Protokoll der Sitzung vom 23.09.2015

Monitoring so auszulegen, wie das im „Hessenjäger“ gemacht wurde: „Das bedeutet, dass künftig private Naturschützer mitentscheiden werden, ob eine Bejagung von Feldhase oder Stockente erfolgen darf oder nicht“, das ist nicht beabsichtigt. Das ist nicht die Absicht der Regierungsfraktionen oder gar die Position von Frau Ministerin Hinz.

(Beifall bei der CDU)

Das ist Sache der Jägerschaft. Wir werden miteinander darauf achten, dass Selbstverantwortung und Eigenständigkeit der Jägerschaft geschützt werden und wir die richtigen Regelungen treffen.

Dazu gehört auch, dass wir aufpassen müssen, dass Gedanken Platz greifen, die wir nicht miteinander hegen, so wie

das an der einen oder anderen Stelle diskutiert wurde. Zum Beispiel die Frage: Was hat der Jäger für Möglichkeiten und für Aufgaben, was macht er, wenn er beispielsweise eine Raubwildbejagung betreibt, um Bodenbrüter und Kleintierwild zu schützen? Er sollte dafür keine besondere Rechtfertigung brauchen, sondern das sollte Sache des Jagdgesetzes sein.

Wir sollten jetzt die Ergebnisse der Anhörung abwarten, sie diskutieren und Vorschläge erarbeiten, die wir dann an Ministerin Hinz weitergeben. Ich rate uns allen, dafür zu sorgen, dass wir die Emotionen nicht zu sehr hochschwappen lassen, sondern dass wir sachlich, vernünftig und zum Wohl der Jäger, zum Wohl des Wildes, des Waldes und des Feldes arbeiten, so wie es im Jagdgesetz von 2011 steht – da erinnere ich mich an gemeinsame Diskussionen, auch mit der SPD, Herr Kollege Lotz –, dass ein faires Miteinander von Wald, Feld und Flur respektiert werden soll. Dazu wünsche ich uns viel Erfolg. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. – Für eine Kurzintervention hat Herr Kollege Lenders das Wort.

Herr Kollege Arnold, was Sie eben gesagt haben, es wäre nicht überraschend gewesen, stimmt nicht. Das, was wir im Januar an Kenntnis hatten, war vor allem das Prüfungsrecht. Dass die Jägerschaft bei der Koalition mit den GRÜNEN sensibilisiert war, kommt daher, weil sie die Erfahrungen aus den anderen Bundesländern vor Augen hatte. Jetzt den Jägern zu unterstellen, sie hätten schon vorab Informationen gehabt, es wäre alles nicht überraschend gewesen; und sie hätten sich vorher äußern können, das ist unredlich.

(Beifall bei der FDP)

Der komplette Entwurf ist erst im Sommer in die Anhörung gekommen. Herr Kollege Arnold, da muss man fragen dürfen: Warum dieser Termin im Sommer, wenn wir alle in die Ferien fahren? Warum auf dem Verordnungsweg und nicht über den Weg der Gesetze, bei dem wir eine breite Diskussion möglich gemacht hätten? Warum wollen Sie das auf dem Verordnungsweg wegnuscheln?

(Beifall bei der FDP)

Herr Kollege Arnold, was war eigentlich falsch an dem, was Ihre Handschrift trägt, was kaum ein paar Monate in Kraft war? Wo haben Sie sich eigentlich in den letzten Monaten geirrt, was Sie jetzt selbst korrigieren müssen? – Diese Antwort bleiben Sie schuldig.

(Beifall bei der FDP)

Es kann nur eine Antwort geben, und die haben Sie permanent in den Gesprächen mit der Jägerschaft und den Jagdgenossenschaften gegeben. Sie heißt: Wir haben jetzt eine Koalition mit den GRÜNEN.

Meine Damen und Herren, das darf niemals Grundlage politischen Handelns sein. Da kann es nur einen Satz geben: Hände weg vom Jagdrecht.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank. – Herr Kollege Arnold, wollen Sie erwidern?

(Dr. Walter Arnold (CDU): Nein!)

Dann spricht als Nächste Kollegin Schott, Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Eigentlich sollte es mir ein Vergnügen sein, eine Errungenschaft der Revolution von 1848 zu verteidigen. Diesen Job hat jetzt die FDP übernommen. Zumindest bei mir verursacht das Verwirrung. Bei mir hält es sich mit der Begeisterung, diese Errungenschaft zu verteidigen, erheblich in Grenzen.

Die Jagd wurde über Jahrtausende ständig weiterentwickelt und den jeweils gegebenen gesellschaftlichen Anforderungen angepasst. Heute gibt es zahlreiche Ansprüche einer Gesellschaft, die auf engstem Raum gleichzeitig erfüllt werden sollen: Wohnraum, Mobilität, Ernährung, Energie, Freizeitaktivitäten.

Unser moderner Lebensstil prägt auch das Vorkommen von Wildtieren. Ihr Lebensraum geht verloren. Straßen zerschneiden den übrig gebliebenen Wald, Tiere kommen auf den Straßen ums Leben, Freizeitaktivitäten verursachen immer mehr Störungen bei den Wildtieren. Wir haben schon einmal sehr lang über das Mountainbiking im Wald diskutiert. Es ist eine schwierige Abwägung all dieser vielen verschiedenen Interessen gegeneinander.

Auch für den Menschen kann das Vorkommen von Wildtieren Folgen haben. Rehe, Rothirsche und Wildschweine können auf Feldern und in Wäldern enorme Schäden verursachen, Menschen werden in Unfälle mit diesen Tieren verwickelt.

(Vizepräsident Frank Lortz übernimmt den Vorsitz.)

Bei einem ständig wachsenden Teil der Bevölkerung hat sich eine zunehmend kritische Haltung zur Jagd entwickelt. Diese kritische Haltung ist nicht immer von vertiefter Sachkenntnis geprägt. Dem gegenüber steht eine ebenso wenig homogene Jägerschaft, die einerseits aus engagierten Naturschützern und andererseits aus Menschen, die Spaß am Jagen hat – man muss es einmal sagen, die Spaß am Töten von Tieren haben –, besteht. Das muss man doch auch aussprechen dürfen.

(Beifall bei der LINKEN – Dr. Walter Arnold (CDU): Na, na, na!)

Zwischen diesen beiden Extremen gibt es die gesamte Bandbreite. Die einen verteidigen den Tierschutz, die anderen ihr Recht auf Jagd. Landwirte haben wiederum das Interesse, dass ihre Aussaat nicht einzig als Fütterung von Wildtieren, egal ob Schweinen oder Gänsen, dient. Das ist auch ein berechtigtes Interesse.

In der öffentlichen Diskussion stehen verwüstete Vorgärten, Friedhöfe und Fußballfelder den Jagdunfällen gegenüber. In einer modernen Gesellschaft, in der Tierschutz Verfassungsrecht ist, darf Jagd nicht Selbstzweck sein.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Jagd hat einen Ausgleich herbeizuführen zwischen all jenen Interessen, die ich oben aufgeführt habe. Deshalb ist es gut und richtig, dass nach der neuen Verordnung zur Be

obachtung des Bestandes und der Bestandsdichten einzelner Wildarten und ihrer Entwicklung einheitliche Monitoringverfahren bestimmt werden sollen. Das ist ein erster Schritt in die richtige Richtung.

In diese Verfahren sollten selbstverständlich auch Naturund Tierschutzorganisationen einbezogen werden. Die haben doch genauso viel Know-how, wie es auf der anderen Seite Jägerinnen und Jäger haben. Man muss es miteinander und nicht gegeneinander machen.

Es ist wichtig, zu erfahren, wie sich die Bejagung auf die Tierbestände der einzelnen Tierarten auswirkt. Danach muss man die Jagd auch ausrichten, ob und wo Bejagung sinnvoll und notwendig ist.

Die konventionelle Jagd sieht ihre heutige Funktion in der nachhaltigen Pflege und Hege des Waldes und einer naturnahen Nutzung des Waldbestandes für den Menschen. Außerdem reguliere die Jagd die Zahl des Wildes und leiste so ihren Beitrag zum Schutz des Waldes vor Verbiss. – Jagdgegner sehen dies als Heuchelei, da durch Zufütterung der Wildbestand extra hoch gehalten werde, um ein Argument für die Jagd parat zu haben. Die Jäger sagen, die Wildschweine müssten massiv bejagt werden; die Tierschützer sagen, je mehr Wildschweine abgeschossen werden, desto stärker würden sie sich vermehren. – So kommen wir doch mit der Diskussion nicht weiter.

(Zuruf des Abg. Kurt Wiegel (CDU))

Man muss doch die Menschen tatsächlich an einem Tisch zusammenbringen und schauen, dass die Naturschutzverbände und die Jagdverbände ihre Interessen so weit ausgleichen, dass wir dafür sorgen können, dass dort, wo Wild bejagt werden muss, es auch bejagt wird – und das dann bitte auch zu den richtigen Zeiten. Da muss man dann hin und wieder anpassen.

(Beifall bei der LINKEN)

Selbst die Jägerzeitschrift „Wild und Hund“ fragt, ob die Jäger überhaupt in der Lage sind, die Schwarzkittel dauerhaft zu regulieren. Man gibt auch gleich die Antwort:

Insgesamt haben jedoch alle Bemühungen der vergangenen Jahre keinen Erfolg gebracht. Die Sauen vermehren sich unaufhaltsam weiter.

Um diesen Konflikt zu entschärfen, brauchen wir eine gesellschaftliche Legitimation der Jagd, dass eben klar wird, an welchen Stellen sie gebraucht wird und an welchen Stellen es sinnvoll ist, sie zurückzufahren.

Wir wollen, dass die Jagd nur dort, wo sie wirklich notwendig und sinnvoll ist, in einem Maß, das im Interesse des Gemeinwohls steht, ausschließlich von gut ausgebildeten Jägern ausgeübt wird, dass nur die Tierarten bejagt werden dürfen, deren Bejagung in einer bestimmten Region nach ökologischen und wissenschaftlichen Kriterien notwendig ist – nicht als Hobby und zum Spaß; denn die Tiere sterben im Ernst.

(Beifall bei der LINKEN)

Das heißt aber auch, dass dort, wo es als notwendig erkannt wird – z. B. bei den Graugänsen –, das Beantragen und Erteilen einer Ausnahmegenehmigung nicht so lange dauern darf, bis das Feld abgefressen ist, wenn die Genehmigung erteilt ist. Dann brauchen wir keine Ausnahmeregelungen für solche Situationen – das muss dann ganz zügig gehen. Wenn an einer Stelle festgestellt wird, dass hier

eine Überpopulation ist und bejagt werden muss, dann müssen Ausnahmegenehmigungen wirklich schnell auf den Tisch und nicht vier Wochen später; dann braucht man sie nicht mehr.

Was die Liste der jagdbaren Arten angeht: Tierschützer fordern zu Recht eine strenge Einhaltung des Tierschutzgesetzes und damit, dass für das Töten eines Tieres ein vernünftiger Grund im Sinne des Tierschutzgesetzes belegt werden muss. Vernünftig ist ein Grund, der triftig und einsichtig sowie von einem schutzwürdigen Interesse getragen ist und unter den konkreten Umständen schwerer wiegt als das Interesse an der Unversehrtheit und am Wohlbefinden des Tieres.

Trotz Jagd sind Schalenwildbestände – Rehe, Hirsche, Wildschweine – vielerorts historisch hoch. Die Ursachen dafür müssen ebenso sachlich diskutiert werden wie die wildbiologisch begründeten Maßnahmen zur Lösung des Problems, das mit hohen Schäden für die Landwirtschaft und Forstwirtschaft einhergeht. Dabei kann eine Jagd nur ein Baustein einer vielfältigen Strategie sein.

(Anhaltende Unruhe – Glockenzeichen des Präsiden- ten)

Für DIE LINKE – das möchte ich an dieser Stelle noch einmal sagen; denn da habe ich Kritik und das geht mir nicht weit genug – ist es untragbar, dass die Fallenjagd weiter möglich sein soll; das verstehe ich nicht. Wenn man jetzt drangeht, hätte man auch das in Angriff nehmen sollen. Das lehnen wir ab, und ich denke, da muss man auch bei den Lebendfallen noch einmal schauen – auch die sind problematisch; wenn sie nicht oft genug überprüft werden, kommt es auch dort zu Verletzungen und Fehlfunktionen. Das bringt auch den geschützten Arten Stress.

(Kurt Wiegel (CDU): Noch nie einen Waschbären auf dem Dachboden gehabt? – Heiterkeit des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Ich habe es einfach mal überhört. – Wie gesagt: DIE LINKE will keine Jagd als elitäres Vergnügen betuchter älterer Herren, und ich persönlich würde an so etwas schon gar nicht teilnehmen. Ich möchte daher an dieser Stelle auch auf die schön gestaltete Einladung zur Gesellschaftsjagd unseres Ministerpräsidenten antworten: Nein, danke, ich komme ganz bestimmt nicht. Ich habe vorher nachgefragt: Auch Herrn Schaus brauchen Sie die Einladung nicht zukommen zu lassen, er wird sie nicht annehmen.