Wir können vor allen Dingen unseren alliierten Freunden dankbar sein. Die Wiedervereinigung liegt 25 Jahre zurück. 70 Jahre zurück liegt die Gründung unseres Landes durch die amerikanische Militärregierung. Hessen profitierte nach dem Totalzusammenbruch von der Freundschaft zu unseren amerikanischen Freunden.
Ich hatte vor einigen Wochen Gelegenheit, die Gemeinde Rasdorf im Landkreis Fulda zur Point-Alpha-Gemeinde zu erklären. Dies ist ein Namenszusatz nach der Hessischen Gemeindeordnung, der dazu dienen soll, zu mahnen und zu gedenken, daran zu erinnern, dass die Gemeinde Rasdorf, wie man will, der letzte oder der erste Punkt der freien Welt war. Im hessischen Fulda Gap standen sich die freie Welt und der Warschauer Pakt – Diktatur und Menschenverachtung – am östlichsten Punkt in Deutschland gegenüber. Diese Erinnerung verbinde ich vor allem mit der
Dankbarkeit für unsere amerikanischen Freunde, die für uns Frieden und Freiheit im Kalten Krieg gesichert haben.
Hessen richtet in diesem Jahr die bundesweite Feier der deutschen Einheit aus. Seit September vergangenen Jahres finden überall in unserem Land Veranstaltungen statt. Die Würdigung der Einheit und der Blick in die Zukunft sind bei den Bürgerinnen und Bürgern auf großes Interesse gestoßen. Wir freuen uns, wenn sich dieses Interesse bei den vielfältigen Veranstaltungen am 2. und 3. Oktober fortsetzt. Hessen hat sich vorbereitet, das große Jubiläum deutscher Geschichte zu feiern. Es wird ein großes Bürgerfest. Das ist angemessen, weil es vor 25 Jahren die Bürgerinnen und Bürger waren, die die Einheit herbeigeführt haben.
Vielen Dank, Herr Minister Beuth. – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit ist Punkt 70 der Tagesordnung abgehandelt.
Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend eine Aktuelle Stunde (Reaktivierung der Kur- hessenbahn: Bringt Pendler schneller ans Ziel und Tou- risten umweltfreundlich in den Kellerwald) – Drucks. 19/2448 –
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir haben hier im Landtag die Geschichte der Kurhessenbahn lange begleitet. Deswegen wollen wir auch heute den Fortgang der Erfolgsgeschichte mit einer Aktuellen Stunde würdigen.
Im Jahr 2008 hat der Landtag die Reaktivierung der Strecke Frankenberg – Korbach beschlossen. Der damalige Ministerpräsident hatte der Region einen Bahnanschluss versprochen. Das Nationalparkzentrum Kellerwald ist damals extra dorthin gebaut worden.
Für uns hätte die Reaktivierung auch schneller vorangehen können, aber das ist jetzt Geschichte, und wir setzen darauf, dass irgendwann alle sagen: Wir waren schon immer dafür, und die Reaktivierung war ein großer Erfolg für die Region und für das ganze Land Hessen.
Wir freuen uns darüber, dass die Strecke Frankenberg – Korbach vor knapp zwei Wochen eröffnet wurde und damit Pendler schneller an ihr Ziel kommen und Touristen umweltfreundlich in den Kellerwald und in das Nationalparkzentrum gelangen. Selbst ein amerikanischer Konsul war bei der Eröffnung zugegen, der extra wegen des Nationalparks Kellerwald nach Nordhessen gekommen war.
Aber nicht nur für die Region Nordhessen ist die Eröffnung der Strecke ein Gewinn. Vielmehr wird auch die Reisezeit nach Südhessen kürzer. Jetzt können die Südhessen entspannt im schönen Nordhessen Urlaub machen, im Winter zum Skilaufen nach Willingen kommen, und das alles umweltfreundlich, auf einer der schönsten Bahnstrecken in ganz Hessen.
Nicht nur aus verkehrspolitischer, sondern auch aus touristischer Sicht ist diese Streckeneröffnung ein Gewinn. Der Tourismus in Hessen nimmt weiter zu. Jetzt kann man umweltfreundlich an dieses schöne Ziel kommen. Also werden noch mehr Touristinnen und Touristen nach Hessen kommen und sich den Nationalpark ansehen.
Der Tourismus wird noch mehr zunehmen, wenn wir es schaffen, dass die Strecke in das „Fahrtziel Natur“ aufgenommen wird, das die Bahn zusammen mit BUND, NABU und VCD vorantreibt und dem sie mit die schönsten Strecken in ihr Programm aufnimmt, die ein herausragendes Naturerlebnis sind. Das kann man für die Strecke behaupten. Wer sie noch nicht gefahren ist, sollte das unbedingt einmal tun. Dabei kann man einmal völlig entspannt die Debatten hier im Landtag vergessen, und aller Ärger rückt in den Hintergrund.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Machen wir! – Janine Wissler (DIE LINKE): Wir können eine Ausschussreise dorthin machen!)
Die Lage Nordhessens ist gut. Das gilt hier uneingeschränkt. Wenn jetzt noch mehr Menschen davon wissen und das geschaffene Angebot nutzen, wird die Lage immer besser.
Die 16,7 Millionen € Landesförderung sind also gut angelegtes Geld. Damit die Erfolgsgeschichte weitergeht, müssen wir jetzt noch daran arbeiten, dass die Fahrzeiten verkürzt werden, dass die Bahnübergänge reduziert werden, dass moderne Streckentechnik eingesetzt wird und dass Kreuzungsmöglichkeiten geschaffen werden.
Auch am Thema Barrierefreiheit können wir weiterarbeiten, damit nicht die alten, sondern die neueren Züge eingesetzt werden, sodass die Menschen barrierefrei in den Kellerwald kommen. Wenn das Angebot angenommen wird, wovon wir ausgehen – ich habe von einem Empiriker gehört, dass die Züge voll sind –, kann vielleicht auch noch die Taktzeit von zwei Stunden auf eine Stunde verkürzt werden, und die Erfolgsgeschichte der Edertalbahn kann fortgesetzt werden.
Jetzt freuen wir uns erst einmal über die Reaktivierung der Strecke. Sie ist eine Erfolgsgeschichte für ganz Hessen, die fortgeschrieben werden muss. Auch wünschen wir uns, dass es nicht die letzte Streckenreaktivierung in Hessen ist, sondern dass bei einer positiven Wirtschaftlichkeit, und wenn die Region es will, weitere Strecken reaktiviert werden können.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU – Vizepräsidentin Heike Habermann übernimmt den Vorsitz.)
Lassen Sie uns also eine große Erfolgsgeschichte daraus machen und die schlechten Zeiten seit 1987 vergessen. Wir wünschen der Kurhessenbahn bzw. der Edertalbahn viele Fahrgäste und der Region viele Besucherinnen und Besucher.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Wiedereröffnung der Kurhessenbahn ist für die Region WaldeckFrankenberg, aber auch darüber hinaus, ein echter Fortschritt und natürlich nur zu begrüßen.
Sie zeigt, dass entgegen dem Trend der Streckenschließungen der vergangenen Jahrzehnte Wiedereröffnungen von Bahnstrecken durchaus möglich sind.
Die Region um Korbach und Bad Arolsen hat nun wieder einen Anschluss in Richtung Marburg und Rhein-Main. Zum unzweifelhaften Nutzen dieses Lückenschlusses wurde von der Kollegin Müller schon einiges gesagt. Er ist eine sinnvolle Erschließung für 50.000 Menschen im Einzugsbereich und damit auch eine Stärkung der Attraktivität des ländlichen Raums, und er erschließt touristische Regionen, allen voran den Nationalpark Kellerwald-Edersee.
Herzhausen z. B., der Standort des Nationalpark-Besucherzentrums, war zuvor am Wochenende nur per Anruf-Sammeltaxi erreichbar. Ich weiß das aus eigener Erfahrung, weil ich dort einmal im nordhessischen Regen gestrandet bin
bei der Wanderung auf dem Urwaldsteig, wobei der Urwald an dem Tag eher ein Regenwald war. Von daher freue ich mich, dass man in Zukunft eine Verkehrsanbindung hat und auch mit größerem Reisegepäck oder dem Fahrrad dort hin-, aber auch wieder wegkommen kann.
Schön ist in dieser Hinsicht auch, dass die CDU endlich zu der Einsicht gekommen ist, dass die Reaktivierung der Edertalbahn sinnvoll und notwendig ist. Das sah man in Ihren Reihen lange Zeit anders. Die CDU-Fraktion im Kreistag von Waldeck-Frankenberg hat noch 2012 als einzige Fraktion dagegen gestimmt. Ich erinnere mich auch, dass die CDU hier im Landtag in der Vergangenheit immer wieder dagegen gestimmt hat, diese Strecke wieder herzurichten. Insofern ist es wirklich erfreulich, dass Sie es sich anders überlegt haben.
Ich sage an dieser Stelle: Vielleicht behält mein Kollege Willi van Ooyen doch recht mit seinem Glauben an die Lernfähigkeit aller Menschen. Von daher freue ich mich sehr, dass Sie doch nicht so beratungsresistent waren.
Aber, meine Damen und Herren, eine Kurhessenbahn macht noch keine Verkehrswende. Wir hoffen, dass dem Beispiel der Kurhessenbahn – und anderer Erfolgsgeschichten wie der Taunusbahn oder der Stichstrecke nach Pfungstadt – nun weitere folgen werden. Hessenweit gibt es genug stillgelegte Bahnstrecken, deren Trassen noch erhalten sind, die also reaktiviert werden könnten. Im Sinne einer Verkehrswende müssen wir das machen, wenn wir eine echte Flächenbahn erreichen wollen.
Ich will ein paar Beispiele nennen. Das ist zum einen die Aartalbahn von Wiesbaden nach Bad Schwalbach. Die ist bereits in der Diskussion. Ich meine, ein solches Projekt mit einer vernünftigen Stadtbahn für Wiesbaden zu verbinden wäre sinnvoll.
Wir haben im Kreis Gießen die Lumdatalbahn und die erst 2003 stillgelegte Strecke von Hungen nach Wölfersheim. Aber auch die Überwaldbahn zwischen Mörlenbach und Wald-Michelbach im Odenwald, die heute von Draisinen „warmgehalten“ wird, könnte wieder echte Verkehrsdienste erbringen.
(Beifall bei der LINKEN – Alexander Bauer (CDU): Die können Sie jetzt schon fahren! Tun Sie das einmal! – Zuruf des Abg. Peter Stephan (CDU))
Das sind einige Beispiele für Bahnlinien, die es in Hessen einmal gab und die es wieder geben könnte.
Hessen braucht die Verkehrswende sowohl im ländlichen Raum als auch im Ballungsgebiet Rhein-Main. Der ÖPNV wurde in den letzten Jahren und Jahrzehnten immer weiter ausgedünnt. Wir haben Gegenden in Hessen, wo es gar keine Möglichkeit gibt, ohne eigenes Auto von Ort zu Ort zu gelangen.
Dass hier noch viel Luft nach oben ist, zeigt uns zum einen ein historischer Vergleich, wenn man sich einmal anschaut, wie groß das Bahnnetz in Hessen früher war, bevor so viele Strecken stillgelegt wurden. Man kann aber auch ein Beispiel aus der Gegenwart nehmen und das hessische Streckennetz mit dem der Schweiz vergleichen, die eine ähnliche Einwohnerzahl hat wie Hessen und eine ähnlich große besiedelte Fläche. Das Eisenbahnnetz der Schweiz ist doppelt so groß wie das hessische, übrigens zu 100 % elektrifiziert. Die Schweizerinnen und Schweizer legen dreimal so viele Bahnkilometer zurück wie die Hessinnen und Hessen, was übrigens auch daran liegen könnte, dass die Schweizer Bahntickets und vor allem die Rabatt-Bahncards deutlich billiger sind als hier.
Meine Damen und Herren, die Reaktivierung der Kurhessenbahn ist richtig. Sie kann aber nur der Anfang sein, denn ohne weitere Reaktivierungen von Bahnstrecken wird die Verkehrswende in Hessen nicht gelingen. Es gibt eine ganze Menge sinnvoller Neubauten, über die wir hier immer wieder diskutieren. Wir fordern weiterhin, dass Hessen sich nicht nur beim Bund weiterhin für höhere Regionalisierungsmittel zur Finanzierung des ÖPNV einsetzt. Das ist zwar richtig, aber Hessen sollte endlich auch eigene Landesmittel einsetzen, wie es die GRÜNEN in ihrem Wahlprogramm gefordert haben.