Protokoll der Sitzung vom 19.05.2016

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln erfolgt im geeinten Europa aus gutem Grund in Brüssel. An der Entscheidung ist die Bundesregierung beteiligt, so auch im Falle von Glyphosat – und hier vollführt die SPD-Bundesumweltministerin mit einem kurzfristigen Kurswechsel einen Eiertanz.

(Beifall bei der CDU)

Erst ist sie für die Neuzulassung, dann ist sie – obwohl sich die Faktenlage nicht geändert hat – dagegen. Verlässliche Politik sieht anders aus, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Hessen ist am Entscheidungs- und Zulassungsprozess in keiner Weise beteiligt. Dennoch können wir uns gerne über die Grundlagen und Verfahren unterhalten, nach denen Mittel zugelassen werden sollen. Solche Prozesse dürfen kein Ort für politische Spielchen oder Wahlkampf sein.

(Beifall des Abg. Dr. Walter Arnold (CDU))

Denn es geht um Grundlegendes: um den Gesundheitsschutz der Verbraucherinnen und Verbraucher. Unsere Nahrungsmittel und unsere Verbrauchsgüter müssen gesundheitlich unbedenklich sein. Produktsicherheit muss immer Vorrang vor ökonomischen Interessen haben.

Das gilt auch für das Thema Glyphosat. Dies wird durch ein engmaschiges Netz von gesetzlichen Regelungen, Kontrollen, durch permanente wissenschaftliche Begleitung und darauf basierende Weiterentwicklungen der Maßnahmen bis hin zum Verbot gewährleistet. Es muss bewertet werden: Ist ein Stoff sicher für Mensch, Tier und Umwelt?

Zahlreiche Bewertungsbehörden haben sich im EU-Verfahren intensivst mit der Frage beschäftigt, ob die Zulassung von Glyphosat verlängert werden kann. Das Ergebnis: Die zuständigen Experteneinrichtungen in Deutschland wie das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, das Julius Kühn-Institut, das Bundesinstitut für Risikobewertung und das Bundesumweltamt haben die Neuzulassung für vertretbar gehalten. Ebenso ist die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit eindeutig zu dem Schluss gekommen, dass der Wirkstoff zulassungsfä

hig ist, dass er den Sicherheitsanforderungen der europäischen Richtlinie für Pflanzenschutzmittel entspricht und keine krebserzeugenden Risiken hat. So haben es vor einigen Tagen auch die Weltgesundheitsorganisation WHO und die Welternährungsorganisation FAO bestätigt.

Ja, meine Damen und Herren, es gibt Rückstände, z. B. in Lebensmitteln und in Baumwollprodukten. Ja, Rückstände sind mit modernen Methoden auch im menschlichen Körper nachweisbar.

(Timon Gremmels (SPD): Jetzt liegt es an den Methoden, oder was?)

Aber sie sind vorhanden und nachweisbar in Mengen, die von der Wissenschaft als unbedenklich eingestuft werden, und zwar mit hundertfachem Sicherheitspuffer. Das ist der aktuelle Stand der Wissenschaft, und er ist zu berücksichtigen,

(Unruhe – Glockenzeichen der Präsidentin)

so wie es das Votum des Europäischen Parlaments getan hat und wie es der neue Entwurf der EU-Kommission für die weitere Zulassung tut.

(Beifall bei der CDU – Timon Gremmels (SPD): Die GRÜNEN klatschen ja gar nicht!)

Entscheidend sind Sachlichkeit und Fachlichkeit, und das rechtsstaatliche Zulassungsverfahren garantiert beides. Es ist wissenschaftsbasiert. Meine Damen und Herren, auf welcher Basis sollte sonst eine solche Entscheidung getroffen werden? Doch nicht auf der Basis von effekthaschenden Schlagzeilen, die dann beim Faktencheck wie eine Seifenblase zerplatzen, wie das jüngst bei der Botschaft „Glyphosat in Bier“ der Fall war. Der Konsum wäre wegen Glyphosatrückständen erst ab einer Menge von 1.000 l täglich gesundheitsschädlich. Die zuvor eintretende Alkoholvergiftung würde das wahrscheinlich verhindern.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Zuruf des Abg. Timon Gremmels (SPD))

Das Ziel der Landesregierung ist, dass Herbizide so wenig wie möglich verwendet werden. Wegen der möglichen gesundheitlichen Auswirkungen, aber auch aus Gründen des Umwelt- und Artenschutzes muss der Einsatz von chemischen Pflanzenschutz- und Düngemitteln noch stärker und schneller reduziert werden. Auf öffentlichen Flächen z. B. muss man kein Glyphosat einsetzen. Deshalb haben wir das eingeschränkt.

Unser Ziel ist auch, dass Pflanzenschutzmittel nur sachkundig und sachgerecht eingesetzt werden. Die Landwirte verfügen über diese Sachkunde, und sie werden vom Landesbetrieb intensivst in diese Richtung beraten. Auch hier haben wir Schritte unternommen.

(Timon Gremmels (SPD): Und die Auswirkungen auf die Biodiversität?)

Außerdem muss man landwirtschaftliche Flächen, auf denen Glyphosat genutzt wird, nicht mit Greening-Mitteln fördern.

(Zuruf des Abg. Timon Gremmels (SPD))

Frau Kollegin Müller-Klepper, kommen Sie bitte zum Ende?

Ja. – Daran arbeiten wir, und daran arbeitet vor allem Frau Ministerin Hinz. Das, was wir in Hessen regeln können, tun wir. Die grundsätzliche Frage aber, ob und unter welchen Bedingungen Glyphosat einsetzbar ist, wird in Europa und nicht hier in Wiesbaden entschieden. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Timon Gremmels (SPD))

Vielen Dank. – Als Nächste spricht Kollegin Schott, Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau MüllerKlepper, Ihre Rede hat mich echt beeindruckt. Dass die GRÜNEN dazu geklatscht haben, hat mich noch mehr beeindruckt. Ich muss sagen, das ist echt entlarvend.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Ich verstehe auch nicht, wie Sie nachher Ihrem eigenen Antrag zustimmen können, nach der Rede. Darin steht im ersten Absatz:

Der Landtag betont, dass die gesundheitliche Unbedenklichkeit von allen Nahrungsmitteln und Verbrauchsgütern höchste Priorität hat. Gesundheitlich schädliche Wirkungen müssen im Sinne eines vorsorgenden Verbraucherschutzes ausgeschlossen werden.

Das steht hier. Wenn Sie sich dann anschauen, dass die WHO sich selbst intern noch nicht einmal einig ist und dass in dieser Uneinigkeit Gutachten Gegengutachten jagen und Gegengutachten wieder von Gutachten gejagt werden, dann wissen wir definitiv, dass wir keine Klarheit haben. Aber solange wir keine Klarheit haben, können wir uns nicht auf etwas einlassen, was wir in der gesamten Nahrungsmittelkette wiederfinden.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Sich dann darüber lustig zu machen, dass man komasaufen müsste, um sich mit dem Bier zu schädigen, wenn die Schädigung schon mit der Muttermilch beginnt, das finde ich verantwortungslos.

(Beifall bei der LINKEN)

Dass wir es in allen anderen Nahrungsmitteln finden, wissen wir doch. In Lateinamerika wird Glyphosat vor allem beim Anbau von gentechnisch verändertem Soja eingesetzt. Die Arbeiterinnen auf den Sojaplantagen sind weit höheren Glyphosatdosen ausgesetzt – da kommen wir der Sache näher – als die Verbraucher hier. Von dort kommen seit Jahren Meldungen über Fehlgeburten, Fehlbildungen von Neugeborenen und Krebserkrankungen. Das Ganze erinnert schon sehr an die Geschichte von DDT.

Ganz generell müssen wir uns die Frage stellen, was der Einsatz von Totalherbiziden wie Glyphosat bewirkt. Soll es auf dem Acker alles abtöten, was grün ist – das ist das Erste –, außer der von einem Konzern patentierten Nutzpflanze? Zum einen ist der flächendeckende Einsatz von

Glyphosat ein großes Problem für die Artenvielfalt in der Agrarlandschaft und steht im Widerspruch zur Biodiversitätsstrategie der Bundesrepublik.

Aber wer gestern Abend beim parlamentarischen Abend des BUND war, der konnte von Frau Dr. Idel auch lernen, dass jede Tonne zusätzlichen Humus auf dem Acker 1,8 t CO2 bindet. Man konnte darüber hinaus lernen, dass hoch industrielle Monokulturlandwirtschaft jedes Jahr auf jedem Hektar 1 t Boden verliert. Auch das ist eine Tatsache, und dem muss man entgegentreten.

(Zuruf des Abg. Kurt Wiegel (CDU))

Zweitens setzt das Totalherbizid den Einsatz von genetisch veränderten Pflanzen auf dem Acker voraus, wenn man es auf dem Acker ausbringen will. Ihr Einsatz ist mit weiteren Risiken verbunden, die die Mehrheit der Bevölkerung nun einmal ablehnt.

Drittens gelangen die landwirtschaftlichen Betriebe in eine noch stärkere Abhängigkeit zu Monsanto & Co. Über die Preise für Herbizide, angepasstes Saatgut und Dünger bestimmen die Agrarmultis letztlich über die Gewinnmargen eines Betriebs und darüber, ob die Menschen von ihrer Arbeit leben können oder ob sich nur noch Großbetriebe durchsetzen.

Ist es das, was Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt will? Wollen wir eine Landwirtschaft, die nur noch aus Industriebetrieben besteht, oder wollen wir kleinbäuerliche Landwirtschaft? Insbesondere in Hessen müssen wir uns diese Frage sehr genau stellen.

Ähnliches gilt für den Präsidenten des Bauernverbandes. Wir haben vorhin schon von den Verstrickungen gehört. Da frage ich mich doch, wessen Interessen er vertritt. Wenn Sie hier mit den kleinen Landwirten reden, dann werden Sie nicht finden, dass sie sich von ihm vertreten fühlen.

(Beifall bei der LINKEN – Lachen des Abg. Kurt Wiegel (CDU))

Glyphosat nicht wieder zuzulassen ist sachlich die richtige Entscheidung. Wir wünschen uns das für alle Totalherbizide. Deutschland könnte das Zünglein an der Waage sein, ist es sogar. Der Führung der SPD im Bundestag unterstelle ich jedoch rein strategisches Vorgehen.

(Timon Gremmels (SPD): Nein! – Weitere Zurufe von der SPD: Oh!)

Das muss ich an der Stelle ehrlich sagen. Es war doch schon klar, dass sich das CSU-geführte Bundeslandwirtschaftsministerium, weil es die Interessen der Agrarindustrie und Großbauern vertritt statt die des Gesundheits-, Umwelt- und Verbraucherschutzes, für eine Wiederzulassung aussprechen würde.

(Zuruf des Abg. Günter Rudolph (SPD))

Warum die SPD in der Regierungsberatung auch für die Wiederzulassung von Glyphosat stimmte, jetzt aber für das Gegenteil eintritt, ist nicht inhaltlich, sondern nur mit Streben nach Popularitätspunkten im Vorwahlkampf zu erklären. Denn sonst hätten sie das auch viel früher sagen können.

(Beifall bei der LINKEN)