Jetzt kommen wir zum zweiten Teil des Themas, das uns nach wie vor mit Sorge umtreibt. Zwei Drittel der verfestigten Arbeitslosigkeit sind nach wie vor besorgniserregend. Deswegen sagen wir auch in unserem Koalitionsvertrag: Wir wollen niemanden zurücklassen, wir wollen niemanden vergessen, wir wollen auch die verfestigte Langzeitarbeitslosigkeit aufbrechen.
Deswegen haben wir ein Budget für Ausbildung, ein Arbeitsmarktbudget, wir haben Programme für Nachqualifizierung, für Ausbildung und Arbeitsplatzförderung in den diversen Häusern der Landesregierung eingerichtet, weil wir keinen aufgeben wollen, weil für uns soziale Gerechtigkeit und Teilhabe für alle Menschen wichtig sind. Daran arbeiten wir.
Wir wollen die Zahl von 182.000 Arbeitslosen in Hessen weiter reduzieren. Wir wollen, dass jeder, der das will, in Arbeit kommt und Teilhabe an der Gesellschaft hat. Das bleibt unser Ziel: erstens eine gute Situation in Hessen und zweitens weiter viel Arbeit, damit jeder Arbeitslose tatsächlich eine Perspektive hat, in den Arbeitsmarkt zu finden. Das ist die Politik: seriös, Schritt für Schritt. Die gehen wir weiter. – Ich danke Ihnen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die CDU hat diese Aktuelle Stunde zur Lage auf dem Arbeitsmarkt beantragt, um die eigene Landesregierung zu bejubeln. Das ist komisch; denn wenn wir Probleme auf dem Arbeitsmarkt – z. B. Massenentlassungen und Tarifflucht – hier zum Thema machen, dann erklären Sie sich gerne für nicht zuständig und reden sich auf die Tarifautonomie heraus, dass der Staat sich aus unternehmerischen Entscheidungen herauszuhalten habe.
Es ist ja ein allgemeines Phänomen Ihrer Politik: Wenn etwas gut läuft, schreiben Sie es sich auf die Fahne, völlig egal, ob Sie einen Beitrag dazu geleistet haben oder nicht. Aber wenn etwas schlecht läuft, dann wollen Sie es am liebsten überhaupt nicht diskutieren.
Meine Damen und Herren, ja, die Lage auf dem Arbeitsmarkt hat sich den Zahlen nach verbessert. Dabei dürfte das nach Ansicht der CDU und vieler sogenannter Wirtschaftsexperten eigentlich überhaupt nicht sein. Denn über Jahre hinweg wurde gewarnt, dass die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns der Untergang der Volkswirtschaft oder zumindest das Aus für Millionen von Arbeitsplätzen sei. Das haben wir im Landtag immer wieder gehört, auch von dieser Seite. Und siehe da, ein Jahr nach Einführung des gesetzlichen Mindestlohns ist nichts von
Das heißt aber noch lange nicht, dass alles gut ist – auch weil es viel zu viele Ausnahmen vom Mindestlohn gibt. Die Arbeitsmarktzahlen sind nämlich nur ein Teil der Wahrheit. Darauf, dass sie geschönt sind mit 1-€-Jobbern, Zwangsverrenteten oder Warteschleifen, will ich jetzt gar nicht näher eingehen, sondern es geht mir vor allem darum, dass die Zahl der Arbeitsplätze nichts über ihre Qualität aussagt. Laut WSI der Hans-Böckler-Stiftung sind in Deutschland fast vier von zehn abhängig Beschäftigten in Teilzeit, Leiharbeit oder Minijobs tätig.
Diese Beschäftigten leben in permanenter Unsicherheit. Viele von ihnen sind arm trotz Arbeit. Das betrifft Frauen besonders stark, da sie sehr oft zu niedrigen Löhnen arbeiten. Prekäre Beschäftigung bedeutet prekäre Lebensverhältnisse und drohende Altersarmut. Ich finde, dass das eine Schande für ein so reiches Land wie Deutschland ist.
Der hohe Anteil der atypischen Beschäftigung zeigt, dass es nicht nur um Niedrigqualifizierte geht, sondern dass auch gut ausgebildete Facharbeiter und Akademiker betroffen sind. Das kann man beispielsweise an den hessischen Hochschulen beobachten, wo sich viele junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von Befristung zu Befristung hangeln.
Der DGB hat am Dienstag zu Recht darauf hingewiesen, dass der Irrsinn der befristeten Arbeitsverhältnisse endlich eingedämmt werden muss. Wir reden hier über 220.000 Menschen allein in Hessen, Tendenz steigend. DIE LINKE fordert deshalb seit Langem die Abschaffung der sachgrundlosen Befristung und die Verhinderung von Kettenbefristungen.
Auch die Leiharbeit muss wieder reguliert werden. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit muss gelten, die Begrenzung der Überlassungsdauer und die Ausweitung der Mitbestimmung sind nötig. Die unbefristete Festanstellung muss wieder zum Standard werden. Nur dann haben wir gute Arbeit hinter den Zahlen.
Diese Woche hat das Statistische Landesamt mitgeteilt, dass die Reallöhne im letzten Jahr im Durchschnitt um 1,9 % gestiegen seien. Man muss natürlich sagen: Das ist auch ein statistischer Effekt, auch durch die gesunkenen Energiepreise. Zudem stagnierten die Reallöhne über ein Jahrzehnt oder sanken sogar. Erst 2014 wurde das Reallohnniveau von 2000 wieder übertroffen. Am Tiefpunkt 2009 lagen die realen Bruttolöhne um 4,3 % niedriger als 2000.
Das war auch eine Folge der Deregulierung am Arbeitsmarkt, insbesondere durch die Hartz-Gesetze, und des in der Folge wachsenden Niedriglohnsektors. Das hat die Kampfkraft der Gewerkschaften geschwächt und eine Rutschbahn der Löhne in Gang gesetzt und dazu geführt, dass heute viele Menschen zu Niedriglöhnen arbeiten. Hinzu kommt, dass es viele Unternehmen gibt, die in den letzten Jahren versucht haben, sich ihrer Tarifbindung zu entledigen, um ein bisschen mehr Profit zu machen.
Wir stehen jetzt in einer relativ starken wirtschaftlichen Phase. Wenn die Löhne jetzt nicht steigen, wann dann? Das ändert allerdings nichts an der schreiend ungerechten Verteilung von Reichtum in diesem Land. Denn – auch wenn die Reallöhne 2015 leicht gestiegen sind – das ist ein Durchschnittswert, und da gilt der alte Statistikerwitz: Der Jäger schießt einmal links und einmal rechts am Ziel vorbei, statistisch ist die Ente tot. Will heißen: Wenn ein Mensch eine Million besitzt und der andere nichts, dann besitzt statistisch jeder eine halbe Million.
Die soziale Spaltung wächst weiter, wenn die Gewinneinkommen und die Vermögen schneller steigen als die Erwerbseinkommen. Immer mehr Menschen sind von verfestigter Armut betroffen. Auch in wirtschaftlich besseren Zeiten verbessert sich ihre Lebenssituation nicht oder kaum.
Daraus folgt für uns – ich komme zum Schluss –: Notwendig ist zum einen eine Regulierung des Arbeitsmarkts, um die Beschäftigten abzusichern. Zum anderen ist eine höhere Besteuerung von extremen Vermögen und Erbschaften notwendig, um gesamtgesellschaftlich umzuverteilen.
Denn das Geld, das den öffentlichen Kassen fehlt, ist nicht weg, es ist woanders. Geld verschwindet bekanntlich nicht, es wechselt nur den Besitzer. In einer reichen Volkswirtschaft muss es daher möglich sein, dass niemand in Existenzangst leben muss. Gute Arbeit, gutes Leben, das muss drin sein. – Vielen Dank.
Herr Präsident, darauf lege ich Wert. – Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Abg. Arnold, vielleicht liegt es daran, dass ich ein bisschen jünger bin als Sie oder auch frauenpolitischer Sprecher meiner Fraktion,
aber mir ist Ihre Äußerung zu der Frage, wie sich Frauen beim Abschneiden oder sonst etwas verhalten sollen, etwas aufgestoßen. Ich finde, das gehört nicht in diesen Landtag, nicht in dieses Plenum. Vielleicht nutzen Sie die letzte Sekunde Ihrer Redezeit, um das richtigzustellen. Ich fand, das war ein Stück weit unangemessen. Vielleicht ist es nur mir aufgefallen, aber mir hat es nicht gefallen.
Es ist so. Es kann einmal passieren, Herr Arnold. Aber es wäre dann anständig, zu sagen, dass man sich ein Stück weit im Ton vergriffen hat.
Zur Sache möchte ich noch etwas festhalten. Ich wollte eigentlich nichts zum Mindestlohn sagen. Ich dachte gar nicht, dass er eine so zentrale Rolle in der Debatte spielt.
Man hat jetzt überall gehört, dass 8,50 € zu wenig seien, Frau Wissler. Jeder, der bei den Sozialverbänden unterwegs war oder sie hat reden hören, weiß: Die reden schon von 10 oder 12 €. – Wir haben einen Weg eingeschlagen, und die Auswirkungen wird man nicht morgen sehen, sondern erst nächstes oder übernächstes Jahr. Natürlich wird das Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt haben. Wir können uns gerne in ein oder zwei Jahren in Ruhe darüber unterhalten. Das wird passieren, und alles andere, was Sie hier darzustellen versuchen, sind einzig und allein Nebelkerzen.
Ich möchte zu dem wichtigen Thema Arbeitsmarkt auf zwei Dinge hinweisen. Ich möchte darauf hinweisen: Wer sich die Arbeitsmarktzahlen genau angeschaut hat, hat gesehen, dass die Arbeitslosigkeit bei den unter 20-Jährigen steigt, und zwar um 5 %.
Die Ursachen sind jedem von uns klar: Es sind die Flüchtlinge, die jetzt Eingang in die Statistik finden. Damit sind wir bei den wichtigen Themen wie der Erfassung der Qualifikation von Flüchtlingen, den Maßnahmen für die Integration und der Überlegung, wie wir hier optimal agieren können, damit diejenigen, die geringe Vermittlungshindernisse haben, sehr schnell in den Arbeitsmarkt überführt werden können. Wir wissen genau, dass wir bei der Langzeitarbeitslosigkeit ein großes Problem mit den Niedrigqualifizierten haben. Wir müssen dringend für eine Qualifizierung dieser Personengruppe sorgen.
Das Thema Flüchtlinge hat bei Ihnen gar keine Rolle gespielt. Wir wissen genau, dass andere Bundesländer schon in den Erstaufnahmeeinrichtungen versuchen, herauszukristallisieren, wer welche Vorqualifikation hat und wie man diese Menschen schnellstmöglich integrieren kann. Dabei spielt natürlich auch die Frage von Integrationshindernissen eine Rolle. Das kann auch der Mindestlohn sein – man sollte sich da keine ideologischen Denkverbote auferlegen.
Der eigentliche Punkt ist: Wenn man heute in Deutschland und in Hessen über den Arbeitsmarkt spricht, muss man die demografische Situation und den Fachkräftemangel einbeziehen. Jeder Statistiker, jeder Arbeitsmarktexperte schreibt uns die Auswirkungen des Fachkräftemangels ins Stammbuch und macht uns darauf aufmerksam, dass das in Zukunft ein Wachstumshindernis sein wird. Damit verbunden sind die Themen qualifizierte Zuwanderung und qualifizierte Fortbildung. Wie wollen wir denn die Probleme in den Mangelberufen beheben? Wir stehen in diesem Land vor riesigen Herausforderungen, was den Arbeitsmarkt angeht.
Wenn man beim ifo Institut liest, dass die Unternehmer sagen, eines der größten Gefährdungspotenziale für die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland sei die Bundesregierung, dann muss man sich doch einmal Gedanken machen, ob man sich hier als Politiker tatsächlich für eine Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt loben kann, zu der man wenig Positives beigetragen hat, sondern für die man eher als Hindernis gesehen wird. Das muss ich ehrlich sagen.
Es ist immer leicht, zu sagen: „Ich schmücke mich mit fremden Federn.“ Aus meiner Sicht haben das einige Redner hier getan. Das muss jeder mit sich selbst ausmachen. Das ist Ihr Stil. Wenn Sie sagen: „Die Leistung anderer schreibe ich mir jetzt selbst zu“, fällt das auf Sie zurück. Ich würde so etwas nicht tun. Kümmern Sie sich lieber um die großen Herausforderungen, die vor Ihnen liegen. Das ist zum einen die Integration der Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt. Da ist noch viel zu tun. Ich sehe bisher ganz wenige Initiativen – auch hier in Hessen. Das zweite Thema ist die Demografie, der Fachkräftemangel. Da müssen Sie deutlich mehr nachlegen. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Kollege Rock hat eben erwähnt, dass er bei einem Beitrag etwas sprachlos gewesen sei. Ich muss allerdings sagen: Die Rede des Abg. Rock hat mich ein bisschen sprachlos gemacht.
(Janine Wissler (DIE LINKE): Das merkt man gar nicht, es kommt selten vor! – Gegenruf von der CDU: Das stimmt doch gar nicht! – Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)
Ich ringe noch nach Worten, um überhaupt fassen zu können, was ich gerade gehört habe. Ich werde aber noch darauf eingehen.