Protokoll der Sitzung vom 24.09.2015

(Beifall bei der LINKEN)

Sie kommen zum Schluss, Frau Schott?

In diesem Sinne sollten wir, denke ich, in diese Debatte gehen und schauen, was wir zur Inklusion von Menschen mit Behinderungen in unserem Land tun und wie wir dies verbessern können. Ich glaube, dass das dringend notwendig ist. Wir sind, auch all die vielen Jahre nach dem ursprünglichen Entwurf, noch nicht am Ziel angelangt, leider. – Herzlichen Dank.

Danke, Frau Schott. – Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Bauer das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Zu meiner noch aktiven Zeit als Lehrer war es immer so, dass ich, wenn ich jemanden beim Abschreiben erwischt habe, danach in einem Gespräch immer gefragt habe, warum er denn abgeschrieben habe; denn es macht einen schlechten Eindruck. Man unterstellt Faulheit; man unterstellt Ideenlosigkeit oder Planlosigkeit, und häufig unterstellt man kein ernsthaftes Interesse an der Sache.

(Manfred Pentz (CDU): Oft ist es auch so! – Marjana Schott (DIE LINKE): Mit Sicherheit nicht!)

Mir ist aufgefallen, Sie haben das zwar sibyllinisch angedeutet, aber Ihre Drucksache, die Sie eingereicht und heute begründet haben, die Drucks. 19/2412, ist nahezu aufs Wort identisch mit einem Anliegen der GRÜNEN-Fraktion aus dem Jahre 2003, die schon damals genau das Gleiche wollte.

(Günter Rudolph (SPD): Das geht ja gar nicht!)

Sie haben sich in der Sache wahrlich keine Mühe gegeben. Gleichwohl muss man sich mit dem, was Sie hier vorgetra

gen haben, ernsthaft auseinandersetzen. Aber das haben wir schon im Jahr 2003 gemacht, und die Sachlage ist keine andere; denn schon damals hat der damalige Innenminister Volker Bouffier für alle vorneweg gestellt – damit gebe zumindest ich einmal die Quelle an –, dass es keine Selbstverständlichkeit sei, dass in Hessen galt, gilt und in Zukunft gelten werde, dass behinderte kommunale Stadtverordnete, behinderte Kreistagsabgeordnete und andere behinderte Kollegen selbstverständlich in den Stand versetzt werden müssten, ihre kommunalpolitische Arbeit in gleicher Weise effektiv und ohne Nachteile durchzuführen, wie dies auch Nichtbehinderte tun können. Das ist eine Selbstverständlichkeit, und, ich glaube, das sieht das ganze Haus ebenfalls so.

(Marjana Schott (DIE LINKE): Das ist aber nicht so!)

Was ist jedoch der Unterschied? Schon damals wurde unterstellt, das Ganze sei, weil es sachlich nicht geboten ist und wir in der Hessischen Gemeindeordnung bereits eine Regelung haben, durchaus eine parteipolitisch eingefärbte Initiative, die der Sache als Ganzem nicht dienlich ist.

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Man muss damals wie heute fragen: Wo gibt es denn einen konkreten Fall, in dem die entsprechende Unterstützung nicht gewährt worden ist? Schon damals musste man feststellen – Sie haben es ja 1 : 1 übernommen –, dass es in dem entsprechenden Gesetzentwurf leider handwerkliche Fehler gibt. Sie schließen damals wie heute sachliche Unterstützungen aus und beziehen sich allein auf finanzielle Unterstützungen. Es muss durchaus möglich sein, wenn Kommunen es als hilfreich erachten, dass zur Ausübung des Mandats von behinderten Personen Sachmittel wie eine Lesehilfe geboten sind, dass diese Sachmittel auch gewährt werden können. Man kann sich nicht allein auf die finanziellen Aspekte beziehen.

In der Debatte im Jahr 2003 wurde schon mehrfach festgestellt, dass wir in der Hessischen Gemeindeordnung bereits eine Regelung haben, die es ermöglicht und klarstellt, dass behinderte Menschen entsprechende Mittel bekommen, damit sie ihr Amt bzw. Mandat in gleicher Weise ausüben können. Es wird sicherlich auch unter dieser Landesregierung die ähnliche Auffassung geben, dass wir diese Regelung in § 27 der Hessischen Gemeindeordnung, die sich ja nicht verändert hat, in gleicher Weise wahrnehmen.

Meine Damen und Herren, wir sind der Auffassung, dass wir diesen Gesetzentwurf nicht brauchen, weil es schon eine entsprechende Regelung gibt. Es gab schon damals, 2003, eine breite Anhörung, in der die Kommunalen Spitzenverbände ihre Meinung kundgetan haben. Da wir aktuell eine entsprechende Gesetzesänderung der Hessischen Gemeindeordnung am Laufen haben, ist es ein Leichtes, den Kommunalen Spitzenverbänden Ihr Anliegen zur Bewertung vorzulegen, damit sie die Argumente von damals noch einmal verinnerlichen können.

Ich darf für meine Fraktion feststellen: Wir brauchen diese Regelung nicht, weil sie letztendlich entbehrlich ist. Wir haben schon jetzt in der Hessischen Gemeindeordnung in Verbindung mit den entsprechenden Regelungen im Grundgesetz, Art. 3, die Gewährleistung, dass die Ausübung eines kommunalen Mandats durch die Gewährung von sachlichen und finanziellen Hilfen unterstützt wird. – Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Danke, Herr Bauer. – Zu einer Kurzintervention hat sich Frau Schott, Fraktion DIE LINKE, gemeldet.

Herr Bauer, offensichtlich ist es Ihnen entgangen, dass trotz aller schönen Worte die Zahl der Menschen mit Behinderungen in den kommunalen Parlamenten nicht gestiegen ist. Was ich aber eigentlich sagen möchte, ist: Wenn Ihnen an diesem Gesetzentwurf etwas fehlt, habe ich überhaupt kein Problem damit, wenn Sie das ergänzen oder wenn wir es gemeinsam ergänzen. Wenn das Sie davon abhält, dem Gesetzentwurf zuzustimmen, haben Sie mein vollstes Entgegenkommen.

(Beifall bei der LINKEN – Zuruf des Abg. Alexan- der Bauer (CDU))

Danke, Frau Schott. – Herr Bauer, Sie verzichten auf eine Antwort. – Dann darf ich für die SPD-Fraktion Herrn Kollegen Rudolph das Wort erteilen.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Werte Kolleginnen und Kollegen der Fraktion DIE LINKE, Ihr Gesetzentwurf hat zwei Nachteile. Erstens stammt er aus einer Oppositionsfraktion, das ist bei Schwarz-Grün grundsätzlich schlecht. Zweitens wirkt sich dabei strafverschärfend aus, dass dieser Gesetzentwurf von der Fraktion DIE LINKE kommt.

(Heiterkeit bei der SPD und der LINKEN)

Ich sage das für die Zuhörerinnen und Zuhörer: Der Gesetzentwurf kann inhaltlich gut und begründet sein, das spielt alles keine Rolle. Herr Bauer, das meine ich jetzt sehr ernst, wie man an ein solches Thema so unsensibel herangehen kann, verstehe ich nicht.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Sie stellen sich hin und sagen, das sei alles kein Problem, jeder, der eine Beeinträchtigung habe, könne sich um ein kommunales Mandat bewerben. Das hat keiner bezweifelt. Hier geht es um die praktischen Auswirkungen, wenn jemand ein kommunales Mandat besitzt und Beeinträchtigungen hat.

(Alexander Bauer (CDU): Nennen Sie mir einen konkreten Fall!)

Wir haben im Hessischen Landtag für einen Kollegen bauliche Maßnahmen getroffen, damit er dieses Amt ausüben kann. Hier geht es um wenige Ehrenamtliche im Land Hessen. Es gibt augenscheinlich ein Problem, weil im Regierungspräsidium Kassel auf Initiative der Stadt Kassel Handlungsbedarf gesehen wird. Ich habe meine Zweifel daran, ob wir das per Änderung der HGO regeln müssen. Ich könnte mir vorstellen, wenn man die Auslegungen des Bundesverfassungsgerichts zum Thema Kopftuch per Erlass regelt, dann kann auch ein Erlass des Innenministers zum § 27 HGO, „Entschädigung“, regeln, dass auch für

Menschen mit Behinderungen die Kosten, die beispielsweise für Personen, die sie unterstützen, entstehen, von der jeweiligen Gebietskörperschaft erstattet werden. Das ist ein ganz pragmatischer Vorschlag.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Wenn Sie schon eine so hochpolitische Angelegenheit wie das Thema Kopftuch per Erlass regeln – im Übrigen ist dieser Erlass des Innenministers zum Kopftuch sehr allgemein gehalten, um das einfließen zu lassen, er wird kein einziges Problem lösen, aber das ist eine andere Baustelle –,

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das liegt am Verfassungsgericht!)

dann kann man auch dieses Thema per Erlass regeln. Wenn sich dann der Kollege der CDU hinstellt und sagt, dass sei von den GRÜNEN abgeschrieben, dann kann ich nur erwidern: Wenn etwas inhaltlich gut ist, dann kann man es auch übernehmen. Damit habe ich überhaupt kein Problem. Herr Bauer, wenn Sie nicht lernfähig sind, ist das eher Ihr als unser Problem.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, hier geht es wahrscheinlich um sehr wenige Fälle aus der Praxis. Sie wollen das Ehrenamt in die Verfassung aufnehmen. Das gilt bei Ihnen aber immer nur sonntagabends. Montagmorgens im realen Alltag interessiert Sie das alles nicht mehr.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Hier geht es um einen kleinen Sachverhalt, wahrscheinlich von wenigen Menschen, die betroffen sind. Es ist Aufgabe der Politik, Probleme zu lösen, wenn es sie gibt. Ich glaube, man könnte das per Erlass regeln, damit klargestellt ist, dass es sich um Kosten handelt, die bei ehrenamtlich tätigen Menschen mit Behinderungen in der kommunalen Gebietskörperschaft anfallen. Dann ist das genauso zu behandeln wie Sitzungsgeld, Kilometergeld oder andere Entschädigungen. Das kann man so regeln, wenn man es will.

Herr Bauer, dass Sie es nicht wollen, haben Sie eben sehr deutlich gemacht. Meine Damen und Herren, ich bin mir relativ sicher, dass das noch von dem Vertreter der GRÜNEN getoppt wird. Er wird sich jetzt hinstellen und sagen: Das, was 2003 richtig war, muss heute schon lange nicht mehr richtig sein, weil es eine andere Fraktion übernommen hat. – Das ist nicht die Position der SPD.

Wie wir das administrativ umsetzen, da bin ich sehr offen. Ich bin für ein vereinfachtes Verfahren, also per Erlass. Das ist die beste Lösung. Wenn Sie diese Initiative nicht unterstützen, sollten Sie bitte das Gerede und Geschwätz: „Wir wollen auch Menschen mit Behinderungen Möglichkeiten geben, sich ehrenamtlich in der Kommunalpolitik zu engagieren“, nie mehr in den Mund nehmen. Das ist so etwas von unglaubwürdig.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Jetzt wollen wir konkretes Handeln. Herr Kollege Bauer, Sie sind bei solchen Themen ideologisch so verbohrt, nur weil es die Fraktion der LINKEN eingebracht hat.

(Zuruf des Ministers Peter Beuth)

Herr Innenminister, es steht Ihnen nicht zu, dazwischenzurufen und dann auch noch von „unverschämt“ zu reden.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Ich bin es langsam leid, jedes Mal die Bemerkungen aus der Regierungsbank zu hören. Sie haben nachher die Gelegenheit, zu erwidern. Ich erwarte von einer Partei, die sich christlich nennt, sich auch für Menschen einzusetzen, die Behinderungen oder Beeinträchtigungen haben.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN – Holger Bel- lino (CDU): Unglaubliche Polemik! – Weitere Zurufe von der CDU – Minister Peter Beuth: Ich habe zu Herrn Weinmeister gesprochen!)

Herr Rudolph, einen Augenblick bitte. – Meine Damen und Herren, kommen Sie bitte wieder zur Ruhe. Es ist richtig, Zwischenrufe von der Regierungsbank wollen wir nicht.

(Günter Schork (CDU): Er hat doch gar keinen gemacht! – Holger Bellino (CDU): Das ist unerträglich!)

Wenn Sie den Präsidenten kritisieren wollen, können wir gerne den Ältestenrat einberufen. – Nein, das wollen Sie nicht. – Gut, dann hat Herr Rudolph das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. – Ich finde es sehr schade, dass wir bei diesem Thema, bei dem es um einen zahlenmäßig sehr begrenzten Personenkreis geht, nicht zu einer pragmatischen Lösung kommen. Herr Bauer, das werfe ich Ihnen ganz konkret vor. Sie haben gesagt, es gebe keinen Handlungsbedarf. Das bestreite ich dezidiert. Sie haben auch nicht den Willen, etwas zu regeln. Im Jahr 2003 gab es eine Initiative der GRÜNEN. Ich bin einmal sehr gespannt, mit welcher Begründung die GRÜNEN das, was damals richtig war, heute als falsch empfinden. Wir wollen Menschen, die beinträchtig sind, ehrenamtliches Engagement ermöglichen.