Protokoll der Sitzung vom 23.09.2015

Das ist alles in sich schlüssig aufgebaut, sehr solide und schafft deshalb für unsere Politikerinnen und Politiker – der Finanzbranche, hätte ich beinahe gesagt –, die sich mit dem Haushalt befassen, eher ein gewisses Problem bei der öffentlichen Wahrnehmung. Die hessische Finanzwirt

schaft unter Schwarz-Grün erfüllt nämlich in keiner Weise die Kriterien für gesteigertes Medieninteresse. Wir bieten in der Finanzwirtschaft nur ganz wenig Sex und gar keinen Crime, taugen also nicht für reißerische Berichterstattung.

(Torsten Warnecke (SPD): Sagen Sie doch einmal etwas!)

Ich finde es etwas schade, dass wir nicht in Zeiten leben, in denen eine von uns praktizierte und vorgeführte Good Governance auch publizistisch honoriert wird, aber gleichzeitig aus jeder Lapsus-Mücke ein Skandal-Elefant gemacht wird.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Der Haushalt verdiente, auch wenn er unspektakulär daherkommt, wirklich mehr an öffentlicher Wahrnehmung. Es ist eine spröde Materie. Aber die Anstrengungen der Politikerinnen und Politiker auf allen Ebenen, die es auf sich nehmen, sich damit zu befassen, auch mit den gravierenden neuen Problemlagen, von denen wir schon ausgiebig gesprochen haben, und die gemeinsam feststellen können, so wie es die Kanzlerin jüngst tat: „Wir schaffen das; denn wir sind gut aufgestellt und haben ein stabiles Fundament für unsere Arbeit“, sollte man wirklich mehr würdigen. Denn wenn hier nicht die Voraussetzungen geschaffen wären, solide Haushalte als Grundlage vorhanden wären, dann käme man mit Extremsituationen natürlich auch nicht zurecht.

Wir dürfen dabei auf keinen Fall vergessen, dass neben, vor und hinter der Politik, die hierfür die Entscheidungen zu treffen hat, überall ganz viele engagierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tätig sind, ohne die nichts von all dem zustande käme, was uns die Probleme bewältigen lässt, und denen ich deshalb auch heute anlässlich der ersten Lesung schon einmal einen großen und herzlichen Dank für ihre Mitwirkung aussprechen will.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Das gilt umso mehr, als in all den politischen Fragen die Arbeit eigentlich nimmer endet, sodass jedes Dankeschön für das Geleistete zugleich verbunden ist mit der Erwartung und dem Wunsch, auch mit Eifer weiterzumachen. Genauso ist es auch beim Haushaltsthema. Die nächsten Schritte sind für uns die kursorischen Lesungen in den Ministerien, Beratungen in den Fraktionen, in den Ausschüssen und dann noch zwei Runden Plenum. Das heißt, wir haben noch ausgiebig Beratungszeit und -aufwand, und wir haben da auch wieder ausgiebigen Bedarf an Zuarbeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, damit wir uns qualifiziert auseinandersetzen können.

Meine Damen und Herren, es war über Monate eine zentrale Debatte mit heftigen Auseinandersetzungen – ich meine die Neuordnung des Kommunalen Finanzausgleichs. Am 23. Juli wurde sie in dritter Lesung hier beschlossen, und seit dem 3. August steht sie im „Gesetzund Verordnungsblatt“. Dieser neue KFA steht jetzt erstmals auch im Haushaltsplan, genauer gesagt, im Einzelplan 17 in den Kapiteln 17 20 bis 17 42, ausgedruckt auf rund 200 Seiten. Das gibt also eine ausgiebige Lektüre, und das gibt mir den Anlass, mich auch jetzt noch einmal schwerpunktmäßig mit diesem Thema zu befassen.

Meine Damen und Herren, die erste Feststellung, die für die Kommunen wahrscheinlich die wichtigste ist, lautet: Die Finanzausgleichsleistungen nach dem Finanzausgleichsgesetz im Jahr 2016 sind insgesamt so groß wie noch nie. Sie betragen in Hessen im nächsten Jahr 4.367 Millionen €. Das ist absoluter Rekord, das hat es noch nie gegeben. Das bedeutet, dass im Durchschnitt pro Hessin und Hesse jedweden Alters rund 725 €, ganz genau 727,83 €, an die Kommunen ausgeschüttet werden.

(Norbert Schmitt (SPD): Ausgeschüttet?)

Verteilt. Wie wollen Sie das Verb nennen? – Das sind pro Person, pro hessische Bürgerin und hessischen Bürger, 43 € mehr als im laufenden Jahr 2015.

(Norbert Schmitt (SPD): Hoffentlich habt ihr nichts verschüttet!)

Selbst wenn die Rechenkenntnisse der zweiten Grundschulklasse vorhanden sind, reicht das aus, um festzustellen, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der SPD: Dies ist keine Kürzung, dies ist mehr Geld und insgesamt so viel, wie es noch nie war.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Norbert Schmitt (SPD): Im Vergleich zur Rechtslage 2010 ist das richtig!)

Ich meine, das könnten auch Sozialdemokraten durchaus verstehen und endlich ihre wahrheitswidrigen Behauptungen widerrufen,

(Norbert Schmitt (SPD): Wie bitte?)

das Land unter Schwarz-Grün kürze die Zuweisungen an die Kommunen. Spätestens jetzt wissen Sie es nämlich besser. Verehrter Kollege Schmitt, Sie sollten sich auch zu Herzen nehmen, was man bei Bertolt Brecht im „Leben des Galilei“ nachlesen kann.

(Norbert Schmitt (SPD): Auch du lieber Gott!)

Dort kann man feststellen: Nach den Worten von Brecht ist derjenige, der die Wahrheit nicht weiß, lediglich ein Dummkopf; derjenige aber, der sie weiß und sie eine Lüge nennt, ein Verbrecher. Das möchte, denke ich, niemand sein.

Nachdem die Grundlage, also das Gesamtvolumen des Kommunalen Finanzausgleichs, klar ist, schauen wir uns doch noch einmal einzelne wichtige Aspekte an. Die Anmerkungen beziehen sich auf den Einzelplan 17, den ich schon zitiert habe.

Wichtig ist, dass wir den Hochrechnungsfaktor für die angemessenen Gesamtdefizite auf empirische Daten und dabei zusätzlich auf eine breite Basis von 20 Jahren gründen, sodass kurzfristige Schwankungen eben nicht durchschlagen. Der ermittelte Hochrechnungsfaktor von 7,3 % für 2016 dürfte deshalb auch kaum umstritten sein, wie überhaupt nach der Verständigung zwischen dem Land und den Kommunalen Spitzenverbänden am 7. Juli keine durchgreifenden methodischen Differenzen in Sachen KFA mehr bestehen.

(Norbert Schmitt (SPD): Stimmt doch gar nicht!)

Es bestehen keine durchgreifenden methodischen Differenzen. Es besteht eine unterschiedliche Erwartungshaltung, wie viel Geld man denn gern hätte; das ist unstrittig.

(Norbert Schmitt (SPD): Nein, das Korridormodell wird massiv infrage gestellt! – Vizepräsidentin Ursula Hammann übernimmt den Vorsitz.)

Meine Damen und Herren, Ergebnis der jetzt im Haushaltsplan dargestellten Berechnungen ist jedenfalls – –

(Günter Schork (CDU), an Abg. Norbert Schmitt (SPD) gewandt: Das Modell selbst nicht! Die Setzungen werden infrage gestellt, aber nicht das Modell! – Gegenruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD) – Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Mach weiter, Frank!)

Ja, ich sollte nicht darauf eingehen, weil es keine Wahrnehmungsfrage ist, sondern eine Frage, wie es von den Kommunalen Spitzenverbänden öffentlich dargestellt worden ist. Lesen Sie doch einmal nach, was Dr. Dieter jüngst im „Jahrbuch für öffentliche Finanzen“ geschrieben hat – ganz aktuell kann man das alles nachlesen –, was methodisch korrekt ist und was nicht. Da gibt es überhaupt keinen Streit mehr.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Norbert Schmitt (SPD): Da steht aber auch drin, dass Sie 300 Millionen € gekürzt haben!)

Sie ärgern sich darüber, Kollege Schmitt, das mag ja sein. Aber deswegen wird das nicht richtiger, was Sie behaupten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Meine Damen und Herren, Ergebnis der jetzt im Haushaltsplan dargestellten Berechnungen ist jedenfalls, dass im Durchschnitt aller Kommunen rund ein Drittel des Bedarfs an allgemeinen Deckungsmitteln ihnen vom Land zugewiesen wird, das sie also im Umkehrschluss aus eigenen Entscheidungen heraus zwei Drittel gestalten können. Auch daran zeigt sich die Bedeutung der kommunalen Selbstverwaltung als Selbstverantwortung, und es zeigt sich unserer Meinung nach auch, dass es der Selbstständigkeit der Kommunen kaum weiterhelfen könnte, wenn sie immer stärker auf den Tropf des Landes angewiesen wären. Insoweit geht es auch darum, die Selbstverantwortung und Selbstentscheidungsfähigkeit der Kommunen zu stärken.

Meine Damen und Herren, die Gestaltungsfreiheit sucht natürlich, das ist völlig klar, auch eine Risikobegrenzung. Das gilt allemal auch für die Kommunen. Der neue Kommunale Finanzausgleich wirkt allein schon durch die Vorgaben des Staatsgerichtshofs, die aus unserer Verfassung abgeleitet sind und im Gesetz auch ausformuliert sind, als Versicherung vor allem gegen finanzielle Einbrüche, sowohl generell für alle als auch speziell für einzelne Kommunen. Konjunkturelle Einbrüche mit der Folge gleichzeitig zurückgehender Steuereinnahmen und steigenden Sozialaufwands sind nunmehr – das sollten wir nicht vergessen – das exklusive Risiko des Landes.

Durch den Kommunalen Finanzausgleich wird die Garantiesumme des Festansatzes für 2016 auf rund 3,1 Milliarden € festgelegt. Damit übersteigt sie im Vergleich des vergangenen Jahrzehnts mehrmals, genauer gesagt, dreimal die tatsächlichen Zuwendungen in Summe im KFA an die Kommunen. Sie merken, dass das schon eine Bedeutung hat und dass diese Risikoabsicherung keineswegs ohne Wert ist, sondern ein ziemlicher Wert für die Kommunen –

und insoweit für uns als Land ein erheblicher Auftrag, der auch belasten kann.

Deswegen fühle ich mich als Haushaltspolitiker auf Landesebene in dieser Situation nicht nur uneingeschränkt wohl; das gestehe ich Ihnen gerne. Denn durch den neuen KFA wird das Risiko eindeutig zulasten des Landes verschoben. Definierte das alte Finanzausgleichsgesetz eine Schicksalsgemeinschaft von Land und Kommunen, so haben wir es jetzt in der Tat mit einer Art Versicherungsvertrag mit den Kommunen als Kunden zu tun. Deshalb müssen wir als Land auch Vorsorge für den Fall treffen, dass der Versicherungsfall eintritt.

Insgesamt aber werden wir uns mit diesem Vertrag und mit diesem Haushalt mit guter Kundenorientierung zeigen. Denn die Probleme der hessischen Städte, Gemeinden und Kreise lassen natürlich das Land in seinem Verantwortungsbereich nicht unbeteiligt.

Meine Damen und Herren, genau deshalb nutze ich heute auch die Gelegenheit – morgen, wenn das Gesetz eingebracht wird, haben wir sie noch ausführlicher –, hier schon einmal den Zusammenhang der Maßnahmen der finanziellen Förderung der hessischen Kommunen durch das Land, wenn Sie so wollen, das finanzwirtschaftliche Design, kurz zu beschreiben.

Insgesamt stellt es sich als Maßnahmen-Triple dar, erstens für die Kommunen bestehend aus Abbau der Schuldenlast und Sicherstellung der Finanzkraft, zweitens das Finanzausgleichsgesetz, drittens die Erweiterung der Investitionsmöglichkeiten mit dem vorgesehenen Kommunalinvestitionsprogramm, das wir morgen in erster Lesung beraten werden.

Die hessischen Kommunen hatten im bundesweiten Vergleich sowohl die höchste Verschuldung als auch die höchsten Steuereinnahmen – eine Parallelität, über die man in der Tat noch vertieft diskutieren könnte. Jedenfalls schränkte die Situation die Handlungsfähigkeit bei vielen deutlich ein, sodass als erste Maßnahme diese Handlungsfähigkeit verbessert werden musste. Mit dem kommunalen Schutzschirmgesetz, welches, neudeutsch ausgedrückt, mit einer Kombination von Push- und Pull-Maßnahmen an die Kommunen herantrat, wurde dies 2012 umgesetzt.

Wir GRÜNE, ich sage es offen, waren damals skeptisch, konnten aber trotz Oppositionsstatus einige Verbesserungen anregen und am Ende so mit bewirken und das Gesetz keineswegs ablehnen. Aus heutiger Sicht lässt sich feststellen, dass sich der Kommunale Schutzschirm zum wirksamen Mittel zur Förderung der Entschuldung kommunaler Haushalte entwickelt hat und viele Kommunen auf den richtigen Weg in Richtung ausgeglichener Haushalte gebracht hat.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Dabei muss man sich darüber im Klaren sein, dass der Schutzschirm im Wesentlichen hilft, die Vergangenheit zu bewältigen, und damit nur mittelbar die finanzwirtschaftliche Gegenwart verschönert. Diese blüht nun aber durch die Neuordnung des Kommunalen Finanzausgleichs deutlich auf.

(Lachen bei der SPD – Norbert Schmitt (SPD): Kaufmann verspricht blühende Landschaften!)

Das können Sie dem Haushaltsplan 2016 präzise entnehmen. – Ich habe es Ihnen gerade erläutert.

Geradezu zum Dreiklang ergänzt wird die finanzielle Beziehung zwischen Land und Kommunen durch das Kommunalinvestitionsprogramm, welches wir als Koalitionsfraktionen morgen in Form des Investitionsprogrammgesetzes einbringen werden. Die Drucks. 19/2417 kennen Sie ja bereits.

Meine Damen und Herren, wenn man sich diese Politik des Landes gegenüber seinen Kommunen einmal ganz unaufgeregt anschaut, eine Politik übrigens, die über den letzten Regierungswechsel hinaus durchaus eine gewissen Kontinuität aufweist

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Ah, das wussten wir nicht!)

das bestreite ich gar nicht; in dieser Frage ja, nämlich wie man den Kommunen helfen kann –, warum fallen der Opposition dann so merkwürdige Kommentare dazu ein, wie wir sie jüngst lesen mussten, nämlich „Kommunalpolitik nach Gutsherrenart“, „Vergiftetes Geschenk“ und Ähnliches?

(Norbert Schmitt (SPD): So ist es!)