Protokoll der Sitzung vom 17.05.2016

Das passiert nicht nur in Hamburg, sondern auch im kleinen Bremen, wo allein – warten Sie, ich habe es aufgeschrieben – über 100 Kontrollen pro Jahr durchgeführt werden. In 17 % aller Fälle werden Vertragsverletzungen vorgefunden – eine Quote, die zeigt, dass es sich lohnt nachzuschauen.

Sie können Einsicht in Lohnunterlagen und in Arbeitsverträge nehmen. Ich kann Ihnen auch Sachen nennen, die Sie dort finden. Wenn da plötzlich Verträge mit Bauarbeitern sind, deren Arbeitszeit 30 Stunden die Woche beträgt – glauben Sie wirklich, dass ein Bauarbeiter einen Vertrag hat, in dem 30 Stunden festgehalten sind, und er auch nur 30 Stunden die Woche arbeitet? – Das glaube ich nicht.

(Norbert Schmitt (SPD): Das glaubt kein Mensch! – Zuruf des Abg. Clemens Reif (CDU))

Zum einen finanzieren sich übrigens die Mitarbeiter durch ihre Arbeitsergebnisse bei den Kontrollen von selbst, und es sorgt natürlich auch für mehr Ordnung auf dem Arbeitsmarkt; denn es gibt das Risiko, erwischt zu werden – leider im Gegensatz zu Hessen, einem Eldorado für Betrüger, was das anbelangt. Aber für Sie ist alles in Ordnung, und jetzt sind Sie ja auch nicht mehr zuständig.

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Günter Rudolph (SPD))

Die SPD sagt nochmals, an dieser Stelle muss das Gesetz geändert werden. Deswegen sagen wir, wir müssen Stichproben durchführen. Da nutzt auch ihr Antrag heute nichts, der nichts ändern will, weder an dem Gesetz noch an den Modalitäten. Sie sagen nur: Ja, eine sorgfältige Auswahl muss getroffen werden. – Aber Sie sagen nicht, was passiert, wenn z. B. Auftraggeber eben nicht so sorgfältig arbeiten, die Sorgfalt nichts genutzt hat oder die Nachunternehmer trotzdem betrügen.

Meine Damen und Herren, erst im letzten Monat war ich in Wiesbaden bei der IG BAU, wo fünf bosnische Angestellte eines slowenischen Subunternehmers saßen. Die Mitarbeiter hatten seit Ende Oktober keinen Lohn gesehen. Auch die Sozialkassenbeiträge hatte das Unternehmen nicht abgeführt. Wieso ist es die Aufgabe der Gewerkschaften, dies nachzuprüfen?

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Ist das nicht, auch wenn es eine private Baustelle war, eine hoheitliche Aufgabe? Derselbe Generalunternehmer baut übrigens gerade in Riedstadt Sozialwohnungen. Glauben Sie wirklich, dass bei diesem öffentlichen Auftrag dann andere Subunternehmer ausgewählt werden? – Ich glaube das nicht. Tun Sie endlich etwas gegen diese Zustände. Wir fordern die Landesregierung auf, zu handeln. Sie sind ver

pflichtet, die Einhaltung Ihrer Gesetze sicherzustellen. Ob Sie personell aufstocken oder anderweitig umstrukturieren, sollte geprüft werden. In jedem Falle fordern wir, dass Sie endlich handeln und eine effiziente Kontrolle vorhalten. Den Zoll wollen wir dabei wirklich nicht aus der Verantwortung für öffentliche Aufträge nehmen, auch im Sinne ehrlich arbeitender Unternehmen.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben gerade beim letzten Tagesordnungspunkt über das Handwerk gesprochen. Gerade das kleine und mittelständische Handwerk leidet unter diesen Praktiken auf dem Bau, die häufig von Großunternehmen, die mit Subunternehmerketten arbeiten, begangen werden. Hierunter leiden die ehrlichen Unternehmer im Handwerk. Deshalb: Bitte stimmen Sie unserem Antrag zu.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Barth. – Es gibt keine weiteren Wortmeldungen.

Es ist vereinbart worden, die Anträge alle an den Ausschuss zu überweisen.

(Günter Rudolph (SPD): An die Ausschüsse, Herr Präsident!)

Ja, erst einmal gehen sie an den einen und dann an den anderen Ausschuss; dann sind es die Ausschüsse, immer nach und nach. – Das sind die Tagesordnungspunkte 41, 30 und 58. Das ist hier die allgemeine Meinung?

(Günter Rudolph (SPD): Ja, aber auch an den anderen Ausschuss!)

Dann machen wir das so, auch mit Zustimmung des Kollegen Rudolph.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 5 auf:

Zweite Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktion der SPD für ein Gesetz zur Änderung des Hessischen Schulgesetzes – Drucks. 19/3228 zu Drucks. 19/2484 –

Berichterstatter ist Abg. Hugo Klein (Freigericht).

(Zuruf von der CDU: Er ist nicht da!)

Er ist nicht da. Wer übernimmt das?

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Ei, ei, ei!)

Abg. Armin Schwarz übernimmt die Berichterstattung. – Bitte sei so lieb.

Herr Präsident! Der Kulturpolitische Ausschuss empfiehlt dem Plenum mit den Stimmen von CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen von SPD, LINKEN und der FDP, den Gesetzentwurf in zweiter Lesung abzulehnen.

Vielen Dank, Kollege Armin Schwarz. – Dann eröffne ich die Aussprache. Das Wort hat Kollege Gerhard Merz, SPD-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist heute schon viel von beruflicher Bildung und von Stoppschildern und Sackgassen die Rede gewesen. Herr Kollege Boddenberg hat vorhin in der Debatte darauf hingewiesen, dass es keine Stopp- und Sackgassenschilder in der beruflichen Bildung mehr gebe. Herr Kollege Boddenberg, es wäre schön, wenn dies so wäre. In dieser Debatte wird aber von einem Stoppschild zu reden sein, und zwar von einem Stoppschild für eine Gruppe junger Menschen, die gerade in besonderer Weise der Förderung oder des Zugangs zu den Fördermöglichkeiten unserer Berufsschulen bedürfen, nämlich die jungen Volljährigen, die bis dato den Einstieg in das berufliche Bildungssystem, in das duale Berufssystem, in die Berufs- und Arbeitswelt insgesamt noch nicht geschafft haben.

Es gibt ein Problem, das darin besteht, dass der Berufsschulzugang für junge Menschen ab 18 Jahren praktisch mit einer Ausnahme, von der noch zu reden sein wird, nicht mehr möglich ist, auch in den Fällen, in denen, wie gesagt, ein beruflicher Einstieg in das duale System oder in die berufliche Bildung insgesamt noch nicht hat stattfinden können. Dieses Problem ist wahrgenommen worden, weil es die Ausgangslage gibt, dass deutlich mehr junge Menschen in genau dieser Situation sind. Genau für dieses sehr praktische Problem, das in der Fachwelt, von den beruflichen Schulen, von den Organisationen, die sich um benachteiligte junge Menschen kümmern, als sehr dringlich wahrgenommen wird, wollen wir mit unserem Gesetzentwurf einen praktischen Beitrag vorlegen.

Jeder, der als Oppositionspolitiker einen Gesetzentwurf einbringt, weiß, dass die Chance, dass er auch verabschiedet wird, denkbar gering ist. In diesem Falle hatte ich für eine Sekunde lang die Hoffnung, es könnte dieses Mal anders sein. Als in der ersten Lesung des Gesetzentwurfs Herr Kollege May gesprochen hatte, sah es mir danach aus, als wolle die Koalition diesen Gesetzentwurf vorurteilsfrei prüfen. Das war aber in dem Moment zu Ende, als sich Herr Kollege Schwarz zu Wort gemeldet hatte, der sich zwar pflichtgemäß auf die Ausschussberatungen und auf die mündliche Anhörung gefreut hatte, aber schon damals wusste, dass er den Gesetzentwurf ablehnen würde. Dabei ist es leider auch geblieben. Das ist in der Tat schade, weil wir in einer doppelten Hinsicht vor einem Problem stehen:

Erstens. Wir stehen im weiteren Sinne vor einem Problem, weil wir angesichts der Zuwanderung einer großen Zahl von Flüchtlingen wie vor allem im letzten Jahr – aber wahrscheinlich wird das auch weiterhin anhalten, die Prognose für dieses Jahr wird jetzt korrigiert, sie wird aber noch immer bei 600.000 Personen liegen –, aber selbst wenn sie unterschritten wird, was ich eher glaube, auf Dauer mit der Zuwanderung einer größeren Zahl von Flüchtlingen zu rechnen haben werden. Die Erfahrungen des letzten Jahres und der vorhergehenden Jahre sind die, dass unter diesen Flüchtlingen, unter diesen Zuwanderern, in der Hauptsache jüngere, erwerbsfähige, zumeist männliche, alleinstehende Personen sind – nicht nur, aber das ist die größte Gruppe. Innerhalb dieser großen Gruppe stellt die Gruppe der jungen Volljährigen, also der 18- bis 27-Jährigen, wiederum den Löwenanteil dar. Das ist genau die Gruppe, über die wir hier reden.

Zweitens. Wir wissen, dass zu dieser größer werdenden Gruppe noch die sozusagen einheimischen jungen Volljährigen kommen, von denen auch noch immer eine bekla

genswert große Zahl keinen Zugang zum Arbeitsmarkt, zur beruflichen Qualifizierung sowie zur Ausbildung gefunden hat. Unter dieser größer werdenden Zahl von Zuwanderern sind also viele junge Menschen, auch unter jenen mit guter Bleibeperspektive, über die wir hier natürlich in erster Linie reden, die dringend Unterstützung bei der Eingliederung in die Berufs- und Arbeitswelt haben müssen. Diese bedürfen einer besonderen Unterstützung, nicht nur im Hinblick auf die Sprachförderung und den Erwerb von Sprachkenntnissen, sondern auch in Ergänzung ihrer teilweise durchaus vorhandenen beruflichen Qualifikationen.

Meine Damen und Herren, das ist der große Hintergrund, vor dem diese Debatte stattfindet. Deswegen ist aus unserer Sicht alles richtig, was einen umfassenden und möglichst unkomplizierten Zugang zu den vielfältigen Förderangeboten der beruflichen Schulen ermöglicht. Das ist dringend wünschenswert – vor allem dort, wo es um die Vorbereitung und Unterstützung beim Übergang in das duale System geht.

(Beifall bei der SPD)

Der Kern des Problems, mit dem sich dieser Gesetzentwurf beschäftigt, ist: Aufgrund des Alters endet derzeit für eine Gruppe, die keinen berufsqualifizierenden Abschluss und keine abgeschlossene Schulausbildung hat, das Recht auf den Schulbesuch. Wir wollen diese Altersgrenze von 18 Jahren, bei der dieses Anrecht derzeit endet, auf 27 Jahre heraufsetzen. Wir wollen also die gesamte Gruppe der jungen Volljährigen gemäß der Definition des Kinder- und Jugendhilfegesetzes mit einbeziehen. Ich betone das noch einmal, weil immer gesagt wird: Das ist kein Allheilmittel. – Danke, aber das wissen wir. Bevor das in dieser Debatte jetzt noch einmal jemand sagt: Wir wissen das. Es gibt in der Politik keine Allheilmittel, wie ich nicht müde werde, bei jeder Gelegenheit zu betonen. Wir wissen das. Aber es handelt sich hierbei um ein praktisches, begrenztes und vor allen Dingen ein leicht lösbares Problem. Deswegen haben wir diesen Lösungsvorschlag gemacht, zusätzlich zu vielen anderen Lösungsvorschlägen – Herr Kultusminister, dies ist meine Erwiderung auf Ihre Rede in der ersten Lesung –, die auch auf dem Tisch liegen.

(Beifall bei der SPD)

Ist dieser Gesetzentwurf ein Beitrag zur Lösung des praktischen Problems? – Ich finde, dass das in der Anhörung eindrucksvoll bestätigt worden ist. Im Grunde haben alle Anzuhörenden gesagt: Ja, das ist er.

(Zuruf des Abg. Daniel May (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Herr Kollege May, mindestens im Grunde ist er das. Ich komme auf die Einwände zu sprechen. – Insbesondere die aus der Fachwelt im engeren Sinne, also die an den beruflichen Schulen Tätigen, die Arbeitsgemeinschaft der Direktoren an beruflichen Schulen, die Verbände der Lehrer an beruflichen Schulen und auch diejenigen, die in den Organisationen arbeiten, den Wohlfahrtsverbänden, die sich insbesondere mit Flüchtlingen oder benachteiligten Jugendlichen beschäftigen, inklusive des Landesjugendhilfeausschusses, haben positiv Stellung genommen. Auch die Wirtschaftsverbände, die Industrie- und Handelskammer, die Handwerkskammer und der Deutsche Gewerkschaftsbund, haben positiv dazu Stellung genommen. Sie haben nur einen einzigen Einwand, den ich für unberechtigt halte, vorgebracht. Es könne nämlich durch die partielle Öffnung des Berufsschulwesens für die Gruppe, die keinen qualifi

zierten Berufsschulabschluss und keine Stelle im dualen System hat, ein Anreiz geschaffen werden, von den Möglichkeiten des beruflichen Bildungssystems auf das schulische Bildungssystem zu wechseln. Das sei ein falscher Anreiz.

Ich teile diese Skepsis gegenüber den schulischen Möglichkeiten nicht. Das mag sein, wie es will. Ich sehe diese Gefahr nicht. Ich glaube, dass das duale System, von dem heute früh viel die Rede war, attraktiv genug ist, um solche Fehlanreize mindestens auszubalancieren. Von daher glaube ich, dass das unbeachtlich ist.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Wer das befürchtet, dementiert seine eigenen Aussagen von der Leistungsfähigkeit des dualen Systems in der Bundesrepublik Deutschland. Wir teilen diese Befürchtungen deshalb nicht. Wir betonen noch einmal, dass auch die Industrie- und Handelskammer und die Handwerkskammer gesagt haben, es sei wünschenswert, die bisherige Altersgrenze von 18 Jahren anzuheben.

Jetzt komme ich zu dem zweiten Einwand. Ja, man kann darüber reden, ob 27 Jahre nicht doch ein wenig weit gegriffen sind. Ich habe schon erläutert, welcher Logik das folgt. Es folgt der Logik des Kinder- und Jugendhilfegesetzes, des SGB VIII. Das ist von vielen Sachverständigen in der Anhörung bestätigt worden. Es hat auch kritische Einwände gegeben im Hinblick auf die sehr große Spreizung der Altersgruppen, die dann im Prinzip an den Schulen sein könnten. Die Direktoren haben meiner Erinnerung nach gesagt, sie könnten damit umgehen. Ich glaube das auch.

Wenn das Ihre Begründung dafür wäre, diesem Gesetzentwurf nicht zuzustimmen – wir hatten in der Anhörung ausdrücklich angeboten, die Altersgrenze auf 25 Jahre herunterzusetzen; das hat aber auch zu nichts geführt, weil das Diktum des Kollegen Schwarz gegolten hat, dass man das nicht braucht –, dann ist es offensichtlich wieder eine von den Geschichten, bei denen ein Gesetzentwurf oder ein Antrag nicht deswegen verworfen wird, weil er etwas Falsches beinhaltet, sondern weil in seinem Kopf die falsche Partei steht. Ich erinnere an die Aussage des stellvertretenden Ministerpräsidenten im Jahr 2008, als er noch nicht stellvertretender Ministerpräsident war, dass wir uns vielleicht daran gewöhnen sollten, es einmal andersherum zu machen.

Ich nehme zur Kenntnis, dass es auch in diesem Fall wieder einmal nicht so ist. Das ist bedauerlich – weniger wegen uns, um uns geht es hier nicht. Es geht um die jungen Menschen, denen leider – jetzt ist Herr Kollege Boddenberg weg – ein Stoppschild zum Zugang zu den beruflichen Schulen vorgehalten wird bzw. das Stoppschild nicht beseitigt wird. – Danke schön für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Merz. – Das Wort hat Herr Abg. Armin Schwarz, CDU-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident, verehrte Kolleginnen, verehrte Kollegen! Wir beraten heute in zweiter Lesung den Ge