Es ist eine Verantwortung der Molkereien, seriöse Preise zu zahlen und faire Handelsbeziehungen mit den Landwirten einzugehen. Es ist jedoch auch die Verantwortung von Verbraucherinnen und Verbrauchern, für gute und wertvolle Erzeugnisse einen guten Preis zu zahlen. Hinter jedem Liter Milch stehen nicht nur Kühe, sondern dahinter stehen auch Familien, die ernährt werden wollen. Deswegen ist es so wichtig, dass man für Milcherzeugnisse auch einen guten Preis zahlt.
Wie Sie wissen, ist die Problematik nicht auf Hessen beschränkt. Deshalb haben wir sehr frühzeitig über den Bund bis hin zur EU versucht, an neuen Regelungen mitzuwirken, die im Hinblick auf das Auslaufen der Milchquote aus unserer Sicht notwendig waren. Leider hat die EU-Kommission im Hinblick auf das Auslaufen der Milchquote nichts getan. Stattdessen hat sie abgewartet. So wurden bei den Krisengesprächen auf der EU-Ebene bisher keine greifbaren Ergebnisse erzielt.
Es gibt 69 Millionen € für Deutschland, sowohl für Milchbauern als auch für Schweinehalter; diese müssen sich das Geld teilen. Das Geld wird voraussichtlich für Kredit- und Bürgschaftsprogramme genutzt. Es sind keine strukturellen Veränderungen absehbar, die mittelfristig greifen können. Das kritisieren wir, und zwar unisono: alle Landwirtschaftsministerinnen und alle Landwirtschaftsminister der deutschen Bundesländer.
Es sind Vorschläge vonseiten der Länder eingebracht worden. Entscheidungen werden voraussichtlich erst bei der Agrarministerkonferenz fallen.
Ich sage Ihnen ganz deutlich, wir werden uns von Hessen aus – ich habe den Vorsitz der Agrarministerkonferenz inne – mit einem Leitantrag dafür einsetzen, dass der Bund tätig wird, vor allen Dingen auch auf der europäischen Ebene, und für die Weiterentwicklung der vorhandenen Kriseninstrumente eintritt. Wir haben von Hessen aus zusammen mit anderen Landschaftsministerien, die ebenfalls grün geführt sind, schon im Frühjahr eine entsprechende Studie in Auftrag gegeben. Im Frühsommer haben wir sie vorgestellt. Auf dieser Grundlage wird der Beschlussvorschlag erarbeitet.
Herr Lotz, Sie sagen, das Ministerium würde sich nicht positionieren. Es tut mir leid, dass es die SPD-Landwirtschaftsminister nicht geschafft haben, sich frühzeitig auf
den Weg zu machen und sich zu überlegen: Wie reagieren wir auf mögliche neue Milchkrisen? Das tut mir herzlich leid. Wir haben uns positioniert. Da Sie nicht Mitglied des Milchtisches sind, weiß ich nicht, woher Sie Ihre Informationen haben. Authentisch sind sie jedenfalls nicht; denn mein Ministerium hat ganz klare Positionen, und die kann ich Ihnen gleich noch einmal beschreiben.
Wir wollen eine Verbesserung der Bedingungen für die staatliche und private Einlagerung von Milchprodukten. Wir wollen eine Weiterentwicklung der Marktbeobachtungsstelle zu einem echten Frühwarnsystem, eine Überprüfung der Lieferbeziehungen zwischen Erzeugern und Molkereien – hier müssen die Milcherzeuger gestärkt werden – und die Entwicklung weiter gehender Maßnahmen, mit denen eine Verringerung des Milchangebots erreicht werden kann. Hierzu müssen Vereinbarungen mit Molkereien und dem Lebensmittelhandel getroffen werden.
Das soll keine staatliche Regulierung sein. Wir brauchen nicht die Einführung einer neuen Milchquote. Die will auch keiner.
Aber es muss klar sein, dass man zu neuen Vereinbarungen kommt, von denen die Milcherzeuger tatsächlich profitieren können. Wir brauchen Kriseninstrumente, mit deren Hilfe man im Zweifelsfall auch Milchmengen aus dem Markt nehmen kann, wenn es hart auf hart kommt.
Gerade zu dem letzten Punkt möchte ich noch etwas Grundsätzliches sagen, auch im Hinblick auf den Antrag der LINKEN: Ein solches Instrument kann man nicht landesweit einführen. Das ist völlig unmöglich. Die Landwirtschaft ist ein Feld, das nicht nur regional gesehen werden kann. Sie wissen, dass wir die regionale Wertschöpfung in Hessen wollen, brauchen und fördern. Das ist wichtig, gerade im Hinblick auf die Transparenz für die Verbraucher. Es ist wichtig, dass die regionale Wertschöpfung möglichst hier bleibt. Das ist besser, weil die Preisbildung dann von den Landwirten eher beeinflusst werden kann.
Aber die Landwirtschaft ist ein Markt, der mit der europäischen Ebene und weit darüber hinaus verschränkt ist. Von daher können wir nicht sagen, wir machen das nur für uns allein. Wir haben einen Binnenmarkt, und wir haben Exportbeziehungen.
Ich bin keine, die denen das Wort redet, die sagen: „Alle Bauern sollen sich auf den Export ausrichten, dann klappt das schon“; denn wir sehen gerade, dass es nicht klappt. Je mehr sich die Erzeuger auf den Export verlassen, umso eher haben sie ein Problem, wenn es Exportkrisen gibt; dann hängen sie nämlich richtig tief am Boden. Von daher brauchen wir auch eine regionale Wertschöpfung.
Aber wir können nicht so tun, als ob wir die Milchkrise mit Landesprogrammen bewältigen könnten. Wir müssen größer denken und agieren, wenn wir hier etwas bewirken wollen. Ich habe Ihnen erläutert, was wir mit Blick auf die AMK vorschlagen.
Ich möchte Ihnen abschließend kurz darstellen, wie wir in Hessen schon heute die Milcherzeugerinnen und Milcherzeuger unterstützen. Im Hinblick auf die aktuelle Krise hat der Finanzminister entschieden – Herr Wiegel hat es schon erwähnt –, dass die Steuervorauszahlungen herabgesetzt werden können. Wir werden die AGZ und die Betriebsprämie in jedem Fall noch in diesem Jahr auszahlen.
Eine Auszahlung schon im November werden wir nicht leisten können, weil die Anlastung bei uns liegt. Wir werden das auch deshalb nicht leisten können, weil wir die EDV-Programme völlig umstellen müssten, was unglaublich viel Geld kosten würde, das wir den Landwirten in der zweiten Säule abziehen müssten. Am Ende würden die Landwirte verlieren. Deswegen sind auch alle Landwirtschaftsminister in Deutschland dagegen.
Aber wir werden auch die Erzeugungsbedingungen für die Milchviehhalterinnen und Milchviehhalter weiterhin durch das Agrarinvestitionsprogramm verbessern. Im letzten Jahr haben wir bereits 5,4 Millionen € dafür ausgegeben, den Umbau alter Ställe zu forcieren. Der Landesbetrieb Landwirtschaft berät die Milchviehbetriebe vor Ort, wie die Milchvieherzeugung optimiert und nachhaltig betrieben werden kann. Wir haben mit dem Ökoaktionsplan die Mittel für die Flächenförderung von 80 auf 120 Millionen € erhöht.
Wir werden die regionale Vermarktung jetzt durch eine neue Vermarktungsgesellschaft, die an die MGH angedockt ist, unterstützen – auch finanziell. Daher können wir versuchen, das zu befördern, was wir am Milchtisch erörtern, nämlich neue Marktbeziehungen zwischen Milchbauern, Molkereien und Lebensmitteleinzelhandel.
Das ist der letzte Satz. – Mit diesen Unterstützungsleistungen vor Ort in Hessen, aber auch mit den Vorschlägen in Richtung Bundesebene und EU-Ebene sind wir auf einem guten Weg. Ich freue mich auf jede Unterstützung, die ich von Ihnen bekomme.
Nach meinen Informationen werden beide Anträge an den Ausschuss für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz überwiesen. – Dann machen wir das so.
Erste Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktion DIE LINKE für ein Gesetz zur Änderung der Hessischen Gemeindeordnung (HGO) – Drucks. 19/2412 –
Zur Einbringung erteile ich Frau Schott, Fraktion DIE LINKE, das Wort. Die vereinbarte Redezeit beträgt 7,5 Minuten je Fraktion.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst über die Entstehung dieses unseres Gesetzentwurfs berichten; denn das erschließt sich nicht von selbst. Vor einiger Zeit kam eine behinderte Kommunalpolitikerin auf uns zu, die uns berichtete, dass es ihr, was die Ausübung ihres Mandats betraf, mit ihrer Behinderung in ihrer Kommune nicht gut ergehe: dass man nicht all das, was für sie notwendig wäre, um ihr Mandat sinnvoll auszuüben, so herrichten würde, wie sie es benötigen würde. Man habe ihr erklärt, womit sie zurechtzukommen habe und wie sie damit umgehen solle. Sie fühlte sich dadurch diskriminiert. Sie machte andere Vorschläge, die ein wenig kostenaufwendiger waren; aber die konnten nicht umgesetzt werden.
Das war der Anlass, weshalb wir uns mit dem Thema befasst haben. Die Auseinandersetzung mit diesem Anlass und mit dem, was zu tun wäre, führte dazu, dass wir auf einen alten Gesetzentwurf der GRÜNEN gestoßen sind, der uns an der Stelle durchaus hilfreich und zielführend erschien. So haben wir heute die Situation, dass wir in diesem Haus über etwas diskutieren, worüber man vor vielen, vielen Jahren schon einmal diskutiert hat und was damals leider abgelehnt wurde.
Die Begründungen lassen sich leicht nachlesen; das geht recht fix. Man liest, dass gesagt worden ist: Eigentlich steht in der HGO schon alles. Die Menschen mit Behinderungen brauchen hier keine besondere Erwähnung, denn sie sind sozusagen schon mit gemeint.
Seither hat sich eine Menge in der Behindertenpolitik allgemein getan. Es hat sich weltweit, bundesweit und auch in Hessen an manchen Stellen viel verändert. Wir haben seit vielen Jahren die UN-Behindertenrechtskonvention und dazu den nationalen Aktionsplan, der in zwölf Handlungsfeldern beschreibt, was zu tun ist, und wir haben den Hessischen Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention.
Dazu gehört ein eigener Absatz, der sich mit der Sicherstellung der Beteiligung von Menschen mit Beeinträchtigungen am politischen und öffentlichen Leben beschäftigt. In Art. 29 der Konvention werden explizit „aktives“ und „passives Wahlrecht“ genannt. Im hessischen Aktionsplan findet sich aber, trotz einer langen Beschreibung, was man alles dafür tun muss, damit Menschen an Wahlen teilhaben können, kein einziges Wort dazu, wie man die Ausübung eines Mandats für Menschen mit Behinderungen vereinfachen und erleichtern will und welche Schritte gegangen werden sollen und müssen, damit sich Menschen mit Behinderungen angesprochen und angeregt fühlen, sich aktiv an der Gestaltung von Politik zu beteiligen.
Nach der Hessischen Gemeindeordnung steht jedem das Recht zu, ein Mandat auszuüben. Klar, das Recht ist auch nicht strittig. Niemand darf benachteiligt oder daran gehindert werden, sich um ein Mandat als Gemeindevertreterin oder -vertreter zu bewerben. Ich beziehe mich hierbei auf § 35a „Sicherung der Mandatsausübung.“ Das steht im Gesetz. Aber daraus folgt noch nicht automatisch, dass die notwendige Unterstützung für bestimmte Teile der Bevölkerung tatsächlich da ist, in der Gemeindevertretung dann auch wirklich vertreten zu sein. Es heißt zwar im Allge
meinen, daran dürfe keiner gehindert werden – es wird daran auch keiner gehindert; das würde ich nicht behaupten –, aber die Frage ist, inwieweit wir insbesondere Menschen mit Behinderungen hierzu ermutigen und ihnen den Weg leichter machen. Diese Frage können wir in Hessen leider nicht positiv beantworten.
Wenn wir uns die realen Verhältnisse anschauen, dann stellen wir fest, dass Kommunalpolitikerinnen und -politiker mit einer Behinderung zu einer kleinen Minderheit gehören. Es gibt nicht einmal eine ausreichende Statistik darüber, wie viele Kommunalpolitikerinnen und -politiker in Städten, Gemeinden und Landkreisen vertreten sind. Auf den prozentualen Anteil von Menschen mit einer Schwerbehinderung in Firmen und Betrieben, auf den wir uns vor langer Zeit verständigt haben, also auf 5 %, dürfte der prozentuale Anteil von Kommunalpolitikerinnen und -politikern mit Behinderungen lange nicht kommen. Zumindest zeigt das die gelebte Erfahrung. Wenn jemand im Hause ist, der von seinem kommunalen Parlament zu Hause etwas anderes zu berichten weiß, möge er oder sie dies tun. Aber, ich glaube, Sie werden alle bestätigen, was wir dort erlebt haben. Es ist eben so, dass wir dort keine adäquate Vertretung haben.
Es gibt zwar nur wenige Fälle, in welchen sich kommunale Politiker mit Behinderungen über Barrieren in ihrem Ehrenamt beklagt haben, doch liegt dies nicht daran, dass es keine oder wenige Barrieren gibt, sondern daran, dass es schlicht und ergreifend wenige Menschen mit Behinderungen in kommunalen Parlamenten gibt. Das liegt einfach daran, dass die vorhandenen Barrieren, die Anstrengungen und Schwierigkeiten, die vorhanden sind, dahin gehend wirken, dass sich diese Menschen erst gar nicht um ein Mandat bemühen, geschweige denn, es erlangen. Das ist doch etwas, was wir dringend ändern müssen. Wir sollten nach Mitteln und Wegen suchen, wie wir dies von hier aus angehen können. Unser Entwurf ist ein Schritt in diese Richtung.
Deshalb sollte es selbstverständlich sein, wenn wir von einer barriere- und diskriminierungsfreien Welt sprechen, dass auch kommunale Mandatsträgerinnen und Mandatsträger, die aufgrund ihrer Behinderungen finanzielle oder andere Mehraufwendungen erbringen müssen, diese erstattet bekommen. Ich glaube, das ist doch das kleinere Problem. Trotzdem muss man es noch einmal deutlich benennen. Aber auch in den Rat- und Kreishäusern muss die Möglichkeit geschaffen werden, ein Mandat diskriminierungsfrei ausüben zu können; denn auch das ist noch nicht immer und überall wirklich zufriedenstellend gelöst.
Nachteile jeglicher Art, seien es finanzielle oder praktische, müssen ohne Wenn und Aber ausgeglichen werden.
Meine Damen und Herren, ich bin nicht der Meinung, dass wir mit diesem kleinen Gesetzentwurf alle Probleme lösen werden. Aber ich bin der Meinung, dass wir mit diesem kleinen Gesetzentwurf einen Schritt in die richtige Richtung tun. Wenn Sie, meine Damen und Herren von den GRÜNEN und der CDU, bereit sind, darüber zu diskutieren und an dieser Stelle noch mehr zu tun, hätte ich noch einige weiter gehende Vorschläge. Wir können gemeinsam beraten, wie wir es hinbekommen, Menschen mit Behinde
rungen dahin gehend zu animieren, zu unterstützen und zu stärken, dass sie sich für diese Dinge, die speziellen Interessen und Belange von Menschen mit Behinderungen, einbringen, die uns alle interessieren, dass sie diese selbst vertreten und nicht andere über sie reden, so wie wir es hier im Moment leider tun müssen, und in der Lage sind, für sich selbst zu sprechen und dies in den Gremien vor Ort, den Gemeinderäten, Stadträten und Kreistagen, einzubringen.
Wir müssen doch einmal an den Punkt kommen, zu sagen: Wir haben unser Ziel der Inklusion erst erreicht, wenn wir prozentual einmal so viele Menschen mit Behinderungen in diesen Gremien haben, wie wir sie in unserer Gesellschaft haben. Solange wir dies nicht erreicht haben, müssen wir all die Dinge tun, die wir für sinnvoll, richtig und wichtig halten, um in diese Richtung zu gehen. Jeder kleine Schritt dorthin ist ein richtiger und wichtiger. Deshalb ist dieser kleine Entwurf – es ist und bleibt ein kleiner – ein Anstoß, hierfür etwas zu tun, und dies sollten wir gemeinsam tun.