Protokoll der Sitzung vom 13.03.2014

Herr Al-Wazir hat in mehreren Interviews zu diesem Thema Folgendes gesagt; ich will das hier zitieren. Auf die Frage:

Mit ihrem Ja zur Börsensteuer hat die schwarz-grüne Landesregierung eine 180-Grad-Kehrtwende zur Vorgängerregierung vollzogen und befindet sich nun im Gleichschritt mit Kanzlerin Merkel und Finanzminister Schäuble.

antwortet Al-Wazir:

Ja, das ist Gegenstand unserer Koalitionsvereinbarung.

Es wird also suggeriert: Hier wird eine Kehrtwende vollzogen. Ist das so, ja oder nein?

Herr Al-Wazir geht in einem Interview sogar noch darüber hinaus. In einem Bericht des Hessischen Rundfunks wird formuliert:

Die Aussagen Al-Wazirs gehen über die Formulierungen im schwarz-grünen Koalitionsvertrag hinaus, in dem es auf Seite 12 heißt: „Die Bundesregierung hat sich auf den Weg gemacht, …“

Hessen unterstützt das Ganze. Das ist der Tatbestand, den wir beobachtet haben und der uns verwundert hat.

Jetzt hat sich der Ministerpräsident der Sache angenommen und in mehreren Interviews Folgendes gesagt: Bouffier will keine Belastung für den Finanzplatz Frankfurt.

(Beifall bei der FDP)

Bouffier schließt eine Belastung für den Finanzplatz aus. – In der „Börsen-Zeitung“ steht:

Hessen räumt Finanzsteuer kaum noch Chancen ein.

Vom 7. Finanzplatztag hört man: Bouffier legt Finanzsteuer ad acta.

Meine Damen und Herren, das sind die richtigen Formulierungen. Die Frage, die ich Ihnen stelle, ist: Für was steht diese Koalition? Stimmt in dieser Frage das, was der neue Wirtschaftsminister sagt, dass die Transaktionssteuer so oder eigentlich noch schärfer kommt, oder stimmt das, was der Ministerpräsident sagt, dass das Ganze keine Chance hat?

Warum haben Sie es denn dann in den Koalitionsvertrag geschrieben? Um grüne Wähler ruhigzustellen?

(Beifall bei der FDP)

Das ist der Eindruck, der sich vermittelt. Ihre Strategie, dass Sie das so gemacht haben, halte ich nicht für falsch. Aber, Herr Kollege Boddenberg, Sie nehmen dabei – das ist der Teil, der für mich nicht lustig ist – billigend in Kauf, dass der Ruf dieses Finanzplatzes Schaden nimmt; denn eines ist klar, und Sie wissen das als Frankfurter, der sich an vielen Stellen auch für Frankfurter Interessen einsetzt – aber an dieser Stelle mache ich ein Fragezeichen –: Dieser Finanzplatz lebt auch von seinem Ruf.

Gerade der Tatbestand, dass hier in Deutschland, in Hessen, von der zuständigen Landesregierung und auch vom Ministerpräsidenten mit der Unterzeichnung dieses Koalitionsvertrages über die Finanztransaktionssteuer öffentlich

debattiert und suggeriert wird, man unterstütze jetzt dieses Projekt, beeinflusst das Anlegerverhalten an diesem wichtigen deutschen Finanzplatz negativ, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP)

Dabei geht es auch viel um Stimmungen, und diese Stimmungen werden quasi auf dem Rücken der Koalition ausgetragen. Das ist falsch, und das wissen wir auch genau.

Herr Kollege Reif, ich freue mich, dass Sie sich an der Debatte beteiligen; denn ich habe noch einige Zitate von Ihnen, die Sie sich ja gemeinsam mit dem Kollegen Milde in den letzten Jahren immer vehement und, ich muss auch sagen, sehr richtig und mit sehr viel Rückgrat für dieses Thema eingesetzt haben.

Wir haben am 2. Februar 2012 einen Antrag im Landtag debattiert. Den haben wir heute wieder eingebracht, und wir sind gespannt, ob die Union noch zu diesen Positionen steht. Ich würde es für richtig halten, wenn Sie an dieser Stelle keine Kehrtwende vollzögen, weil ich denke, dass die Beschäftigten am Finanzplatz Ihr klares Votum brauchen. Sie müssen wissen, dass die Landesregierung weiter hinter den Beschäftigten und hinter der Bedeutung dieses Finanzplatzes steht und dass die hessische Union nicht aufgrund einer neuen Koalition völlig neue Positionen vertreten muss, damit diese Koalition hält. Das sollte man bei einem so wichtigen Sachthema den Menschen in diesem Land nicht zumuten, Herr Kollege.

(Beifall bei der FDP)

Deshalb will ich an dieser Stelle noch einmal auf den Antrag verweisen. Wir haben diesen Antrag gestellt. Er ist gleichlautend. Die Grünen stellten damals den Antrag unter dem Titel „Mehr Gerechtigkeit durch Finanztransaktionssteuer schaffen – Bouffier und FDP stoppen“. Dann hat die Kollegin Erfurth in einer Rede gesagt, die GRÜNEN hielten gemeinsam mit Frau Merkel die Einführung der Finanztransaktionssteuer im Euroraum für einen gangbaren Weg, um Spekulationen einzudämmen. Gilt das heute noch, Frau Kollegin Erfurth?

(Sigrid Erfurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Immer noch!)

Gilt das auch ohne London? Diese Fragen werden Sie oder jemand anderer von den GRÜNEN vielleicht beantworten. Aber ich muss sagen, ich habe im Lesen der Protokolle ein Stück meines Seelenheils durch die Rede des Kollegen Milde gefunden, der damals für die hessische Union eine sehr kluge, profunde Rede gehalten hat. Er sagte:

Wenn das so kommt, wie Sie es eben vorgestellt haben und wie es die EU im Moment will, dann legen wir unterm Strich drauf, und es gehen Tausende von Arbeitsplätzen verloren.

Und zum Schluss seiner Rede sagte er zu Rot-Grün:

Sie setzen Tausende von Arbeitsplätzen aufs Spiel. Wir vertreten die Interessen des Landes Hessen. Das sollte die Opposition auch tun.

(Beifall bei der FDP)

Recht hatte Kollege Milde. Deshalb ist für mich zum Schluss zu fragen: Wo steht diese Landesregierung?

(Clemens Reif (CDU): Auf festem Boden!)

Ist es sozusagen ein kleiner Koalitionstrick gewesen, um den kleinen Koalitionspartner ruhigzustellen, ein bisschen in diese Richtung zu gehen, nach dem Motto: „Wir reden einmal über die Finanztransaktionssteuer, sie wird aber nicht kommen“, dabei aber billigend in Kauf zu nehmen, dass der Finanzplatz alleine schon von diesen Gerüchten Schaden nehmen wird? Oder hat der für den Finanzplatz zuständige Minister Al-Wazir recht, der sagt, das Ganze werde so kommen, und der sogar noch über das hinausgeht, was im Koalitionsvertrag steht?

Ich denke, dass die Menschen am Finanzplatz, dass die Verantwortlichen wissen sollten, wo diese Landesregierung steht. Gilt das, was wir früher gemeinsam gemacht haben, oder gilt jetzt Schwarz-Grün? Wir haben den Eindruck, hier in diesem Land gilt jetzt Schwarz-Grün, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Rentsch. – Das Wort hat als Nächste Frau Abg. Erfurth, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ihre letzte Frage, Herr Rentsch, was gilt, kann ich einfach beantworten: Es gilt Schwarz-Grün, es gilt der schwarzgrüne Koalitionsvertrag, und daran halten wir uns.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Herr Kollege Rentsch, Sie hätten beim Aktenstudium nicht bei der Historie der Finanztransaktionssteuer aufhören sollen. Dann hätten Sie vielleicht gemerkt, dass Ihr Antrag vom Januar 2012 zu einem sehr frühen Zeitpunkt geschrieben worden ist, als – ich sage einmal – der Fiskalpakt in einem sehr intensiven Diskussionsprozess mit ganz vielen Parteien stand. Auf Bundesebene, im Land – überall gab es Anträge in verschiedenen Fraktionen, und am Ende dieses Diskussionsprozesses stand eine gemeinsame Übereinkunft aller Parteien im Bundestag, Herr Kollege Rentsch,

(Michael Boddenberg (CDU): Und im Bundesrat auch!)

bis auf die Linken; die werden das gleich wieder anders darstellen. Wir haben uns am Ende dieses Diskussionsprozesses auf ein gemeinsames Papier geeinigt, unter dem dann die Parteien von CDU, SPD, FDP und GRÜNEN standen. Wir alle gemeinsam haben gesagt, dieser Fiskalpakt solle auf den Weg gebracht werden, und Teil dieses Fiskalpaktes war – das mag die FDP vergessen haben; an dem Punkt hat sie vielleicht ein bisschen Alzheimer –: Wir haben uns darauf verständigt, eine Finanztransaktionssteuer auf der europäischen Ebene im Rahmen der verstärkten Zusammenarbeit in der Europäischen Union einzuführen.

(Florian Rentsch (FDP): Wie hat die CDU da abgestimmt?)

Das haben wir alle gemeinsam im Bundestag, im Bundesrat unterschrieben, und das war auch – Sie brauchen gar nicht den Kopf zu schütteln, Herr Kollege Lenders – Gegenstand eines Antrags, den die GRÜNEN am Anfang dieses Diskussionsprozesses hier in den Landtag eingebracht

und in dem sie gesagt haben: Der Fiskalpakt ist jetzt zustimmungsfähig.

(Florian Rentsch (FDP): Wie hat denn die hessische Union abgestimmt?)

Wir haben damals gesagt: Jetzt können wir das so auf den Weg bringen. – Und gemeinsam ist damals beschlossen worden; die Finanztransaktionssteuer kann kommen – unter bestimmten Voraussetzungen. Das gehört immer dazu, Herr Kollege Rentsch, und das dürfen wir auch nicht vergessen.

Ich möchte Sie an eine der zahlreichen Presseerklärungen des damaligen stellvertretenden Ministerpräsidenten JörgUwe Hahn erinnern. Die habe ich mir aufgehoben. Sie hatte für mich historischen Wert. Heute kommt sie noch einmal zur Geltung.

Am 22. Juni 2012 erklärte Herr Hahn bei einem Empfang der hessischen Steuerberater – ich war damals zugegen, konnte das selbst mit anhören, und es hat mich sehr gefreut –, die Finanztransaktionssteuer werde kommen,

(Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Aha!)

und er finde das auch richtig, wenn sie unter den Einschränkungen, die wir gemeinsam auf Bundesebene vereinbart hätten, komme.