Glauben Sie wirklich, dass die Qualität der Kinderbetreuung in Hessen vorankommt, wenn Sie alle Steuerungsin
strumente abschaffen, wenn Sie letztlich auch alle Träger, Kinder und Bedarfslagen über denselben Leisten scheren? Wir glauben das nicht.
Viertens. Sie reiten billig auf der Welle „Freibier für alle“. Gesetzentwürfe wie der Ihrige suggerieren den Bürgern, der Staat könne für alles aufkommen, Kinder seien eine Gemeinschaftsaufgabe, Erziehung und Bildung ließen sich beliebig outsourcen. Nach Ihrem Gesetzentwurf zahlen die Eltern, die sich vor dem Beginn der Schulpflicht in kleinerem oder größerem Maße noch selbst um die Erziehung und Bildung ihrer Kinder kümmern wollen, aus ihren Steuergeldern die Betreuung der Kinder mit, deren Eltern in der kostenfrei gewonnenen Zeit ihren Lebensstandard – bis hin zur Altersversorgung – sichern. Es sollte kein Missverständnis aufkommen: Ich fechte hier jederzeit für die Entscheidungsfreiheit beider Elternteile, einer intensiven Berufstätigkeit nachzugehen. Darüber sollen jede Mutter, jeder Vater, jedes Elternpaar selbst entscheiden können. Aber Ihr Gesetzesvorhaben wäre faktisch ein gewaltiges Subventionsprogramm für Gutverdiener, die zu den großen und notwendigen Investitionen in gute Kinderbetreuung erheblich beitragen können und beitragen müssen. Dies können wir so nicht mittragen.
Fünftens. Sie haben ein entmündigendes Verständnis von elterlicher wie kommunaler Verantwortung. Ihr Gesetzentwurf – Sie haben es fast so formuliert – kommt als eine Entlastungsmaßnahme daher. Eltern werden von ihrem – im Schnitt – 15-%-Beitrag zu den tatsächlichen Aufwendungen der öffentlichen Hand für die Kinderbetreuung entlastet. Kommunen werden von der Aufgabe entlastet, die Kinderbetreuung kosteneffizient und bedarfsgerecht bereitzustellen. Eine solche Herangehensweise erreicht das Gegenteil dessen, was sie zu wollen vorgibt.
Das wäre eine unverantwortliche Aufblähung staatlicher Leistungen, eine unangemessene und aus unserer Grundordnung nicht ableitbare Relativierung elterlicher Verantwortung, eine Unterminierung des Subsidiaritätsprinzips, das die Vielzahl der sozialen und der Fürsorgeaufgaben – sie sind wirklich wichtig, das wissen wir – leistbar und bezahlbar macht. Das wäre nicht verantwortbar. Dagegen nimmt sich die Gleichstellung von Tagespflege und Tageseinrichtungen in Form derselben Förderpauschalen – trotz hochgradig verschiedener Betreuungsbedingungen – als ein geradezu läppischer Schnitzer in Ihrem Gesetzentwurf aus.
Eine Bemerkung zum Schluss. Wir machen Politik für eine hochwertige Kinderbetreuung und elterliche Wahlfreiheit. Mit dem Kinderförderungsgesetz haben wir aus gutem Grund enorm viel Geld in die Kinderbetreuung gegeben, und wir haben für hohe Qualität und mehr Gerechtigkeit in der Finanzierung gesorgt. Es geht um jährlich 460 Millionen €. Dieser Betrag wird durch Ausgaben für die Betreuung von Flüchtlingskindern nochmals deutlich steigen. Demgegenüber wurden z. B. im Jahr 2006, vor zehn Jahren, nur rund 100 Millionen € für die Betreuung ausgegeben. Die Erhöhung der Mittel spricht eine deutliche Sprache.
Ich habe es hier oft dargelegt, deshalb nur in Stichworten: Es sind wirklich vernünftige Mindestanforderungen, die wir stellen, mit höheren Grundpauschalen unterlegt, und es sind gute Qualitätsziele mit guten Instrumenten, wie z. B. dem Bildungs- und Erziehungsplan, zu deren Erreichung
wir Anreize setzen. Die Förderlogik des KiföG behandelt alle Kinder gleich und berücksichtigt gleichwohl besondere Förderbedarfe.
All dies streichen Sie in Ihrem Gesetzentwurf. Wir hingegen machen eine zielgerichtete Politik für Qualität in der Kinderbetreuung, die wir fortsetzen und sogar noch intensivieren wollen. Schon heute zahlt die öffentliche Hand – also wir alle – rund 85 % der Kinderbetreuung aus Steuermitteln. Staffelungen der – an den tatsächlichen Kosten gemessen – in der Regel geringen Beiträge sind möglich und üblich. Hartz-IV-Empfänger, sozial schwache Familien werden von den Gebühren befreit. Der Höchstsatz für eine Ganztagsbetreuung in Frankfurter Kitas – das mag dort eine glückliche Situation sein, aber sie ist nicht untypisch – beträgt pro Stunde rund 1 €. Außerdem ist das dritte Kindergartenjahr – daran machen wir keinen Abstrich – in Hessen schon heute gebührenfrei.
All dies zeigt: So, wie es ist, sind Kinder und Eltern, sind die Familien an diesem Punkt in Hessen sehr gut aufgehoben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linkspartei, Sie machen mir immer Freude, wenn Sie ein familienpolitisches Thema aufrufen. Dieser Gesetzentwurf aber ist so fern der realen Anforderungen in Hessen, dass ich nur sagen kann – sehen Sie es mir nach –: Bei den LINKEN ist die Erde eine Scheibe, und wenn das Schiff in See sticht, bricht der Meeresspiegel.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zunächst einmal ist es zu begrüßen, dass das Thema Gebührenfreiheit für den Besuch von Kindertagesstätten offensichtlich Konjunktur hat. Diese Konjunktur ist durch vollkommen richtige Initiativen und Vorstöße meines Partei- und Landesvorsitzenden ausgelöst worden. Wir werden morgen einen Gesetzentwurf zu diesem Thema vorlegen, zu dem ich jetzt nichts sagen will; denn das ist die einzige der vorgelegten Gesetzesinitiativen, die keinen Pferdefuß hat.
Es gibt zwei weitere Initiativen. Ich will sie in der Reihenfolge der Zahl ihrer Pferdefüße behandeln. Da ist zunächst einmal die Initiative der FW, die im Moment Gegenstand einer Unterschriftenaktion, des Versuchs ist, ein Volksbegehren zu initiieren. Diese Initiative hat zwei Pferdefüße. Der eine Pferdefuß besteht darin, dass die dort angesetzte Pauschale für die Erstattung des Landes bei der Freistellung von Kindergartenbeiträgen für die U-3-Betreuung genauso hoch ist wie für die Ü-3-Betreuung. Das dürfte für den Bereich U 3 deutlich unangemessen sein, weil die Gebührenbelastung von Eltern im U-3-Bereich auch im Landesdurchschnitt unerfreulicherweise deutlich größer ist als 1.200 € pro Jahr. Das heißt, an dieser Stelle wird man über die Pauschale sagen müssen, dass sie nicht auskömmlich wäre, was die Einnahmeausfälle der Kommunen anginge.
Zweitens haben die Kollegen von den FW einen Zuwendungsmechanismus vorgeschlagen, der das ins Gegenteil verkehrt, indem sie auch die Zuwendungen für U-3-Kitabeiträge nach der Zahl der gemeldeten Kinder im jeweiligen Jahrgang berechnen wollen. Das heißt, für alle Kinder, die in einer Kommune in den betreffenden Jahrgängen gemeldet sind, würden 1.200 € erstattet. Wir haben im Moment im Landesdurchschnitt aber eine Betreuungsquote von 30 % – mit einer Streuung zwischen 20 % und knapp über 36 %. Das heißt, das wäre von Kommune zu Kommune sehr unterschiedlich, was eine extreme Ungleichbehandlung bedeuten würde, und das kann nicht der Weisheit letzter Schluss sein.
Jetzt komme ich zu dem Gesetzentwurf der Kollegen von der LINKEN: Wie gesagt, zur Begründung der Gebührenfreiheit wird mein Fraktionsvorsitzender morgen eine Menge vorbringen; das spare ich mir. Ich habe sechs Pferdefüße ausgemacht, und das ist selbst für ein Pferd eine ganze Menge – für einen Gesetzentwurf erst recht.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es beginnt damit, dass Sie die Objektförderung, also die Betriebskostenförderung, und die Subjektförderung, nämlich die Entlastung der Eltern von Kitabeiträgen, in einem Förderinstrument zusammenfassen. Das kann man zwar machen, aber es gibt eine Reihe von Problemen.
Das eine Problem – Pferdefuß Nummer zwei – ist die Höhe der Pauschale. Mir ist auch nach mehrmaligem Studium Ihres Gesetzentwurfs inklusive der Begründung vollkommen unklar, wie Sie zu der festgesetzten Höhe der Pauschale kommen.
Ich will übrigens, was die Bürokratie angeht, sagen: Nicht die Pauschale ist unser Problem bei der durch das KiföG bedingten Bürokratie, sondern problematisch ist im Wesentlichen die Personalbemessung mit ihren vielen Verästelungen, von der Fachkraft-Kind-Relation in den unterschiedlichen Konstellationen bis zu den Betreuungsmittelwerten. Die Pauschale ist pauschal, und eine Pauschale, die pauschal ist, ist einfach. Die Höhe der Pauschale ist also – so sehe ich das – letzten Endes mehr oder weniger willkürlich festgesetzt worden.
Dritter Punkt. Sie haben bei der Pauschale keine Differenzierung nach Betreuungszeiten mehr. Das heißt, eine Kommune, die wenig Ganztagsbetreuung anbietet, erhält das Gleiche wie eine Kommune, die viel Ganztagsbetreuung anbietet. Das kann nicht im Interesse des Landesgesetzgebers sein.
Der Landesgesetzgeber – unterstellt, dass wir eine bedarfsdeckende Betreuung haben wollen – muss ein Interesse daran haben, dafür zu sorgen, auch durch finanzielle Anreize oder zumindest durch das Vermeiden von Fehlanreizen, dass zusätzliche Ganztagsplätze geschaffen werden bzw. dass wenigstens kein Abbau erfolgt. Deswegen finde ich dies hier falsch.
Ich habe zur Nichtdifferenzierung zwischen Ü-3-Betreuung und U-3-Betreuung schon im Zusammenhang mit dem FW-Antrag etwas gesagt. Ich glaube, da wäre es vielleicht
Vierter Punkt. Weiterhin finde ich die Einbeziehung und damit die Auflösung der besonderen Pauschale für die inklusive Betreuung problematisch. Ich finde, das ist ein Punkt, über den man nicht nonchalant hinweggehen kann. Man sollte sehr gründlich überlegen, bevor man ein besonderes Förderinstrument für einen besonderen Tatbestand aus der Hand gibt, obwohl man noch keine wirklich inklusive Betreuungslandschaft hat. Das im Zusammenhang mit einer Pauschale, die auch aus anderen Gründen problematisch ist, einfach in die Landschaft zu setzen macht die Sache meines Erachtens nicht einfacher.
Fünfter Punkt. Sie wollen § 32c streichen, und Sie glauben, damit hätten Sie die gesetzlichen Voraussetzungen dafür geschaffen, dass Teilnahmebeiträge nicht mehr erhoben werden. Das ist aber nach meiner Lesart falsch; denn § 32c regelt nur, dass die Kommunen, die eine Erstattung von ausfallenden Teilnahmebeiträgen in Anspruch nehmen wollen, auch keine erheben dürfen. Er regelt die Art und Weise, wie das gemacht wird.
Wenn Sie den Paragrafen ersatzlos streichen – das können Sie meines Erachtens gar nicht –, haben Sie damit noch immer keiner Kommune verboten, Teilnahmebeiträge zu erheben. Meines Erachtens können Sie einer Kommune auch nicht gesetzlich verbieten, Teilnahmebeiträge zu erheben, wenn Sie es nicht anders regeln. Das kann im Grunde nur eine Regelung mehr oder weniger in Analogie zur gegenwärtigen sein.
Letzter Punkt. Sie haben in der Tat das Füllhorn Ihrer Gnade ausgeschüttet: 520 Millionen €; das ist ein Wort wie Donnerhall. Aber die Antwort auf die Frage, woher diese 520 Millionen € realistischerweise kommen, wird entweder gar nicht gegeben oder so leise geflüstert, dass ich sie in diesem Donnerhall nicht gehört habe.
Wir werden einmal sehen, was die Anhörung bringt. Sie haben festgestellt, dass meine Skepsis auch nach mehrmaliger intensiver Beschäftigung mit dem Vorschlag nicht kleiner geworden ist. Aber ich lasse mich auch eines Besseren belehren. – Herzlichen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Dass sich die LINKEN hier über Steuererhöhungen beschweren, hat mich ein bisschen überrascht. Sie sind doch meistens ganz vorne mit dabei, wenn es um Steuererhöhungen geht, und die Grundsteuer müsste eigentlich Ihr Lieblingsinstrument sein. Das ist schließlich eine verkappte Vermögensteuer; Sie müssten doch jubeln, wenn sie erhöht wird.
Das nehmen Sie jetzt als Grundsatzargument für die Kostenfreiheit. Ich glaube nicht, dass die Kostenfreiheit darüber erklärt werden muss, wie die Kostenverteilung in den Kommunen momentan aussieht, sondern das ist eine grundsätzliche Frage.
Wir haben drei Eckpunkte in der Betreuungspolitik: Das eine ist die Verfügbarkeit von Plätzen, das andere ist die Qualität, und der dritte Punkt ist die Kostenfreiheit. Ich denke, man kann die gesamte Debatte nicht führen, ohne alle drei Aspekte im Auge zu haben.
Ich möchte mit einer Sache aufräumen – auch morgen werde ich noch einmal versuchen, das Ihnen nahezubringen –: Ein Argument, das auch in der Begründung Ihres Gesetzentwurfs wieder zu lesen ist, ärgert mich ganz enorm, nämlich dass das Betreuen der Kinder eine Belastung für die Kommunen und damit für den Staat und für die Gesellschaft ist. Das Argument kommt auch hier wieder zum Tragen.
Wenn Sie ehrlich rechnen und sich intensiv mit dem Thema auseinandersetzen, wissen Sie ganz genau, dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf einen großen Gewinner hat, und das ist der Fiskus in Deutschland. Der Staat gewinnt, wenn beide arbeiten.
Es gewinnen nicht die, die Bittsteller beim Staat sein müssen und beide arbeiten gehen; denn wenn die Verteilung des Aufkommens aus der Einkommensteuer nicht so geregelt wäre, dass die Kommunen nur einen kleinen Prozentsatz des Aufkommens behalten dürfen und alles andere an Land und Bund geht, würde sich die Kinderbetreuung für die Kommune sogar noch rechnen. Das ist die Realität.
Ich bitte Sie, das Argument bei den Diskussionen über die Kinderbetreuung im Hinterkopf zu behalten; denn es wird immer wieder ein Stück weit als Vorwurf gegen die Menschen benutzt, die die Betreuung in Anspruch nehmen: Ihr beutet den Staat ein Stück weit aus; wir müssen für eure Kinder bezahlen. – Das ist falsch. Dadurch, dass beide in der Familie arbeiten gehen, verdient der Staat Geld. Das ist die Wahrheit, und die dürfen wir nicht verschweigen, wenn wir über dieses Thema reden.
Es ist mir wichtig, das immer wieder im Grundsatz klarzumachen; denn ich glaube, die Elternteile, die Familien oder die alleinerziehenden Männer und Frauen, die dies stemmen und diese Einrichtungen in Anspruch nehmen, haben es verdient, dass man das würdigt.
Der andere Aspekt ist: Wir alle wissen – es gab zwar katastrophale Rentenbeschlüsse durch die letzte Bundesregierung –, dass die Familien die Rente in Zukunft gemeinsam verdienen müssen, weil man im Alter von einer Rente allein vielleicht nicht mehr so gut leben kann. Beide müssen arbeiten, um ihr Alterseinkommen in irgendeiner Weise sichern zu können. Auch das sollten wir grundsätzlich im Auge behalten.
Zu Ihrem Gesetzentwurf konkret: Ich muss sagen, die Mindeststandards, die wir festgesetzt haben, so radikal zu streichen und ihre Steuerung aus der Hand zu geben – dabei habe ich mir oft Ihre Argumentation anhören müssen, wenn es um Standards geht –, macht mich schier fassungslos.