Protokoll der Sitzung vom 10.03.2016

Meine sehr verehrten Damen und Herren, etwas anderes stößt zumindest mir auf – und sicherlich auch vielen anderen in diesem Hause. Herr Carsten Kengeter ist sicherlich ein fähiger Mann und Manager. Aber wir haben gelesen, dass er sich am 18. Dezember 2015 mit insgesamt 60.000 Stück Aktien der Deutschen Börse im Wert von 4,5 Millionen € eingedeckt hat. Nun, das ist nicht viel. Das ist für den gemeinen Mann sehr viel, für Herrn Kengeter aber un

ter Umständen nicht. Ein Geschmäckle hat es trotzdem – ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Es ist schwer zu glauben, dass Herr Kengeter am 18. Dezember – also zu dem Zeitpunkt des Aktienkaufs – noch nicht wusste und keine Ideen hatte, wie sich ein Zusammenschluss oder eine Fusion in der Zukunft gestalten soll.

Kollege Reif, auch Sie müssen bitte zum Ende kommen.

Darüber müssen sich andere Gedanken machen, und das wird die deutsche Börsenaufsicht und andere noch beschäftigen.

Herr Präsident, es gibt natürlich auch Chancen, die wir nicht verschweigen dürfen. Es wäre unredlich und fahrlässig, die Chancen nicht zu benennen. Wir haben heute die großen Börsen in Asien, aufkommend in Hongkong und Shanghai. Wir haben den überragenden Börsenplatz in New York, und wir müssen aufpassen, dass wir nicht zwischen diesen beiden Standorten im Westen und Osten zerrieben werden. Deshalb ist das sorgfältig zu prüfen.

Bitte letzter Satz, Herr Kollege.

Das muss vonseiten des Wirtschaftsministeriums und des Wirtschaftsministers getan werden. Wir haben volles Vertrauen in Herrn Al-Wazir, dass er dies gründlich, sorgfältig und akribisch tut. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Reif. – Als Nächster hat Herr Abg. van Ooyen für die Fraktion DIE LINKE das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren!

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Jetzt musst du den Ostermarsch mit hineinbringen!)

Das passt nicht so ganz, obwohl es Frankfurt ist.

Meine Vorredner haben es schon gesagt, es trifft im Wesentlichen zwei Kernprobleme, die wir hier zu beraten haben. Zum einen reden wir über den Wirtschaftsstandort, der vielen abhängig Beschäftigten im Rhein-Main-Gebiet ein Einkommen sichert; zum anderen reden wir aber auch darüber, dass gerade der Finanzplatz Frankfurt eine Drehscheibe für den Finanzkapitalismus ist, dessen Krise mittlerweile zur größten wirtschaftlichen und politischen Krise der Europäischen Union überhaupt geführt hat.

Zum Ersten. Wenn wir hier über die Fusionspläne der Börsen in Frankfurt und London sprechen, dann haben wir ganz klar die Erwartung, dass die Landesregierung ihre

Möglichkeiten der Börsenaufsicht nutzt, um die Arbeitsplätze in Frankfurt zu sichern. Niemand will, dass durch diese Fusion Menschen ihre Arbeit verlieren. Wir sind gespannt, ob und wie die Landesregierung hier ihre Möglichkeiten nutzen wird.

(Beifall bei der LINKEN)

Gleichzeitig gibt es aber noch ganz andere Gründe, den Börsenstandort in Hessen zu halten. Da unterscheiden wir uns fundamental von dem, was Sie, Herr Rentsch, hier beantragt und vorgestellt haben.

(Florian Rentsch (FDP): Sehr gut!)

Ich sage es sehr direkt: Wir wollen die Finanztransaktionssteuer. Wir wollen das Kasino schließen und den Hochfrequenzhandel beschränken.

Schon deswegen ist es uns sehr viel lieber, dass wir den Finanzplatz hier in Frankfurt behalten. Das absolute Horrorszenario wäre es – Herr Rentsch hat es angesprochen –, wenn jetzt die beiden Börsen von London und Frankfurt fusionierten, wir einen größeren Teil der Arbeitsplätze verlören und anschließend Großbritannien aus der EU ausstiege. Dann wären wir nicht nur die Arbeitsplätze los, sondern auch die Möglichkeit, den Finanzplatz Frankfurt zu regulieren.

(Michael Boddenberg (CDU): Wollen Sie denn die Börse abschaffen, oder was? – Gegenruf des Abg. René Rock (FDP): Demokratisieren!)

Nein, nein, ich plädiere doch gerade dafür. Herr Boddenberg, ich weiß nicht, ob Sie sich daran erinnern, aber es gibt doch sogar in Europa eine Mehrheit dafür, die Finanztransaktionssteuer einzuführen. Ich komme gleich noch einmal darauf zurück.

Anders als die Neoliberalen hier im Haus glauben wir nicht daran, dass die unsichtbare Hand des Marktes die Geschicke dieses Planeten besser regelt als demokratische Institutionen; ganz im Gegenteil. Wenn die FDP in ihrem Antrag schreibt, der Finanzplatz wäre dadurch geschwächt, dass man sich einseitig auf eine Finanztransaktionssteuer festgelegt hätte, dann ist das doch blanker Hohn. Denn bisher ist von der Finanztransaktionssteuer weit und breit nichts zu sehen.

Herr Boddenberg, eigentlich hatte man sich in Europa darauf verständigt, dass die Finanztransaktionssteuer zum 1. Januar 2016 eingeführt werden sollte. Passiert ist aber bisher nichts.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Ja, die Lobby! – Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

Die europäische Sozialdemokratie hat wieder einmal die Lippen gespitzt und nicht gepfiffen. Und schlimmer noch: Mittlerweile wird das Thema einfach ausgesessen. Wir dürfen gespannt sein, wie die angekündigte Entscheidung der europäischen Finanzminister dazu aussehen wird oder ob sie weiterhin vertagt wird, möglicherweise auf den Sankt-Nimmerleins-Tag.

Wenn man sich in Europa nicht auf diese Steuer einigen kann, ist es nicht ganz unwahrscheinlich, dass dieses Thema auch in Großbritannien scheitern wird. Wenn das aber die Art ist, in der man im Vereinigten Königreich Finanzmarktregulierungen betreiben will – nämlich gar nicht –, dann müssen wir in Deutschland weiter die Möglichkeiten behalten, die Finanzmärkte zu regulieren.

(Beifall bei der LINKEN)

Deshalb fordere ich die Landesregierung auf, genau zu prüfen, ob eine Fusion im Interesse der Menschen ist, die dort arbeiten – aber auch, ob sie im Interesse der Allgemeinheit ist, die vor den Auswüchsen von Hochfrequenzund Derivatehandel geschützt werden muss, wie wir sie in den letzten Jahren, seit 2008, als Krisenerscheinung erlebt haben. Daher sind wir entschieden der Meinung, dass jetzt die Finanztransaktionssteuer eingeführt und umgesetzt werden muss, damit wirklich eine Regulierung dieser Börsentätigkeiten erfolgt, und zwar unter demokratischen Vorzeichen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Nach Herrn Abg. van Ooyen hat jetzt der Fraktionsvorsitzende der SPD das Wort, Herr Kollege Schäfer-Gümbel. Bitte sehr.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herzlichen Dank für diesen Setzpunkt, weil er in der Tat die Gelegenheit bietet, einige Bemerkungen zu der anstehenden möglichen Fusion von Frankfurt und London und darüber hinaus auch einige Bemerkungen zum Finanzplatz Frankfurt zu machen.

Lassen Sie mich ganz bewusst sehr grundsätzlich beginnen. Ich bin über eine Formulierung in Ihrem Antrag, also in dem Antrag von CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, gestolpert. Unter Punkt 4 beschreiben Sie ausführlich, wie gut, toll und großartig die Entwicklung am Finanzplatz Frankfurt ist. Ganz sicherlich ist es so, dass es viele Momente gibt, in denen diese Beschreibung richtig ist, aber an mindestens zwei Punkten will ich ein bisschen Wasser in den Wein gießen; denn ganz so rosig ist die Situation, die Zukunft am Finanzplatz Frankfurt nicht.

Dies hat im Kern mit zwei Dingen zu tun: erstens mit dem aktuellen Zustand der Deutschen Bank und den Problemen des Hauses. Für uns will ich ausdrücklich sagen, dass wir die Veränderungen, die Umstrukturierungen, die Suche nach einer neuen Strategie auch ein Stück weit mit Sorge begleiten, und zwar nicht zuallererst aus der Sicht betroffener Arbeitsplätze – das natürlich auch –, sondern auch aus strukturellen und strategischen Gründen. Wir können wenig dafür tun, aber wir müssen ein extrem hohes Interesse daran haben, ein global handlungsfähiges Geldhaus zu haben. Aber die Deutsche Bank ist gerade mit großen Schritten dabei, genau diesen Platz zu verlassen. Langfristig wird das ein paar Baustellen aufreißen, die uns an anderen Stellen Kopfzerbrechen bereiten werden. Deswegen ist die Lage schon an dieser Stelle nicht so gut.

Das Zweite ist, dass wir mit Blick auf die nach wie vor nicht überwundene Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise – und zwar nicht nur in Europa, sondern auch darüber hinaus – mit der in Folge entstandenen Niedrigzinspolitik aller wesentlichen Zentralbanken insbesondere bei der dritten Säule des Bankenwesens, also vor allem den Sparkassen, Veränderungen im Geschäftsmodell bekommen, die die Renditen und die Möglichkeiten auch des Sparkassensektors in den nächsten Jahren unter einen massiven Druck setzen werden.

Jeder, der sich intensiver damit beschäftigt, weiß das. Das hat möglicherweise für das Thema der Kreditversorgung Konsequenzen. Deswegen ist es mitnichten so prima um den Finanzplatz Frankfurt/Rhein-Main bestellt, wie das in diesem Antrag zum Ausdruck kommt. Das ist eine zumindest unscharfe Beschreibung. Denn alleine darauf zu verweisen, dass wir die Europäische Zentralbank haben und dass wir zusätzlich verschiedene Finanzaufsichten nach Frankfurt/Rhein-Main bekommen haben, ist sicherlich keine hinreichende, wenngleich eine notwendige Situationsbeschreibung. – Das war mein erster Punkt.

Zweiter Punkt. Damit will ich schon sehr konkret zu der möglichen Fusion der Deutschen Börse AG mit der Londoner Börse kommen. Ich will offen sagen, dass ich persönlich – und ich glaube, dass das insgesamt auch die Auffassung der strategischen Mehrheit innerhalb der Sozialdemokratie ist – einen solchen möglichen Zusammenschluss zwischen London und Frankfurt, Frankfurt und London, strategisch für richtig halte, ausdrücklich.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ich halte es für richtig, dass die europäischen Finanzplätze, auch mit Blick auf die massiven Veränderungen und Gewichtsverschiebungen in der globalen Finanzmarktarchitektur der letzten fünf Jahre, die Möglichkeiten und die Chance der Zusammenarbeit suchen. Denn wir müssen wirklich aufpassen – Herr Reif hat dazu in zwei Nebenbemerkungen Richtiges gesagt –, dass angesichts dieser Gewichtsverschiebung – bei der beispielsweise die beiden großen amerikanischen Börsen deutlich stärker geworden sind und die Asiaten massiv beim Aufbau sind – die beiden großen europäischen Standorte nicht am Ende unter die Räder kommen.

(Florian Rentsch (FDP): Richtig!)

Denn all die Fragen, die auch Herr van Ooyen als Problembeschreibung richtigerweise aufgerufen hat, hängen ganz wesentlich mit dieser Frage zusammen. Denn wenn ein Finanzplatz Frankfurt und eine Deutsche Börse AG in Frankfurt nur noch die Nummer 6, 7, 8, 9 oder 10 ist, dann ist das unter dem Aspekt, wie ich mit dieser Infrastruktur im globalen Maßstab Finanzregulierung durchsetzen will, deutlich komplizierter, als wenn ich beispielsweise im Zusammenschluss mit London auf Platz 2 oder 3 stehe und dadurch eine ganz andere Marktstellung bekomme, die dann in einem Zusammenspiel von privaten Unternehmen auf der einen Seite und hoheitlichem Auftrag auf der anderen Seite am Finanzmarkt eine Durchsetzungskraft gewinnt, die ich anders gar nicht mehr bekomme.

Deswegen spielen die beiden Fragen eine Rolle. Jeder, der glaubt, dass man sich in Frankfurt einfach hinsetzen und weiter schauen kann, wie die Entwicklung in der Welt ist, wird sich früher oder später – meine Vermutung ist, dass die Einschätzung derer zutrifft, die näher dran sind, dass das eher kürzer- als längerfristig ist – auf einem Nebenspielplatz wiederfinden, aber mit den eigentlichen Fragen nichts mehr zu tun haben.

Deswegen ist das in der Tat eine sehr entscheidende Frage, um die es gerade geht. Deswegen ist es richtig, hier zu diskutieren, wenngleich ich offen gestehen will, dass ich die Zurückhaltung des Wirtschaftsministers ausdrücklich verstehe, weil er am Ende als Genehmigungsbehörde entsprechend agieren muss und sich zum jetzigen Zeitpunkt in der Tat nicht festlegen kann. Ich allerdings kann das, und ich will es auch tun. Ich will mit Blick auf die Debatte aus

drücklich einige Bemerkungen machen. Ich werde es ein ganz kleines bisschen anders als Herr Reif akzentuieren.

Ich will zunächst die Frage der Mehrheit problematisieren. Herr Reif, das mit der Mehrheit in diesem Unternehmen ist nicht so ganz einfach. Ja, wenn Sie auf der einfachen Strukturebene argumentieren, da gibt es eine Holding, dahinter stehen zwei Unternehmen, die Deutsche Börse AG auf der einen Seite und London Stock Exchange auf der anderen Seite, dann ist das grosso modo 53 : 47 entschieden. Wenn Sie sich die Aktionärsstruktur dahinter anschauen, wissen zumindest wir beide, dass das schon deutlich komplizierter ist. Denn es könnte sein, dass ein relativer großer Teil des 53-prozentigen Anteils eigentlich den Londonern und den Amerikanern gehört. Insofern ist die Frage: „Wer hat im Unternehmen mehrheitsmäßig die Hosen an?“, in einer Aktiengesellschaft nicht so ganz einfach zu beantworten.

Trotzdem komme ich im Ergebnis zu demselben Punkt wie Sie: Uns überzeugt überhaupt nicht, dass der Sitz der Holding in London sein soll, und zwar aus verschiedenen Gründen.

(Beifall bei der SPD und der CDU sowie bei Abge- ordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Erstens – das gestehe ich noch zu –, weil die Bedingungen dieses Deals überhaupt noch nicht klar sind. Wir wissen nicht, wo am Ende die strategischen Einheiten sitzen werden, wie die Personaltableaus aussehen. Ich will klar sagen: Das Personal, was die Führungsseite angeht, ist für mich an der Stelle nicht unwichtig, aber es ist zweitrangig. Denn an der Stelle muss man sich nur die Strukturbildung anschauen. Da, wo der Sitz des Unternehmens und damit der überwiegende Teil der Regulierung ist, wird in Zukunft auch entschieden – übrigens auch an dem Tag, wenn es um die nächsten Zusammenarbeiten geht. Wir reden nicht nur über diesen ersten Schritt, sondern wir reden über Folgeschritte, die in einer globalen Finanzmarktarchitektur notwendigerweise kommen werden. Deswegen ist die Sitzfrage die zentrale Frage.

Nun hören wir allerdings auch, dass das die Eingangsbedingung dafür war, dass man zusammenarbeitet. Wenn das so ist, wird das eine spannende Frage – der Minister wird das dann prüfen müssen –, ob die Einflusssphären jenseits der Sitzfrage vertraglich so hart definiert sind, dass es ein Vehikel gibt.

Jetzt will ich noch etwas zu den rechtlichen Ausführungen des Ministers sagen. Das war in der Tat der Vortrag, den man in dieser Phase immer anhören muss. Das haben wir bei New York auch gehört. Aber alle wussten am Ende auch, dass es trotzdem Gestaltungsräume dafür gibt.

Ich will nur kurz hinterlegt haben: Bei der Entscheidung der Europäischen Kommission, kartellrechtlich Widerspruch gegen New York/Frankfurt oder Frankfurt/New York einzulegen, wussten auch alle, die sich damit beschäftigt haben, dass das eine ziemlich mutige Konstruktion war und dass, wenn Frankfurt und New York den Rechtsweg beschritten hätten, das wahrscheinlich nicht einmal die Anhörungsphase überstanden hätte. Es war der Versuch, über einen Hebel politischen Druck reinzulegen, um am Ende zu sagen: Freunde, das wird nicht schön für euch, und es wird vor allem teuer. – Daraufhin haben sich die Akteure anschließend zurückgezogen. Deswegen