Der zweite Blick war, als der erste mir sagte: Wir wollen das doch flächendeckend ermöglichen – das war sehr sympathisch vorgetragen. Ja, wir wollen das auch flächendeckend ermöglichen. Das lässt das Gesetz auch zu. Aber was wir nicht wollen, sind flächendeckende Qualitätsstandards. Ich sage es Ihnen noch einmal. Es ist wichtig, dass wir darauf achten. Deswegen wäre das, was zunächst einmal wie eine Forderung, wie ein Defizit klingt, in der Umsetzung dessen, was Ihr Vorschlag ist, eine Verschlechterung.
Deshalb sage ich noch einmal: Das Gesetz ist, was die Gewaltprävention, die Fragen der freiheitsentziehenden Maßnahmen, den Bürokratieabbau und auch die Ermöglichung von ambulant betreuten Wohnformen mit Augenmaß angeht, richtig und gut aufgestellt. Ich denke auch, dass es der Zustimmung dieses Hauses dringend bedarf. – Herzlichen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir können uns doch glücklich schätzen, dass wir hier wirklich von einer so überaus klugen Regierung und noch klügeren Fraktionen, die diese Regierung tragen, regiert werden
und dass deswegen jedwede Kritik an Ihnen abprallt, dass Sie den Anzuhörenden, die in großer Zahl Briefe schreiben, hier doch nur erklären, dass Sie es ohnehin besser wissen, dass die Leute sich eigentlich die Tinte auf dem Papier und die Spucke, mit Ihnen zu reden, sparen könnten.
Ich finde, das sollten sich in Zukunft doch einfach alle zu Herzen nehmen: Klappe halten, Beifall klatschen, Regierung ist klasse – fertig, aus die Maus.
die Fachleute in Hessen – die Menschen, die draußen an den Themen arbeiten –, sondern auch noch die Bundesregierung sagen: Das, was ihr da in Hessen macht, ist vermutlich nicht so ganz in Ordnung. Wir schauen da ganz genau hin. – Es gibt nämlich den Patientenbeauftragten und Pflegebevollmächtigten der Bundesregierung. Er sagt ganz eindeutig, dass nachgesteuert werden sollte, wenn die mit der beabsichtigten Änderung des hessischen Heimgesetzes fortgeschriebene Gleichsetzung von Wohngruppen mit stationären Pflegeeinrichtungen dazu führt, dass in der Praxis der Ausbau anbieterverantworteter Wohngemeinschaften behindert wird und ein solches Alternativangebot faktisch gar nicht entsteht. – Ja, mei.
Ich glaube, Sie sollten gelegentlich die wohlgemeinte Kritik der Anzuhörenden ernst nehmen, sich damit auseinandersetzen und das dann hier in Handlung, nämlich in die Veränderung Ihrer Gesetzentwürfe, umsetzen. Dann käme vielleicht manchmal auch etwas Gutes dabei heraus. Aber mit dieser Arroganz der Macht, die Sie hier immer wieder an den Tag legen, wird daraus in diesem Land nichts mehr werden. – Auf die anderen Punkte will ich nicht mehr eingehen, weil wir das heute schon hinlänglich gehört haben.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Natürlich ist es so, dass auf der Grundlage der Diskussion über einen Gesetzentwurf sowohl die Landesregierung als auch die Regierungsfraktionen Anregungen, Kritik und anderes ernst nehmen, dies bewerten, aber dann auch zu entsprechenden Schlüssen kommen.
Natürlich ist an dieser Stelle auch festzustellen, dass in der Summe der Stellungnahmen der Anzuhörenden sehr viel Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf vorhanden gewesen ist, dass es aber durchaus auch einige Kritikpunkte gab.
Wir müssen uns schon beide Seiten, die dieses Gesetz eben auch beleuchtet, vor Augen führen. Auf der einen Seite steht nämlich der Anspruch von pflege- und betreuungsbedürftigen Menschen auf Schutz und eine gute Versorgung. Diesen Anspruch sichert das Gesetz. Auf der anderen Seite stehen wirtschaftliche Interessen, die durchaus legitim sind. Ich möchte an dieser Stelle schon einmal in Erinnerung rufen, dass im Mittelpunkt dieses Gesetzes der Schutz und die Interessen älterer Pflegebedürftiger und volljähriger Menschen mit Behinderungen, die gegen Entgelt be
treut oder gepflegt werden, stehen. Ziel dieses Gesetzes ist es, diese Menschen in ihrer Würde zu schützen und zu achten, vor Beeinträchtigungen ihrer körperlichen und seelischen Gesundheit zu bewahren, sie unter anderem in ihrer kulturellen, religiösen Selbstbestimmung zu unterstützen und ihr Recht auf gewaltfreie Pflege und Intimsphäre zu schützen. Das sind die Kernanliegen des vorliegenden Gesetzentwurfs.
Wir haben in der Zwischenzeit vier Jahre Erfahrung mit diesem Gesetz. Natürlich ist in dieser Zeit auch die Gelegenheit genutzt worden, zu schauen, wo man Veränderungsbedarf hat. Wir haben beispielsweise im Bereich der Gewaltprävention Klarstellungen vorgenommen. Es werden nunmehr Schulungsverpflichtungen via Erstellung einer Konzeption auferlegt, die den gesamten Bereich der Gewaltprävention betreffen – und nicht mehr ausschließlich freiheitsentziehende Maßnahmen. Den Vorschlag der SPD-Fraktion, den Paragrafen zur Vermeidung freiheitsentziehender Maßnahmen aus dem Gesetz herauszunehmen, halte ich schlicht für verantwortungslos. Denn es ist nicht nur eine Frage der gerichtlichen Zuständigkeit, sondern es geht um Sensibilisierung, Bewusstseinsbildung und Dokumentation, und damit um die Nachvollziehbarkeit der Maßnahmen. Insbesondere Frauen, die in Einrichtungen der Behindertenhilfe wohnen und – so, wie einer Studie zu entnehmen ist – einem erhöhten Risiko ausgesetzt sind, Opfer sexueller Übergriffe zu werden, erhalten nun die Möglichkeit, eine Vertrauensfrau zu wählen. Das dient sowohl der Sensibilisierung für die Bedürfnisse der Frauen als auch der Gewaltprävention.
Wir haben die Gesetzesnovellierung auch zum weiteren Abbau von Bürokratie genutzt. Die Frage des Angehörigenbeirates gehört dazu. Aus der Mussvorschrift ist eine Kannvorschrift geworden, weil wir die Erfahrung gemacht haben, dass sich in den meisten Einrichtungen keine Angehörigen bereitgefunden haben, einen Beirat zu bilden. An dieser Stelle ist es schlicht und einfach ein Unding, den Versuch zu unternehmen, das mit Brachialgewalt durchzusetzen. Dort, wo sich Angehörige zusammenfinden, wird auch in Zukunft ein Angehörigenbeirat existieren. Es kann aber nicht zielführend sein, dies mit Zwang aufzuerlegen.
Ich würde an die Fragestellung des Palliativbeauftragten erinnern und jetzt noch auf zwei Punkte eingehen. Zum einen ist das der Änderungsantrag der SPD zu der Fragestellung einer als „privat- und trägerorganisierten Wohngemeinschaft“ bezeichneten Wohnform – so der Antrag der SPD –, deren Vermieter nur allgemeine Betreuungsleistungen anbieten und bei denen darüber hinausgehende Betreuungs- und Pflegeleistungen von den Bewohnern wirklich frei gewählt werden können. Die sind der Ausnahmefall, und sie sind bereits nach § 2 Abs. 4 Nr. 1 der Entwurfsfassung des Hessischen Gesetzes über Betreuungs- und Pflegeleistungen vom Anwendungsbereich des Gesetzes ausgenommen. Der von Ihnen gestellte Antrag ergibt also überhaupt keinen Sinn.
Ich gehe davon aus, dass Sie eine vollkommen andere Wohnform gemeint haben, nämlich die trägerorganisierte Wohnform, und nicht diese. Insofern ist es mit Blick auf die dritte Lesung vielleicht korrekt, wenn man Ihnen an dieser Stelle Gelegenheit gibt, Ihren Antrag noch einmal zu überdenken, ob Sie ihn richtig gestellt haben; denn es ist schlicht und einfach falsch, was Sie gemacht haben. Aber das wissen Sie wahrscheinlich selbst. Insofern geht es jetzt
Ich möchte jetzt nicht das wiederholen, was der Abg. Bocklet im Hinblick auf die Fragen des Schutzinteresses gesagt hat; denn das stimmt. Ich will Ihnen aber eine Antwort geben: Die meisten der trägerorganisierten ambulant betreuten Wohnformen finden sich in den Städten Berlin und Hamburg. Nur haben Berlin und Hamburg genau die gleiche gesetzliche Grundlage wie Hessen – es ist genau die gleiche. Warum dort eine solch große Zahl an Wohnformen trägerorganisiert stattfindet und in Hessen nicht, ist an dieser Stelle eine Fragestellung der Träger.
An diesem Punkt möchte ich noch einmal an die Diskussion erinnern, die an anderer Stelle geführt wurde. Darin wurde auch noch einmal deutlich gemacht, wie die Befreiungstatbestände seitens des Regierungspräsidiums eingeschätzt werden. Natürlich, wenn sich eine solche Wohnform bildet, dann ist es relativ klar, dass man eine Befreiung bekommen kann. Das Gesetz sieht diese Befreiung vor, wenn die Schutzinteressen tatsächlich gewahrt bleiben. Als Kritik wurde ins Feld geführt, das sei auf fünf Jahre befristet und müsse erneut beantragt werden, weswegen es keine Planungssicherheit geben würde.
Gehen Sie einmal davon aus, welche Menschen in solche Wohngruppen einziehen. Das sind solche Menschen, die noch mit vollem Elan in einem noch rüstigen, aber hohen Alter diese Wohnform für sich aussuchen. Und fünf Jahre später? Ich kenne einige in diesem Raum, die pflegebedürftige Angehörige haben und die wissen, wie sich der Zustand oder auch der Grad der Pflegebedürftigkeit in fünf Jahren verändert hat. Wenn Sie in fünf Jahren auf der gleichen Rechtsgrundlage wie zuvor eine solche Wohnform betreuen, mit geringeren Schutzvorschriften für schwerst pflegebedürftige Bewohnerinnen und Bewohner, mit entsprechenden Nachlässen im Bereich des Brandschutzes und vielem anderen mehr, dann haben Sie an dieser Stelle eine andere Verantwortung. Dieser Verantwortung kommen wir mit den Regelungen in diesem Gesetz nach, ohne dass trägerorientierte Wohnformen auch nur einen Deut weniger möglich sind als in den anderen Bereichen.
Insofern glaube ich – nein, ich bin sicher –, dass in einer älter werdenden Gesellschaft und mit der steigenden Zahl betreuungs- und pflegebedürftiger Menschen sowie mit Blick auf die unterschiedlichen Interessenlagen der beteiligten Akteure dieses Gesetz von zentraler Bedeutung ist. Es hat sich bewährt, es wird in einzelnen Bereichen verändert.
Frau Kollegin Dr. Sommer, ich sage Ihnen zu, dass die Verordnung bald kommen wird – da können Sie mich beim Wort nehmen. Sie kommt sehr zeitnah. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen in der zweiten Lesung vor. Damit stelle ich fest, dass die zweite Lesung vollzogen worden ist.
Wir überweisen den Gesetzentwurf samt Änderungsantrag zur Vorbereitung der dritten Lesung an den zuständigen Sozial- und Integrationspolitischen Ausschuss. – Dem widerspricht keiner, somit ist das beschlossen.
Wir sind am Ende der heutigen Tagesordnung angelangt. Ich darf Sie darauf hinweisen, dass unmittelbar nach dieser Sitzung der Sozial- und Integrationspolitische Ausschuss in Raum 501 A tagt und der Kulturpolitische Ausschuss in Raum 510 W, sodass Sie auch sehr bald fertig sind, damit Sie früh zu Bett gehen können und morgen ausgeschlafen sind. Ich bedanke mich und wünsche einen schönen Abend.