Protokoll der Sitzung vom 23.07.2015

Da brauchen wir keine bundesgesetzlichen Änderungen, das können wir machen. Ich bin der festen Überzeugung, dass dabei viel Kreativität auf den Weg gebracht wird, dass Zusammenarbeit auf den Weg gebracht wird und Men

schen, die Schwierigkeiten haben – sonst wären sie nicht in der Situation – eine Hilfestellung gegeben werden kann.

Wenn die Modelle angelaufen sind und man einen Zeitraum hat, in dem eine Erfolgskontrolle oder eine Evaluation – wie es so schön heißt – vorgenommen werden kann, dann lassen Sie uns über Erfolg oder Misserfolg reden. Eigentlich hätte ich die Erwartungshaltung, so, wie es auch teilweise schon gemacht worden ist, zu sagen: Wir könnten uns auch etwas anderes vorstellen. Lassen wir es uns probieren und schauen dann, wie es ausgegangen ist. – Das ist jetzt noch zu früh, wenn wir es jetzt erst auf den Weg bringen. In einem Jahr sehen wir sehr viel weiter.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. – Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist die Aktuelle Stunde, Tagesordnungspunkt 70, abgehalten.

Der mit aufgerufene Tagesordnungspunkt 28, Antrag der SPD, Drucks. 19/1804, wird an den Sozial- und Integrationspolitischen Ausschuss überwiesen.

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 71:

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend eine Aktuelle Stunde (Glyphosat sogar in der Muttermilch! Hessen schützt wirksam die Verbrauche- rinnen und Verbraucher) – Drucks. 19/2236 –

Als Erste spricht Kollegin Feldmayer, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Frau Präsident, meine Damen und Herren! Glyphosat ist das weltweit meistverkaufte Pestizid. In Deutschland wurden 2011 über 5.000 t des Wirkstoffs Glyphosat abgesetzt, die Tendenz ist steigend.

Glyphosat ist ein Totalherbizid, das alle Wildkräuter außer der Nutzpflanze, die wachsen soll, abtötet. Weltweit wird es in der Kombination mit gentechnisch veränderten Pflanzen eingesetzt, die dagegen resistent gemacht worden sind. Diese Pflanzen gehen im Unterschied zu den Wildkräutern nicht kaputt, alles andere schon.

Unter dem großflächigen Einsatz leidet die biologische Vielfalt, auch darum ist Glyphosat in der Kritik. Die Firmen, die Glyphosat vermarkten, vermarkten gleichzeitig auch die gentechnisch veränderten Pflanzen. Sie haben damit also ein Geschäft gemacht, das sich doppelt auszahlt.

Glyphosat ist schon länger im Verdacht, gesundheitsschädlich zu sein. Eine Stichprobenanalyse unserer grünen Bundestagsfraktion hat Glyphosat in Muttermilch in allen Bundesländern nachgewiesen. Meine Damen und Herren, das ist besorgniserregend.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Weder Glyphosat noch ein anderes Pestizid hat im menschlichen Körper überhaupt etwas verloren. Ende März hat die Weltgesundheitsorganisation, WHO, Glyphosat als wahrscheinlich krebserregend eingestuft. Das Bun

desamt für Risikobewertung kam aber zu einem anderen Schluss.

Warum sind diese Bewertungen so wichtig? – Ende 2015 läuft die EU-Zulassung für Glyphosat aus. Deswegen ist es ganz wichtig, was bei diesen wissenschaftlichen Bewertungen durch die Institute herauskommt. Die Bewertung, die durch das Bundesamt für Risikoforschung vorgenommen wird, muss aber Unabhängigkeit und Objektivität gewährleisten. Sie darf nicht beeinflusst werden durch Unternehmen, die glyphosathaltige Mittel selbst produzieren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Dass das Bundesamt für Risikobewertung Leserbriefe von Mitarbeitern des Agrar- und Gentechnikkonzerns Monsanto, die Glyphosat selbst herstellen, als sonstige Quellen in die wissenschaftliche Bewertung von Glyphosat hat einfließen lassen, meine Damen und Herren, so etwas geht gar nicht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Wir wollen keine Panikmache betreiben. Damit ist niemandem genutzt. Wir fordern aber, dass gründlich, unabhängig und sorgfältig überprüft wird, ob die Zulassung für Glyphosat überhaupt verlängert werden kann. Gesundheitsschutz hat oberste Priorität und geht vor wirtschaftlichen Interessen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Ministerin Hinz hat für ihren Kompetenzbereich, das ist die Anwendung von Glyphosat im öffentlichen Raum, also nicht in der Landwirtschaft, schon Konsequenzen gezogen. Sie hat eine strikte Einschränkung zur Anwendung von Glyphosat im öffentlichen Raum erlassen. Das bedeutet also: kein Glyphosateinsatz mehr auf öffentlichen Spielplätzen, Sportanlagen und Friedhöfen. Es gibt nicht schädliche und sogar pestizidfreie Alternativen – wer hätte das gedacht? –, die gut eingesetzt werden können. Im Sinne derjenigen, die das Mittel anwenden müssen, kann man nur sagen: Gut, dass das Land Hessen jetzt Konsequenzen gezogen hat.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Ministerin Hinz hat bereits im Mai zusammen mit den anderen Ministerinnen und Ministern auf der Verbraucherschutzkonferenz ein Verbot von Glyphosat im verbrauchernahen Bereich gefordert. Meine Damen und Herren, damit ist der Spielraum für Hessen aber auch erschöpft und ausgereizt. Weitere Maßnahmen müssen vom Bund und von der EU ergriffen werden.

Wir GRÜNE wollen eine Landwirtschaft, die die Ernährung sichert, die aber nicht auf Kosten der Umwelt und der Gesundheit geht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Lebensmittel, die Glyphosatrückstände enthalten, haben auf dem Teller nichts zu suchen. Erst recht haben Glyphosatrückstände in der eigentlich gesunden Muttermilch für Babys überhaupt nichts zu suchen. Deswegen muss hier dringend nachgesteuert werden. – Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Danke schön. – Als Nächste spricht Kollegin Müller-Klepper, CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Verbraucherschutz hat für die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen einen hohen Stellenwert. Das spiegelt die Koalitionsvereinbarung und das spiegelt das Handeln, wie die Erhöhung der Mittel für den Verbraucherschutz um ein Drittel und die deutliche Ausweitung der Verbraucherberatung, wider.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Den Themen des Verbraucherschutzes, möglichen und tatsächlichen Gefährdungen und mit besonderer Priorität der Umsetzung des Vorsorgeprinzips wird eine hohe Aufmerksamkeit zuteil, um die Bürgerinnen und Bürger zu schützen. Dies zeigt diese Aktuelle Stunde.

Glyphosat in der Muttermilch – mit dieser Botschaft hat eine neue Studie Schlagzeilen gemacht. Glyphosat, der mengenmäßig bedeutendste Inhaltsstoff von Herbiziden, wurde in allen 16 untersuchten Muttermilchproben gefunden. Verständlich, dass dies Besorgnis hervorruft. Das sind Sorgen, die wir ernst nehmen. Deswegen ist Staatsministerin Hinz unmittelbar aktiv geworden, worauf ich noch zurückkomme.

Weil wir diese Sorgen ernst nehmen, fordern wir die zügige wissenschaftliche Bewertung dieser neuen Studie. Mit den Ergebnissen ist sorgfältig umzugehen. Die Untersuchungen müssen ausgeweitet werden, wie es die Umweltwissenschaftlerin Irene Witte zu Recht fordert. Wie sie anmerkt, können aus einer Studie mit 16 Proben keine endgültigen Schlüsse gezogen werden. Andere Wissenschaftler haben Zweifel an der verwendeten Methode geäußert, oder sie merken an, dass Rückstandsbefunde noch keine Risiken belegen.

Derzeit läuft, wie Kollegin Feldmayer ausgeführt hat, das Verfahren zur Verlängerung der Zulassung von Glyphosat, für das die EU zuständig und Deutschland der berichterstattende Mitgliedstaat ist. Bisher haben weder die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit noch das Bundesinstitut für Risikobewertung Ansatzpunkte für Einschränkungen oder ein Verbot gesehen. Die aktuelle Studie legt nahe: Es müssen weitere Daten in das laufende Verfahren einbezogen werden.

Die Entscheidung muss auf fundierter wissenschaftlicher Basis, aber auch auf der Grundlage der neuesten Erkenntnisse getroffen werden. Das allein ist der richtige Weg. Dazu gehört, dass die Studie Eingang findet, dass sie um amtliche Untersuchungen ergänzt und grundlegend wissenschaftlich bewertet wird, so, wie das Bundesinstitut für Risikobewertung bereits über 200 toxikologische Studien und zahlreiche weitere neue Dokumente, insgesamt mehr als 1.000, einer umfassenden gesundheitlichen Risikobewertung unterzogen hat. Es ist zu dem Schluss gekommen, dass Glyphosat allen Sicherheitsanforderungen der europäischen Richtlinie für Pflanzenschutzmittel entspricht.

Weitere Daten will auch die Internationale Agentur für Krebsforschung der WHO liefern, die Glyphosat neu als potenziell krebserzeugend eingestuft hat. Der Bundestag hat auf dieser Grundlage bereits beschlossen, eine Anhörung durchzuführen.

Die aktuelle Studie ist kein Anlass zur Panik, sie ist aber Anlass, um weitere Überprüfungen vorzunehmen, das Bewertungsverfahren zu erweitern und noch nicht abzuschließen. Auf Bundesebene ist dies bereits auf den Weg gebracht worden.

Die Studie war darüber hinaus Anlass, dass die Landesregierung verantwortungsbewusst ihren Handlungsspielraum genutzt hat. Staatsministerin Hinz hat konsequent und schnell gehandelt. Die Landesregierung gewährleistet durch konkrete Maßnahmen den vorsorgenden Verbraucherschutz.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Ministerin hat den Einsatz von Glyphosat auf öffentlichen Freiflächen untersagt und den Pflanzenschutzdienst des Landes verpflichtet, verstärkt über Alternativen wie thermische und mechanische Methoden zu informieren.

Auf Initiative Hessens hat sich die Verbraucherschutzministerkonferenz für ein vorläufiges Verbot der Glyphosatanwendung auf Flächen ausgesprochen, die nicht landoder forstwirtschaftlich genutzt werden, also durch Privatpersonen im Haus- und Kleingartenbereich. Dieser Ansatz ist richtig; denn Glyphosat gehört in fachkundige Hände, wie es bei den hessischen Landwirten der Fall ist. Sie verfügen über den Sachkundenachweis, die Ausbildung und eine geprüfte, kontrollierte Technik.

Meine Damen und Herren, wir drängen auf die abschließende Neubewertung auf EU-Ebene, damit wir zügig Klarheit über mögliche Risiken haben und hierauf aufbauend entsprechend politisch gehandelt werden kann. Darüber hinaus arbeiten wir mit Nachdruck daran, dass das übergeordnete Ziel konsequent umgesetzt wird, nämlich dass derartige Herbizide so wenig wie möglich verwendet werden.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Kollegin, kommen Sie bitte zum Schluss.

Noch ein Satz. – Denn unabhängig von der Frage möglicher gesundheitlicher Auswirkungen muss allein schon aus Gründen des Umwelt- und Artenschutzes, zum Schutz der Böden, des Wassers und der Artenvielfalt der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und Düngemitteln noch stärker, noch besser und noch schneller reduziert werden. – Ich danke, dass Sie mir zugehört haben.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. – Als Nächste spricht Kollegin Schott, DIE LINKE.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Der Unkrautvernichter Glyphosat ist in aller Munde, und das nicht nur im übertragenen Sinne.

(Zuruf von der CDU: Nein, ist nicht in aller Munde!)