Protokoll der Sitzung vom 19.05.2016

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Menschenrechte und die Menschenwürde sind allgemeingültig und gelten universell. Deshalb versichere ich Ihnen, die Landesregierung wird entschieden gegen jegliche Form von Ausgrenzung und Diskriminierung eintreten. Homophobie ist mit unseren freiheitlichen Grundrechten nicht vereinbar.

Akzeptanz und respektvoller Umgang mit nicht heterosexuellen Lebensweisen sind heute immer noch keine Selbstverständlichkeit. Deshalb begrüße ich es, dass wir auch in diesem Jahr am 17. Mai darauf aufmerksam gemacht haben, gegen Vorurteile und Abwertungen von Menschen wachsam zu sein und äußerst aktiv zu agieren.

Auch wenn die Gesellschaft insgesamt toleranter und offener geworden ist, so sind immer noch individuelle Ausgrenzungs- und Diskriminierungserfahrungen in vielfältiger Weise im Alltag präsent. Ich begrüße ausdrücklich die heutige Diskussion, weil davon ein wichtiges Signal in die Gesellschaft ausgeht. Wir treten gemeinsam als Hessische Landesregierung und als Fraktionen des Hessischen Landtags für die sexuelle und geschlechtliche Vielfalt ein. Uns eint die Überzeugung, Homosexuelle, Bisexuelle und Transmenschen sind ein wertvoller und gleichberechtigter Teil unserer Gesellschaft.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Absichtserklärungen reichen aber nicht aus. Für die Akzeptanz von Vielfalt und die Anerkennung aller sexuellen und geschlechtlichen Identitäten benötigen wir eine engagierte Politik und eine engagierte und couragierte Zivilgesellschaft. Deshalb handelt dieses Bundesland Hessen aktiv. Nicht nur mit dem Beitritt zur bundesweiten Koalition gegen Diskriminierung, sondern mit der geschaffenen Antidiskriminierungsstelle finden Betroffene eine schnelle und unbürokratische Hilfe. Die Stelle leistet unverzichtbare Vernetzungs-, Öffentlichkeits- und Präventionsarbeit.

Wir stehen mit der Community gemeinsam im Dialog bei der Erarbeitung des Hessischen Aktionsplans für Akzeptanz und Vielfalt. Wir schaffen damit die Grundlage für ein vorurteilsfreies und diskriminierungsfreieres Miteinander in Hessen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Mit der Finanzierung von Projekten fördern wir unterschiedliche Initiativen hessenweit. Wir haben im vergangenen Jahr 18 Projekte mit 100.000 € unterstützt. In diesem Jahr steht ein erhöhter Betrag in Höhe von 120.000 € zur Verfügung. Aktuell werden wir damit hessenweit 30 Veranstaltungen, Filmreihen, Kulturprojekte, Ausstellungen, Publikationen und Studien fördern.

Ich freue mich, dass wir es gerade in dieser Woche geschafft haben, die Beauftragung der Aufarbeitung der Schicksale der Opfer des ehemaligen § 175 vorzunehmen. Wir leisten damit einen Beitrag zur Wiedergutmachung.

Wir setzen damit einstimmige Beschlüsse des Landtags in die Realität um.

Wir werden nicht nur die Schicksale der Opfer strafrechtlicher Verfolgung wissenschaftlich aufarbeiten und dokumentieren, sondern auch die soziale Ausgrenzung und Repression von lesbischen Frauen und schwulen Männern bis zu den Emanzipationsbewegungen im Zeitraum 1945 bis 1985 aufarbeiten. Hierfür haben wir 100.000 € zur Verfügung und werden in der zweiten Jahreshälfte 2017 die Ergebnisse mit einer Publikation, einer Ausstellung und einer Fachtagung vorstellen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Vizepräsidentin Heike Habermann übernimmt den Vorsitz.)

Meine Damen und Herren, eine aktuelle Studie des Deutschen Jugendinstituts belegt, dass 80 % der befragten Jugendlichen wegen ihrer sexuellen Orientierung erheblichen Anfeindungen ausgesetzt sind. Diese queeren Jugendlichen vermeiden ihr Coming-out, um sich nicht Beleidigungen oder sogar körperlicher Gewalt auszusetzen. Um diese Jugendlichen zu ermutigen, fördern wir an sechs Standorten in Hessen SchLAu-Projekte mit 50.000 €.

Wir als Landesregierung haben mit Ihrer Unterstützung in den vergangenen zwei Jahren wichtige Entwicklungen in diesem Bereich eingeleitet. Es entspricht unser aller politischer und gesellschaftlicher Verantwortung und Verpflichtung, der Abwertung von Menschen entschieden entgegenzutreten. Ich danke allen – innerhalb und außerhalb der Parlamente –, die uns auf diesem Weg gemeinsam begleiten und ihn auch unbeirrt weitergehen werden. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. – Ich habe keine weiteren Wortmeldungen vorliegen. Damit ist die Aktuelle Stunde unter Tagesordnungspunkt 57 abgehalten.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 58 auf:

Antrag der Fraktion der SPD betreffend eine Aktuelle Stunde (Keine Verlängerung für den Einsatz von Gly- phosat – Gesundheitsschutz geht vor) – Drucks.

19/3396 –

Er wird zusammen behandelt mit dem Dringlichen Antrag der Fraktion der SPD betreffend keine Neuzulassung von Glyphosat in der Europäischen Union und dem Dringlichen Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Hessen reagiert auf Risiken von Glyphosat.

Herr Rudolph, zur Geschäftsordnung.

Frau Präsidentin, wir bitten darum, im Anschluss an die Aktuelle Stunde über unseren Tagesordnungspunkt 25 abzustimmen.

Das wird so gemacht. – Als erste Rednerin rufe ich Kollegin Löber von der SPD-Fraktion auf.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Heute entscheiden die Mitglieder der Europäischen Union über die weitere Zulassung des Unkrautvernichtungsmittels Glyphosat, da die bisherige Zulassung endet. Nicht nur 40 % aller deutschen Felder werden mit Glyphosat behandelt, sondern auch Wege, Gleise und Kleingärten. In der ökologischen Landwirtschaft dagegen ist Glyphosat verboten.

Die Artenvielfalt von Pflanzen, Insekten und Vögeln wird durch Pflanzenschutzmittel eingeschränkt, die biologische Vielfalt zerstört, Pflanzen und Kräuter werden sogar resistent gegen die eingesetzten Mittel. Erste Pflanzen in den USA sind bereits resistent gegen alle vorhandenen Unkrautvernichtungsmittel.

(Kurt Wiegel (CDU): Das stimmt so nicht! – Gegenruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Ich komme sicherlich noch zu dem einen oder anderen Punkt, bei dem Sie es auch so sehen werden. – Aber es geht auch ohne Glyphosat. Es wäre eine Rückkehr zur ursprünglichen klassischen Landwirtschaft mit Fruchtwechsel, Zwischenfrüchten über den Winter, mechanischer Unkrautbekämpfung, Pflügen der Felder anstatt Spritzen von Pflanzenschutzmitteln,

(Beifall bei der SPD und der Abg. Martina Feld- mayer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

langsamem Trocknen der Ernte anstatt Spritzen für die Beschleunigung des Trocknungsprozesses. Bodenunfruchtbarkeit – auch das werden Sie sicher wissen – wird nur langsam sichtbar, da anfangs nur mehr Dünger eingesetzt wird, um die Unfruchtbarkeit zu bekämpfen. Für totgespritzte Felder, die über Jahre mit Glyphosat behandelt wurden, gibt es jedoch mittlerweile weltweit viele erschreckende Beispiele. Landwirte merken unterschiedliche Glyphosatanteile beim Futter direkt am Gesundheitszustand ihrer Tiere. Negative Auswirkungen auf die Umwelt sind klar. Allein das wäre schon ausreichend für ein Verbot von Glyphosat. Um sich vorzustellen, wie ein Gift wirkt, das auf dem Feld alles außer der zu erntenden Pflanze tötet, dafür braucht man kein Wissenschaftler zu sein.

(Kurt Wiegel (CDU): Rumeierei!)

Gehen wir einmal zurück in die Vergangenheit: Glyphosat wurde 1964 als chemischer Rohrreiniger patentiert, 1969 dann als Pflanzenschutzmittel – ein Milliardengeschäft, von dem viele in diesem Bereich profitieren. Wer von uns möchte Rohrreiniger essen oder im Körper haben, selbst wenn die Dosen ganz gering sind und unter Grenzwerten liegen? Glyphosat ist ein Gift, in Kombination mit anderen Chemikalien noch giftiger. Meist sind Pflanzenschutzmittel Cocktails von 20 oder mehr Stoffen, die in der Kombination noch gar nicht untersucht wurden. Voraussichtlich sind diese Cocktails hundert- bis tausendmal toxischer als Glyphosat allein.

Das Bundesinstitut für Risikobewertung hat erstmals 2000 die Gefahren von Glyphosat geprüft, letztes Jahr erneut. Leider kommt das BfR derzeit nicht zu einer gesundheits

schädlichen Bewertung von Glyphosat. Auch die WHO kommt zu widersprüchlichen Ergebnissen, ob Glyphosat krebserregend ist oder nicht.

Lassen Sie mich Beispiele nennen, warum es zu widersprüchlichen Ergebnissen kommen kann: Man muss genau hinsehen, ob die Sachverständigen wirklich unabhängig von Lobbyverbänden der Industrie sind. Der Vorsitzende des Untergremiums der WHO, das zuletzt zu einer positiven Bewertung von Glyphosat gekommen ist, ist gleichzeitig Vizepräsident einer Industrieorganisation. Und Sie werden sicherlich bestätigen können, dass der Präsident des Deutschen Bauernverbandes gleichzeitig Präsident des Lobbyverbands „Forum Moderne Landwirtschaft“ ist, wodurch er z. B. Hersteller von Pflanzenschutzmitteln vertritt.

(Zuruf von der SPD: Hört, hört!)

Die unterschiedlichen Debatten über Gesundheitsgefahren durch Glyphosat werden bei der SPD nicht zu einem Umdenken führen. Wir sind gegen eine weitere Zulassung von Glyphosat, wir bleiben beim Nein.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Mürvet Öztürk (fraktionslos) – Zuruf des Abg. Kurt Wiegel (CDU))

Wichtig ist auch, zu prüfen, wer die jeweilige Untersuchung bezahlt hat. Viele Studien sind meist von der Industrie selbst in Auftrag gegeben und bezahlt worden. Die Sachverständigen bewerten oft nur die verarbeiteten Daten einer Industriestudie und nicht die dazugehörigen Rohdaten, noch werden die Daten geprüft. Zudem wird oft nicht transparent gemacht, wie die Ergebnisse zustande gekommen sind. Wir brauchen endlich unabhängige wissenschaftliche Untersuchungen der kompletten Pflanzenschutzmittel, die Glyphosat enthalten. Das muss endlich von der Politik vorangebracht werden.

Die Frage ist nicht nur allein, ob Glyphosat krebserregend ist, sondern wie Glyphosat, das in der Landwirtschaft, im Essen, in Hygieneartikeln und vielem mehr zu finden ist, in Summe wirkt und dabei Mensch, Tier und Natur schadet. Gift und Pestizide in Nahrungsmitteln sind zwar meist unter festgelegten Grenzen, aber ich denke, wir alle wollen toxin- und pestizidfreie Nahrung und kein Gift im Essen.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Kurt Wiegel (CDU))

Leider ist es nicht mehr nur ein sachlicher, sondern mittlerweile ein politischer Konflikt. Lassen Sie uns zur Sachpolitik zurückkommen und alle gemeinsam ein Zeichen gegen Glyphosat setzen.

Die SPD hat sich auf Bundesebene zwar spät gegen eine Wiederzulassung von Glyphosat entschieden,

(Kurt Wiegel (CDU): Fragt sich, warum!)

Frau Kollegin Löber, kommen Sie bitte zum Schluss.

aber letztlich sollte das eigene Gewissen im Vordergrund stehen. Von dieser Verantwortung kann sich niemand freimachen.

Natur-, Umwelt- und Tierschutz sollten bei uns allen über wirtschaftlichen Interessen stehen, und der Schutz der Ver

braucher an erster Stelle. Unsere Sicherheit und Gesundheit und die unserer Kinder sind das Wichtigste.

Frau Kollegin Löber, bitte ein letzter Satz.

Wir werden Ihrem Antrag nicht zustimmen, da das eigentliche Thema umschifft wird. Sie hätten den Passus ergänzen sollen: „Der Landtag nimmt zur Kenntnis, dass die Regierungsparteien unterschiedlicher Auffassung zum Thema Glyphosat sind“. – Vielen Dank.

Vielen Dank. – Als Nächste spricht Frau Kollegin MüllerKlepper, CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln erfolgt im geeinten Europa aus gutem Grund in Brüssel. An der Entscheidung ist die Bundesregierung beteiligt, so auch im Falle von Glyphosat – und hier vollführt die SPD-Bundesumweltministerin mit einem kurzfristigen Kurswechsel einen Eiertanz.