Dass wir das der Union erklären müssen, tut schon ein bisschen weh. Vor einigen Jahren, als ich noch das Gefühl hatte, ich wisse, was CDU-Politik in diesem Land bedeutet, hätte ich Sie bei dieser Argumentation an unserer Seite erwartet. In diesem Land ist es aber so geworden, dass man gar nicht mehr vorhersehen kann, was die CDU demnächst beantragen wird und für welche Politik sie steht. Vielleicht sollte man ab und zu in das grüne Wahlprogramm schauen; da findet man eher die Ansätze, die die CDU in diesem Land vertreten wird. Ihre Kernkompetenz beim Thema Wirtschaft hat die Union aber verloren. Sonst wären diese genannten Themen gar nicht virulent. Das ist eine Entwicklung, die wir seit Jahren beobachten. Deshalb wäre es insbesondere für Sie wichtig, dass man so eine Anhörung macht, damit Ihnen die Fachleute erklären, wie man solche Probleme löst.
Leider muss ich zum Ende meiner Rede kommen. Es ließe sich noch unglaublich viel zu diesem Thema sagen. Ich habe ja nur einen Komplex angesprochen. Herr SchäferGümbel hat das Thema Bildung genannt. Wenn ich höre, was Sie an Investitionen in die Bildung tätigen, muss ich sagen: Es fehlt ein Investitionsprogramm, das die Landkreise und die Schulträger in die Lage versetzt, neue Gebäude zu bauen oder alte Gebäude zu erhalten. Da muss mehr passieren.
Am allermeisten fehlt es aber beim Thema Chancengerechtigkeit. Erkennen Sie endlich an, dass es eine frühkindliche Bildung braucht. Würdigen Sie das Thema frühkindliche Bildung im Hinblick auf Chancengerechtigkeit. Hier haben wir einen unglaublichen Handlungsbedarf. Da könnten Sie etwas für die Kinder in unserem Land und damit etwas für die Zukunft tun. Das tun Sie nicht. Sie vergehen sich an der Zukunft dieses Landes. Mit diesem Haushaltsplanentwurf, den Sie heute mit Mehrheit beschließen werden, haben Sie das unterlegt. Darum wäre gerade für Sie eine Agenda 2020 mehr als notwendig.
Ich bin sehr dankbar für den Setzpunkt, den die SPD für heute beantragt hat; denn ich glaube, dass wir für die Erneuerung des Hessenplans gute Vorarbeiten geleistet haben. Als jüngstes Beispiel könnte ich auf unsere Haushaltsanträge verweisen, die leider nicht die erhoffte Zustimmung erhalten haben.
Aber als Grundlage für einen wirklichen Politikwechsel, der für einen neuen Hessenplan zwingend erforderlich ist, will ich an die von drei Fraktionen im Hessischen Landtag vereinbarten Positionen erinnern, die wir bereits 2008 vorgestellt haben. Das ist immer wieder ein aufschlussreicher Rückblick; denn man muss bedenken, dass sich die hessi
schen Wählerinnen und Wähler schon damals – 2008 – mehrheitlich für einen Politikwechsel entschieden haben.
Entsprechend dem Auftrag der Wählerinnen und Wähler und in dem Willen, die Lebensbedingungen der Menschen zu verbessern und Schritte in Richtung einer solidarischen Gesellschaft mit demokratischer Teilhabe, gleichen Bildungschancen und sozialer Sicherung für alle einzuleiten, haben wir einst eine Erklärung vorgelegt, die von drei Fraktionen Zustimmung erfahren hat, nicht nur von der LINKEN, sondern auch von den GRÜNEN und den Sozialdemokraten. Wir haben in unserer Mitgliedschaft darüber abstimmen lassen und eine große Mehrheit dafür gefunden.
Auf diese große Zustimmung wollten wir Sie noch einmal hinweisen; denn das ist, wie ich glaube, eine Grundlage, die nicht nur bei den damaligen Sondierungsgesprächen eine Rolle gespielt hat, sondern tatsächlich für einen Politikwechsel in diesem Land steht. Darin sind meines Erachtens die wichtigsten Punkte für einen neuen Hessenplan aufgeführt. Dafür stehen wir als LINKE noch immer. Nicht nur während einer Anhörung, sondern auch bei der Umsetzung stehen wir zur Verfügung.
Einige Punkte aus diesem Papier will ich noch einmal beleuchten. Sie wissen, mit der LINKEN wird es keine weiteren Privatisierungen, keine Verschlechterungen beim Umweltschutz sowie keinen Sozial- und Personalabbau geben; denn das wäre die Fortsetzung der Politik von CDU und GRÜNEN in den vergangenen Jahren, und dazu ist DIE LINKE auf keinen Fall bereit.
Wir wollen die Schaffung von 25.000 sozialversicherungspflichtigen, tariflich bezahlten Arbeitsplätzen durch Investitionen des Landes in die Bereiche Bildung, Umwelt und Soziales. Wir wollen neue Perspektiven auch für Langzeitarbeitslose durch eine bessere Förderung beim Wiedereintritt in den Arbeitsmarkt. Wir wollen eine Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik, die die Beschäftigungspotenziale insbesondere in der boomenden Umweltbranche endlich auch für Hessen nutzt. Wir wollen die Entwicklung eines AntiArmut-Programms, um auch wirtschaftlich schwachen Menschen die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen, beispielsweise durch eine Hessencard.
Wir wollen die Reform und den Ausbau des Schulwesens mit dem Ziel der Herstellung gleicher Bildungschancen und der optimalen Förderung eines jeden Kindes. Diesem Ziel sollen insbesondere flächendeckende Angebote sowie die Förderung eines längeren gemeinsamen Lernens – bis zum 10. Schuljahr –, die Einführung eines Schulfonds für bedürftige Schülerinnen und Schüler und auch die Durchsetzung eines generellen Nachtflugverbots am Frankfurter Flughafen dienen. Sie wissen – das haben wir damals festgehalten –, dass DIE LINKE den Ausbau des Flughafens immer abgelehnt hat.
Wir wollen eine Energiewende durch Energieeinsparung, Energieeffizienz und den Ausbau der erneuerbaren Energien. Wir wollen den Ausbau der Demokratie auf allen Ebenen für alle dauerhaft in Hessen lebenden Einwohner, insbesondere durch verbesserte Möglichkeiten, Volks- und Bürgerbegehren durchzuführen. Wir wollen Investitionen in den Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs, die Rückkehr des Landes in die Tarifgemeinschaft der Länder
und eine Reform des Personalvertretungsgesetzes. Wir wollen ein neues hessisches Vergabegesetz. Wir brauchen sicherlich nach wie vor eine Neuregelung der Ladenöffnungszeiten, unter Einbeziehung der Tarifparteien.
Wir wollen die rechtlichen und finanziellen Möglichkeiten prüfen, um die Privatisierung der Uniklinik Gießen-Marburg rückgängig zu machen. Wir wollen die Entwicklung eines Landesaktionsprogramms für Demokratie und Vielfalt und gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus. – So weit die Punkte aus dem Papier.
Wir haben bereits 2008 deutlich gemacht, dass uns die finanzpolitische Ausgangslage vor Herausforderungen stellt. Aber DIE LINKE geht davon aus, dass sich die oben beschriebenen Maßnahmen für einen Politikwechsel auch im Haushalt widerspiegeln und dabei die Umverteilung zugunsten benachteiligter Menschen, die Stabilisierung regulärer Beschäftigungsverhältnisse und die Steigerung der öffentlichen Investitionen in die öffentliche Infrastruktur sowie in Bildung, Umwelt und Soziales ein besonderes Gewicht erhalten.
DIE LINKE erwartet, dass dabei die Einnahmegerechtigkeit und der gesellschaftliche Reichtum thematisiert werden, um mittel- und langfristige Finanzierungsmöglichkeiten aufzuzeigen, z. B. die Vermögensteuer, die Unternehmensbesteuerung und eine wirklich Reform der Erbschaftsteuer. Das waren unsere Stichworte.
Ein kurzfristiger Verzicht auf eine Kreditfinanzierung ist – auch das würde ich heute immer noch sagen – unrealistisch. Der Zeitpunkt, zu dem dies erreicht werden kann, hängt entscheidend von der Entwicklung der Einnahmesituation ab. Die Lebensbedingungen der Menschen dürfen sich nicht verschlechtern, und dringend notwendige Verbesserungen dürfen nicht blockiert werden. Eine Sparpolitik, wie bei der Beamtenbesoldung oder damals bei der „Operation düstere Zukunft“ – Herr Boddenberg hat es selbst angesprochen –, lehnen wir natürlich ab.
Ich will die Illusionen der SPD nicht zerstören. Aber mit einer Anhörung im Hessischen Landtag wird es keinen Politikwechsel geben.
Dazu bedarf es eines anderen politischen Klimas und anderer Mehrheiten, auch in der Regierungspolitik in Hessen.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Der heutige Antrag der SPD wirkt ein bisschen, als ob er aus der Zeit gefallen wäre. Er beschäftigt sich mit dem Landesjubiläum – „70 Jahre Hessen“; das haben wir vor zwei Wochen gefeiert, aber es bleibt natürlich aktuell –, er beschäftigt sich mit dem früheren Ministerpräsidenten Georg August Zinn, der seit fast 60 Jahren nicht mehr im Amt ist, und er beschäftigt sich mit dem Hessenplan aus den Fünfziger- und Sechzigerjahren des vorigen Jahrhunderts. Das ist alles ein bisschen aus der Zeit gefallen.
Keine Frage, Georg August Zinn und der von ihm vorgelegte Hessenplan haben sich große Verdienste um die Entwicklung unseres Landes erworben. Aber beide, die Amtszeit des Ministerpräsidenten Zinn und der Hessenplan, fielen in eine andere Zeit. Damals ging es um das Nachkriegsdeutschland, heute sprechen wir von einem Hessen, das eines der wirtschaftsstärksten und reichsten Länder der Bundesrepublik und sogar der ganzen Welt ist.
Damals war ein zentralistisches Instrument der Planung die richtige Antwort auf die existenziellen Herausforderungen. Aber mittlerweile ist unsere Gesellschaft vielfältiger, bunter und komplexer geworden. Deshalb hat man schon in den Siebzigerjahren, unter sozialdemokratischen Ministerpräsidenten, von diesem zentralistischen Ansatz der Planung Abstand genommen.
Meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie, Sie haben selbst gemerkt, dass das alles ein bisschen aus der Zeit gefallen ist; denn Sie schreiben in Ihrem Antrag – ich zitiere –:
Der Hessische Landtag stellt fest, dass sich – unter anderen Vorzeichen und einem anderen Entwicklungsstand – die Aufgaben, die zum Hessenplan führten, heute erneut stellen: …
Dann folgt in Ihrem Antrag eine Aufzählung von Bereichen, in denen man jetzt tätig werden könnte, in denen der neue Hessenplan also seine Wirkung entfalten könnte. Damit ist der Antrag zu Ende. Ich dachte, jetzt kämen die Antworten, jetzt würde die SPD beschreiben, wie man einen neuen Hessenplan formuliert. Wir haben im Fraktionsvorstand über Ihren Antrag beraten. Ein Vorstandsmitglied hat gefragt: Habt ihr vergessen, die Anlage mitzuschicken? Wo ist denn der Hessenplan der SPD? – Allein Fragen zu stellen ist nämlich etwas wenig.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU – Hermann Schaus (DIE LINKE): Das machen doch die GRÜNEN sonst immer: Wer nicht mehr weiterweiß, der gründet einen Arbeitskreis!)
Meine Damen und Herren, es gibt eine berühmte Anekdote aus rot-grünen Koalitionszeiten. Wenn damals der Anspruch, die Ankündigungen und das Pathos – was zu geschehen habe – zu groß und zu viel wurden, hat sich der damalige Vorsitzende der SPD-Fraktion, Armin Clauss, zurückgelehnt und einfach gesagt: Mir liegt nichts vor. – Genauso ist es jetzt mit den Anträgen der SPD-Fraktion für einen neuen Hessenplan: Uns liegt nichts vor.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU – Vizepräsident Frank Lortz übernimmt den Vorsitz.)
Stattdessen finden wir eine kraftvolle Anhörung; diese soll es jetzt richten. Wir GRÜNE sind sehr für Anhörungen. Wir sind sehr für Bürgerbeteiligung. Aber, meine Damen und Herren, eine Anhörung setzt eine eigene Position voraus, zu der man dann Menschen anhört. Eine eigene Position vermissen wir bei der Opposition schmerzlich. Auch drei Jahre nach Beginn dieser Legislaturperiode ist nicht zu erkennen, wo die konzeptionellen Alternativen zu dieser Regierung sind. Das Einzige, was gefordert wird, ist mehr Geld für das, was Schwarz-Grün schon tun – also mehr schwarz-grüne Politik. Mit dieser Oppositionsarbeit können wir sehr gut leben.
In Bezug auf unseren Gegenantrag, wo wir darstellen, was wir in dieser Legislaturperiode schon erreicht haben, sprechen Sie davon, dass dafür Bäume sterben müssten.
Herr Kollege Schäfer-Gümbel, wenn man kein Konzept hat, müssen natürlich auch keine Bäume sterben für Papier, auf das man es druckt. Denn wo nichts ist, kann man nichts drucken. Daran wird die ganze Inkonsistenz der Politik der SPD deutlich: Sie drücken zwar Ihre Sorge um Bäume aus, lieber Herr Kollege Schäfer-Gümbel, es ist aber Ihre Fraktion, die in diesem Plenum beantragt hat, dass wir den besonderen Schutz des Waldes mit dem FSC-Siegel nicht mehr machen sollen. Allen wohl und keinem weh – das ist die Politik der hessischen SPD.