Verehrte Kollegen Schmitt und Dr. Hahn – Ihre Presseerklärungen habe ich vernommen –, wie wäre es, wenn Sie in der finanzpolitischen Debatte lieber Ihre Intelligenz bemühen statt die schon arg verrostete Phrasendreschmaschine?
Wäre es nicht besser, sich erst zu informieren und dann zu kommentieren? Aber wir haben noch bis morgen Zeit. Vielleicht wird das alles noch ganz toll, und wir haben morgen eine qualitativ hochwertige Debatte zu dem Thema, wie wir den hessischen Kommunen gemeinsam gut helfen, und müssen uns nicht wieder in kleinkarierte Mäkelei verfangen.
(Norbert Schmitt (SPD): Jumbo im Tiefflug, kann ich da nur sagen! – Stephan Grüger (SPD): Bzw. in noch kleinkariertere Pöbeleien!)
Meine Damen und Herren, jenseits der Kommunalfinanzen – diesmal sind sie wirklich die herausragenden Elemente des Haushalts, der sich noch in größter Dynamik befindet, wie die Frage der Flüchtlingsbetreuung und ihre finanziellen Folgen – gäbe es noch viele weitere Aspekte im Haushalt zu betrachten, die in der Tat Gefahr laufen, vergessen zu werden. Ich will wenigsten die Beispiele markieren. Der Kollege Schmitt hat schon angedeutet, dass wir in der zweiten Lesung zu den Einzelplänen breiten Raum haben, dies fachbezogen zu erörtern.
Natürlich muss ich, will ich und werde ich an vorderer Stelle das Sozialbudget im Einzelplan 08 erwähnen, mehr als 70 Millionen €. Ich will aber nicht vergessen, auch kleinere Maßnahmen sind wichtig, z. B. der Ausbau der Antidiskriminierungsstelle.
An diesen kleinen oder auch großen Punkten, wenn Sie so wollen, Big Points, merken Sie, verehrter Herr Kollege Schmitt, dass Ihre Eingangsbehauptung, es habe sich nichts geändert, entweder eine getrübte Brille, eine vorgefasste, sozusagen eingeschworene Meinung oder keine Ahnung zur Begründung hat; auf jeden Fall stimmt sie mit den Fakten nicht überein.
Meine Damen und Herren, in der Bildungspolitik – das haben wir heute schon mehrfach in verschiedenen Zusammenhängen gehört – wird im kommenden Jahr die Vereinbarung umgesetzt, die demografische Dividende im Schulsystem zu lassen. Ich muss das jetzt nicht vertiefen; darüber haben wir schon zwei Runden in Ausführlichkeit gedreht.
Was den Energiebereich angeht: Die Aufwendungen für die Energiewende wachsen auf fast 36 Millionen €. Es geht nicht nur um die Produktion erneuerbarer Energien, sondern es geht insbesondere auch um die Förderung der Einsparung von Energie.
Der Straßenbauetat ist natürlich ein Thema, das jede Rednerin, wenn wir denn solche hier hätten, und jeder Redner hier erwähnen muss. Natürlich ist das, was Sie bisher vorgetragen haben, nicht richtig. Sanierung und Erhalt der Landesstraßen haben bei uns Priorität. Aber ich habe es ganz zu Anfang gesagt, Stichwort: Verlässlichkeit. Verehrter Kollege Schmitt, nur als Hinweis: Diejenigen Verpflichtungen, die das Land gegenüber den Kommunen vertraglich eingegangen ist, mit dem interessanten Namen KIM 1 und 2, müssen abfinanziert werden.
Ich könnte auf die Idee kommen, zu sagen: „Da habt ihr Pech gehabt“. Das ist aber nicht unsere Politik, sondern Verlässlichkeit steht am Anfang. Demzufolge sind alle Vorrechnereien, das Dankeschön an Herrn Lenders usw. dummes Zeug, wenn man das nicht vorher abzieht und fragt: Wie sieht es dann aus?
Dass dies über die Zeitabläufe von den Verträgen her unterschiedliche Quoten ergibt, sollte auch Ihnen klar sein.
Übrigens, für alle Freunde, die in Berlin mitregieren, noch einmal der Hinweis: Wenn der Bund uns die tatsächlichen Planungskosten für seine Maßnahmen in Hessen erstatten würde, hätten wir deutlich mehr für die Straßensanierung; da geht es immerhin um 40 Millionen € jährlich. Das Stichwort Brückensanierung kennen Sie auch.
Meine Damen und Herren, nicht nur in den genannten, sondern auch in anderen Bereichen arbeiten die Landesregierung und die Koalition das gemeinsame Programm ab. Da wir unsere Politik sorgfältig geplant und in der Koalition präzise verhandelt haben, kommt jetzt nicht so viel Spektakuläres neu hinzu. Das mag man bedauern; unter dem Öffentlichkeitsaspekt habe ich das schon getan. Aber man sollte umgekehrt auch nicht vergessen, welch hervorragende Entwicklungen von der Koalition angestoßen und vorangebracht werden. Da gibt es eine Vielfalt von Stichworten, die von der SPD auch wieder miesgemacht wird. Ich nenne auch wenige Beispiele: die Biodiversitätsstrategie im Umweltbereich oder auch die Stichworte LOEWE und Hochschulpakt im Hochschulbereich.
Zeigen Sie mir einmal ein anderes Bundesland, insbesondere da, wo die Sozialdemokratie Mitverantwortung trägt, das im Hochschulbereich mehr tut als wir. Das würde ich gerne wissen. Dann könnte man darüber streiten, was noch zu verbessern ist.
Meine Damen und Herren, dies alles bringt aber keine ernst zu nehmende Kritik der Opposition, denn sie nennt keine bessere Alternative, sondern immer nur das, was ihr nicht passt.
Gehen Sie doch einmal einen Schritt weiter, und sagen Sie, wie Sie es gern hätten. Es ist nicht alternativlos. Nichts in der Politik ist alternativlos;
es sei denn, wir haben eine Opposition, die nicht in der Lage ist, eine Alternative zu formulieren. Das ist das Problem.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU – Horst Klee (CDU): Das ist schon besser!)
Deshalb wünsche ich mir eine streitfähigere Opposition mit Argumenten und Ideen. Davon hätten nämlich alle etwas. Im letzten Jahr habe ich an dieser Stelle schon Ähnliches geäußert und angekündigt, dass wir ebenso geduldig wie selbstbewusst auf Ihre formulierten Alternativen zu unserer Politik warten: Eine Ansage, was man besser machen könnte, hätten wir gerne.
Heute muss ich feststellen: Unser Warten war vergebens. Es kommt mir ein bisschen so vor, als ob sich die Opposition in diesem Landtag ihre alternativen Politikkonzepte für Hessen von Godot liefern lässt.
Meine Damen und Herren, darüber wundern wir uns lieber nicht, sondern handeln, indem wir auch im dritten Jahr in Hessen verlässlich gestalten und Perspektiven eröffnen. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Kaufmann. – Als nächster Redner spricht nun Kollege Willi van Ooyen von der Fraktion DIE LINKE. Bitte schön, Herr Kollege, Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wie in jedem Jahr beraten wir den Landeshaushalt. Selten jedoch war das vorgelegte Dokument so unklar wie der jetzt vorliegende Entwurf, den wir heute in der ersten Lesung behandeln.
Dies hat der Finanzminister auch schon mehr oder weniger zugestanden – dass wir hier eine sehr variable Größe eines Haushalts debattieren.
Bereits vor der Beratung dieses Landeshaushalts hat uns der Minister mitgeteilt, dass die Annahmen, die diesem Entwurf zugrunde liegen, hinfällig sind. Der Grund dafür ist das, was in diesen Tagen schon von vielen wahrgenommen wird, nämlich die große Zahl der Menschen, die zu uns kommen, weil sie vor Krieg, Not und Elend fliehen und natürlich auch bei uns in Hessen Schutz suchen.
Ich denke, wir sind uns alle einig, dass man Menschen, die auf der Flucht sind, den Schutz gewähren muss, den sie brauchen – gerade dann, wenn wir in Hessen dieses Jahr unter dem Motto „Grenzen überwinden“ heftig feiern wollen. Das bedeutet für die Menschen, die zu uns kommen, dass sie hier hoffentlich in Freiheit und sicher vor Armut, Krieg und Hunger leben können. Für uns sollte das bedeuten, dass wir bereit sind, einen Landeshaushalt so aufzustellen, dass die Unterbringung dieser Menschen, ihre Versorgung und ihre Integration gelingen können.
Konkret wissen wir aber noch gar nicht, wie viele Menschen in diesem Jahr und in den kommenden Jahren noch zu uns kommen werden. Als realistisch schätzt die Landesregierung die Zahlen von 450.000 bis zu einer Million Menschen, die jedes Jahr nach Deutschland kommen können. Dementsprechend ist auch der Aufwand, der damit verbunden ist, nur schwer zu prognostizieren. Klar ist aber, wie gesagt, dass die einst zustande gekommenen Annahmen, die dem Haushaltsentwurf zugrunde liegen, sehr wahrscheinlich nicht zutreffen werden.
Allein im nächsten Jahr entsteht für den hessischen Haushalt eine Summe zwischen 150 und 250 Millionen €, die noch nicht gedeckt ist. Das sind die Berechnungen des hessischen Finanzministeriums, und ich nehme an, der tatsächliche Bedarf in den Kommunen ist noch deutlich höher.
In den letzten Tagen haben die hessischen Kommunen nochmals deutlich gemacht, dass die Pauschalen, die sie vom Land für die Unterbringung von Flüchtlingen erhalten, nicht ausreichen und deshalb eine Verdoppelung notwendig sein dürfte, damit die Kommunen diese Aufgaben einigermaßen gut erfüllen können.
Wie hoch die Summen sind, die hier tatsächlich notwendig werden, wird man sicher noch im Laufe der Beratungen sehen – wir haben uns die Zeit bis Dezember gegeben. Im Laufe dieser Beratungen wird man sich auch nochmals ansehen müssen, ob beispielsweise die Beteiligung des Bundes an diesen Kosten ausreichen wird. Falls aber der Bund nicht dazu zu bewegen sein wird, deutlich mehr Geld zur Verfügung zu stellen als bisher, wird sich letztendlich auch die Frage stellen, wie wir mit der Schuldenbremse umgehen.
Wenn wir annehmen, dass alles so bleibt und der Bund keine zusätzlichen Mittel bereitstellt, dann wird der Landeshaushalt den Abbaupfad für die Schuldenbremse nicht einhalten können. Jedenfalls zeigt der Haushaltsentwurf keine großen Spielräume mehr auf. Zum einen dürften die Rücklagen die zusätzlichen Kosten nur teilweise abfedern können, und zum anderen sieht die Landesregierung selbst unter optimistischen Annahmen noch deutlichen Handlungsbedarf in der mittelfristigen Finanzplanung.
Wenn also der Bund keine zusätzlichen Mittel bereitstellt, heißt das für uns, dass wir darüber entscheiden müssen, ob das Land von der Schuldenbremse abweichen darf. Ich sage Ihnen sehr deutlich: Für mich geht Menschenrecht vor Schuldenbremse. Es gilt eben nicht nur die Schuldenbremse, es gilt auch Art. 7 Satz 2 der Hessischen Verfassung. Er heißt – ich zitiere –:
Fremde genießen den Schutz vor Auslieferung und Ausweisung, wenn sie unter Verletzung der in dieser Verfassung niedergelegten Grundrechte im Ausland verfolgt werden und nach Hessen geflohen sind.
Ich denke, die Situation, in der wir uns momentan befinden, entspricht auch dem, was im Sinne des Art. 141 Abs. 4 ein Abweichen von der Schuldenbremse zulässt, nämlich die „außergewöhnlichen Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen“. Dann ist ein solches Vorgehen notwendig.
Ich meine, wir sind eindeutig nicht in einer solchen Situation, allein als Land Hessen die Voraussetzungen zu schaffen, die notwendig sind, um den Menschen, statt zu uns zu kommen, eine Perspektive zu geben, wie sie ein Leben in Würde und Sicherheit in ihren Heimatländern führen könnten.
Nichtsdestoweniger ist die Bundesregierung gefordert, ihren Beitrag dazu zu leisten, die Ursachen von Krieg und Not – ob in Syrien oder in den Staaten des westlichen Balkans – zu bekämpfen. Soldaten und Waffen werden diese Probleme nicht lösen können.
Wir in Hessen haben zweifelsohne eine Verantwortung, der wir uns stellen müssen, und wir können sicher auch dazu beitragen. Die aktuelle Situation kann aber nicht das Land Hessen lösen. Gefordert sind in diesem Zusammenhang die Bundesregierung und die internationalen Organisationen.