Zurück zu unserem Parallelangebot. Mit der Verankerung dieses Parallelangebots im Schulgesetz werden die Schulen mit gymnasialem Bildungsgang in Zukunft über drei Optionen für die Organisation ihrer Mittelstufen verfügen. Das heißt, auch hier stärken wir die Wahlfreiheit. Natürlich gehört in diesen Zusammenhang auch – es freut mich, dass dies offensichtlich auf einhellige Zustimmung in diesem Haus trifft – die Wiederzulassung neuer eigenständiger gymnasialer Oberstufen.
Nur, wir machen das – um gleich auf Ihre Kritik einzugehen, Herr Schäfer-Gümbel – eben nicht so flächendeckend und undifferenziert, wie das die Opposition im letzten Jahr vorgeschlagen hat,
sondern ebenfalls mit klaren Errichtungsvoraussetzungen, die wir im Gesetz formulieren und die uns die Sicherheit geben, dass, wenn eine neue, eigenständige gymnasiale Oberstufenschule entsteht, sie erstens auf Dauer bestehen kann und zweitens nicht die bestehenden gymnasialen Oberstufen kannibalisiert.
Ich nenne die Neuorganisation des Hauptschulbildungsgangs, für den wir klarstellen, dass er in Zukunft nur noch in verbundener Form, typischerweise gemeinsam mit dem Realschulbildungsgang, angeboten wird. Auch das erweitert die Optionen an derselben Schule und erhöht damit die Durchlässigkeit zwischen den Bildungsgängen.
Ich nenne die Ermöglichung der vollständigen Binnendifferenzierung an den integrierten Gesamtschulen. Auch das ist eine zusätzliche Option, die es bislang so nicht gegeben hat und die die Wahlmöglichkeiten der einzelnen Schulgemeinden erweitert. Auch hier folgen wir der Maxime, dass die einzelne Schulgemeinde vor Ort am besten wählen kann, was sie für das richtige pädagogische Konzept hält. Wenn sich eine Schulgemeinde darauf verständigt, dann soll sie auch die Möglichkeit haben, das zu verwirklichen.
Ich nenne die Verbesserungen beim Übergang von der Schule in den Beruf, die Stärkung der Berufs- und Studienorientierung, die Anerkennung der Produktionsschulen und die Neuordnung des sogenannten Übergangssystems. Da hinein fällt nicht nur die neue Berufsfachschule zum Übergang in Ausbildung, sondern beispielsweise auch das Auslaufen der einjährigen höheren Berufsfachschule. Ich nenne außerdem die Stärkung der schulischen Qualitätsentwicklung.
Meine Damen und Herren, das ist einer der wichtigsten Punkte. Deswegen will ich ihn zum Schluss besonders betonen. Es ist nur ein Beispiel dafür, dass eine Weiterentwicklung der bisherigen Regelinspektion zu einer externen und internen Schulevaluation die Schulen in Zukunft individuell nach ihrem Bedarf unterstützen kann.
Meine Damen und Herren, auch hieran können Sie sehen, was unser Regierungshandeln und die Anträge der Opposition unterscheidet: Die Abschaffung der Regelinspektion ist hier schon vielfach gefordert worden, aber wir gehen nicht nur destruktiv heran und schaffen etwas ab, sondern setzen konstruktiv etwas Neues, etwas nach unserer Überzeugung Besseres an dessen Stelle. Dafür ist die Schulevaluation ein gutes Beispiel.
Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. – Meine Damen und Herren, Sie sehen also: Wir haben viele gute Vorschläge gemacht.
Wir glauben, dass wir damit Unterrichtsqualität, Wahlfreiheit und Chancengerechtigkeit für unsere Kinder und Jugendlichen noch besser verwirklichen können. Aber wir freuen uns und sind gespannt auf die Anhörung, auf die weitere Debatten im Ausschuss und in diesem Hause. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Das war die erste Lesung. Wir überweisen den Gesetzentwurf zur Vorbereitung der zweiten Lesung an den Kulturpolitischen Ausschuss. – Das findet allgemein große Zustimmung und Freude. Dann machen wir das so.
Die Große Anfrage behandeln wir jetzt noch? – Dann sind wir uns einig, und ich rufe Tagesordnungspunkt 6 auf:
Große Anfrage der Abg. Cárdenas (DIE LINKE) und Fraktion betreffend Verbot der Benachteiligung nach den Besitzverhältnissen der Eltern an Schulen in freier Trägerschaft – Drucks. 19/3499 zu Drucks. 19/3235 –
Die Redezeit beträgt zehn Minuten je Fraktion. Wenn alle das etwas zügig machen, dann schaffen wir das gut. Frau Kollegin Cárdenas hat das Wort.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das Thema Ersatzschulen ist kein ganz einfaches. Sie sind grundgesetzlich geschützt. Viele von ihnen arbeiten mit modernen Bildungskonzepten. Sie arbeiten jahrgangsübergreifend und häufig auch von der 1. bis zur 10. Klasse, ohne nach vier Schuljahren auszusieben.
Was das deutsche Bildungssystem kennzeichnet, ist nicht nur die soziale Ungleichheit in Form der Abhängigkeit des Bildungserfolges von dem Geldbeutel der Eltern. Nein, auch das entsetzlich langsame Tempo, mit dem, wenn überhaupt, Veränderungen oder Neuerungen an die Schulen gebracht werden, ist ein solches Kennzeichen. Die Bildungswissenschaften weisen schon seit Jahren, eigentlich schon seit Jahrzehnten, darauf hin, dass ein ausuferndes, mehrgliedriges Schulsystem weder gerecht noch erfolgsfördernd ist. Auch Instrumente wie das Sitzenbleiben oder Abschulen, wie der Frontalunterricht oder auch das sechsstellige Bewertungssystem in Form von Schulnoten sind seit Langem umstritten, wenn nicht gar überholt.
Viele der Ersatzschulen arbeiten daher mit ganz anderen Methoden, mit individueller Förderung und individuellen Bewertungsinstrumenten, die weit über die Einordnung zwischen Note 1 und Note 6 hinausgehen.
Die Schülerzahlen an den hessischen Ersatzschulen steigen stetig. Und auch, wenn Ihre lang prophezeite demografische Rendite irgendwann einmal greifen sollte, Herr Kultusminister, schaut es so aus, als würde an den Ersatzschulen kein Schülerrückgang zu erwarten sein. Woran liegt dies, meine Damen und Herren? Warum geben Eltern teilweise mehrere Hundert Euro monatlich aus, nur damit ihr Kind nicht auf eine öffentliche Schule gehen muss?
Ich sage es Ihnen: Weil sie sehen, dass Schule und Lernen auch anders gehen, dass Note 1 bis Note 6 nicht das Maß aller Leistungserbringung ist und dass Schule im Übrigen auch weit mehr ist als eine reine Leistungsfabrik.
Diese Eltern wollen nicht, dass jede Lernsituation gleich eine Leistungssituation ist. Sie wollen Schule anders, sie wollen Schule an ihrem Kind orientiert – und da auch in Hessen an einem unmodernen und ungerechten Schulsystem festgehalten wird, greifen diese Eltern dafür tief in die Tasche.
Verstehen Sie mich nicht falsch, ich bin nach wie vor der Meinung, dass Ersatzschulen überflüssig gemacht werden müssen, damit niemand sich eine bessere Schulbildung erkaufen kann und muss. Das bedeutet aber,
dass all diese guten Ansätze, die wir in Privatschulen haben – nicht in allen, das ist klar –, endlich Einzug in die öffentlichen Schulen halten müssen. Wertschätzen Sie das Wissen und die Ansätze vieler Privatschulen, sehen Sie endlich hin, und lernen Sie, wie Schule auch anders geht, Herr Kultusminister.
Aber mit dem Hinsehen ist es so eine Sache. 2011 haben die Kolleginnen und Kollegen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN diese Große Anfrage schon einmal gestellt, Mathias. Wir haben sie ein wenig überarbeitet und erneut eingereicht, weil wir wissen wollten, was sich in der Zwischenzeit getan hat.
Wenn es schon Ersatzschulen gibt, dann müssen diese für alle gleichermaßen zugänglich sein. Dieser Meinung waren wir vor fünf Jahren schon und sind es noch immer. Das bedeutet, jede Familie in Hessen muss sich den Besuch einer Privatschule leisten können. Nur so kann das Sonderungsverbot verstanden werden. Das bedeutet, wie Mathias Wagner, der jetzt die ganze Zeit rumschwätzt – –
(Dr. Ulrich Wilken (DIE LINKE): Es ist eine Schuldebatte! – Holger Bellino (CDU): Das gibt einen Eintrag ins Klassenbuch!)
Die Frage des Schulgeldes hat auch etwas mit der staatlichen Finanzierung der Ersatzschulen zu tun. … hier müssen wir sehr schnell zu einem neuen Finanzierungsmodell kommen, damit wirklich für die Schulen in freier Trägerschaft gilt und gelten kann, dass eine Sonderung nach den Besitzverhältnissen … nicht stattfindet.
Nun, Herr Wagner, das Ersatzschulfinanzierungsgesetz ist unter Ihrer jetzigen Regierungsverantwortung novelliert worden. Eigentlich hätten wir dann damit rechnen können,
dass die teilweise absurd hohen Schulgebühren der Privatschulen, die auch Sie vor fünf Jahren noch angeprangert haben, danach deutlich gesenkt worden wären. Das wollten Sie ja. Aber was ist passiert? Nichts.
Herr Wagner, ich habe die aufgelisteten Beiträge verglichen. Fast jede Schule in freier Trägerschaft hat ihre Beiträge in den letzten fünf Jahren erhöht. Wortwörtlich haben Sie vor fünf Jahren gefordert:
Wenn sich Eltern entschließen, eine Schule in freier Trägerschaft zu gründen, dann darf diese Schule nicht durch die Höhe ihres Schulgeldes Schülerinnen und Schüler von dem Besuch dieser Schule ausschließen. Denn sonst würden wir ein gespaltenes Schulwesen bekommen. Sonst würden wir ein Schulwesen bekommen, bei dem der Geldbeutel der Eltern entscheidend dafür ist, welche schulische Bildung man sich leisten kann.