Lassen Sie uns zum Punkt eins kommen: Vermittlung in Arbeit. Ich habe das vorhin schon einmal gesagt: Da haben wir eine Vermittlungsquote beispielsweise aus dem Juni 2015 von 1,89 %. Das wird uns weder kurz- noch langfristig voranbringen. Sinnvolle Maßnahmen für Alleinerziehende sind an der Stelle nämlich tatsächlich nicht in ausreichendem Maß vorhanden, sondern sie sind im Gegenteil Mangelware, besonders nachdem die Bundesregierung ihr Programm auch noch ohne Auswertung eingestampft hat.
Aber auch das Land sieht offensichtlich nicht wirklich einen Bedarf, an der Stelle Angebote zu machen, die dann weiterhelfen, und zwar langfristig. Der Anteil von Alleinerziehenden mit kleinen Kindern ist sehr hoch. Da müssen wir doch schauen, wie wir das mit der Ausbildung hinbekommen. Wir brauchen natürlich die individuelle Beratung. Aber wir brauchen sie vor allem unabhängig von einem Jobcenter, das an der Stelle mit Sanktionen droht.
Herr Bocklet, Sie haben vorhin davon geredet, die Frauen müssten sich entscheiden können. Wir sind aber in einer Situation, in der sie, wenn sie eine Maßnahme nicht annehmen, damit rechnen müssen, dass sie sanktioniert werden. Das kann es doch nicht sein.
Bessere Arbeitsbedingungen mit höheren Löhnen und weniger Arbeitsstress wären der zweite Punkt. Es ist für Alleinerziehende so wichtig, dass sie auch ihre Familienarbeit gut machen können. In vielen Bereichen hat die Landesregierung hier durchaus eine Verantwortung: Wenn es darum geht, sich bei der Bundesregierung für einen höheren Mindestlohn stark zu machen, wäre das beispielsweise einmal so ein Punkt, das Gesundheits- und Sozialwesen besser auszustatten, um dann mehr Stellen zu schaffen und dafür Sorge zu tragen, dass dort auch gute Löhne bezahlt werden können, die auskömmlich sind – insbesondere in den Frauenberufen, in denen die alleinerziehenden Mütter tätig sind.
Ein besserer sozialer Ausgleich sollte durchweg für Alleinerziehende stattfinden. Die steuerliche Entlastung war schon genannt, die besondere Berücksichtigung der Sozialleistungen und auch die Vergabe der Wohnungen. Gerade hier liegt im Gegensatz zur Aussage in der Antwort der Landesregierung nämlich vieles im Argen: Jeder achte Sozialwohnungssuchende ist alleinerziehend, wohingegen das sonst im Prinzip nur jeder 15. Haushalt ist. Aber auch spezielle Beratungsangebote für Alleinerziehende sind bei Weitem nicht ausreichend. Alle, die sich mit dem Thema befassen, haben mit dem Verband alleinerziehender Mütter und Väter schon gesprochen, und sie hören unisono seit Jahren immer wieder, dass die Unterstützung durch die Landesregierung zu gering ist, um diese Beratungsarbeit aufrechtzuerhalten. – Tun Sie etwas.
Wir haben gesehen, die Situation von Alleinerziehenden ist schwierig. Häufiger sind sie arbeitslos, häufiger auf SGBII-Leistungen angewiesen und häufiger arm. Aber jetzt fällt der Bundesregierung bei den Rechtsverschärfungsverfahren bei Hartz IV – in dem Neusprech von Frau Nahles heißt das Rechtsvereinfachung – nichts Besseres ein, als Alleinerziehende zusätzlich zu drangsalieren, den Keil zwischen die Eltern zu treiben und Leistungen zu kürzen. Bei getrennt lebenden Ehepaaren wird auf den Tag genau ausgerechnet, wie viele Tage das Kind bei dem einen Elternteil und wie viele Tage es bei dem anderen Elternteil lebt, und der Kinderregelsatz entsprechend aufgeteilt.
Die absolut unakzeptable Situation, die vorher eingeführt werden sollte, dass sich die Eltern, die sich gerade getrennt haben, auch noch selbst über das Geld verständigen sollten, ist Gott sei Dank herausgefallen. Aber nicht vom Tisch ist diese tagesgenaue Berechnung, die nicht nur die Eltern zur Verzweiflung treibt, sondern die auch die Mitarbeiterinnen der Jobcenter viel Zeit und Energie kosten wird, die besser für die Integration am Arbeitsmarkt genutzt werden sollte.
Die Variante, die zusammen mit den Rechtsverschärfungen verabschiedet werden soll, ignoriert unverändert, dass in der Summe höhere Kosten bei getrennt lebenden Elternteilen anfallen als bei zusammenlebenden Elternteilen. Das ist nun einmal so, und das muss diese Gesellschaft zur Kenntnis nehmen. Das muss sie auch tragen.
Sinnvoll wäre, dass dasjenige Elternteil, bei dem sich das Kind hauptsächlich aufhält, den vollen Regelbedarf für das Kind bekommt, und dass das andere Elternteil einen pauschalen Mehrbedarf in Höhe des hälftigen Regelbedarfs erhält. Für die Kosten der Unterkunft und Heizung sollte gelten, dass das Kind als Mitglied beider Haushalte betrachtet wird. Es ist einfach überhaupt nicht zu verstehen, warum wir das gemeinsame Sorgerecht zur Regel machen und es dann für arme Menschen per Gesetz auf diese Weise wieder aushebeln. Das hat überhaupt nichts damit zu tun, dass es pädagogisch notwendig und sinnvoll ist. Es geht hier einzig darum, zulasten der allerärmsten Menschen, zulasten deren Lebensbedingungen zu sparen. Ich finde, das ist verantwortungslos.
Gerade passend zu diesem Thema ist eine Petition eingebracht worden. Ich möchte Ihnen aus der Begründung vorlesen; denn diese ist von einer Frau geschrieben worden,
die alleinerziehend ist und eine Zeit lang Hartz IV bezogen hat – ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis –:
Alleinerziehende im Hartz-IV-Bezug müssen ohnehin schon jeden Tag um ihre Existenz kämpfen. Die Sätze sind nicht großzügig bemessen, sondern äußerst knapp auf Kante genäht. Das alles ist schon mehr als schwer genug. Ich habe fast zwei Jahre lang mit Hartz IV aufstocken müssen, da ich aufgrund meines Alleinerziehendenstatus lange keine meiner Qualifikationen angemessene Arbeitsstelle bekommen habe. Ich habe äußerst sparsam gelebt, und trotzdem raubten mir die Geldsorgen oft den Schlaf, und ich weiß aus Berichten vieler anderer Alleinerziehender, dass ich damit nicht die Einzige war. Die Vorstellung, selbst nur in der rückblickenden Theorie, nun auch noch wegen jedem Tag, den ich mein Kind zu seinem Vater gehen lasse, Leistungen gekürzt zu bekommen, schnürt mir den Hals zu. Eltern, die dem anderen Elternteil Umgang mit dem Kind gewähren, tun dies zugunsten des Kindeswohls. Sie sparen dadurch faktisch kein Geld. Weder müssen sie durch den Kindesumgang weniger Miete bezahlen noch weniger Versicherungen, Nebenkosten oder anderes. Genau das wird aber durch den Gesetzentwurf suggeriert.
Ob die aus Staatssicht eher geringen Einsparungen auch nur im Ansatz den immensen Verwaltungsaufwand, diese Umgangstage zu dokumentieren und nachzuprüfen, rechtfertigen, kann stark bezweifelt werden. Ignoriert wird von den Machern des Gesetzentwurfs außerdem die Tatsache, dass der Umfang des Umgangs zwischen Trennungskindern und dem woanders lebenden Elternteil, meist dem Vater, ohnehin häufig Gegenstand zermürbender Konflikte ist. Diese Konflikte werden meist auf dem Rücken der Kinder ausgetragen und durch den vorliegenden Gesetzentwurf sicherlich stark verschärft.
Daher muss der Gesetzentwurf in jeder Hinsicht als Gefährdung des Kindeswohls von Trennungskindern bezeichnet werden.
Vielen Dank, Frau Kollegin Schott. – Zu einer Kurzintervention hat sich Kollege Bocklet von der Fraktion BÜND
Frau Präsidentin, liebe Kollegin Schott! Ich wollte noch einmal darauf eingehen, was mit Alleinerziehenden passiert, die eine Ausbildung machen oder eine Berufseingliederung wollen. Ich habe tatsächlich selten so eine Rede gehört, die komplett an der Wirklichkeit der Jobcenter vorbeigeht. Ich habe die Jobcenter im Zusammenhang mit dem Fachkräftemangel besucht, und wir haben verschiedene Zielgruppen identifiziert: Menschen über 55 Jahre, junge Menschen unter 25 Jahren, Langzeitarbeitslose. Wir haben auch die Frage gestellt: Können wir Alleinerziehende, die zum Teil auch Qualifikationen haben, wieder stärker dafür gewinnen, sich für einen Einstieg in den Arbeitsmarkt bereit zu erklären? Die Jobcenter haben einen extra Ansprechpartner; die Zielgruppe der Alleinerziehenden ist ein extra Parameter; sie wurden gesondert als Zielgruppe identifiziert, um ihnen gezielt zu helfen.
Daher muss ich es einfach einmal so sagen: Sie tun den Jobcentern und der Bundesagentur für Arbeit total unrecht; um diese Gruppe wird sich intensiv gekümmert.
Diese sagten uns, warum die Quote der Alleinerziehenden relativ konstant geblieben ist. Die Bundesagentur für Arbeit bzw. die Jobcenter sagten uns, das liege daran, dass die Alleinerziehenden sagten, sie möchten das Angebot nicht annehmen, weil ihre Kinder unter drei Jahre alt seien und sie diese gern noch betreuen wollen. Das Jobcenter sagt dann: „Wir drangsalieren Sie nicht, sondern wir respektieren das, und es ist für uns eben eine Möglichkeit, diesen Forderungskatalog gegenüber den Langzeitarbeitslosen auszusetzen. Gehen Sie bitte Ihrer Kinderbetreuung nach, und melden Sie sich wieder, wenn Sie der Meinung sind, Sie wollen beruflich wieder aktiv werden.“
Jetzt müssen wir uns aber einmal entscheiden. Wenn die Alleinerziehende sagt: „Ich will mich um mein Kind kümmern“, dann kriegt sie kein Angebot und wird auch nicht eingliederungsfähiger als vorher. Ich respektiere das. Aber dann bleibt natürlich die Zahl derjenigen doch konstant; wir wissen, diese bewegt sich um die 13.000 in Hessen. Wir haben diese Zielgruppe geradezu verzweifelt angesprochen. Wir haben sie mehrfach angesprochen, um sie wieder zu aktivieren. Wenn sie für sich entscheidet, die Angebote nicht anzunehmen, und daher auch die Maßnahmen der BA und der Jobcenter nicht greifen, dann plädiere ich intensiv dafür,
diesen Tatbestand nicht zu skandalisieren, sondern zu respektieren. Ich möchte, dass Alleinerziehende auch freiwillig der Sorge um ihr Kind nachgehen können und ihnen das Jobcenter dann nicht die Leistungen kürzt. Das sind die Seiten ein und dieselben Medaille. Ich finde, der Entscheidung gebührt Respekt. Angebote haben wir eine Fülle; Eingliederungstitel und -mittel haben wir eine Fülle. Wer
sie annimmt, tut gut daran; wir helfen ihnen. Wer sie nicht annimmt, den sollten wir auch respektieren.
Vielen Dank, Herr Kollege Bocklet. – Frau Kollegin Schott, sie haben die Möglichkeit einer Erwiderung.
Herr Bocklet, ich teile durchaus, dass sich die Frauen, und es sind überwiegend Frauen – wollen Sie die Antwort hören? –,
(Marcus Bocklet (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja, ja! Ich habe zwar nichts gefragt, aber ich höre die Antwort gern!)
entscheiden können sollten, ob sie ihre Kinder betreuen oder sich in eine Ausbildung oder in einen Beruf begeben. Die Frage ist dabei nur, ob diese Entscheidung vor dem Hintergrund gefällt wird: „Ich möchte mein Kind betreuen, weil das für mich das Wichtigste ist“, oder vor dem Hintergrund: „Ich lebe im ländlichen Raum. Die Kinderbetreuung ist weit weg. Der Omnibus fährt nicht. Den Führerschein habe ich nicht. Ein Auto kann ich mir nicht leisten. Die Stelle ist weit weg. Es ist in meinem Leben nicht praktikabel, überhaupt einer Ausbildung nachzugehen. Ich finde eine Teilzeitausbildung mit Kinderbetreuung nur in der nächsten Großstadt. Ich finde die Verkehrsanbindung und die Berufe nur an Stellen, an denen ich gar nicht lebe. Ich bin darauf angewiesen, mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren; diese fahren aber nicht. Ich kann mir das in der Summe aber auch gar nicht leisten, weil die Angebote so gestrickt sind, dass sie für meine Lebenszusammenhänge zu teuer sind.“ Wenn Sie all das ausschließen können, dann bin ich ganz bei Ihnen. Wenn die Frauen dann entscheiden: „Ich will es, weil ich mein Kind betreuen will“, dann ist es völlig in Ordnung. Die Praxis ist aber, dass Studentinnen sagen: „Ich würde gern zu Ende studieren, ich kann es in dieser Situation aber nicht bewältigen, und die Angebote drum herum sind nicht so, dass sie mich in der Form stützen, dass ich es bis zum Ende durchhalten kann.“ Denn ein Studium ist heutzutage kein Sonntagsspaziergang.
Dasselbe gilt für Frauen, die in einer solchen Situation einen Beruf ergreifen oder eine Berufsausbildung machen wollen. Die Angebote, wo begleitet wird, wo es sozialpädagogische Betreuung gibt, wo es eine Halbtagsausbildung gibt, sind dünn gesät. Diese können Sie lange suchen, und diese erreichen viele Frauen eben nicht. Es gibt eine Menge mehr Frauen, die sicherlich in eine andere Situation starten würden, wenn die Rahmenbedingungen so wären, dass es Sinn ergäbe,
wenn sie nicht Gefahr laufen würden, am Ende weder ihrer Ausbildung, ihrem eigenen Leben noch ihrem Kind ge
recht zu werden, und sich dann noch beschimpfen zu lassen, wie es die Kollegin vorhin schon beschrieben hat, weil man als Frau in einer solchen Situation nämlich immer alles falsch macht.
Vielen Dank, Frau Kollegin Schott. – Als nächste Rednerin spricht nun Frau Kollegin Ravensburg von der CDU-Fraktion. Bitte, Frau Kollegin, Sie haben zehn Minuten.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir heute über die Alleinerziehenden debattieren, dann geht es nicht nur um die umfangreichen Statistiken, die uns aufgrund dieser Anfrage dankenswerterweise von der Landesregierung zur Verfügung gestellt werden. Nein, es geht hier um 194.000 Mütter und Väter, die alleinerziehend sind, und es geht um 259.000 Kinder. Ich finde, es ist deshalb auch folgerichtig, dass wir hier von Einelternfamilien sprechen.
Alleinerziehende müssen besondere Herausforderungen bewältigen. Das haben die Vorredner schon deutlich gemacht. Sie tragen einerseits allein die Verantwortung für die Erziehung und Entwicklung ihrer Kinder. Andererseits müssen sie ihren Lebensunterhalt sicherstellen. Und sie sollten – auch das sollte man einmal erwähnen – ihre eigenen Bedürfnisse nicht völlig vernachlässigen. Deshalb steht die besondere Situation der Alleinerziehenden oder der Einelternfamilien zu Recht schon lange im besonderen Fokus der Landesregierung, auch wenn Kollegin Özgüven vorhin etwas anderes gesagt hat.
Es ist das Ziel unserer Politik, die unterschiedlichen persönlichen Situationen der Alleinerziehenden zu berücksichtigen. Auch das möchte ich einmal ganz klar und deutlich betonen: Es geht nicht um eine homogene Gruppe der Alleinerziehenden, nicht um eine homogene Gruppe der Bedürftigkeit, sondern es geht um ganz unterschiedliche Persönlichkeiten und familiäre Hintergründe. Das muss man hierbei berücksichtigen, und deshalb geht es um passgenaue Unterstützungsangebote im Sinne einer aktivierenden Selbsthilfe.
Unter den Alleinerziehenden ist der alleinerziehende gut ausgebildete Vater mit Hochschulabschluss, der öfter schon etwas älter ist, aber sich gerade getrennt hat, genauso wie die junge Mutter ohne Ausbildung und ohne helfende Familie im Hintergrund. Natürlich gibt es auch die Alleinerziehende, die gut ausgebildet ist, Kinderbetreuung und Vollzeitberufstätigkeit gut vereinbaren kann, wo Familie, Großeltern oder ein gut strukturiertes Kinderbetreuungsnetzwerk zur Verfügung stehen.