Deshalb will ich auch noch einmal auf das Thema eingehen, das Herr Kollege Caspar hier vertreten hat. Er sprach in den früheren Jahren als Landtagsabgeordneter für die CDU in Frankfurt zu dem Thema Börse. Ich finde, er hat in sehr vielen Reden, die ich dabei habe, sehr klar und kompetent gesagt, warum es so wichtig ist, dass die Deutsche Börse nicht einfach den Standort Frankfurt verlässt, und was das für Auswirkungen hätte. Damals gab es die Fusionsgespräche mit der New York Stock Exchange.
Herr Caspar, ich kann Ihnen versichern: Ihre Argumente von damals sind unsere Argumente von heute. Sie sind mit Ihren Argumenten bei uns gut aufgehoben.
Denn natürlich kann die Frage, ob ein Deutscher oder ein Deutsch-Engländer CEO eines neuen Unternehmens wird, nicht davon ablenken, wo die Hauptversammlung stattfindet und wo die Geschäftsentwicklung stattfindet. Vielmehr ist es so: Personen kommen und gehen. Das wissen wir seit den Vorgängen um Hoechst und Aventis. Sitze bleiben. Deshalb ist das für uns eine zentrale Frage.
Nächster Punkt. Natürlich werden wir auch über die Frage reden, was es für die Arbeitsplätze bedeuten würde, wenn der Hauptsitz aus Frankfurt weggeht. Die Schilderungen, die wir lesen können – ich kann nur das wiedergeben, was ich lese –, sind, dass immerhin zwischen 800 und 1.500 Arbeitsplätze am Standort Frankfurt infrage stehen.
Natürlich ist das ein Thema, das wir hier besprechen müssen. Denn der Finanzplatz spielt aufgrund seiner besonderen Funktion und angesichts dessen, was um die Börse herum mittlerweile an Dienstleistungen bei den Rechtsanwälten und in anderen Bereichen vorhanden ist, eine ganz zentrale Rolle. Auch dieses Thema darf am heutigen Tag nicht untergehen. Ich halte es für dringend erforderlich, dass wir darüber sprechen.
Kollege Al-Wazir hatte das Börsengesetz erwähnt. Es ist so, dass wir als Land – das hessische Wirtschaftsministerium –, gerade was die angemessene wirtschaftliche Fortentwicklung der Börse angeht, einen Einschätzungsspielraum
haben. Diese Frage muss konkret, sachlich und sauber geprüft werden, und zwar so, wie sie in den vergangenen Jahren vom Kollegen Posch mehrfach geprüft wurde. Kollege Posch ist unter Kritik von vielen von außen immer wieder zu dem Ergebnis gekommen: Alles, was wir bisher hatten, wurde den gesetzlichen Anforderungen nicht gerecht. – Deshalb haben wir damals nach den Fusionsgesprächen kein Plazet als Genehmigungsbehörde des Landes erteilt.
Das hat meiner Ansicht nach damals Kollege Posch mit großer Sachkenntnis, vor allem aber auch mit viel Rückgrat gemacht. Ich will nicht nur auf die Verhandlungen im Jahr 2000 eingehen, bei denen das Angebot der Deutschen Börse war, dass man den Neuen Markt hier lässt und mit dem Rest nach London geht. Ich will einmal daran erinnern, was passiert wäre, wenn das geschehen wäre: Der Neue Markt war zwei Jahre später tot. Das andere ist das, was bei der Deutschen Börse floriert. – Gott sei Dank ist das so nicht passiert.
Deshalb hat der Minister, Kollege Al-Wazir, da eine große Verantwortung. Ja, das betrifft den Verwaltungsakt und seine Folgen. Das sind die §§ 35, 48 und 49 Verwaltungsverfahrensgesetz. Juristen wissen das. Wir wissen aus Untersuchungsausschüssen, welche Auswirkungen das hat. Das ist ein wichtiges Thema. Deshalb bin ich auch der festen Überzeugung, dass Staatsminister Al-Wazir hier seiner Verantwortung nachkommen wird. Wir werden das auch konstruktiv unterstützen.
Ich will zu einem weiteren Punkt kommen, der für diese Debatte zentral ist. Ist es denn für die Deutsche Börse und ihren Partner, die London Stock Exchange, ernsthaft ein Anliegen, eine solche Debatte öffentlich zu führen, wenn doch über die Frage der Zukunft der Briten in der Europäischen Union im Juni 2016 entschieden wird? Was hätte es denn für Auswirkungen, wenn der Brexit kommt? Ich bin der Meinung, das wäre für die Europäische Union eine Katastrophe. Als Marktwirtschaftler bin ich ein großer Anhänger der Briten. Sie haben bei uns in Europa eine zentrale Bedeutung hinsichtlich der Marktwirtschaft.
Es würde doch bedeuten, dass der Hauptsitz dann außerhalb der Europäischen Union liegen würde. Das würde geschehen, wenn das, was uns Vertreter der Börse in persönlichen Gesprächen gesagt haben, Wirklichkeit würde, nämlich dass man es leider nicht geschafft hat, den Hauptsitz in Frankfurt zu halten. Dann würde der wirklich in London sein.
Herr Präsident, vielen Dank. – Diese Debatte kommt auf uns zu. Auch wenn nur 637 km zwischen diesen beiden Städten liegen, ist die Frage, ob der Sitz der Börse innerhalb oder außerhalb der Europäischen Union liegt, eine zentrale.
Deshalb sage ich: Wenn die Verantwortlichen der Börse etwas Gutes tun wollen, dann verhandeln sie in den nächsten Gesprächen im Sinne unseres Finanzplatzes Frankfurt darum, dass dieser Finanzplatz dadurch gestärkt wird, dass der Hauptsitz einer neuen Institution, nämlich der Zusammenschluss der London Stock Exchange und der Frankfurter Börse, hier ist. Das wäre der richtige Platz. Die Börse muss auch in Zukunft am Sitz der Europäischen Zentralbank sein. Das wäre das richtige und ein wichtiges Signal für unseren Finanzplatz. Das hätte er verdient. – Herzlichen Dank.
Herr Kollege Rentsch, vielen Dank. – Als Nächster erhält für die Fraktion der CDU Herr Abg. Reif das Wort. Bitte sehr.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Rentsch, Sie duellieren sich in der politischen Auseinandersetzung gerne mit dem Herrn Wirtschaftsminister AlWazir. Ich möchte einmal auf das ungeschriebene Gesetz im Parlamentarismus hinweisen, dem zufolge der Vorgänger im Ministeramt gegenüber seinem Nachfolger in der politischen Auseinandersetzung doch eher Zurückhaltung übt. Sie machen das nicht.
Ich sage nur: Es stört sich eine ganze Reihe in diesem Haus daran. Ich kann Ihnen nur empfehlen, dieses ungeschriebene Gesetz in Zukunft ein bisschen mehr zu beachten. Sie haben einen wirtschaftspolitischen Sprecher. Der ist sehr eloquent. Der macht das sicherlich auch in der Auseinandersetzung sehr gut.
(Florian Rentsch (FDP): Herr Reif, ich mache das so wie Sie! Ich achte die Gesetze und die Regeln dieses Hauses!)
… lassen Sie mich ein paar Dinge zum gegenwärtigen Stand sagen. Ich kann verstehen, dass Sie versuchen, uns zu drängen. Das wird aber der Sach- und Rechtslage nicht gerecht. Zurzeit liegen weder der Landesregierung noch, wie ich weiß, anderen Aufsichtsbehörden hinreichend detaillierte Informationen über die Struktur, mit der die Fusion geplant ist, vor. Wir können deswegen noch keine konkreten Aussagen über die Auswirkung der Fusion auf den Finanzplatz Frankfurt machen. Das heißt, vieles, was heute gesagt wird …, kann nur vorläufigen Charakter haben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das sagte am 3. März 2011 – also vor fast genau fünf Jahren – der damalige Wirtschaftsminister Dieter Posch
Meine sehr verehrten Damen und Herren, auch das ist die Situation, an die wir uns – und insbesondere die FDP – heute halten sollten.
Man kann und darf den Staatsminister Al-Wazir, der übrigens seine Geschäfte gut macht – ich würde sogar sagen, sehr gut macht –, nicht zu etwas drängen, was uns nachher zum absoluten Nachteil gereicht. Es geht um den dritten Versuch eines Zusammenschlusses. Er ist im Jahr 2000 an einer Erschütterung der Deutschen Börse AG, die einmalig gewesen ist, gescheitert. Der Versuch einer Fusion mit der New York Stock Exchange ist vor fünf Jahren an dem Konstrukt einer Holding in den Niederlanden gescheitert. Jetzt stehen wir vor einem möglichen Zusammenschluss der Deutschen Börse AG mit der London Stock Exchange.
Ich glaube, wir sollten hier freimütig politisch bekennen, dass dies zu einer erheblichen Unruhe am Finanzplatz Frankfurt am Main führt. Dies ist natürlich nicht nur bei den betroffenen Beschäftigten der Fall, die nach der Ankündigung des Vorstandsvorsitzenden Ängste haben, dass der Hauptsitz der künftigen Gesellschaft in London sein soll, sondern auch bei den Standortgemeinden Eschborn und Frankfurt am Main selbst, im Umland des gesamten Finanzplatzes und der Finanzindustrie und natürlich auch bei uns. Ich glaube, uns allen ist am Finanzplatz Frankfurt am Main und an der Finanzindustrie am Standort Frankfurt sehr viel gelegen – das haben die Diskussionen in der Vergangenheit bewiesen. Ich glaube, es gibt keine Auseinandersetzung darüber, wie wichtig das ist. Es gibt vielleicht Auseinandersetzungen darüber, dass es unterschiedliche Wege gibt. Aber die Wichtigkeit steht außer Frage.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, worum geht es? Wie sind wir beteiligt? Ich glaube, wenn wir genauer hinschauen, ist unser Einfluss sehr beschränkt. Die Deutsche Börse AG ist nicht mehr die Gesellschaft, die sie einmal vor 15 bis 20 Jahren war und die von der Deutschland AG, von den vielen Banken, die sich in Deutschland tummeln, und der Industrie gehalten wurde. Die Deutsche Börse hat heute eine vollkommen andere Aktionärsstruktur als früher. Etwa 85 % der Aktionärsstruktur ist in der globalen Wirtschaft und Finanzindustrie wiederzufinden – nicht in der deutschen. Allenfalls 15 % sind bei deutschen und europäischen Aktionären wiederzufinden. Das ist die Realität.
Das heißt also: Andere entscheiden darüber, ob es zu einer Fusion kommt oder nicht. Das ist eine Stellschraube, an der wir überhaupt nichts machen können. Die interessieren sich am Ende nicht dafür, ob London oder Frankfurt wichtig ist. Die interessieren sich beispielsweise dafür, ob 300 Millionen € eingespart werden können, wie in den letzten Tagen in den Zeitungen zu lesen war. Wo sollen die eingespart werden? Nun, IT ist immer eine Sache, bei der man viel einsparen will, aber nachher nichts einsparen kann, weil die Systeme viel zu kompliziert sind.
Lieber Herr Schmitt, die zweite Frage betrifft die Verwaltung: An Toner, Papier und sonstigen Bleistiften können wir nicht viel einsparen. Also, wo spart man ein? Man
spart am Personal. Und das ist das, was die Menschen, die Beteiligten und uns selbst hierbei umtreibt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Nächste ist: Wie soll denn die Struktur aussehen? Das Kerngeschäft der beiden Börsen soll unter dem bestehenden Markennamen weiter betrieben werden. Nun, der Börsenwert der Deutschen Börse liegt bei 15 Milliarden €, der Börsenwert der London Stock Exchange hingegen bei 10,5 Milliarden €. Das heißt: Wenn es darum geht, wer der Stärkere ist – auch beim Gewinn und beim EBITDA usw. –, dann muss der Hauptsitz dahin, wo die Musik spielt, nämlich da, wo die Mehrheit ist.
Lassen Sie mich eines sagen: Ein Merger of Equals – wie das hier immer wieder gesagt wird – ist eine feine Sache. Nur betrügen sich die Beteiligten selbst. Einen Zusammenschluss unter Gleichen gibt es praktisch nicht. Bei einem Zusammenschluss muss man ganz einfach verstehen, dass die Mehrheit dort ist, wo der stärkere Partner ist. Das ist eben Frankfurt. Das ist die Deutsche Börse AG. Daran geht kein Weg vorbei.
Wir wissen doch, zu welchen katastrophalen Folgen das Vorbeimogeln an Wirklichkeiten führt. DaimlerChrysler ist das beste Beispiel für ein grandioses Scheitern eines Merger of Equals. Hier hat man sich an der Wirklichkeit vorbeigemogelt. Ich warne davor, dass man sich auch hier wieder an der Wirklichkeit vorbeimogelt.
(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN – Norbert Schmitt (SPD): Sie haben schon schlechtere Reden gehalten!)
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist alles nicht gut, was wir da lesen. Es ist auch nicht logisch. Gut ist – zumindest für uns –, was gut für Frankfurt, für Hessen und für den Finanzplatz Deutschland ist.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wer die Mehrheit hat, muss auch das Sagen haben. Dass der alte, erfolgversprechende Spruch seine Berechtigung hat, sollte auch hier seinen Einzug finden. Wer die Mehrheit hat, bestimmt in aller Regel auch, wo der Sitz ist – und nicht jemand anderes.
Es ist aus meiner Sicht schon einigermaßen merkwürdig, wenn der künftige Vorstandsvorsitzende will, dass der Sitz der neuen Holding London sein soll, und das rein zufällig seinen persönlichen Wohnortpräferenzen entspricht. Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Wirklichkeit ist doch, dass sich der Wohnort des Vorstandsvorsitzenden nach dem Sitz des Unternehmens richtet – und nicht umgekehrt. So habe wenigstens ich es verstanden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, etwas anderes stößt zumindest mir auf – und sicherlich auch vielen anderen in diesem Hause. Herr Carsten Kengeter ist sicherlich ein fähiger Mann und Manager. Aber wir haben gelesen, dass er sich am 18. Dezember 2015 mit insgesamt 60.000 Stück Aktien der Deutschen Börse im Wert von 4,5 Millionen € eingedeckt hat. Nun, das ist nicht viel. Das ist für den gemeinen Mann sehr viel, für Herrn Kengeter aber un