damals habe ich weitere Untersuchungen besonders zu Muttermilch, Blut und Urin angemahnt.

Mit großem Erstaunen habe ich nun diese seit dem 20. Juli dieses Jahres veröffentlichte Pressemitteilung seitens der Landtagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zur Kenntnis genommen, in der Sie sich über die plötzlichen neuen Erkenntnisse zu Glyphosat äußerst besorgt zeigen und gleichzeitig das schnelle Handeln der Ministerin loben. – Liebe Frau Kollegin Dorn, es wäre schön, wenn Ihre Fraktion von mir im Ausschuss vorgebrachte Themen früher aufnehmen würde.

(Beifall bei der SPD – Lachen der Abg. Martina Feldmayer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das meinen Sie aber nicht ernst, oder?)

Mir würden da noch andere einfallen.

Es ist erfreulich, dass Sie nun endlich zu der Einsicht gelangt sind, dass der Wirkstoff Glyphosat eine erhebliche gesundheitliche Bedrohung für den Menschen darstellt. Das stand bereits sehr lange fest.

(Zurufe der Abg. Martina Feldmayer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Gegenrufe von der SPD)

Zu schade, dass diese Erkenntnis und der damit verbundene Aktionismus so spät kommen. Frau Ministerin, diesen Schritt hätten Sie auch schon ein Jahr früher einleiten können, wenn nicht sogar müssen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN – Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Warum haben Sie denn nichts dazu vorgelegt?)

Danke schön. – Als Nächster spricht Kollege Lenders, FDP-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wenn es um die Gesundheit von Säuglingen, von Kindern, von Müttern geht, dann muss der Gesundheitsschutz die höchste Rolle

spielen, das ist ganz klar. Da darf man keine Kompromisse eingehen. Das sehen wir durchaus ebenso.

Es ist aber auch schon angesprochen worden – und ich darf sagen, dass ich mich der Vorrede von Frau Müller-Klepper vollumfänglich anschließen kann; diese Rede hätte ich hier in ähnlicher Form gehalten, weswegen ich auch auf viele andere Aspekte eingehe, sofern das in fünf Minuten überhaupt möglich ist –: Wenn man sagen würde, dass zwischen den Koalitionspartnern in dieser Frage kein Blatt passen würde, dann müsste man eher sagen, dass wohl ein ganzer Baum zwischen den Reden von Frau Müller-Klepper und der Kollegin der GRÜNEN Platz finden würde.

(Beifall bei der FDP)

Übrigens, sehr ausgewogen: Ich glaube, dass man eine Studie – wenn man sie denn so nennen kann –, von 16 stillenden Müttern die innerhalb der Bundestagsfraktion der GRÜNEN vorgenommen worden ist, zum Anlass nehmen kann, um weitere Studien in Auftrag zu geben. Aber viel mehr ist es dann auch nicht. Ansonsten glaube ich, dass man den Bundesbehörden dann auch so viel Vertrauen entgegenbringen kann, dass sie diese Erkenntnisse natürlich wissenschaftlich fundiert verwerten und bei der Frage, ob es auch weiterhin eine Zulassung für Glyphosat gibt, ganz klar in ihre Betrachtung mit hineinnehmen werden.

Es war einigermaßen oft die Rede davon, dass wir keine Panik verbreiten wollen. Aber genau das ist ein Stück weit passiert, zumal Frau Staatsministerin Hinz sofort nach dieser – ich sage mal – Untersuchung gehandelt hat. Das kann man im Rahmen der Gefahrenabwehrverordnung vielleicht nachvollziehen. Aber das bringt natürlich viele Menschen dazu, nachzudenken und ein erschreckendes Bild zu zeichnen. Eine differenzierte Betrachtung ist im Nachgang meistens nicht mehr möglich.

Dann muss man sich einmal fragen, was denn das bringt, was die Frau Staatsministerin hier gemacht hat. Wir reden davon, dass Glyphosat nicht mehr aufgetragen werden darf, vor allen Dingen im öffentlichen Bereich. Das ist es, worauf die Frau Staatsministerin einen Einfluss hat. Meine Damen und Herren, dann frage ich mich schon allen Ernstes, wie denn Glyphosat von öffentlichen Grünflächen in die Lebensmittelkette kommt. Wenn wir uns über irgendetwas unterhalten, dann tatsächlich über Forstwirtschaft und besonders über die Landwirtschaft.

Wenn Glyphosat ordnungsgemäß in der Landwirtschaft eingesetzt wird, dann hat die Pflanze nun einmal die Eigenschaft, es komplett zu verstoffwechseln. Es bleiben keinerlei Rückstände übrig. Es kann nur sein, dass der Einsatz von Glyphosat nicht ordnungsgemäß erfolgt ist – das allerdings müsste man dann kritisieren, dann müssten die Ordnungs- und Überwachungsbehörden entsprechend einschreiten.