Bei der Frage, welche Chancen eigentlich in dieser Situation stecken, wird gerne der Arbeitsmarkt angesprochen. Der Ministerpräsident hat es vorhin genannt. Er hat es nicht ganz so drastisch gesagt, wie es Frau Nahles aus meiner Sicht eigentlich gemeint hat. Wenn 90 % der Flüchtlinge über keine Qualifikation verfügen, heißt das, dass die Integration in den Arbeitsmarkt natürlich ein Kraftakt werden wird, weil es nicht automatisch geht, sondern weil dort viel passieren muss. Wenn es eben nicht nur die viel zitierten syrischen Ärzte sind, die nach Deutschland kommen, sondern viele Flüchtlinge nicht ein solches Qualifikationsniveau haben, dann ist es richtig, über die Frage zu diskutieren, wie wir schnellstens für einen Teil dieser Menschen eine Integration in den Arbeitsmarkt schaffen. Wir müssen aber auch klar überlegen, wie es eigentlich überhaupt zu erfüllen ist, eine solche Masse von Menschen in Deutschland zu integrieren.
Ich habe es gerade schon einmal erwähnt: Ich möchte nicht wieder in eine Situation geraten, in der wir eine Gastarbeitergeneration in Deutschland bekommen. Oder denken Sie an die Versäumnisse bei den Spätaussiedlern, bei denen sich die Bundesrepublik aus politischen Fehlern heraus geweigert hat, Integrationsarbeit zu leisten. Eine solche Fehlsituation darf sich in Deutschland nicht wiederholen.
Deshalb ist es nicht nur eine Aufgabe des Bundesinnenministers, sondern es ist auch eine Aufgabe des Bundeswirtschaftsministers, gemeinsam mit der Bundesarbeitsministe
Bei aller Liebe, meine sehr geehrten Damen und Herren – und das richtet sich auch an die Kollegen der Union –: Sperrfristen bei der Arbeitsaufnahme helfen auch denjenigen nicht, die Qualifikationen haben.
Integration findet nur dann statt, wenn wir den Menschen auch wirklich die Chance geben, selbst für ihren eigenen Lebensunterhalt zu sorgen. Das ist nur dann möglich, wenn sie letztlich arbeiten.
Was die VhU angekündigt hat – dass sie eine Initiative startet und mit gutem Beispiel vorangeht –, dass sich also hessische Unternehmen mit der Flüchtlingsproblematik auseinandersetzen und Angebote machen, diese Menschen in den Arbeitsmarkt zu integrieren, ist das Beste, was uns in dieser Frage passieren kann. Dann können die Unternehmen in Hessen aber auch erwarten, dass im Hessischen Landtag keine Sonntagsreden geführt werden, sondern dass die rechtlichen Voraussetzungen geschaffen werden, dass so etwas in Hessen auch endlich möglich ist. – Das ist es, was wir von Ihnen erwarten können.
Das sind die Situationen, die wir erleben: auf der einen Seite Chancen, auf der anderen Seite Herausforderungen. Ich will aber nicht verhehlen, dass es auch darum geht, Missstände nicht einfach unter den Tisch fallen zu lassen. Wir wissen, dass es auch zwischen den Flüchtlingen teilweise diskriminierende Situationen gibt und nicht immer eine einheitliche Meinung, sondern teilweise heftige Situationen. Wenn wir gemeinsam dafür sorgen wollen, denjenigen, die aus dieser schwierigen Situation politischen Honig saugen wollen, nicht Vorschub zu leisten, müssen wir alles für einen transparenten Umgang mit dieser Situation tun. Wir müssen klarmachen, für welche Werte diese Gesellschaft steht und dass eine Willkommenskultur nicht dazu einlädt, Straftaten in Deutschland zu begehen, dass dieser Rechtsstaat in dieser Frage keine Ausnahmen macht, sondern gesellschaftlich gefestigt ist und bei der Frage, wer Täter ist, nicht unterscheidet.
Deshalb – das ist unser Anliegen als Freie Demokraten – wollen wir bei dieser Frage Sorge dafür tragen, dass es in diesem System endlich eine Integrationspolitik gibt, die an den Wurzeln der Probleme ansetzt und nicht einfach wegschaut, wenn es darum geht, konkret zu werden.
Meine Damen und Herren, ich habe einmal – das habe ich in Ihrer Rede vermisst, Herr Ministerpräsident – die Initiativen der Freien Demokraten zum Thema Flüchtlinge mitgebracht. Es ist heute nicht zum ersten Mal, dass wir zu diesem wichtigen Thema reden, sondern die Freien Demokraten haben in diesem Landtag mit meiner Unterschrift am 25. März 2014 den ersten Antrag eingebracht: „Land muss Bürger und Kommunen bei Asylthema unterstützen – Integrationsbemühungen vor Ort fördern“. Am 14. April 2014 gab es den Antrag betreffend gemeinsame europäische Verantwortung leben – Zuständigkeiten für die Flüchtlingsaufnahme in Europa endlich gerecht regeln. 6. Mai: „unbegleitete minderjährige Flüchtlinge konzeptio
neller fördern“, 25. Juni: „Aufnahmeverfahren für syrische Flüchtlinge beschleunigen“. Dann gab es einen gemeinsamen Antrag von SPD und FDP zu Dublin III am 9. September, und am 16. September haben wir erneut einen Flüchtlingsgipfel gefordert, damit die Koordinationsaufgaben nicht nur im Bund – die nicht passiert sind – passieren, sondern auch endlich in Hessen.
Zum Thema Stil und Umgang, zu dem, was ich am Eingang der Legislaturperiode vom Ministerpräsidenten gehört habe und was uns teilweise auch vom Fraktionsvorsitzenden der Union und von den Kollegen der GRÜNEN vorgeworfen wurde, wir würden als Opposition so viel ablehnen. Ich hätte mich gefreut, diese Landesregierung hätte einmal die Kraft gehabt, bei klugen Vorschlägen der Opposition zu sagen: „Wir machen das“, statt das Ganze auszusitzen.
Herr Kollege Boddenberg, es geht nicht um Besserwisserei, sondern darum, dass wir es gesagt haben. Sie wissen es oder können es nachlesen: Anscheinend stand Ihnen Ihr Stolz bei der Frage im Weg, dass man einen klugen Vorschlag der Opposition einmal übernehmen könnte. Sie haben es nicht getan. Ich halte dies für einen Fehler. Ich glaube, Sie haben auch von vielen Initiativen in Hessen gehört, dass auch sie es für einen Fehler gehalten haben. Sie holen es jetzt hoffentlich an einigen Stellen nach. Es wäre dringend erforderlich, an dieser Stelle nachzubessern und nicht weiter solche Sachen auszusitzen.
Wir geben Ihnen in der heutigen Sitzung noch einmal die Chance, es besser zu machen als in der Vergangenheit. Die Freien Demokraten haben einen, wie ich glaube, sehr umfassenden Antrag gestellt, der sich mit der aktuellen Situation beschäftigt. Er besteht aus 14 Punkten, und diese 14 Punkte fassen aus meiner Sicht sehr viel von dem zusammen, was auch der Ministerpräsident heute gesagt hat. Aber es gibt einen konkreten Unterschied: dass wir an diesen Stellen konkret werden und nicht im Nebulösen bleiben.
Denn die Leute draußen können es nicht mehr hören, dass in Hessen oder auf Bundesebene über die Frage diskutiert wird, was man einmal machen müsste, von denjenigen, die in der Frage Verantwortung tragen, Herr Ministerpräsident.
Ich komme gerne zu unserem Antrag, der in dieser Frage sehr konkret ist. Das wichtigste Thema hebe ich mir zum Schluss auf. Neben der Frage der europäischen Verantwortung, neben der Frage einer Beschleunigung gerade bei den syrischen Antragstellern, wo wir wissen, dass der absolute Großteil Asyl bekommen wird – die könnten wir alle aus dem Verfahren nehmen –, zu der Frage der finanziellen Verantwortung durch den Bund, zu der Frage der Drehtüreffekte, was das BAMF aus meiner Sicht immer noch relativ mäßig macht bei der Frage, wie man damit umzugehen hat, zu der Frage der Arbeitsmarktintegration, der Job-Visa, wie sie von der Wirtschaft für diejenigen vorgeschlagen
Sie schütteln den Kopf und machen eine abschlägige Handbewegung. – Es mag auch in der Integrationsdebatte Leute geben, die sich mit dem Thema auskennen, nicht der CDU angehören und trotzdem recht haben. Auch das ist nicht unmöglich.
Herr Kollege Schäfer-Gümbel hat darauf hingewiesen, dass wir auch den Punkt 11 in unserem Antrag haben, dass nämlich die Schulpflicht für Flüchtlingskinder auszusetzen eine völlig abwegige und kontraproduktive Maßnahme ist,
wenn wir über Integration reden. – Es ist Ihre Landesregierung, Herr Ministerpräsident. Ich leite sie nicht. Der Kollege Lorz ist der Kultusminister. Diese Maßnahme zu forcieren ist Unsinn. Sie macht keinen Sinn.
Deshalb können Sie unserem Antrag an dieser Stelle zustimmen. Wir haben die Aufhebung der Wartefristen für Flüchtlinge zur Arbeitsaufnahme in diesem Antrag gefordert. Das können wir heute unproblematisch abstimmen. Wir können genauso bei der Lockerung der Wartefristen agieren, usw. usw.
Jetzt komme ich zu einem sehr konkreten Punkt, über den die Kollegen der CDU, bisher der Ministerpräsident, und der Kollege Wagner, Fraktionsvorsitzender der GRÜNEN, bisher kein Wort verloren haben. Das ist die Frage der sicheren Herkunftsländer.
Herr Kollege Boddenberg, aus Ihrer Partei höre ich ständig Sonntagsreden zu der Frage, was man einmal machen müsste.
Ich finde, es ist kein Quatsch. Ich höre diese Reden. Ich nehme sie wahr, und ich habe sie in vielen Zeitungsberichten heute dabei.
Insofern ist es kein Quatsch, sondern es geht darum, dass wir jetzt konkret handeln können. Wenn es um konkrete Fragen geht wie sichere Herkunftsländer – wir reden hier über Albanien, Montenegro und den Kosovo –, dann wird es auf die Stimmen Hessens im Bundesrat ankommen, ob es sichere Herkunftsländer gibt und die Frage endlich geklärt wird, dass wir dort keine aufwendigen Verfahren durchführen, oder ob es sie nicht gibt. Da haben Sie als Fraktionsvorsitzender eine immense Verantwortung.
Denn wenn das scheitert an den fünf Stimmen, die das Land Hessen hat, und an den sechs Stimmen, die das Land Baden-Württemberg hat, dann wird dieses Thema nicht durchgesetzt werden. Deshalb war ich verwundert – das will ich offen sagen –, dass vorhin bei einer Pressekonferenz, bei der der grüne Landesvorsitzende die Anträge zur Landesmitgliederversammlung am 26. September vorgestellt hat, auf die Frage eines Journalisten, wieso dieses Thema im Antrag zur Integration keine Rolle spielt, ob das
ein Thema wäre, zumal es auf Landesebene diskutiert werde, der Kollege Klose ungefähr mit den Worten zitiert wird: Sichere Herkunftsstaaten lösen kein Problem.
Kollege Wagner, das ist schön. Aber dann frage ich Sie: Wie wird sich das Land Hessen an dieser Stelle entscheiden? Wird die Union, weil die GRÜNEN sich bei dieser Frage nicht einigen können und Angst vor ihrem Landesparteitag haben, eine Frage, die für Deutschland entscheidend sein wird, auf dem Rücken der Menschen in unserem Land austragen, oder wie ist die Entscheidung in dieser Frage? Darauf hätte ich gerne eine konkrete Antwort.
Meine Damen und Herren von der Union, wir wissen, wie Sie heute reagieren würden, wenn Sie nicht in einer Koalition mit den GRÜNEN wären. Sie würden mit Schaum vor dem Mund die GRÜNEN beschimpfen und sagen, das sei alles unfassbar. Jetzt müssen Sie sich entscheiden, was dem Land Hessen wichtiger ist: die Machtfrage mit Schwarz-Grün oder die Lösung eines wirklichen Problems in der Integrations- und Zuwanderungspolitik. Das ist eine ganz einfache Frage, die Sie zum Schluss entscheiden werden. Aber, Herr Kollege Boddenberg, Sie haben die Möglichkeit, auf diese Frage gleich eine konkrete Antwort zu geben und nicht drum herumzureden. Denn die Menschen interessiert es sicherlich.
Kollege van Ooyen, das kann man unterschiedlich sehen. Aber ich lasse nicht durchgehen, dass ich von vielen CDUKollegen ständig höre, es sei ein Problem, und man müsse es lösen, aber zum Schluss im Bundesrat die Frage, ob der Antrag durchgeht, sehr stark davon abhängen wird, ob die hessischen Stimmen dafür sind oder nicht.