Protokoll der Sitzung vom 13.10.2016

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Manchmal ist es hilfreich, sich schlicht und ergreifend mit den Fakten zu beschäftigen. Weil wir genau das in der Frage der Kurzarbeit tun wollten, haben wir dazu eine Anfrage eingebracht. Ich hoffe, dass wir uns in diesem Haus einig sind, dass niemand Kurzarbeit für die Kalikumpel haben will und dass es wichtig ist, die Arbeitsplätze zu erhalten. Wir sind allerdings der Meinung: Das geht auch mit dem Umweltschutz.

Wir haben deshalb abgefragt, wie die Kapazitäten aussehen. In diesem Zusammenhang hat sich dann herausgestellt, dass es bis Ende Juli in Hattorf 66 und in Unterbreizbach 56 Stillstandstage gab, im Mai 25 in Hattorf und 20 in Unterbreizbach. Von den sieben Stapelbecken, die K+S derzeit betreibt, war das größte Becken mit einer Kapazität von 90.000 m3 Ende Mai fast leer. Nur 440 von insgesamt 90.000 m3 waren belegt. Das Becken hätte voll sein müssen, wenn K+S wirklich alle Kapazitäten ausgeschöpft hätte, um Kurzarbeit zu verhindern.

(Zuruf von der CDU)

Hören Sie doch einmal zu Ende zu. – In allen anderen Monaten war es nie mehr als mit 21.000 m3 gefüllt. Auch im April hätte allein die freie Kapazität in diesem Becken die zwei oder drei Kurzarbeitstage verhindern können. Zu jener Zeit gab es in anderen Becken noch genügend Kapazität für Haldenabwässer, und in der gesamten Zeit gab es in der Werra keine besonderen Tiefwasserstände. Im Gegenteil: Wir erinnern uns alle noch an ein relativ verregnetes Frühjahr. Ich habe das an dem einen Becken festgemacht, weil es damit leichter zu beschreiben ist. Insgesamt waren aber so viele Kapazitäten frei, dass es möglich gewesen wäre. Wenn man die Wasserstände und die Beckenkapazitäten mit den Vorjahren vergleicht, dann ist überhaupt nicht nachzuvollziehen, warum wir hier zu dieser Kurzarbeit gekommen sind. K+S hat sicher ein großes Entsorgungsproblem; aber es sind bei Weitem nicht alle Kurzarbeitstage in der ersten Jahreshälfte mit den vorhandenen Entsorgungskapazitäten zu begründen. Um die Dynamik und den Druck auf die Politik zu erhöhen, hat hier die Konzernleitung von K+S nachgeholfen – anders kann man es nicht formulieren.

Für einen größeren Teil der Kurzarbeitstage – nicht für alle – ist der global eingebrochene Markt für Kaliprodukte ursächlich, d. h. die Absatzprobleme von K+S bei derzeit vollen Lagern. Es gibt da nämlich nicht das Problem, dass sie produzieren müssen, um ihre Verträge erfüllen zu können. Ganz im Gegenteil: Die haben so viel auf Halde liegen, dass sie es im Moment nicht loswerden. Aus meiner Sicht ist es hinterlistig, wie die Konzernleitung die Absatzprobleme gewendet hat. Die wirklichen Leidtragenden sind hier die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des Konzerns.

In populistischer Manier fordert die FDP die Beschleunigung von Genehmigungsverfahren für Entsorgungswege, die nach Gesetzeslage überhaupt nicht mehr genehmigt werden dürfen. Wie vielfach an dieser Stelle ausgeführt, betrifft das die Versenkung von Salzabwässern ins Grundwasser und ihre Einleitung in die Flüsse sowie die Aufhaldung. Nach der bekannt gewordenen Verseuchung von Grundwasser mit Schwermetallen unter der Rückstandshalde von Hattorf sollte nun allen hier im Haus klar geworden sein, dass auch die Halden ein großes Problem darstellen –

jetzt und, wenn wir keine andere Lösung finden, auch für die kommenden 1.000 Jahre.

(Beifall bei der LINKEN)

Wie bekannt sein sollte, haben thüringische Behörden im Juli 2016 in einem Bereich auf thüringischer Seite der Hattorfer Rückstandshalde die Nutzung von Grund- und Oberflächenwasser untersagt, weil das Grundwasser dort mit Schwermetallen belastet ist. Die Grenzwerte der Trinkwasserversorgung werden deutlich und die Werte für den vorsorgenden Grundwasserschutz nach Medienberichten um das Tausendfache überschritten. Von den hessischen Behörden sind keine Werte veröffentlicht worden, was sich in eine lange Kette miserabler bis skandalöser Informationspolitik einreiht.

(Beifall bei der LINKEN)

Auch aus den Medien haben wir erfahren, dass die Schwermetallverseuchung nicht nur thüringische Gewässer, sondern auch – wie es gar nicht anders zu erwarten war – hessisches Grundwasser betrifft. Von K+S wissen wir, dass dieses Problem seit 2011 bekannt ist und auch den Behörden mitgeteilt wurde. Die hessische Umweltministerin will davon erst in diesem Sommer erfahren haben. Auf meine Nachfrage im Ausschuss musste die Ministerin einräumen, dass das Ministerium bereits etwas länger über die Schwermetallbelastung informiert gewesen sei. Was genau stimmt jetzt eigentlich? Wussten die hessischen Behörden bereits seit 2011 von der Schwermetallbelastung und haben nicht gehandelt? Oder hat Kali + Salz nicht umfänglich informiert? Was ist in diesen fünf Jahren passiert? Darüber hätten wir schon gerne Auskunft.

(Beifall bei der LINKEN)

Während auf thüringischer Seite jetzt endlich Sanierungsarbeiten anlaufen, passiert auf hessischer Seite nichts dergleichen. Die Begründung vom Umweltministerium und Regierungspräsidium lautet, von der Schwermetallbelastung des Grundwassers in Hessen gehe keine Gefahr aus, weil der betreffende Grundwasserleiter in Hessen nicht benutzt werde und auch nicht an der Oberfläche in Form von Quellen austrete. Das ist wirklich starker Tobak.

Sehr geehrte Frau Umweltministerin, das Grundwasser in Deutschland ist durch die EU-Wasserrahmenrichtlinie und das Wasserhaushaltsgesetz geschützt, und zwar das Grundwasser generell und nicht irgendwelches Grundwasser.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wasserhaushaltsgesetz legt fest, dass Stoffe – somit auch bergbauliche Abfälle – nur so gelagert werden dürfen, dass eine nachhaltige Veränderung des Grundwassers nicht zu befürchten ist. Wie im Fall der Versenkung müssen wir über eine mögliche Besorgnis darüber, dass man nicht ausschließen kann, ob etwas passieren könnte oder nicht, überhaupt nicht diskutieren, weil der Schaden bereits nachweislich eingetreten ist. Darüber hinaus genießt das Grundwasser einen besonderen Schutz – unabhängig davon, ob es genutzt wird oder nicht.

Wenn die Vorsorgewerte für Schwermetalle im Grundwasser um mehr als das Tausendfache überschritten sind, ist die Qualität des Grundwasserkörpers nicht mehr gut, sondern schlecht. Deshalb ist sie in die schlechteste Qualitätsstufe der EU-Wasserrahmenrichtlinie einzustufen. Auch wenn der betreffende Grundwasserleiter in die schlechteste Qualitätsstufe eingestuft worden ist, darf dies – nach einem

Urteil des Europäischen Gerichtshofs – nicht zum Anlass genommen werden, das Grundwasser weiter zu verschlechtern. Vielleicht wäre in diesem Fall jede weitere Einleitung von Schadstoffen ein Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot und damit rechtswidrig. Es ist mehr als peinlich, dass wir die hessische Umweltministerin immer wieder auf die Gesetzeslage aufmerksam machen müssen.

(Beifall bei der LINKEN)

Dass sie aber darauf beharrt, die Anreicherung von Schwermetallen im Grundwasser unterhalb der Halde sei nicht besorgniserregend, ist skandalös.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Behörden haben die Anforderungen zum Schutz des Grundwassers bei der Prüfung von Vorhaben, wie z. B. der Einrichtung und dem Betrieb einer Halde, zu beachten. Ich will hier nicht darum herumreden, worum es geht. Während FDP und SPD hier herumkaspern und die Landesregierung dazu auffordern, für die Versenkung von Abwässern wieder einmal beide Augen zuzudrücken,

(Zurufe der Abg. Florian Rentsch (FDP) und Günter Rudolph (SPD))

steht die nach dem Wasserhaushaltsgesetz auf Widerruf erteilte Erlaubnis und damit die Betriebsgenehmigung für die Halde in Hattorf auf dem Spiel. Das ist die Ernsthaftigkeit der Lage.

(Beifall bei der LINKEN)

Weil das die ohnehin schwerwiegende Entsorgungslage für K+S weiter zuspitzen würde,

(René Rock (FDP): Das fällt alles auf die zurück!)

versucht die hessische Umweltministerin Priska Hinz den Widerruf zu verhindern und begibt sich damit zum wiederholten Mal auf juristisch ganz dünnes Eis. Der Widerruf der Genehmigung würde zwar das weitere Aufhalden von Abfällen verbieten, nicht aber das Schwermetallproblem lösen. Insofern habe ich etwas Verständnis für die schwierige Situation der Behörden,

(Günter Rudolph (SPD): Ha, ha! Das kann man glauben oder auch nicht!)

nicht aber für die der Landesregierung.

Was wäre zu tun? Weil sich der Zufluss der Schwermetalle – auch weil ihr Ursprung nicht zweifelsfrei geklärt ist – nicht schnell stoppen lässt, muss verhindert werden, dass sie sich in weitere Grundwasserleiter ausbreiten. Das ist technisch machbar. Da muss man die Ursachen angehen. Eine Haldenabdeckung ist immer noch in Erprobung. Sie wird nie für die ganze Halde gelingen.

Es werden immer Haldenabwasser entstehen. Sie ist sehr teuer und nicht von Dauer. Die schwermetallhaltigen Grundwasser müssen also, solange sie entstehen, aufgefangen und gereinigt werden. Wie an dieser Stelle schon mehrfach vorgetragen, führt kein Weg daran vorbei, das Haldenmaterial so schnell wie möglich, spätestens aber bis zum Ende der Kaliförderung wieder unter Tage zu bringen.

Das ist keine absurde Forderung, sondern das ist die einzig vernünftige Lösung, die an anderen Orten bereits praktiziert wird. Der spanische Kalihersteller Iberpotash betreibt in seiner katalonischen Mine zwei Rückstandshalden. Schon 2014 hatten die spanischen Behörden den Betrieb dieser Halden untersagt. Iberpotash muss die Salzaufhal

tung bis spätestens Ende 2017 einstellen, bis zur Betriebsaufgabe die Halden zurückbauen sowie die Aufstandsflächen sanieren. Weil das Gesetz nicht nur für Spanien, sondern auch für Deutschland gilt, müssen die hessischen Behörden den gleichen Weg gehen.

(Beifall bei der LINKEN)

Iberpotash arbeitet nun das Haldenmaterial auf und – jetzt höre auch einmal die FDP zu – gewinnt dabei Natriumchlorid und Kaliumchlorid als hochreine Produkte für die chemische und pharmazeutische Industrie sowie für Nahrungsmittelzwecke. Die benötigten Investitionen hat Iberpotash in seinem Plan Phoenix bereitgestellt. Das Unternehmen konnte die Betriebsumstellung ohne Arbeitsplatzabbau umsetzen und in den Aufbereitungsanlagen sogar zusätzliche Arbeitsplätze schaffen.

Also möge uns hier bitte niemand erzählen, Umweltschutz gehe nicht zusammen mit Arbeitsplatzsicherung.

Frau Schott, kommen Sie bitte zum Schluss.

Es funktioniert nämlich.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich denke, es wird höchste Zeit, dass hier in Hessen umgesteuert wird, damit nach modernen Produktionsmöglichkeiten Kali hergestellt wird und wir damit die Arbeitsplätze sichern. Machbar ist das. Das ist nachgewiesen. Tun Sie das endlich, Frau Ministerin. Leiten Sie die richtigen Schritte ein. Zwingen Sie das Unternehmen, modern zu produzieren.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke, Frau Schott. – Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Warnecke das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Lenders hat angedeutet, worum es eigentlich geht.

(Jürgen Lenders (FDP): Danke!)

Es geht um Kolleginnen und Kollegen, die nicht wie wir mit 100 %, sondern mit 60 % ihres Einkommens auskommen müssen.

(Nicola Beer (FDP): Eben!)

Es geht darum, dass nicht nur das Unternehmen eine solche Situation für untragbar hält, sondern auch die Beschäftigten selbst halten die Situation für untragbar.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich sage das, weil von Kali + Salz und auch von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die nicht von Kurzarbeit betroffen sind, das Kurzarbeitergeld aufgestockt wird. Durch eine entsprechende Gesamtbetriebsvereinbarung ist es gelungen, zum Mai auf

90 % und jetzt immerhin noch auf 85 % aufzustocken. Das bedeutet, dass man das Problem solidarisch trägt. Das kann man zerstören wollen.