Protokoll der Sitzung vom 24.11.2016

Der Schaden wäre immens. Herr Schulte müsste seinen Hut nehmen, und für die Fraport würden ein finanzieller und vor allem ein Imageschaden entstehen,

(Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

die das Unternehmen massiv beschädigen würden. So oder so ist Tarek Al-Wazir hier öffentlich brüskiert worden,

(Beifall bei der SPD)

und zwar entweder von Herrn Schulte oder von Herrn Bouffier, oder von beiden zusammen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist ein Umgangsstil zwischen dem Ministerpräsidenten und seinem kleineren Koalitionspartner, der mich persönlich an das Ende von Schwarz-Gelb in der letzten Legislaturperiode erinnert.

(Zurufe von der SPD: Oh! – Hartmut Honka (CDU): Ach du meine Güte!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Anstand und der gute Stil im Umgang miteinander scheinen innerhalb dieser Koalition genauso verschwunden zu sein wie der Wirtschaftsflügel der CDU. Ich bin auf die weitere Entwicklung in dieser Sache sehr gespannt. Ich bin mir sehr sicher, dass wir uns heute nicht das letzte Mal über dieses Thema unterhalten haben.

Herr Minister, ich bin sehr gespannt auf Ihre Ausführungen dazu, wie Sie bei dieser klaren politischen Vorgabe durch Ihren Chef, den Ministerpräsidenten – pro Ryanair und pro neue Entgeltordnung –, hier noch eine objektive, unabhängige und rechtsstaatliche Entscheidung treffen zu können meinen. Ich bin sehr gespannt darauf, wie Sie sich dazu äußern. – Vielen Dank.

(Anhaltender Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Weiß. – Das Wort hat der Abg. Frank-Peter Kaufmann, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

(Florian Rentsch (FDP): Kann man erst einmal die Antragsteller aufrufen? – Günter Rudolph (SPD): Ja!)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Verehrter Kollege Weiß, zunächst herzlichen Dank für die sorgenvolle Zuwendung, was die Harmonie in der Landesregierung betrifft. Was Sie jedoch noch nicht so ganz verbergen können, sind die Krokodilstränen, die Ihnen dabei aus den Augenwinkeln tropfen.

(Zurufe von der SPD: Oh! – Das haben wir doch ganz fürsorglich gemeint!)

Mit diesem Antrag und der Debatte, die der Kollege Weiß gerade angefangen hat, unterstreicht die SPD das, was ihr Vorsitzender vor drei Wochen öffentlich erklärt hat – damals allerdings an die Regierung gerichtet –: Er meinte, feststellen zu müssen, die Regierung habe sich ins Abseits gestellt.

Ich stelle heute fest: Eher hat sich die SPD heute mit dieser Thematik und insbesondere mit der Art und Weise, wie sie es vorgetragen hat, ins Abseits gestellt. Wir wissen, dass das bei dem Thema Luftverkehr und Flughafen Frankfurt nicht zum ersten Mal geschieht. Es bleibt dabei: In der

Flughafenpolitik präsentieren sich die Sozialdemokraten wieder einmal als orientierungslose Sowohl-als-auch-Partei, die sich gleichzeitig vorwärts, rückwärts und seitwärts bewegen will und dabei natürlicherweise ins Stolpern gerät.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD, so ist das halt, wenn man trotz vieler Mahnungen und ernst zu nehmender Hinweise einer Schimäre nachgelaufen ist und dies erst viel zu spät – vielleicht immer noch nicht – gemerkt hat.

Sie haben doch gewiss nicht vergessen, dass der erste Politiker, der den Ausbau des Flughafens im Jahr 1997 mit den Worten „Wir müssen über den Zaun hinausdenken“ forderte, der damalige SPD-Fraktionsvorsitzende Armin Clauss war. Der später folgende Flughafenausbau basierte in Wahrheit aber nicht auf einem tatsächlichen Bedarf, sondern auf einer Fantasieprognose bezüglich der Zahl der zu erwartenden Flugbewegungen, die durch die Realität seitdem Jahr für Jahr falsifiziert wird.

(Zurufe von der SPD)

Selbst die Zahlen der im Jahr 2014 von Fraport dramatisch nach unten korrigierten Prognose werden in Wirklichkeit bei Weitem nicht erreicht, weil die Nachfrage nach Luftverkehrsleistungen in Frankfurt seit Jahren stagniert.

(Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Meine Damen und Herren, ich erspare Ihnen jetzt einen längeren Vortrag über die Gründe dafür. Sie müssten diese bereits kennen. Wir GRÜNE haben sie immer vorgetragen, auch vor den Entscheidungen des Jahres 2007.

(Zuruf des Abg. Stephan Grüger (SPD))

Bekanntlich wurde von einer Mehrheit in diesem Hause – CDU, FDP und SPD – die Flughafenerweiterung dennoch beschlossen, unterstützt und am Ende durchgesetzt.

(Zuruf des Abg. Stephan Grüger (SPD))

So ist die neue Landebahn seit fünf Jahren in Betrieb. Seitdem sind viele Menschen zusätzlich dem Fluglärm ausgesetzt. Genau deswegen stellt sich jetzt die Aufgabe, die mit dem Betrieb des Flughafens einhergehenden Belastungen für Mensch und Umwelt in einem höchstmöglichen Maß rasch wirksam zu verringern.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Genau das haben wir, wie Sie wissen, im schwarz-grünen Koalitionsvertrag vereinbart. An dieser Aufgabe arbeiten wir mit Erfolg Schritt für Schritt weiter.

(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Meine Damen und Herren, aktuell sehen wir uns mit der Tatsache konfrontiert, dass sich das Management der Fraport AG intensiv darum bemüht, die geschaffenen Kapazitäten besser auszulasten, und deshalb auf der Suche nach zusätzlichen Airlines und neuen Flugverbindungen ist. Dabei vollzieht Fraport durchaus einen massiven Paradigmenwechsel in der Geschäftspolitik: weg vom Megahub für Premium-Netzwerk-Carrier hin zum Landeplatz für LowCost-Carrier – also ein Modellwechsel vom Porsche zum Lada. So heißt jetzt das neue Ziel der Akquisitionsbemühung von Fraport. Begründet wird dies – wie gern in dieser Branche – mit den veränderten Bedingungen des Marktes.

Aber diejenigen, die, wie die SPD, den Ausbau des Flughafens beschlossen haben, finden das Werben um LowCost-Carrier wichtig, weil sie schon immer mehr Flugverkehr in Frankfurt wollten. Die Menschen in der Region, die unter dem Fluglärm leiden, lehnen das Werben um LowCost-Carrier natürlich empört ab. Den lärmgeplagten Bewohnerinnen und Bewohnern im Rhein-Main-Gebiet wollen die hessischen Sozialdemokraten bekanntlich keineswegs helfen.

(Stephan Grüger (SPD): Was wollen Sie denn, Herr Kollege?)

Sie polemisieren nämlich unentwegt gegen die längst erfolgreichen Lärmpausen und ebenso gegen das aktuell vom Verkehrsminister präsentierte Konzept der Lärmobergrenzen, ohne ihrerseits auch nur einen einzigen praktikablen Vorschlag zur Reduzierung der Fluglärmbelastung zu präsentieren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zu- rufe von der SPD)

Meine Damen und Herren, da nun aber die SPD genau wie ihr Oppositionspartner FDP faktisch für mehr Fluglärm eintritt und es obendrein an eigenen Vorschlägen für die Flughafenpolitik fehlen lässt, sucht sie krampfhaft nach Kritik an der Regierung, die sie als Opposition vortragen zu müssen meint.

(Heike Habermann (SPD): Das muss ja alles wehtun! – Zurufe von der SPD: Krampfhaft? Was wollen Sie denn?)

Aus diesem Dilemma versucht die SPD als Ausbaupartei wieder einmal mit einem peinlichen Stolperschritt zu entkommen. Dieser lautet – Herr Kollege Weiß hat es gerade erzählt –: Mehr Flugbewegungen, auch Low-Cost-Carrier sind erwünscht, nur Ryanair darf es nun wirklich nicht sein.

(Zurufe von der SPD: Wie stehen denn die GRÜ- NEN dazu?)

Das ist das Ansinnen des vorliegenden Antrags der SPD und ebenso des öffentlichen Vortrags ihres Landesvorsitzenden Schäfer-Gümbel.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Ja, stimmt, ich stehe dazu! Ich sehe das anders!)

Wir haben es am Dienstag in der Generaldebatte aus seinem Mund vernehmen können. Herr Kollege Weiß hat es auch gerade vorgetragen.

(Zurufe von der SPD: Wie stehen denn die GRÜ- NEN dazu?)

Unser Kollege Thorsten Schäfer-Gümbel betont sinngemäß – ich zitiere –: Ryanair ist das Schreckgespenst der Luftverkehrswirtschaft. – Er setzt sich damit in einen deutlichen Widerspruch zu seinem Genossen und Kollegen, dem SPD-Landesvorsitzenden auf der linken Rheinseite. Für Roger Lewentz – der den Flughafen Hahn zurzeit übrigens wieder einmal verkaufen will – ist das Unternehmen Ryanair, das Schäfer-Gümbel verteufelt, geradezu der Schutzengel seines defizitären Flughafens.

Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer – ebenfalls SPD – bringt im Zusammenhang mit dem geplanten Deal von Fraport mit Ryanair lediglich die Sorge vor wachsendem Fluglärm in Mainz zum Ausdruck; auch

hier ist kein Wort über Sozialdumping bei Ryanair zu vernehmen.

(Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Sie stört sich also genau an dem, was der Kollege SchäferGümbel richtig findet: mehr Fluglärm rund um Frankfurt.

(Zuruf des Abg. Marius Weiß (SPD))

Meine Damen und Herren, die Sozialdemokraten westlich des Rheins sind nämlich froh und dankbar, dass Ryanair – als Hauptkunde ihres Flughafens Frankfurt-Hahn – soeben einen neuen Fünfjahresvertrag abgeschlossen hat. Immerhin fliegt Ryanair ab Hahn zu 42 Zielen in Europa, und man will diese Airline als besten Kunden ganz sicher behalten.

(Gernot Grumbach (SPD): Wir nicht!)