Protokoll der Sitzung vom 13.10.2016

denn auch aus meiner Sicht ist der Aufwand für die Betriebe viel zu groß. Auch die Persönlichkeitsrechte der gesamten Mitarbeiterschaft – das möchte ich betonen – sind bei einer so niedrigen Anspruchsgrenze tangiert, und das ist nicht vereinbar.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Ich finde durchaus auch legitim, dass es hier unterschiedliche Positionen gibt – nicht nur zwischen den Koalitionsfraktionen, sondern natürlich auch zwischen den Parteiflügeln meiner Partei und bei der Opposition in Berlin. Den einen geht der Entwurf zu weit, und die anderen finden ihn zu kurz gegriffen. Ich finde, das ist gerade das wesentliche Merkmal der Demokratie. Wir sehen unsere Aufgabe darin, für den Ausgleich zu sorgen.

Schließlich gibt es auch nicht den einen Königsweg, der die Lohnunterschiede mit einem Ruck beseitigen könnte. Aber diese Gesetzesinitiative bringt uns einen wichtigen Schritt voran. Ziel ist, ein transparentes Verfahren einzuführen, das umsetzbar und auch wirksam ist. Es sollte weder die Gewerkschafts- noch die Arbeitgeberrechte ausgrenzen. Es sollte kein Bürokratiemonster werden, das nur Widerstand hervorruft und damit weder die Entgeltgleichheit verbessert noch das Ziel erreicht. Vielmehr muss die Wirtschaft weiterhin die Freiheit haben, auch jenseits von Tarifbindungen Gehaltsvereinbarungen treffen zu können. Aber wir werden mit dem Gesetz auch dem Ziel einen

Schritt näher kommen: gleiche Arbeit, gleicher Lohn, auch für Frauen.

Damit können wir vielleicht bald schon den Equal Pay Day bereits im Februar einplanen, und das wäre ein gutes Zeichen für die Frauen bei uns im Land. – Danke.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Ravensburg. – Das Wort hat Abg. Hermann Schaus, Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Noch immer werden Frauen am Arbeitsplatz und bei der Bezahlung benachteiligt. In Deutschland liegt das von Frauen erzielte Entgelt – darauf haben auch schon meine Vorrednerinnen hingewiesen – immer noch um 21 % unter dem der Männer. Wir liegen damit an drittletzter Stelle im Vergleich aller 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union.

Selbst bei gleicher Tätigkeit in der gleichen Branche bei gleichem Leistungsumfang bleibt noch eine direkte Entgeltdiskriminierung von 7 % bestehen. Frau Gnadl hat schon darauf hingewiesen: Das Gebot der gleichen Bezahlung für gleiche und gleichwertige Arbeit ist seit Jahrzehnten geltendes Recht in Deutschland und in der EU. Dieses Recht durchzusetzen wäre eigentlich schon lange die Aufgabe des Gesetzgebers gewesen.

(Beifall bei der LINKEN)

So muss nach Art. 3 Abs. 2 Satz 2 des Grundgesetzes der Staat „die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern“ fördern und „auf die Beseitigung bestehender Nachteile“ hinwirken. In Art. 23 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ist nachzulesen, dass die Gleichheit von Männern und Frauen auch im Bereich des Arbeitsentgelts sicherzustellen ist.

In Art. 157 Abs. 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union wird jeder Mitgliedstaat verpflichtet, „die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit“ sicherzustellen. Das seit 2006 geltende Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz schreibt in § 2 Abs. 1 Nr. 2 im Übrigen vor, dass Benachteiligungen wegen des Geschlechts in Bezug auf die Arbeitsbedingungen einschließlich Arbeitsentgelt unzulässig sind und verhindert oder beseitigt werden müssen. Dennoch gibt es diese Ungleichheit gegenüber Frauen immer noch, weil wie in der CDU vorwiegend Männer in den Chefetagen das so wollen.

(Zurufe von der CDU)

Es ist so. Meine Herren von der CDU, Sie hätten jahrzehntelang Gelegenheit gehabt, das zu ändern. Nun endlich haben auf Initiative der Bundesfamilienministerin Schwesig Union und SPD ihren Streit über das Gesetz zur Entgeltgleichheit von Männern und Frauen am vergangenen Donnerstag beigelegt und im Koalitionsausschuss vereinbart, dass Beschäftigte in Unternehmen ab 200 Mitarbeitern einen eigenständigen Informationsanspruch haben, ob sie gerecht bezahlt werden.

Bei tarifgebundenen Firmen soll diese Prüfung über die Betriebsräte stattfinden. Das ist ein wichtiger erster Schritt, der allerdings aus unserer Sicht nicht ausreicht. Zwar ist es gut, dass die ursprüngliche Grenze von 500 nun auf 200 Beschäftigte abgesenkt wurde, dennoch betrifft selbst dies nur 14 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland von insgesamt 42 Millionen Beschäftigten. Gerade einmal 4 % aller Betriebe sind hier erfasst. Für die restlichen zwei Drittel, also 28 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, soll das Gesetz aber gar nicht gelten.

Unsere Bundestagsfraktion hat bereits am 19. Mai 2015 einen Antrag zur Entgeltgleichheit, Drucks. 18/4933, in den Bundestag eingebracht. Darin fordern wir unter anderem: Die arbeitsvertraglichen Klauseln, die Beschäftigten Stillschweigen über ihr eigenes Entgelt vorschreiben, sollen für nichtig erklärt werden. In regelmäßigen Abständen sollen betriebliche Prüfungen zur Entgeltgleichheit durchgeführt werden. Der Antidiskriminierungsstelle soll in § 28 AGG ein eigenständiges Klagerecht eingeräumt werden. Es soll ein Verbandsklagerecht eingeführt werden. Und last, but not least: Verstöße müssen auch mit Geldbußen bis zu 500.000 € geahndet werden.

Wir werden die jetzt vorzulegende Gesetzesinitiative im Bundestag genau an diesen Kriterien messen.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Kollege Schaus. – Das Wort hat der Abg. René Rock für die FDP, Seligenstadt. Ich nehme an, zu diesem Punkt, René; denn geschrieben hast du „Punkt 5“. Den haben wir heute gar nicht. Also rede einmal dazu.

(Zurufe von der SPD)

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Es ist ein wichtiges Thema, über das wir heute sprechen. Wir sprechen im Hessischen Landtag auch nicht zum ersten Mal über das Thema. Ich finde schon, dass die meisten jetzt auch in der Diskussion, ob es nun 21 % oder 7 % sind, mittlerweile anerkennen, dass wir über einen Unterschied von 7 % sprechen, die Frauen schlechter bezahlt werden. Das andere sind statistische Effekte. 7 % sind aber ärgerlich genug. Das muss man feststellen.

(Beifall bei der FDP)

Aber es stellt sich die Frage, welche Instrumente man anwendet. Wenn ich hier z. B. die Rede vom Herrn Kollegen Schaus höre, dann möchte ich noch einmal darauf hinweisen, dass in unserem Wirtschaftssystem Unternehmen entsprechende Wirtschaftsleistungen erbringen.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen!)

Ein Unternehmen ist kein abstraktes Irgendwas, das irgendwo geboren wird, sondern ein Unternehmen besteht aus Menschen, die dort arbeiten. Sie arbeiten in einem sozialen Geflecht. Sie sind keine Feinde in so einem Unternehmen, sondern sie versuchen in der Regel, gemeinsam erfolgreich zu sein.

(Beifall bei der FDP)

Manchmal könnte man glauben, das wäre anders. Ich glaube, diese grundsätzliche Überlegung mag in großen Unternehmen vielleicht etwas anders sein. Vielleicht ist es auch in der Verwaltung ein bisschen anders. Aber die meisten Menschen, die in der mittelständischen Wirtschaft arbeiten, wissen genau: Wenn sie schlecht arbeiten, wenn ihr Unternehmen schlecht arbeitet, wenn ihr Chef schlecht arbeitet und wenn es ungerecht in ihrem Unternehmen zugeht, dann wird dieses Unternehmen keinen Bestand haben, und ihre wirtschaftliche Existenz ist gefährdet. Deshalb hat man allgemein in unserer mittelständischen Wirtschaft und auch bei den Unternehmern ebenso wie bei den Mitarbeitern grundsätzlich ein gutes Verhältnis in den Unternehmen.

(Beifall bei der FDP)

Dieses Bild, das Sie hier oft zeichnen, dass der Unternehmer gegen seine Belegschaft oder seine Mitarbeiter steht, mag in großen Unternehmen wohl so sein. Das mag im öffentlichen Dienst so sein. Aber, wie gesagt, glaube ich nicht, dass es in der mittelständischen Wirtschaft ein Grundtenor dieser Wirtschaft ist, sondern da versteht man sich als Team und Gemeinschaft, die eben auch schicksalsmäßig verbunden ist. Denn wenn diese Unternehmen scheitern, scheitert nicht nur der Mitarbeiter, sondern auch der Unternehmer.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Viele Beiträge, die ich hier gehört habe, haben einen Unterton, der vermuten lässt, dass die Gesellschaft gegen den Unternehmer steht, der nämlich vorsätzlich seine Mitarbeiter schlechter bezahlt, insbesondere seine weiblichen Mitarbeiter. Diese Situation ist, so glaube ich, etwas zu einfach dargestellt. Darum glaube ich auch, dass die Instrumente, die Sie hier aufzählen, um diese ärgerlichen und gesetzlich eigentlich auch nicht zulässigen 7 % an schlechterer Bezahlung von Frauen zu reduzieren, überhaupt nicht wirksam sein werden.

Ich will diese drei Instrumente einmal im Grundsatz nennen: Arbeitnehmer sollen künftig das Recht haben, zu erfahren, was ihre Kollegen verdienen. Ein Mindestentgelt ist anzugeben bei der Bewerbung. Und dann sind da die Berichtspflichten bei Unternehmen über das Thema Lohngleichheit.

Diese drei signifikanten Änderungen, die Sie jetzt auf den Weg gebracht haben, kann man sich zum Teil im Ausland anschauen. Das kann man sich z. B. in Schweden oder in Österreich anschauen. Man stellt fest, dass dort nicht signifikant geringere Ungerechtigkeiten vorhanden sind als bei uns in Deutschland. Sie haben da Instrumente, die in anderen Ländern zum Teil noch viel härter als bei uns umgesetzt werden, aber sie entfalten keine größere Wirkung und haben keinen größeren Erfolg als hier bei uns. Dann fragt man sich: Was soll das? Was erreichen Sie mit diesen bürokratischen Vorgaben?

(Beifall bei der FDP)

Wie ich aus den Reden schließe, ist Ihre Überlegung, dass Sie mit diesen Vorgaben mehr Transparenz schaffen und dass die Transparenz dazu führt, dass Frauen in der Lage sind, höhere Löhne durchzusetzen. Das ist der grundsätzliche Gedanke. Das ist Ihre Überlegung. Jetzt haben wir aber empirisch festgestellt: In manchen Ländern in Europa werden solche Maßnahmen umgesetzt, aber sie haben keine

positive Wirkung. Jedenfalls sind sie nicht effizienter als das, was wir jetzt an Lohngleichheit feststellen können. Nehmen Sie das zur Kenntnis.

Schweden ist sicherlich ein Land, bei dem man sagen kann, dass es im Bereich des Sozialstaats und bei den Arbeitnehmerrechten nicht schlechter aufgestellt ist als Deutschland. Auch dort haben solche Maßnahmen nicht dazu geführt, dass die Ungleichbehandlung zwischen Männern und Frauen signifikant anders wäre. Von daher muss man sich überlegen, ob Sie da das richtige Instrument haben.

(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Nach unserer Überzeugung haben Sie das nicht. Wir haben ein sehr grobes Konzept für ein sehr filigranes Problem. Sie schießen sozusagen mit einer Schrotflinte mitten rein. Sie treffen ganz viele Unternehmen und Unternehmer, die am Ende versuchen, sich vernünftig zu benehmen. Diese treffen Sie, indem Sie sie zu deutlich mehr Bürokratie zwingen und zu deutlich mehr Aufwand zwingen, obwohl Sie in jeder Rede, die Sie wahrscheinlich vor dem Wirtschaftsverband halten, sagen: Wir sind auch dafür, dass es weniger Bürokratie gibt.

(Beifall bei der FDP)

Ich möchte die Partei hier im Landtag sehen, die sagt, wir bräuchten zwingend mehr Bürokratie. Wenn wir mehr Bürokratie einführen, dann müssen wir doch zumindest sicherstellen, dass diese Mehrkosten und diese Belastungen für die Unternehmen auch irgendeinen Erfolg haben. Aber für die Maßnahmen, die wir gerade diskutieren und die es in anderen Ländern gibt, ist das nicht nachweisbar. Wenn wir also nicht sicher sind, dass diese Mehraufwände für die Unternehmen auch wirklich sinnvoll sind, sollten wir das sein lassen und nach geeigneten Methoden suchen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Kollege Rock. – Das Wort hat Frau Abg. Erfurth für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

(Norbert Schmitt (SPD): Das erzähl mal deiner Frau, René, was du da eben erzählt hast! – Heiterkeit bei der SPD)

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Trotz der FDP scheint 2016 in gutes Jahr zu sein, frauenpolitische Forderungen in Hessen ein Stück voranzubringen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich darf Sie daran erinnern: Zum 01.01.2016 ist das neue Hessische Gleichberechtigungsgesetz in Kraft getreten, das den Fokus auf mehr Frauen in Führungspositionen legt und die Rechte der Frauenbeauftragten durch das Organklagerecht stärkt. In der ersten Jahreshälfte dieses Jahres haben wir gemeinsam mit vielen Frauenverbänden dafür gestritten, das Sexualstrafrecht endlich zu verschärfen. Nicht zuletzt auch durch die Unterstützung der Landesregierung ist es gelungen, den Grundsatz „Nein heißt nein“ endlich im Sexualstrafrecht zu verankern.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich darf Sie an dieser Stelle an die Debatte erinnern, die wir am 14. Juli hier im Plenum geführt haben. Am Dienstag hat der Sozialminister in seiner Regierungserklärung sehr deutlich gemacht, dass wir bei der Fachkräftesicherung sehr viel stärker darauf achten müssen, dass Frauen gefördert werden, dass auch Frauen in Führungspositionen kommen, dass auch Führen in Teilzeit ermöglicht werden muss und dass die Vereinbarkeit von Familienaufgaben und Beruf hergestellt werden muss. Heute Nachmittag werden wir in der dritten Lesung das hr-Gesetz beschließen. Auch in dem hr-Gesetz, wenn es dann verabschiedet ist, wird dafür gesorgt werden, dass künftig mehr Frauen im Rundfunkrat sein werden.

(Zuruf des Abg. Michael Siebel (SPD))