Protokoll der Sitzung vom 12.10.2016

Damit sorgen wir dafür, dass dieses Maßnahmenbündel auf gesetzlicher Ebene verankert wird und im bestehenden Gesetzestext dann auch die nötigen redaktionellen Anmerkungen ergänzt werden. Im Übrigen: Wer diese Schulgesetznovelle kleinreden will, muss dann einmal bis 115 zählen können. Das sind nämlich in der Tat 115 Änderungsbefehle. Meine Damen und Herren, mir fehlt jetzt die Zeit, hier 115 Änderungsbefehle im Einzelnen zu beschreiben.

(Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Deswegen will ich mich hier auf einige Schwerpunkte beschränken. Stichwort: Ganztagsunterricht. Der Pakt für den Nachmittag ist ein Renner.

(Zuruf der Abg. Sabine Waschke (SPD))

Das größte Ganztagsschulprogramm des Landes Hessen mit über 100 Millionen € an Mitteln, die dort investiert werden, zeigt, dass wir da auf dem richtigen Weg sind, mit den Akteuren vor Ort, mit den Schulgemeinden, mit den Schulträgern die Dinge zu entwickeln und zu besprechen. Es gibt eine riesengroße Nachfrage. Parallel dazu werden alle Anträge auf die Weiterentwicklung von gebundenen und rhythmisierten Ganztagsangeboten genehmigt. Das ist die Politik, die wir im Koalitionsvertrag beschrieben haben: Sage das, was du tust, und tue das, was du sagst.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Kommen wir zu den inklusiven Schulbündnissen, zur Inklusion. Meinen Damen und Herren, Frau Kollegin Cárdenas, Sie haben das hier schon immer deutlich gemacht: Sie haben ein völlig anderes Grundverständnis von inklusivem Unterricht als die meisten Menschen in diesem Raum, aber auch als diejenigen, die es betrifft.

Die inklusiven Schulbündnisse, die jetzt an den Start gehen, sind die ideale Plattform und der ideale Planungsrahmen für die Entwicklung von tatsächlicher inklusiver Beschulung mit Maß und Mitte. Die Förderschulen haben nach wie vor eine sehr relevante Bedeutung. Diese können ihre vorzügliche Arbeit weiter machen. Aber in einem inklusiven Schulbündnis sind natürlich alle Schulen mit Schwerpunkten dort, wo sie angesiedelt werden, mit dabei.

Wir sorgen damit dafür, dass die Förderschullehrer nicht mehr auf der Straße sind als im Klassenraum. Das ist verantwortungsvoller Umgang mit Ressourcen. So arbeiten wir. Wir orientieren uns am Elternwillen, und wir richten die Strukturen für die sonderpädagogische Förderung an den regionalen Gegebenheiten, der Schulentwicklungsplanung der Schulträger und den pädagogischen Konzepten der Schulen aus.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Kommen wir zur Schulstruktur und zur Schulvielfalt. Ich glaube, darüber können wir reden. Wenn ich hier vom Kollegen Degen höre, das sei alles viel zu wenig, und wenn er vom Bildungsgipfel spricht und sagt, man hat und wollte und hätte können – nach dem Prinzip „höher, schneller,

weiter“ –, sage ich Ihnen: Wenn die Schulen eines wollen, dann ist das Planungssicherheit und Zuverlässigkeit und nicht permanent ein totales Durcheinanderrühren von Schulstrukturen nach dem Motto: Wir schaffen heute einmal dieses ab und bauen irgendetwas anderes Neues dazu.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Sehr richtig!)

Wir machen das maßvoll. Ich glaube, das ist auch im Sinne aller handelnden Akteure.

Schauen wir einmal genau hin. Unterhalten wir uns zunächst einmal über die Hauptschulen. Es ist so – da waren Sie nicht ganz unbeteiligt –, dass Sie keine Presseerklärung rausgegeben haben, in der Sie die Hauptschulen und die Akteure, die dort hingehen, nicht kaputtgeredet und kleingeredet haben. So ist das nämlich.

(Beifall bei der CDU)

Jetzt schauen wir uns das einmal weiter an. Wir haben noch eine Hauptschule. Richtig ist: Es hat keine Anträge von Schulträgern in den letzten Jahren für die Neueinrichtung gegeben. Der Realität kommen wir nach, und das schreiben wir auch in das Schulgesetz hinein. Aber es gibt verbundene Haupt- und Realschulen, kooperative Gesamtschulen, integrierte Gesamtschulen, und überall dort wird natürlich noch der Hauptschulabschluss angeboten, und er wird da auch gemacht, weil der Hauptschulabschluss eine relevante Größe im hessischen Bildungssystem ist – ohne Wenn und Aber. Das sind immerhin 336 Schulen, an denen er vorgehalten wird.

Frau Kollegin Cárdenas, mit uns gibt es also keine Einheitsschule, und mit uns gibt es keine Einheitslehrer.

(Zuruf der Abg. Barbara Cárdenas (DIE LINKE) – Zurufe von der SPD – Glockenzeichen des Präsidenten)

Deswegen haben wir auch gesagt: Wir werden den Gymnasien Gestaltungsspielraum geben. Die Entscheidung über G 8 und G 9 kann natürlich vor Ort getroffen werden. Wenn ich das einmal an dieser Stelle erwähnen darf: Immerhin 15 % aller Gymnasien sind noch im Bereich G 8 unterwegs. Das ist keine Petitesse. Das ist alles kleingeredet worden. Die Totengräberreden, die Sie an dieser Stelle immer gern auf den Weg bringen, gehen völlig an der Realität vorbei. Auch dort gibt es die Wahlfreiheit der Akteure vor Ort.

Das trifft dann auch für die integrierten Gesamtschulen zu. Auch das haben wir im Koalitionsvertrag beschrieben. Versprochen, gehalten – tue das, was du sagst, und sage das, was du tust. Da werden die integrierten Gesamtschulen, die vollständig binnendifferenziert unterrichten, auch mit kleineren Klassen gefördert, wie wir es versprochen haben. Sie werden auf den Weg gebracht und gestärkt.

Die Frankfurter Situation ist eine besondere. Wenn Frankfurt jedes Jahr um 15.000 bis 20.000 Menschen wächst, dann hat das Konsequenzen für die Schulen und die Schullandschaft. Deswegen ist insbesondere für Frankfurt die Einrichtung neuer gymnasialer Oberstufen, so glaube ich, der richtige Schritt. Diese Möglichkeit wird dort jetzt eröffnet. Natürlich geschieht das andernorts auch. Das ist keine Frage. Aber man darf den Bedarf dann dort auch einmal beschreiben, wo er derzeit zumindest am größten ist.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich will noch etwas zum Übergang von der Schule in den Beruf sagen. Ich glaube, es ist sehr wichtig, dass wir die Übergangsszenarien weiter optimieren. Denn unser Ziel ist, junge Menschen möglichst zügig in Ausbildung zu bringen. Das ist unser klares Ziel, und das ist Primat unserer Bildungspolitik. Ich weiß gar nicht, was Sie dagegen haben, dass wir dann sagen: Natürlich kann dann auch an den Produktionsschulen die Vollzeitschulpflicht absolviert werden. – Ich halte das für vernünftig.

Unterm Strich ist der Entwurf zur Novellierung des Schulgesetzes ein gelungener Ausgleich zwischen einer Stärkung der Schulvielfalt und Wahlfreiheit auf der einen Seite sowie der Anpassung an rechtliche und faktische Gegebenheiten auf der anderen Seite.

Wir machen ein Schulgesetz für gute Bildung. Wir machen ein Schulgesetz für die Schulgemeinden. Wir machen ein Schulgesetz für starke Schüler.

Lieber Kollege Armin Schwarz, du musst wirklich langsam zum Schluss kommen.

Ich komme zum Ende, Herr Präsident. Diesen Satz würde ich gern noch zu Ende sprechen. – Es gibt keine ideologischen Grabenkämpfe. Das unterscheidet uns von Ihren bildungspolitischen Ansätzen. Wir machen keine Bildungspolitik und kein Schulgesetz für bildungspolitische Kampfverbände. Wir sind da auf einem guten Weg. Ich freue mich auf die weiteren Beratungen. Da werden wir sowohl im Ausschuss als auch in der Anhörung sicherlich Gelegenheit haben, uns dezidiert noch einmal damit zu befassen. Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit und freue mich sehr, dass wir heute ein gutes Schulgesetz auf den Weg gebracht haben. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Kollege Armin Schwarz. – Das Wort hat der Kultusminister, Prof. Lorz.

(Günter Rudolph (SPD): Er hat ja den Gesetzentwurf geschrieben! Nein, das war der MP! – Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD) – Weitere Zurufe von der SPD)

Moment, meine Damen und Herren. Ich darf darum bitten, dass der Minister das Wort hat.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Novelle des Hessischen Schulgesetzes, die die Regierungsfraktionen hier eingebracht haben, beinhaltet die erste umfassende Novellierung des Schulgesetzes seit fünf Jahren. Wir haben viele Erfahrungen gesammelt. Wir haben viele Anregungen aufgegriffen. Wir haben vielen Menschen zugehört. Deswegen haben wir auch Ideen für ganz viele Verbesserungen entwickelt, die sich in diesem Gesetzentwurf wiederfinden. Vor allem aber spiegelt dieser Entwurf die Leitlinien der hessischen Bildungspolitik wider, wie sie die

schwarz-grüne Koalition schon zu Beginn dieser Legislaturperiode formuliert hat und seither konsequent verfolgt.

Ja, Frau Abg. Cárdenas, Sie haben recht: Das sind die Leitlinien, die ich auch schon vor vier Wochen in meiner Regierungserklärung zum Ausdruck gebracht habe. Daran können Sie die Kontinuität unserer Bildungspolitik erkennen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, worum geht es uns? – Es geht uns um die Sicherung der Qualität von Schule und Unterricht und ihre Weiterentwicklung. Es geht uns um die bestmögliche individuelle Förderung von Schülerinnen und Schülern. Und es geht uns um die Stärkung von Wahlfreiheit und Chancengerechtigkeit im hessischen Bildungssystem, weil wir auch glauben, dass sich auf diesem Wege die bestmögliche individuelle Förderung unserer Schülerinnen und Schüler gut erreichen lässt.

In diesem Gesetzentwurf werden uns viele einzelne Weichenstellungen auf dem Weg zu diesen Zielen weiter voranbringen. Ich nenne den Ausbau der Ganztagsangebote. Auch hier folgen wir dem Grundsatz, dass wir durch die Schaffung eines vielfältigen und bedarfsgerechten Angebots Wahlfreiheit und individuelle Flexibilität gewährleisten wollen. Wir setzen auf einen ganzheitlichen Ausbau des Ganztagsbereichs, auf einen Zusammenklang von offenen, von teilgebundenen und gebundenen Angeboten und eben nicht auf die von oben verordnete Einheitslösung, nach der es nur ein Idealmodell für alle gibt.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen verankern wir den Pakt für den Nachmittag im Schulgesetz. Deswegen schärfen wir aber auch die anderen Ganztagsprofile weiter – auch und gerade das Profil 3. Damit bieten wir Schulgemeinden und Schulträgern eine Vielfalt von Wegen, auf denen sie ihren jeweils spezifischen Bedarf an Ganztagsausbau verwirklichen können.

Ich nenne die Verankerung der inklusiven Schulbündnisse. Auch hier geht es um Wahlfreiheit und Chancengerechtigkeit. Wir folgen eben nicht einer bestimmten Ideologie, sondern wir wollen für jedes Kind in seiner Individualität den bestmöglichen Förderweg finden. Deswegen setzen wir darauf, dass alle Entscheidungsträger, Schulträger, Schulen, Eltern, regionale Förderzentren, Jugendhilfe und noch viele mehr, an einem Tisch zusammenkommen. Wir geben ihnen alle Ressourcen an die Hand, die wir in der Sonderpädagogik haben, und auch die, die wir in Zukunft brauchen. Dann vertrauen wir ihnen das Wohl des jeweiligen Kindes in der Wahl des bestmöglichen Förderortes an. Das ist unser Konzept.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

In diesen Kontext – das ist bisher noch nicht angesprochen worden, aber ich möchte es erwähnen, weil es schon an anderer Stelle Gegenstand der Debatte in diesem Hause war – gehört z. B. auch ein Lösungsvorschlag für die Wiederermöglichung eines 13. und 14. Schulbesuchsjahrs im Förderschwerpunkt geistige Entwicklung. Hier müssen wir – das ist vielen in diesem Hause bekannt – auf eine neue Rechtsprechung zu der alten Gesetzeslage reagieren. Wir nutzen die Gelegenheit, um auch gleich leitende Kriterien für eine solche Verlängerung der Schulzeit zu formulieren.

Das ist nur ein Beispiel für die vielen Verbesserungen, die in der öffentlichen Berichterstattung gar nicht wahrgenommen werden, die aber für die betroffenen Schülerinnen und Schüler, die Schulen und die Eltern eine ganz große Bedeutung haben.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich nenne die Veränderungen im gymnasialen Bildungsgang. Die Wahlfreiheit zwischen G 8 und G 9 hatten wir bereits in der letzten Legislaturperiode eingeführt. Jetzt geht es darum, die Möglichkeit des Parallelangebots, die sich im Schulversuch als sehr erfolgreich erwiesen hat, auf Dauer zu verankern.

Ich will die Gelegenheit nutzen, weil wir über einen Schulversuch reden, um auf die Kritik der Abg. Degen und Greilich einzugehen, die sinngemäß formuliert haben: Wo ist das fundamental Neue an diesem Gesetz, irgendwas, was Sie nicht schon irgendwie ausprobiert, gemacht oder verkündet haben? – Ja, meine Damen und Herren, das zeigt unsere Herangehensweise. Wir machen keine großen Entwürfe am grünen Tisch, die sich noch niemals in der Wirklichkeit haben bewähren müssen, rollen sie flächendeckend über das Land und sagen dann unseren 2.000 Schulen, sie müssen sehen, wie sie damit zurechtkommen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): G 8! Großartig, sensationeller Erfolg, wie Sie das gemacht haben!)

Das Konzept dieser Landesregierung, dieser Koalition ist vielmehr: Wir probieren Dinge aus, wir unternehmen Versuche, wir testen, wir erwarten Feedback im Dialog mit den Schulen, die das ausprobieren, und dann schreiben wir nur solche Dinge in den Gesetzentwurf hinein, bei denen wir mit gutem Gewissen davon überzeugt sind, dass sie sich in der Realität bereits bewährt haben und sich weiterhin bewähren werden.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zurück zu unserem Parallelangebot. Mit der Verankerung dieses Parallelangebots im Schulgesetz werden die Schulen mit gymnasialem Bildungsgang in Zukunft über drei Optionen für die Organisation ihrer Mittelstufen verfügen. Das heißt, auch hier stärken wir die Wahlfreiheit. Natürlich gehört in diesen Zusammenhang auch – es freut mich, dass dies offensichtlich auf einhellige Zustimmung in diesem Haus trifft – die Wiederzulassung neuer eigenständiger gymnasialer Oberstufen.