Ich bin sehr froh, dass Bundesjustizminister Heiko Maas noch die Kurve gekriegt und seinen ursprünglichen Gesetzentwurf an diesem Punkt deutlich nachgebessert hat. Sexuelle Handlungen gegen den erklärten Willen einer Person stehen künftig unter Strafe, und das ist auch gut so.
Die Opfer – in der Mehrzahl der Fälle sind es Frauen – müssen künftig nicht mehr nachweisen, dass sie sich auch hinreichend gewehrt haben. Es bleibt der Frau nach dem Trauma eines sexuellen Übergriffs künftig erspart, nachzuweisen, dass sie sich hinreichend gewehrt hat und dass sie Abwehrverletzungen hat, und Fragen zu beantworten, warum sie denn Opfer einer Gewalttat geworden oder warum sie an Leib und Leben bedroht worden ist. Diese Situation müssen die Opfer von sexuellen Übergriffen künftig nicht mehr ertragen.
Meine Damen und Herren, dieser Erfolg hat viele Mütter. Ein paar davon gibt es auch in Hessen. Darum will ich ausdrücklich Danke sagen: ein Dank an all jene Vereine und Verbände, die über ihre Netzwerke Lobbyarbeit gemacht haben, z. B. all die Vereine und Verbände, die sich auch im Landesfrauenrat Hessen zusammengeschlossen haben, die gemeinsam für ein so wichtiges frauenpolitisches Anliegen aufgetreten sind und diese Forderungen über ihre Netzwerke eingespeist haben.
Ich will auch der Justizministerin Eva Kühne-Hörmann ausdrücklich Danke sagen. Sie haben in den Beratungen im Bundesrat über die Parteigrenzen hinweg mit geschoben, mit gezogen und mit dafür gesorgt, dass an dem Gesetzentwurf, der sich in der parlamentarischen Beratung im Bundestag befand, nachgebessert wurde.
Die Hessische Landesregierung hat auf diese Weise mit dafür gesorgt, dass an dem entscheidenden § 177 endlich Nachbesserungen vorgenommen worden sind. Sie erinnern sich vielleicht auch daran, dass wir am Frauentag eine entsprechende Debatte zu diesem Thema geführt haben.
Meine Damen und Herren, mit der Änderung des Sexualstrafrechts wird jetzt endlich auch die Istanbul-Konvention
in deutsches Recht übernommen. Die Istanbul-Konvention schreibt im Art. 36 vor, dass Gewalt und Geschlechtsverkehr gegen den erklärten Willen einer Person unter Strafe zu stellen sind. Diese Istanbul-Konvention haben bisher 39 Staaten unterzeichnet. Die Unterzeichnerstaaten haben sich zur Verhütung und Bekämpfung von häuslicher Gewalt verpflichtet. Diese Konvention trat 2014 in Kraft, aber sie wurde von der Bundesregierung bisher nicht umgesetzt.
Bundesjustizminister Heiko Maas und auch seine Vorgängerin, Frau Leutheusser-Schnarrenberger, hielten das nicht für nötig, weil sie der Meinung waren, dass unser Strafrecht die erforderlichen Schritte einleitet. Ich bin sehr froh, dass sich diese Meinung durch den geballten Widerstand der Frauenorganisationen geändert hat.
Das dämpft ein bisschen meine Enttäuschung darüber, dass der Gesetzentwurf, den die grüne Bundestagsfraktion bereits im Juli 2015 eingebracht hatte, nicht zum Erfolg führte. Auch da hieß es immer noch: Wir haben keinen Handlungsbedarf, und wir setzen alles um, was erforderlich ist. – Von daher bin ich sehr froh, dass man hier die Kurve gekriegt hat und dass dieser unerträgliche Zustand, dass sexuelle Übergriffe nur dann gerichtlich verfolgt werden konnten, wenn sich eine Frau hinreichend zur Wehr gesetzt hat, endlich überwunden ist.
Die Frauenverbände, die Frauennotrufe und der Deutsche Juristinnenbund hatten eine ganze Reihe unerträglicher Fälle gesammelt, bei denen feststand, wer Opfer und wer Täter war, bei denen aber trotzdem – weil das Strafrecht es nicht so vorsah – eine Verfolgung nicht möglich war.
Meine Damen und Herren, dieser Spuk hat jetzt ein Ende, auch dank der Unterstützung aus Hessen. Nein heißt jetzt endlich nein.
Vielen Dank, Frau Kollegin Erfurth. – Das Wort hat Herr Abg. Dr. Wilken, Fraktion DIE LINKE, Frankfurt-Nordend.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch wir als Fraktion DIE LINKE empfinden eine große Freude dabei, dass wir den Grundsatz endlich gesetzlich verankert haben, für den wir lange gestritten haben, nämlich: Nein heißt nein.
Für diesen Grundsatz – ich will das ausdrücklich betonen – haben zahlreiche Frauen, ihre Verbände und Organisationen seit vielen Jahren gekämpft. Das zeigt wieder einmal, dass in Parlamenten etwas umgesetzt wird, wofür außerparlamentarisch Mehrheiten in der Gesellschaft gewonnen werden, und das ist gut so.
Es ist gut, dass nun, damit das strafrechtlich von Belang ist, ein entgegenstehender Wille nicht mehr mit Zwang ge
brochen werden muss, sondern dass allein die Äußerung eines entgegenstehenden Willens – in welcher Form auch immer – ausreicht.
Meine Damen und Herren, das ist ein Paradigmenwechsel. Es ist ein wichtiger Fortschritt, da der Grundsatz des sexuellen Selbstbestimmungsrechts jetzt im Vordergrund steht. Das sexuelle Selbstbestimmungsrecht hat einen Wert, und seine Verletzung wird nicht mehr an der Intensität von Gewalt gemessen, die dieses Recht brechen wollte.
Es ist vor allem ein Erfolg der Frauen in den Beratungsstellen und Notrufen, die mit ihren Organisationen und Verbänden seit sehr vielen Jahren dafür gekämpft haben, selbstverständlich auch in Hessen. Ich möchte ihnen allen ausdrücklich dafür danken.
Ich bin mir sicher, dass wir bei allem Engagement einer Justizministerin oder eines Justizministers ohne die vielen Frauen in diesen Beratungsstellen und Notrufen heute tatsächlich noch nicht so weit wären.
(Beifall bei der LINKEN, bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN so- wie der Abg. Mürvet Öztürk (fraktionslos))
Nun ist nicht alles gut mit diesem neuen Gesetz aus dem Bundestag von letzter Woche. Wir werden weiterhin das Problem in der Strafverfolgung haben, dass Aussage gegen Aussage steht. Es wird jetzt so kommen – so ist die allseitige Vermutung –, dass jetzt mehr Anzeigen gestellt werden und dass mehr Anzeigen auch zu Strafverfahren führen und vielleicht auch zu mehr Verurteilungen. Ich sage ganz ausdrücklich: Unser Ziel ist aber, dass es zu weniger Vergewaltigungen kommt.
Diese Trendwende und dieser Paradigmenwechsel, wie ich es genannt habe, sind in unserer Gesellschaft auch gefährdet – durch Tendenzen des familienpolitischen und kulturellen Rollbacks nicht nur, aber insbesondere der Alternative für deutsche weiße alte Männer. Auch dagegen gilt es nach wie vor zu kämpfen.
Zwei letzte Bemerkungen: Was meine Fraktion hier, meine Fraktion im Bundestag und meine Partei insgesamt bei diesem Gesetz letzte Woche im Deutschen Bundestag richtig geärgert hat, ist die Verknüpfung der Regelungen für sexuelle Selbstbestimmung mit Sippenhaft und mit der Erleichterung von Abschiebungen. Letzteres ist kurzfristig in den Gesetzentwurf aufgenommen worden, und es bedient genau diese Vorurteile, die ich gerade angesprochen habe, dass nämlich Vergewaltigung ein Problem sei, das mit Zuwanderung zu tun hätte. Das ist nicht so. Ich will das ausdrücklich so sagen. Es ist ein Problem auch unserer Kultur, und es ist ein Problem der unmittelbaren Beziehungen, der unmittelbaren Familie und der unmittelbaren Bekanntschaften. Davon abzulenken ist einfach falsch.
Außerdem finden wir es durchaus problematisch, dass jetzt in dieser Regelung eine pauschale Verurteilung der Beteili
gung an einer Gruppe ermöglicht wird, aus der heraus sexuelle Übergriffe stattfinden, auch wenn der Einzelne das gar nicht mitbekommen hat. Das ist nah an Sippenhaft und dreht vor allen Dingen den Strafrechtsanspruch, dass jemand Schuld auf sich geladen haben muss, vollkommen um. Im Effekt kann ein sexueller Übergriff durch eine Person allen anderen aus einer solchen Gruppe zugerechnet werden, auch wenn sie davon nicht einmal etwas gemerkt haben und nichts davon wussten.
Mein letzter Satz, Herr Präsident: Das sind zwei Schatten auf diesem Gesetz, das wir ansonsten sehr begrüßen. Nein heißt endlich nein. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Wilken. – Das Wort hat Frau Abg. Claudia Ravensburg für die CDU-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Nein heißt nein – drei Worte, die das deutsche Sexualstrafrecht in der letzten Woche grundlegend verändert haben und die so wichtig sind, dass auch ich sie heute noch einmal ausdrücklich erwähnen möchte. Bereits im März in unserer Debatte zum Weltfrauentag haben wir gemeinsam hier die Verschärfung des Sexualstrafrechts gefordert. Kollegin Erfurth hat es gesagt: Herzlichen Dank an unsere Justizministerin Eva Kühne-Hörmann, die gerade auch in dieser Debatte erklärt hat, dass Hessen der Bundesratsinitiative zur Verschärfung des Sexualstrafrechts beitritt,
und die damit auch einen wichtigen Beitrag dazu geleistet hat, dass der Gesetzentwurf von Bundesjustizminister Maas deutlich verbessert und verschärft wurde und dass die Änderungen, die der Bundesrat empfohlen hat, auch in das Gesetz übernommen worden sind.
Fortan ist die „rote Linie“ immer dann überschritten, wenn jemand gegen den erkennbaren Willen des Opfers verstößt.
Vergewaltigung ist es nämlich auch dann, wenn sich das Opfer nicht wehrt. Das war eine unserer ganz wichtigen Forderungen. Erstmals steht auch die sexuelle Belästigung unter Strafe. Grabschen ist ein massiver traumatisierender Übergriff und kann jetzt endlich auch strafrechtlich belangt werden.
Seit Anfang des Jahres – Herr Dr. Wilken, das kann man auch nicht ignorieren – sind bereits über 1.000 Übergriffe registriert worden. Meist sind es Frauen und Mädchen, die Opfer sexueller Übergriffe geworden sind. Das Strafrecht war völlig unzulänglich, um ihnen zu helfen. Opfer fühlten sich als Freiwild. Täter wurden geschützt – auch weil sich Täter in Gruppen zurückziehen konnten, die sie erst stark machten. Täter fanden in diesen Gruppen Sicherheit vor Rechtsverfolgung, weil der konkrete Täter oftmals nicht zu identifizieren ist.
Kritiker haben gesagt: Straftaten aus Gruppen sind schwer zu beweisen. – Ja, das ist so. Aber soll der Staat deshalb ohnmächtig zusehen? – Nein, ich finde, es war richtig, den Straftatbestand für Übergriffe, die aus Gruppen heraus begangen werden, zu schaffen. Der Rechtsstaat hat hier ein Zeichen gesetzt, dass wir solch ein Handeln nicht tolerieren.