Wenn Sie sich Hessen im Vergleich zu den anderen Bundesländern anschauen, dann stellen Sie fest, der Rückgang des Finanzierungsdefizits von 2013 auf 2014 ist der höchste Rückgang aller Finanzierungsdefizite der Kommunen in Deutschland. Es spricht jedenfalls etwas dafür, dass das Erholungstempo der hessischen Kommunen signifikant höher ist als im Rest Deutschlands, zumindest im Westen. Meine Damen und Herren, darauf können die hessischen Kommunen sehr stolz sein.
Die Probleme sind hier im Hause umfänglich diskutiert worden, und die Politik der Landesregierung hat gegengesteuert. Ich will das einmal verdeutlichen. Zu den Problemen gehört, dass die hessischen Kommunen im Durchschnitt über zu hohe Altschulden verfügen. Im Übrigen verteilen sich die Altschulden interessanterweise nicht nach der klassischen Diskussionslage „Arme Kommunen, hohe Schulden – reiche Kommunen, weniger Schulden“. Wir wissen, dass die Gauß‘sche Normalverteilung der Altverschuldung quer durch die Finanzkraftlandschaft der hessischen Kommunen geht.
Das zweite große Problem ist die Spreizung der Steuereinnahmen der hessischen Kommunen. Der Durchschnitt mit 1.300 € an Steuereinnahmen je Einwohner ist der höchste Durchschnittswert in Deutschland. Er bildet sich daraus, dass es eine Reihe von hessischen Kommunen gibt, die exorbitant hohe Steuereinnahmen haben, wohingegen es eine sehr große Zahl von Kommunen gibt, die sich am anderen Ende der Steuerskala befinden. Meine sehr verehrten Damen und Herren, deshalb wundert es mich immer wieder, dass die Sozialdemokraten dieses Hauses entgegen ihren sonstigen Gewohnheiten das Herz für die reichsten Kommunen in besonderer Weise erwärmen können und das hier auch noch artikulieren.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, nun mein dritter Punkt. Natürlich hat die große Wirtschaftskrise 2008/2009 bei den Investitionen – politisch gewollt, ich glaube, auch von großen Teilen dieses Hauses – eine Zweiteilung bewirkt. Zum einen war es eine Entscheidung, hier im Hessischen Landtag mit großer Mehrheit getroffen, dass wir Investitionen des Landes und der Kommunen in den Jahren 2010, 2011 vorziehen wollten, um zu helfen, diese große Wirtschaftskrise zu bewältigen – aber mit der gleichzeitigen Absichtserklärung, dass das nur vorgezogene Investitionen sind, keine zusätzlichen. Damit war klar, dass danach die Investitionstätigkeit sowohl des Landes als auch der Kommunen wieder absinken würde. Das war eine klare, hier gemeinschaftlich artikulierte und beschlossene Verabredung. Daher kann ich das Beklagen eines absinkenden Investitionsniveaus in dieser Reinkultur, wie es hier gelegentlich vorgetragen wird, nicht nachvollziehen.
Trotzdem haben wir entschieden – und damit komme ich zu der ersten Frage, was wir zur Bewältigung dieser Probleme in die Wege geleitet haben –, mit dem Kommunalinvestitionsprogramm nicht nur die Bundesmittel, sondern als einziges Bundesland in Deutschland auch noch weiteres Landesgeld in die Hand zu nehmen, um Investitionstätigkeiten in den Kommunen einen weiteren Schub zu geben.
Zweiter Punkt: Was haben wir gegen die Altschulden unternommen? Der Schutzschirm ist in seiner Konzeption bundesweit einmalig – ich bin dem Kollegen Hahn sehr dankbar dafür, dass er darauf nochmals hingewiesen hat –: eine freiwillige Entscheidung der Kommunen, mitzumachen.
Wir haben es auch erlebt, dass der Kollege Schmidt und auch der eine oder andere Sozialdemokrat im Vorfeld der Entscheidung der Gemeinden, beim Schutzschirm mitzumachen, als Handlungsreisende durch die hessische Kommunalfamilie gelaufen sind, um die Leute davon zu überzeugen, nicht mitzumachen.
(Norbert Schmitt (SPD): Das ist falsch! – Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Das ist falsch, ausdrücklich! Eine Frechheit!)
Diese Reisetätigkeit haben Sie relativ schnell wieder eingestellt, wie wir wissen, Herr Kollege Schmitt.
(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Genau das Gegenteil ist der Fall! – Norbert Schmitt (SPD): Das ist typisch! – Glockenzeichen der Präsidentin – Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Entschuldigung, wenn ihr das Gegenteil sagt – – Glockenzeichen der Präsidentin – Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Dann ist das charakterlos!)
Es wird sich sicherlich im Protokoll feststellen lassen. Mich tangiert das an dieser Stelle nicht übermäßig.
Mein zweiter Punkt. Was haben wir darüber hinaus unternommen? Die Reform des Kommunalen Finanzausgleichs sorgt dafür, dass sich die Spreizung zwischen den Kommunen reduziert, indem die reichsten Kommunen in Hessen einen Beitrag dazu leisten, dass die ärmsten in der Lage sind, eine Zukunftsperspektive zu entwickeln. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist eine richtige und notwendige Maßnahme.
Mit diesem Dreiklang aus Schutzschirm, Kommunalem Finanzausgleich und Kommunalinvestitionsprogramm entsteht am Ende eine generationengerechte Zukunftsperspektive für die Kommunen in unserem Land. Das ist eine kommunalfreundliche Politik.
Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang noch auf den Punkt vom Kollegen Hahn eingehen – übliche Regelung: Spitzabrechnung im übernächsten Jahr für den Haushalt. In diesem Zusammenhang wurde mit den Kommunen die Frage diskutiert: Was passiert, wenn sich Spitzabrechnungen im neuen System in einem Teilsegment ergeben? Wie geht man damit um? Deshalb gibt es in der gesetzlichen Regelung eine fakultative Klausel, damit so umzugehen wie früher, jedoch mit den Kommunen ein Gespräch darüber zu führen, wie man in solchen Fällen künftig mit Spitzabrechnungen umgeht. Es besteht also eine Perspektive, darüber zu reden, allerdings erst mit Wirkung für das Haushaltsjahr 2017, also im übernächsten Jahr. In diesem Jahr ändert sich gar nichts. Das an dieser Stelle.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluss eines sagen. Ich glaube, bei allen Interessengegensätzen hier im Hause und bei den unterschiedlichen Perspektiven, in denen wir auf dieses Thema draufschauen, sind wir gut beraten, nicht den Versuch zu unternehmen, aus vermeintlichen Interessen, die bei einer Wahl eine Rolle spielen, die hessischen Kommunen dauerhaft schlechtzureden. Wie sollen wir Menschen vor Ort weiter motivieren, sich für ihre Heimat einzusetzen, wenn sie aus dem Hessischen Landtag immer nur hören, welches Elend die hessischen Kommunen ausstrahlen? Wir wollen lebendige Kommunen. Wir haben lebendige Kommunen. Wir haben alles dafür unternommen, dass das auch so bleibt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie uns auch in diesem Sinne darüber reden, denn das ist gut für die Demokratie vor Ort. – Vielen Dank fürs Zuhören.
Herr Minister, nur eine kurze Erwiderung. Denn der Hinweis auf die höchsten Steuereinnahmen der hessischen Kommunen sagt doch für sich überhaupt nichts aus.
Herr Boddenberg, zumindest von Ihnen hätte ich erwartet, dass Sie das wissen. – Das sagt deswegen nichts aus, weil es doch entscheidend ist, welche Aufgaben den Kommunen zugewiesen sind, welche Aufgaben sie leisten müssen.
Dazu gibt es einen interessanten Befund. Der betrifft den sogenannten Kommunalisierungsgrad, also den Grad an öffentlichen Aufgaben, den die Kommune zu leisten hat. In der Bundesrepublik ist dieser Grad in Hessen am höchsten.
Moment, das sagen auch Untersuchungen von Herrn Junkernheinrich, das gibt es aus vielen Bereichen. Wenn Sie das ernsthaft bestreiten, dann gehen wir einmal in eine Dis
Hessen hat mit 43 % den höchsten Kommunalisierungsgrad. Danach kommt Nordrhein-Westfalen, dann kommt Bayern. Entscheidend ist natürlich, welche Aufgaben erledigt werden müssen. Wenn die Kommunen in Hessen die meisten Aufgaben zu erledigen haben, dann müssen sie natürlich auch die höchsten Einnahmen erhalten, dann müssen ihnen die meisten Einnahmen zur Verfügung gestellt werden.
Das ist nun der Streit: dass die eigenen Einnahmen, die durchaus hohen Steuereinnahmen, mit den Ausgaben überhaupt nicht Schritt halten, die die hessischen Kommunen leisten müssen.
Damit komme ich zu einer ganz entscheidenden Frage: Sind die Kommunen in der Lage, ihre Investitionsleistungen zu bewältigen? Dazu sagen Sie, der Vergleich mit dem Jahr 2010 sei problematisch, weil damals durch ein Investitionsprogramm die Investitionstätigkeit hochgefahren worden ist und danach abgesenkt wurde.
Meine Damen und Herren, wenn man das nun vergleicht, sogar um die Inflation bereinigt, dann kann man feststellen, dass die Ausgaben für die Investitionen der Kommunen im Jahr 1994 höher waren als im Jahr 2014. Diese Dimension ist belegbar, das können Sie im Statistischen Landesamt oder im Bundesamt nachfragen. Damit wird doch die Dimension deutlich.
Wir alle wissen doch, dass die hessischen Kommunen eigentlich einen Investitionsbedarf von 8 bis 10 Milliarden € haben. Da ist doch ein lächerliches Investitionsprogramm von 1 Milliarde € völlig unterdimensioniert, angesichts der Probleme bei Schulbau, Straßenbau, Sanierung öffentlicher Gebäude, Bereitstellung von Kitas,
Herr Minister, eines lasse ich Ihnen aber auch nicht durchgehen. Sie machen das immer so beiläufig, solche Fehlbehauptungen. Ich bin nicht durchs Land gereist – – Übrigens habe ich im Kreis Bergstraße dem Schutzschirm zugestimmt. Ich habe nur überall – wie wir alle – darauf hingewiesen, welches die Folgen dieser Vereinbarung sein werden, dass das unterdimensioniert ist. Das habe ich vorher deutlich gemacht: Allein im Jahr 2010 betrug das Defizit 2,2 Milliarden €. Das haben Sie praktisch nicht mehr eingefangen und in zwei Jahren selbst verursacht. Ich habe auch auf die Folgen hingewiesen. Am Ende werden nämlich die Bürgerinnen und Bürger in Hessen die Zeche dafür zahlen, dass Sie Ihren Unterhaltspflichten gegenüber den Kommunen nicht nachkommen.
Das ist in diesem Schutzschirm dokumentiert. Deswegen kann ich mich nochmals wiederholen, und dabei bleibt es: Der 6. März ist ein guter Tag, um anschließend zu diskutieren, wie die hessischen Bürgerinnen und Bürger über Ihre Politik gerichtet haben. – Herzlichen Dank.