Kollege van Ooyen, das kann man unterschiedlich sehen. Aber ich lasse nicht durchgehen, dass ich von vielen CDUKollegen ständig höre, es sei ein Problem, und man müsse es lösen, aber zum Schluss im Bundesrat die Frage, ob der Antrag durchgeht, sehr stark davon abhängen wird, ob die hessischen Stimmen dafür sind oder nicht.
Ja, aber man muss sich nicht hinter anderen verstecken. In Thüringen regieren Sie zur Abwechslung einmal nicht, wie in anderen Ländern auch. Insofern konzentriere ich mich auf die Länder, wo Sie Verantwortung tragen. Das ist der Hessische Landtag.
Da haben Sie immense Verantwortung. Insofern wollen die Menschen in Hessen, glaube ich, wissen, wie die Union in dieser Frage steht. Sind Sie dafür, dieses Problem zu lösen, das ich auch für ein Problem halte, oder ist die Landesmitgliederversammlung der GRÜNEN am kommenden Wochenende wichtiger, und der Bundesrat spielt hier keine Rolle? Das ist eine ganz einfache Frage, um die es geht.
Dass Sie, Kollegin von den GRÜNEN, jetzt dazwischenrufen müssen, das ist mir klar. Aber ich habe keine Landesmitgliederversammlung am Wochenende.
(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Sie haben auch keine Regierung, der Sie angehören!)
Wenn Sie hier so felsenfest stehen, ist das völlig in Ordnung. Da können wir uns darauf verlassen, dass die CDU nicht umfällt. Aber es kann auch anders sein. Deshalb sollte man eine solche Regierungserklärung des Ministerpräsidenten an dieser Stelle nutzen, Klartext zu reden und nicht drum herumzureden.
Meine Damen und Herren, die Zahl der sicheren Herkunftsstaaten erweitern, Asylverfahren beschleunigen, gesteuerte Einwanderung mit einem Einwanderungsgesetz endlich klar regeln – auch ein Thema, das nur an der CDU in Deutschland scheitert – und Flüchtlinge integrieren, das sind die wichtigsten Punkte dieser Debatte.
Ich will zum Abschluss meines Beitrags sagen: Was nicht funktioniert, das ist, bei diesem herausfordernden Thema nur ein Problem zu beschreiben und keine Lösung anzubieten. Kollege Schäfer-Gümbel hat viel gesagt, was ich unterschreiben kann. Dass wir Mehrbedarf bei Lehrern haben, sollte eigentlich unstreitig sein. Integration fängt in der Schule an. Das können wir nicht mit dem vorhandenen Personal stemmen. Wenn wir diese zusätzlichen Aufgaben haben, werden wir auch in diesem Bereich investieren müssen. Auch in anderen Bereichen werden wir nicht um Investitionen herumkommen.
Insofern wird die Frage konkret sein: Was macht das Land Hessen? Bei vielem von dem, was Sie gesagt haben, bin ich wahrscheinlich dabei. Ich habe viel Richtiges gehört. Aber zum Schluss reicht es nicht aus, allgemein zu bleiben. Wir müssen jetzt konkret werden.
weil viele Menschen in Deutschland und in Hessen das Gefühl haben, dass die Politik keinen Plan hat.
Solche Reden und auch Zwischenrufe bestärken dieses Vorurteil, das zurzeit in Deutschland diskutiert wird, absolut. Denn zum Schluss erwecken allgemeine Aussagen den Eindruck, die Politik würde etwas verschleiern, die Politik habe keinen Plan, wie man etwas konkret umsetzen könne.
Wir werden konkret werden müssen, wir gemeinsam. Da kann sich keiner aus der Verantwortung stehlen. Aber das bedeutet eben auch, dass man z. B. bei einer solchen Frage wie der der sicheren Herkunftsländer hier heute einmal Tatsachen nennen muss. Man kann da nicht einfach sagen: Wir versuchen einmal, das irgendwie zu lösen. – Das ist für die Menschen im Land zu wenig.
Die Debatte ist noch nicht zu Ende. Ich habe immer noch die Hoffnung, dass wir heute hier mehr Erhellendes erfahren. Denn eines ist klar: Diese Herausforderung wird uns in den nächsten Monaten und Jahren massiv begleiten. Das wird sehr stark dafür verantwortlich sein, ob die europäische Idee, aber auch das friedliche Zusammenleben in einer liberalen und toleranten Gesellschaft in Deutschland gelingen wird. Das ist ein Kraftakt, den wir alle gemeinsam zu stemmen haben. Da muss jeder seiner Verantwortung nachkommen.
Herr Kollege Wagner hat das vorhin sehr schön gesagt: Jeder muss bei der Frage etwas geben. Ich glaube, da hat er recht. Ich glaube aber, die GRÜNEN wissen ganz genau, um was es heute geht, was sie beitragen könnten, um die Situation in Deutschland zu verbessern. Insofern hoffe ich, dass wir noch erhellende Botschaften von den Kollegen der Koalition bekommen. Die Menschen in Hessen haben ein Anrecht darauf, zu wissen, wohin die Reise geht. – Herzlichen Dank.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin zunächst einmal dafür dankbar, dass ich einigermaßen am Schluss reden darf. Denn ich will einige Punkte aufgreifen, insbesondere auch Dinge, die Kollege Rentsch eben angesprochen hat. Aber ich will auch auf das eine oder andere eingehen, das Kollege Schäfer-Gümbel hier vorgetragen hat.
Ich versuche, es so zu machen, dass ich nicht vieles von dem wiederhole, was unter anderem in der Regierungserklärung von Ministerpräsident Volker Bouffier gesagt wurde. Aber ich will durchaus noch einmal zwei oder drei Punkte ansprechen, von denen ich glaube, dass sie grundsätzlich in den nächsten Tagen, Wochen, Monaten oder vielleicht sogar Jahren sehr wichtig sein werden, was das Miteinander anbelangt.
Herr Kollege Rentsch, Sie haben sich zunächst einmal mit Aussagen der Bundeskanzlerin befasst. Das ist Ihr gutes Recht. Ich glaube, Sie haben auch kein Geheimnis offenbart, dass es, was die Frage der Äußerungen der Bundeskanzlerin am 5. September 2015 anbelangt, durchaus unterschiedliche Bewertungen innerhalb der Union gibt. Da ging es um die Tausende Menschen in Ungarn, die sich dort unter äußerst schwierigen, ich sage, menschenunwürdigen Verhältnissen in einer wirklich außergewöhnlichen Situation aufgehalten haben.
Ich habe eine andere Auffassung als Herr Seehofer. Ich habe mit meinem Zwischenruf, den ich zurücknehme, wenn er Sie sehr getroffen haben sollte – ich habe Florian Seehofer gerufen –, nur eines deutlich machen wollen: Ich glaube, dass in dieser Frage die Bemerkungen der Bundeskanzlerin zunächst einmal in der Sache völlig richtig waren. Denn ich kenne niemanden, der auf die Frage: „Was hättest du denn gesagt, wenn du Bundeskanzlerin oder Bundeskanzler gewesen wärst?“, mir eine kluge Antwort gegeben hat. Ich kenne niemanden, es sei denn, man hätte zu sehr martialischen Ideen gegriffen und hätte vorgeschlagen: Wir sperren die Autobahn, oder wir legen die Gleise aus Ungarn in Richtung Österreich lahm. – Irgendetwas in diese Richtung hätte ich dann schon konsequenterweise erwartet.
Aber das unter der Rubrik zu parken, das sei nun das Signal gewesen, das zu alldem geführt habe, ist mir ein bisschen zu kurz gesprungen. Gleichwohl will ich
durchaus sagen, dass auch ich der Bundeskanzlerin am Sonntag vor einer Woche gesagt habe – manche haben das in der Zeitung gelesen, denn in solchen Kreisen sitzt hin und wieder jemand, der meint, dass Journalisten alles wissen müssten, was man hinter verschlossenen Türen spricht –, dass ich glaube, dass es wichtig ist, dass auch andere Signale gesetzt werden. Das ist nämlich das Signal, dass wir in Deutschland in einer Situation sind, die es uns im Moment sehr schwierig macht, all das unter den Voraussetzungen zu bewältigen, die wir jedenfalls unter einem menschenwürdigen Umgehen mit denjenigen, die zu uns kommen, verstehen.
Insofern gibt es da keinen Streit. Aber ich sage aus meiner Wahrnehmung der Bundeskanzlerin, dass es da eine große Nachdenklichkeit genau auch in dieser Frage gibt. Wie ich finde, erfolgte von ihr nicht ganz zu Unrecht der Hinweis, dass die vielen Fotos, die Presseberichterstattungen und die sozialen Netzwerke ein Bild aus Deutschland transportieren, auf dem die Menschen mit Willkommensschildern am Bahnhof stehen.
Das leistet sicherlich auch einen Beitrag dazu, dass viele, die das in den betroffenen Regionen sehen, auf die Idee kommen, zu sagen: Ich sitze schon lange auf gepackten Koffern. – Dann kommt all das hinzu, was Herr SchäferGümbel zu Recht beklagt hat, nämlich dass sich dort die Mittelzuweisungen der Vereinten Nationen drastisch verringert haben. Spätestens das Bild aus dem Münchner Hauptbahnhof war dann der letzte Anreiz, zu sagen: Ich mache mich auf den Weg und suche mein Heil in der Flucht, und zwar mitten nach Europa, nach Deutschland.
Das kann man beklagen. Das kann man, so wie Sie es getan haben, dazu stilisieren, als sei das der Dollpunkt der letzten Monate und Jahre gewesen.
Ich bestreite das. Ich relativiere das zumindest. Ich glaube nach wie vor, dass das einen sehr menschlichen Zug, einen christdemokratischen Zug und zumal einen christlichen Zug hat, dass die Bundeskanzlerin in dieser Situation etwas gesagt hat, zu dem ich jedenfalls keinen alternativen Satz gefunden habe.
Herr Kollege Rentsch, ich will noch einen zweiten Punkt aufgreifen. Sie haben die Sperrfristen angesprochen. Sie haben die Unternehmerschaft angesprochen.
Wie Sie wissen, reklamiere ich weiterhin für mich, dass ich aus diesem Teil der Gesellschaft komme und nicht nur mit Unternehmern spreche, sondern selbst auch ein ganz kleiner, bescheidener Unternehmer bin. Trotzdem gestatte ich mir aber schon die Bemerkung in Richtung der Wirtschaft – übrigens auch in Richtung der VhU –, dass ich es gerne ein bisschen konkreter hätte. Die Aussage der Unternehmerverbände oder auch der Kammern: „Wir helfen bei dem Problem“, nämlich der unmittelbaren Versorgung vieler Flüchtlinge mit Arbeit, ist mir ein bisschen zu abstrakt.
Um es auf den Punkt zu bringen: Ich erwarte von denen, die das sagen, dass sie sehr konkret weitere Antworten geben, wie das nämlich links und rechts dieses einzelnen betroffenen Arbeitnehmers, den sie in ihr Unternehmen holen, aussehen soll. Da geht es z. B. um die Frage des Umgangs mit den Familienangehörigen. Da geht es z. B. um die Fragen der Integration, der Sprache und all diese Dinge.
Ich glaube, dass es dort viel an Kreativität und Engagement gibt. Aber im Moment ist mir das in der Formulierung noch ein bisschen zu dürftig. Deswegen habe ich beispielsweise in der letzten Woche die Kammern des Handwerks gebeten, doch einmal sehr konkret zu sagen, was sie anbieten. Sie sollen sagen, mit welchen Räumen an welchen Orten sie mit welchen konkreten Bildungsmaßnahmen operieren wollen, damit wir einen kleinen Teil dessen, was wir zu Recht diskutieren, nämlich den Zugang zur Arbeit, am Ende auch mit einer Lösung versehen.
Herr Kollege Rentsch, der letzte Punkt. Sie sprachen von dem Thema Sperrfristen. Wir können dieses Thema symptomatisch für viele Bereiche nehmen, die heute hier diskutiert wurden. Das sind Dinge, von denen auf den ersten Blick, bei oberflächlicher Betrachtung eigentlich jeder sagen würde: Ja, das sollten wir sofort machen. Warum machen wir das nicht schon längst? – Das betrifft beispielsweise Ihre Forderung: weg mit den Sperrfristen, damit die Leute sofort in Arbeit kommen.
Das ist aber nur der eine Teil. – Herr Kollege Rentsch, ich bitte um Nachsicht, dass ich Sie bei Ihrem Gespräch störe. Aber ich gehe auf das ein, was Sie mir und uns vorgeworfen haben.
Herr Kollege Rentsch, das ist nur der eine Teil. Denn, wie ich finde, nicht ganz zu Unrecht müssen wir angesichts der Dimension der Herausforderung, vor der wir stehen, doch immer mit bedenken, welche Wirkungen das in den Regionen hat, über die wir hier heute reden.
Ich will das noch einmal am Beispiel der Rückführung der Menschen verdeutlichen. Dazu hat Frau Wissler einiges gesagt, was ich absolut nicht teile. Ich komme immer mehr und immer wieder auf die Idee, dass Frau Wissler in einer völlig anderen Welt lebt, als ich das tue.
Denn Sie versuchen, bei dem Thema Rückführung immer nur die kalte Schulter und das kalte Gesicht des Kapitalismus zu skizzieren. Frau Wissler, ich sage Ihnen: Sie sollten einmal mit den Betroffenen beispielsweise aus Albanien über ihre jüngere Geschichte reden.
Die sagen Ihnen: Wir sind von vorne bis hinten von dem enttäuscht, was wir hier vorgefunden haben, denn wir wurden von vorne bis hinten von den Menschen belogen, die sagten: Fahrt alle dorthin. – Sie sind eine Vertreterin der Gruppen, die das immer wiederholen, die immer wieder sagen: Fahrt nach Deutschland, da wird euch geholfen. Ihr kriegt einen Job, ein Dach über dem Kopf und eine Gesundheitsversorgung. – All das gibt es auch.
Die Menschen, die beispielsweise aus Albanien kommen, erleben dann die Realität. Sie erleben eine Enttäuschung, die ich ihnen lieber ersparen möchte, indem wir ihnen von vorneherein sagen, dass sie keine Bleibeperspektive haben.