Ich glaube, nach den umfassenden Artikeln und Interviews des Hessischen Ministerpräsidenten ist es notwendig, dass der Hessische Landtag über die Frage diskutiert: „Was passiert in den nächsten Monaten ganz konkret?“, statt dass er immer nur wohlfeile Interviews wahrzunehmen hat, in denen der Ministerpräsident feststellt, dass alle anderen außer ihm kein Recht haben, dass sie nichts gemacht haben und
dass seine eigenen Handlungen alternativlos sind. Meine Damen und Herren, das ist nicht der richtige Weg, wie wir uns aus dieser Krisensituation befreien können.
Das ist meine Wahrnehmung der Interviews von Ministerpräsident Bouffier: In einem Interview in der „FAZ“ vom letzten Samstag hat er sich mit der Freien Demokratischen Partei auseinandergesetzt und uns vorgeworfen, wir hätten keine Anträge gestellt. Ich habe dem Herrn Ministerpräsidenten aus diesem Grund unsere Anträge zu diesem Thema mitgebracht.
Der erste Antrag zu diesem Thema datiert vom 25. März 2014. Wir haben insgesamt 14 Anträge zu diesem Thema gestellt. Ich glaube, die Kollegen von der Sozialdemokratie würden nicht verkennen, dass wir die Ersten waren, die das Thema hier auf die Tagesordnung gesetzt haben. Bei diesem Thema ging es zuerst um etwas, was außerhalb Deutschlands passiert ist. Mittlerweile wird die Bundesrepublik Deutschland dadurch aber auf die härteste Belastungsprobe gestellt, die wir je erlebt haben. Dieses Thema hat also inzwischen eine Veränderung erfahren.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben in einem der ersten Anträge gefordert, in Europa eine Verteilungsquote einzuführen, nachdem die osteuropäischen Länder und vor allem auch die Kollegen in Italien massiv damit beschäftigt waren, dieser Flüchtlingskrise Herr zu werden. Ich habe noch einmal die Rede von Frau Kollegin Wallmann – die ich persönlich sehr schätze – nachgelesen, in der sie gesagt hat, wir benötigten eine solche Verteilungsquote in Europa nicht, sie sei völlig überflüssig. Einen Königsteiner Schlüssel auf europäischer Ebene bräuchte man nicht.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wir wären heute froh, wenn wir ihn hätten. Er hatte nämlich schon damals etwas mit der europäischen Solidarität zu tun, und wir benötigten ihn heute, weil völlig klar ist, dass wir allein mit der Bewältigung dieser Situation völlig überfordert sind.
Herr Kollege Klee – jetzt komme ich zur Regierungsfraktion, sowohl in Berlin als auch hier –, ich habe mit Interesse gelesen, worüber dort diskutiert wird:
an den Hang geht und ein bisschen Schnee bewegt. Ob wir schon in dem Stadium sind, wo die Lawine im Tal unten angekommen ist, oder ob wir in dem Stadium im oberen Ende des Hanges sind, weiß ich nicht.
So der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble, wahrscheinlich das wichtigste Mitglied in Angela Merkels Kabinett.
Obgleich Zigtausende Menschen jeden Tag hauptund ehrenamtlich fast Übermenschliches leisten, um der Lage Herr zu werden, erleben wir doch in vielen Bereichen eine Art Staatsversagen.
Er spricht von „Skandal“ und „Disruption“. Folgender Satz ist sicherlich einer der Sätze mit der härtesten Kritik an der Bundeskanzlerin:
Das sagt der Kollege Spahn, immerhin Parlamentarischer Staatssekretär von Wolfgang Schäuble. Er macht klar, dass das, was die Bundeskanzlerin in diesem Land verursacht hat – man kann es nur als Rechtsbruch bezeichnen –, mittlerweile auch von Kabinettsmitgliedern, die der CDU angehören, kritisiert wird. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, es wird Zeit, dass wir in dieser Frage zu einem realistischen Blick zurückkehren.
Was erleben wir in Hessen? Die „FAZ“ titelt: „Die CDU Hessen steht treu an der Seite von Angela Merkel“. Ich kann mich an Zeiten erinnern, in denen der hessische CDU-Landesverband, geführt von Roland Koch, immer wieder hessische Interessen, teilweise auch im Widerstand gegen die Bundes-CDU, durchgesetzt hat.
Um es Ihnen und den Menschen, die heute hierhergekommen sind, konkret zu sagen: Hessen macht viel mehr als andere Länder. Wir können von Glück reden, dass sowohl die öffentliche Hand das bewerkstelligt – Herr Kollege Wintermeyer, ich will das ausdrücklich loben – als auch die vielen Ehrenamtlichen an vielen Stellen das kompensieren, was die öffentliche Hand nicht mehr leisten kann, weil sie an ihre Grenzen geraten ist. Aber wir sind uns darin einig, dass das, was zurzeit passiert, nicht so bleiben kann und dass wir aufgrund der Massen an Menschen, die zu uns kommen, die Grenzen unserer Belastbarkeit erreicht haben.
Deshalb freue ich mich, wenn der Ministerpräsident in Interviews – gerade heute wieder in der „HNA“ – darüber redet, dass die Zahlen deutlich sinken müssen. Herr Ministerpräsident, ich frage Sie aber: Was soll denn dazu führen, dass sie sinken? Gibt es konkrete, abgestimmte Vorschläge? Gibt es in der Koalition in Berlin abgestimmte Vorschläge? Oder sind das wieder nur wohlfeile Reden? Sind das Reden nach dem Motto „Wir müssen schneller abschieben“, obwohl in Hessen die Verwaltungsrichter oder die Amtsrichter fehlen, die letztendlich in diesem Bereich notwendig sind? Darüber, dass im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Mitarbeiter fehlen, reden wir seit Monaten.
Einen Punkt will ich hier abräumen, den der Herr Ministerpräsident am Dienstag erwähnt hat: Ich kann es nicht mehr hören, wenn behauptet wird, wir hätten nichts gewusst. Anfang dieses Jahres lagen im Bundesinnenministerium Schätzungen vor, die von 800.000 Menschen ausgingen. Meine Damen und Herren, was hat denn das Bundesinnenministerium an dieser Stelle gemacht?
Herr Kollege Reif, ich freue mich, dass Sie mir da zustimmen. – Es ist ein Skandal, was man da gemacht hat. Es ist lächerlich, wie sich der Staat auf diese Krise vorbereitet hat.
Sie haben recht: Die Bundeskanzlerin hat mit ihren Äußerungen die Krise deutlich verschärft. Das war sicherlich nicht sinnvoll.
Meine Damen und Herren, deshalb will ich Ihnen prophezeien, was demnächst passieren wird: Sie werden, da das Thema jetzt so ist, wie es ist, in der CDU darüber streiten – spätestens am 13. Dezember; es gibt, wie man lesen kann, schon Anträge für Ihren Bundesparteitag –, ob die deutschen Grenzen geschlossen werden sollen.
Wissen Sie, was das Traurige und das eigentlich Skandalöse an der Situation ist? Das führt dazu, dass wir die europäische Idee mittlerweile gar nicht mehr richtig unterstützen können. Sie ist ad absurdum geführt worden. Europa bedeutet keine Grenzen nach innen und die Sicherung der Außengrenzen. Europa bedeutet aber nicht einen Bruch der rechtlichen Vereinbarungen – wie Dublin III –, die wir haben, und es bedeutet auch nicht, das deutsche Aufenthaltsrecht einfach ad absurdum zu führen.
Deshalb müssen Sie solche Entscheidungen mittlerweile wahrscheinlich mit dem Rücken an der Wand stehend treffen. Die große Problematik ist, dass Sie Europa mit dieser Politik ad absurdum geführt haben.
Wir glauben – der Herr Ministerpräsident hat das gefordert; deswegen haben wir den Antrag heute hier vorgelegt –, dass wir über die Frage diskutieren müssen, was jetzt zu tun ist. Als Freie Demokraten haben wir hier den Vorschlag gemacht – der auch von Thomas de Maizière unterstützt wird –, endlich die Flüchtlinge, die aus Kriegsgebieten kommen, die sogenannten Bürgerkriegsflüchtlinge, aus dem Asylverfahren herauszunehmen und für sie einen subsidiären Schutz zu etablieren.
Außerdem ist es richtig und notwendig, dass wir endlich zwischen denen, die in Deutschland Asyl beantragen wollen, denen, die als Bürgerkriegsflüchtlinge um Leib und Leben fürchten müssen, und den vielen Hunderttausenden differenzieren, die in Deutschland als Zuwanderer ihre wirtschaftliche Situation verbessern wollen.
Das ist auch nicht illegitim. Es gibt, wie gesagt, seitens einiger Unionskollegen Unterstützung dafür, dass wir für die Zuwanderer – die Hunderttausenden, die jetzt kommen – Kriterien festlegen: wen wir in Deutschland integrieren können, wen wir brauchen und wen wir nicht brauchen. Es ist doch nur legitim, dass wir in diesem Bereich eine grundlegende Politik betreiben, die das Ziel hat, diesen Menschen eine Perspektive zu bieten; denn viele von denen, die jetzt kommen, werden wir niemals in den Arbeitsmarkt integrieren können, wenn die Zahlen so bleiben. Deshalb brauchen wir hier endlich eine Umkehr. Liebe Kollegen von der Union, wacht an der Stelle bitte auf. So kann es nicht bleiben.
Subsidiärer Schutz für Bürgerkriegsflüchtlinge würde bedeuten, dass wir diese aus den Asylverfahren herausnehmen und somit die Asylverfahren, was die Zahlen betrifft, endlich entlasten, damit sich die Institutionen, die sich damit beschäftigen, um die Fälle kümmern, bei denen es um Asylprüfungen geht. Es ist notwendig, dass der Staat wieder handlungsfähig wird. Er ist es an vielen Stellen nicht mehr, und wir können doch nicht zusehen, wie das Gebil
de, das wir als Gesellschaft stützen und das wir für die Sicherung der Grenzen des Rechtsstaats – also für die innere Sicherheit – brauchen, nicht mehr handlungsfähig ist.
Wir müssen als Parlamentarier alles dafür tun, dass bei den Menschen, die jetzt zu uns kommen, differenziert wird und dass in Deutschland das gemacht wird, was wir Freie Demokraten im Jahr 2002 zum ersten Mal und dann immer wieder beantragt haben: dass wir hier endlich ein Zuwanderungsgesetz verabschieden.
Wir brauchen ein Zuwanderungsgesetz, in dem für diejenigen, die hier einwandern wollen, Kriterien festgelegt werden – wer kommen kann und wer nicht –; denn Integration kann nur funktionieren, wenn diese Menschen irgendwann einmal von ihrer eigenen Hände Arbeit leben. Sie müssen in Deutschland eine Perspektive bekommen, damit sie ihre berufliche Entwicklung selbst planen können und nicht zum Schluss von staatlichen Transferleistungen leben müssen.
Deshalb brauchen wir ein Zuwanderungsgesetz. Der Herr Ministerpräsident hat in seinem Interview neben der Beschimpfung der FDP, weil wir angeblich keine Anträge stellen würden, auch gesagt, wir würden das wie eine Monstranz vor uns hertragen. Richtig ist, dass es die CDU in Deutschland ist, die ungefähr seit 14 Jahren verhindert, dass wir ein Zuwanderungsgesetz bekommen. Die Diskussion, die dort geführt wird, kommt viel zu spät – wir sollten das 2017 bekommen.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Wir sind jetzt in dieser Situation, weil an der Stelle staatlich falsch gehandelt worden ist.
Letzter Satz: Ich wünsche mir, dass wir endlich eine realistische Diskussion über das Thema Zuwanderung und Flüchtlinge führen und dass die hessische CDU ihren Kuschelkurs gegenüber der Kanzlerin aufgibt. Es hilft nichts, die „Augen zu und durch“-Politik weiter zu betreiben, nur weil man glaubt, man würde ansonsten die Bundeskanzlerin beschädigen. Was richtig ist, muss auch richtig bleiben. Da könnte die hessische CDU mit ihrer Verantwortung einen großen Beitrag leisten. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Rentsch. – Als nächste Rednerin spricht nun Frau Cárdenas von der Fraktion DIE LINKE. Bitte schön, Frau Kollegin, Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Seit Wochen erleben wir in atemberaubender Geschwindigkeit eine Erosion menschenrechtlicher Standards auf dem Gebiet des Flüchtlingsrechts. Eine Asylrechtsverschärfung folgt der anderen, und es ist selbst für Fachleute auf dem Gebiet des