Protokoll der Sitzung vom 18.05.2016

Meine Redezeit.

(Zurufe von der SPD und der FDP)

Das Späßchen haben wir an diesem Pult häufiger.

(Florian Rentsch (FDP): Das haben Sie gesagt, wir haben es noch nicht einmal gefordert! – Anhaltende Zurufe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Meine Damen und Herren, lassen Sie doch den Minister, wenn seine Zeit schon zu Ende geht, wenigstens noch ein Schlusswort oder ein Grußwort sagen.

Das sollte mir in meiner Redezeit noch zustehen. – Ich verzichte daher darauf – das war das, was ich sagen wollte –, weitere Minuten damit zu verbringen, Ihnen noch mehr Elemente aufzuzählen.

Ich lade Sie ein, die Antwort auf die Große Anfrage im Detail zur Kenntnis zu nehmen. Meine Damen und Herren, Sie sehen, die Hausaufgaben sind gemacht. Wir sind mit Sicherheit noch lange nicht am Ende unseres Weges. In der Lehrerbildung, gerade auch in dem Gespräch mit den Universitäten, kann man für Berufs- und Studienorientierung noch mehr tun. Da sind wir dran. Wir sind auf einem guten Weg. Den werden wir auch weiter gehen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, vielen Dank. Wir sind am Ende der Aussprache.

Ich begrüße auf der Besuchertribüne den Generalkonsul der Republik Kroatien, Herrn Vladimir Duvnjak. Exzellenz, seien Sie herzlich willkommen im Hohen Hause.

(Allgemeiner Beifall)

Er stattet heute dem Landtag gemeinsam mit seiner Frau, Konsulin Marica Jukić, Besuch ab. Auch Ihnen ein herzliches Willkommen.

(Allgemeiner Beifall)

Wir können Ihnen jetzt nicht mehr viel bieten, denn wir sind am Ende der Aussprache zur Großen Anfrage. Damit sind wir am Ende der Beratungen für den Vormittag.

Ich darf mich ganz herzlich bei Ihnen bedanken. Wir werden um 15 Uhr, das war der Wunsch aller, die guten Willens sind, weitermachen. Ich schließe die Vormittagssitzung und wünsche Ihnen alles Gute. Insbesondere Ihnen, Exzellenz, wünsche ich alles Gute.

(Unterbrechung von 12:36 bis 15:01 Uhr)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ich eröffne die Sitzung und rufe Tagesordnungspunkt 43 auf:

Antrag der Fraktion der FDP betreffend Majestätsbeleidigungsparagrafen umgehend abschaffen – Drucks. 19/3372 –

zusammen mit Tagesordnungspunkt 68:

Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend § 103 Strafgesetzbuch soll gestrichen werden – Drucks. 19/3402 –

Die vereinbarte Redezeit für diesen Setzpunkt der FDP beträgt zehn Minuten. Ich rufe Herrn Kollegen Rentsch auf. Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Debatte über das, was Jan Böhmermann in seiner Sendung in einem Gedicht vorgetragen hat und was damit eine Welle in der gesamtpolitischen Diskussion in Deutschland ausgelöst hat, hat die öffentliche Meinung in den letzten Monaten massiv geprägt. Aber es ist eben nicht nur eine Debatte über die Frage, was man von diesem Gedicht oder von Herrn Erdogan hält, sondern es ist auch eine Debatte darüber, ob das, was wir im StGB kodifiziert haben, heute noch zeitgemäß ist. Deshalb ist es auch richtig, dass sich die Parlamente in Deutschland mit dieser Frage beschäftigen.

(Beifall bei der FDP)

Man kann eine Debatte über die Frage führen, was Satire darf. Die Zuschauer haben es sicher alle mitbekommen, was Herr Böhmermann mit diesem Gedicht ausgedrückt hat.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Zitier es doch noch einmal!)

Herr Tucholsky hat auf die Frage, was Satire darf, klar gesagt: Satire darf alles. – Nach dem gestrigen Urteil des Landgerichts Hamburg, lieber Herr Kollege Wagner, würde ich hinzufügen: Sie darf alles im Rahmen der geltenden Gesetze.

Natürlich hat sich Satire auch in dieser Frage in einem Rahmen zu bewegen. Aber wenn man einmal die Historie betrachtet, was genau passiert ist, muss man feststellen, dass die ganze Debatte nicht mit dem Gedicht von Herrn Böhmermann anfing, sondern mit dem berühmt gewordenen Lied der Satiresendung „extra 3“, das im Übrigen aus meiner Sicht deutlich niveauvoller war als das, was Jan Böhmermann in seinem Gedicht ausgedrückt hat.

(Beifall bei der FDP)

Dieses Lied hat immerhin zu einer zweifachen Einbestellung eines deutschen Botschafters in Ankara und zu Einreisesperren von deutschen Journalisten in die Türkei geführt. Das zeigt natürlich auch, warum sich Satiriker überhaupt mit dieser Frage auseinandersetzen: Weil das, was zurzeit in der Türkei passiert – ich selbst bin ein großer Fan der Türkei –, was dort mit der Meinungsfreiheit passiert und wie dieses Land von diesem Despoten Stück für Stück umgebaut wird, auch die deutsche Demokratie nachdenklich

stimmen muss. So einfach kann man es sich nicht machen, dort einfach wegzuschauen, was in diesem vor allem auch für Europa wichtigen Land passiert, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU, der SPD und der LINKEN)

Deshalb glaube ich, dass es heute nicht eine Debatte über Satire und Meinungsfreiheit ist – natürlich auch dies –, sondern über die Frage, ob das, was wir in den Gesetzbüchern stehen haben, heute noch zeitgemäß ist. Zu dem, was Herrn Erdogan widerfahren ist, sagen wir – vermutlich wie viele Demokraten in diesem Hause –: Herr Erdogan hat natürlich einen Rechtsanspruch auf das, was die deutschen Gesetze ihm als Schutz kodifizieren und ermöglichen. Dieser Rechtsanspruch, den er wahrnehmen kann, liegt vor allem darin, dass er sich auf Beleidigungstatbestände berufen kann – das hat er ja getan, gestern wurde ein Urteil in dieser Frage gefällt –, die ihm einen Schutz ermöglichen. Wenn er der Auffassung ist, dass hier eine Aussage ihm gegenüber getroffen worden ist, die nicht anständig war, kann er diesen Rechtsschutz in Anspruch nehmen.

Was nicht mehr zeitgemäß ist – ich glaube, da hat die Bundeskanzlerin an vielen Stellen etwas Richtiges gesagt, ebenso wie die Sozialdemokraten in Berlin, etwa der Kollege Maas, die Kollegen der GRÜNEN und auch anderer Fraktionen und Parteien –, ist ein Beleidigungstatbestand, der in § 103 StGB kodifiziert ist und der letztendlich Repräsentanten eines Staates besonders schützt, weil man in der Historie dieses Tatbestandes versuchte, Beleidigungen auszuschließen und strafrechtlich als Staat zu ahnden, um sozusagen sich daraus möglicherweise ergebende diplomatische Verwicklungen bis hin zu Kriegen zu verhindern, als dieser Tatbestand vor über 150 Jahren geschaffen worden ist. Darüber, dass dieser Straftatbestand nicht mehr zeitgemäß ist, sollte wohl Einigkeit in diesem Parlament bestehen, auch wenn es ein Landtag ist; denn eines ist klar: Paragrafen und Artikel, die nicht mehr zeitgemäß sind, gehören nicht in Gesetzbücher. Das ist letztendlich die Grundlage dieser Debatte.

(Beifall bei der FDP sowie der Abg. Heike Hofmann (SPD) und Hermann Schaus (DIE LINKE))

Deshalb können wir es nur begrüßen, dass Herr Kollege Maas als Bundesjustizminister die Initiative ergriffen hat, genau wie eine Reihe von Landesregierungen, die teilweise von GRÜNEN mitgetragen werden – immerhin gibt es in sechs Bundesländern Initiativen, die eine Abschaffung dieses Paragrafen anstreben –, und ich kann auch der Bundestagsfraktion in der Begründung ihres Gesetzentwurfs, die sofortige Abschaffung dieses Paragrafen zu fordern, nur zustimmen, weil sie richtig ist.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Warum ist sie richtig? Weil es ein überkommener Paragraf ist, der jetzt einen Staatsmann, einen Staatsführer – man könnte auch sagen: einen Despoten – wie Herrn Erdogan in die Lage versetzt, sich auf ein besonderes Recht zu berufen, und für dieses Recht sogar noch die Zustimmung der Exekutive braucht. Auch dieses im Rahmen eines Rechtsstaates unfassbare Instrument, dass die Exekutive darüber bestimmen darf, was in einem Rechtsstaat ermittelt wird oder nicht, ist ein solches Unding, dass eigentlich alle Demokraten der Auffassung sein sollten, das sollte dringend abgeschafft werden.

(Beifall bei der FDP sowie der Abg. Ulrike Alex und Ernst-Ewald Roth (SPD))

Warum hat die Bundeskanzlerin dann trotzdem – obwohl sie gesagt hat, dieser § 103 solle abgeschafft werden – ihre Zustimmung erteilt und zum Zweiten mitgeteilt, dass diese Abschaffung erst in der nächsten Legislaturperiode passieren soll? Ich glaube, das ist schon der Kern, über den man heute debattieren muss: Was ist der Hintergrund? Was ist auch der Hintergrund für den Antrag der Regierungskoalition, hier zu sagen, man habe wieder einen Dissens? Der Hintergrund ist, dass die Bundeskanzlerin anscheinend aufgrund der Tatsache, dass das Land und die Europäische Union im Rahmen der Flüchtlingskrise besondere Hilflosigkeit demonstriert haben und wir mittlerweile alles, aber auch alles tun müssen, um uns das Verhältnis mit den Türken, der Türkei und Herrn Erdogan nicht zu verscherzen, in dieser Frage auf der einen Seite die Unabhängigkeit unseres Landes ein Stück weit aufs Spiel gesetzt und auf der anderen Seite auch die deutsche Justiz ad absurdum geführt hat, indem sie zwar gesagt hat: „Wir stimmen zu“, aber denjenigen, die nun ermitteln sollen, auf den Weg gegeben hat: Keine Angst, in drei Jahren wird dieser Straftatbestand nicht mehr bestehen.

(Beifall bei der FDP)

Es ist eine Verhöhnung der Justiz, die wir durch diesen Tatbestand belegt bekommen haben. Aber der chronisch beleidigte Sultan erlaubt nun einmal keine Beleidigungen und keine kritische Auseinandersetzung mit ihm. Ich glaube, das ist auch der Grund, warum Frau Merkel, die sich in der Flüchtlingskrise mit ihrer Politik verrannt hat, nun alles dafür tun muss, dass sich das Verhältnis zu Herrn Erdogan nicht verschlechtert.

Es ist nicht nur dieser Tatbestand, der uns als Demokraten besorgt machen sollte: Es ist auch der merkwürdige und fragwürdige Deal zur Visafreiheit; denn trotz der Frage, dass seitens der Europäischen Union 72 Voraussetzungen vorliegen müssen, damit Visafreiheit erteilt wird, und während festgestellt worden ist, dass mindestens ein halbes Dutzend dieser Merkmale nicht vorliegt, wird die Visafreiheit eingeführt. – Dies alles sind politische Geschäfte, die hier rechtsstaatlich hinterfragt werden müssen und die auch in dieser Debatte auf den Tisch gehören. Sie dürfen nicht wegdiskutiert werden.

(Beifall bei der FDP)

Ein Land wie die Türkei, das mittlerweile einen derartigen Umbau des eigenen Rechtsstaates betreibt, das Meinungsfreiheit mit Füßen tritt, das Minderheitenrechte mit Füßen tritt, das die Akzeptanz von Diplomatie mit Füßen tritt, ein Staatschef, der vor zwei Wochen bei einer Veranstaltung der AKP Drohungen gegenüber der Europäischen Union ausgesprochen hat: Dieses Land kann nicht ernsthaft der Partner sein, mit dem die Bundesrepublik Deutschland verlässlich Außenpolitik macht.

(Beifall bei der FDP)

Wenn wir uns diesem Despoten ausliefern, dann sind wir zum Schluss ausgeliefert. Ich will einen Teil des Gedichts nennen, den das Landgericht Hamburg für nicht beanstandenswert gehalten hat. Ich glaube, auf diesen Konsens kann man sich verständigen: Wer Minderheiten unterdrückt, Kurden tritt, Christen haut und Mädchen schlägt – den Rest lasse ich weg. Aber da hat Herr Böhmermann recht gehabt, dass er den Finger in die Wunde gelegt hat

bei der Frage, welche Missstände mittlerweile in der Türkei vorhanden sind. Diese Missstände müssen auch in Deutschland angesprochen werden.

(Beifall bei der FDP)

Dass nun Herr Böhmermann der Inhalt der ganzen Debatte ist und quasi der Anstoß jedes Skandals, das kann nicht richtig sein. Richtig muss weiterhin bleiben, dass man das kritisieren muss, was in der Türkei falsch läuft. Dass man sich dabei an die Gesetze hält, das ist völlig selbstverständlich. Deshalb bin ich dankbar, dass der Rechtsstaat gestern mit dem Urteil des Landgerichts Hamburg gezeigt hat, dass er funktioniert, dass er Beleidigungstatbestände sowohl strafrechtlich als auch zivilrechtlich erfasst, aburteilt und letztendlich diese rechtsstaatlichen Grundsätze wahrt. Insofern brauchen wir diesen § 103 StGB nicht mehr. Er ist nicht mehr zeitgemäß.

(Beifall bei der FDP)