Protokoll der Sitzung vom 15.12.2016

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Es konnte aber niemand, der wirklich Verantwortung tragen wollte, verantworten, dass die Atomenergie einfach so weiterläuft.

Herr Rentsch, Sie können sich als FDP-Fraktionsvorsitzender nicht davon lösen, dass Ihre Partei im Bundestag dies mit zu verantworten hat und Sie hier in der Landesregierung waren, als das Moratorium umgesetzt wurde. Auch daran sollten Sie sich einmal in einer stillen Stunde erinnern.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zu- ruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Meines Erachtens ist es besonders wichtig, in diesem Zusammenhang aufzuzeigen, dass das Bundesverfassungsgericht den Atomausstieg jetzt als richtig und als keine Enteignung angesehen hat. Das heißt, es ist verfassungsgemäß, wenn der große Wunsch der Bevölkerung politisch umgesetzt wird in Form eines Gesetzes, aus der Atomenergie auszusteigen. Das ist der große Gewinn der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts.

Natürlich ist es auf der anderen Seite aus meiner Sicht schwierig, dass eine Teilentschädigung für die Energiekonzerne möglich wird. Es ist richtig, dass die Bevölkerung das eigentlich nicht versteht. Ich finde, dass man es auch politisch kaum verstehen kann, wenn jetzt weiterhin dagegen vorgegangen und dagegen geklagt würde, obwohl man jahrelang fette Gewinne mit der Atomenergie eingefahren hat.

Nun komme ich zur Frage der Entsorgungsrücklage. Hessen hat gemeinsam mit anderen Bundesländern eine Initiative in den Bundesrat eingebracht, um die Entsorgungsrücklage in einen staatlichen Fonds zu überführen, weil das gesichert werden muss im Hinblick darauf, dass sich Energieversorger teilweise in einer wirtschaftlichen Schieflage befinden, und wir kein Interesse daran haben können, dass die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler das letztlich bezahlen.

(Beifall des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Insofern ist es richtig, dass mit Blick auf die Entsorgung gerechnet wurde: Was sind die Rückstellungen wert? Was kann es tatsächlich kosten? Wie kann das für den Staat gesichert werden?

Den Rückbau müssen die Energiekonzerne weiterhin selbst finanzieren. Auch dies ist ein richtiger Schritt.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Das wäre ja auch noch schöner!)

Natürlich muss auch mit den Konzernen geredet werden, wenn man solche Fragen im Konsens klären will, weil diese natürlich eigene Interessen haben. Das ist doch völlig klar und völlig selbstverständlich.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU – Janine Wissler (DIE LINKE): Sie verklagen Sie!)

Wenn man zu einer Regelung kommen will, die nicht wieder beklagt wird, dann macht man das auch so,

(Janine Wissler (DIE LINKE): Die klagen doch!)

wenn man Verantwortung nicht nur tragen will, sondern auch tragen kann, wie dies jedenfalls die meisten Bundestagsfraktionen machen.

Hierzu wird heute im Bundestag und morgen im Bundesrat eine Entscheidung getroffen. Wir sind froh, dass unsere Initiative den Stein ins Rollen gebracht hat. Wir sind natürlich auch froh, wenn alle Klagen zurückgenommen werden. Ich spreche ausdrücklich von allen Klagen, weil ich durchaus glaube, dass die Energieversorger an dieser Stelle nach wie vor einen Ruf zu verspielen haben, wenn nicht alle Klagen zurückgenommen werden, sondern wenn weiterhin ein Schiedsgericht damit belastet wird und die Brennelementesteuer weiter beklagt wird.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Morgen wird also eine weitere Etappe zurückgelegt worden sein auf dem Weg raus aus der Atomindustrie. Die Entsorgungsfrage wird uns noch lange beschäftigen. Eine wichtige Etappe haben wir dann aber erfolgreich zurückgelegt. – Danke schön.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Vielen Dank, Frau Ministerin. – Das Wort hat Herr Abg. Rentsch, Fraktion der FDP. Die Redezeit beträgt 3:25 Minuten.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Staatsministerin, sehen wir einmal davon ab, dass das Gesetz, das gerade vor Gericht seine Gültigkeit verloren hat, Ihre Unterstützung hatte und dass daraus der Anspruch der Atomkonzerne abgeleitet wird.

Herr Kollege Stephan, ich möchte noch etwas zur Historie sagen. Heute hatte ich das Gefühl – bitte verzeihen Sie das –, dass Sie ein Atomkraftgegner erster Stunde sind. Ehrlicherweise wird das der Situation nicht so ganz gerecht. Wenn das so weitergeht, muss man ja damit rechnen, dass Volker Bouffier an Demonstrationen gegen Biblis teilnimmt.

(Beifall bei der FDP – Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Dabei war!)

Die Historie war also etwas anders. Das sagte ich auch selbstkritisch.

(Unruhe)

Der Ministerpräsident war genauso wie wir der Auffassung – übrigens auch Ihre Fraktion und Ihre Partei, Herr Stephan –, dass wir den Ausstieg aus dem Ausstieg realisieren sollten. Ich kann mich an Diskussionen erinnern, die geführt wurden, als CDU und FDP zunächst Rot-Grün und dann die Große Koalition abgelöst haben. Damals hatten wir eine lange Diskussion in unseren Parteien darüber, ob man einen Ausstieg aus dem Ausstieg realisiert.

Frau Hinz, im Nachhinein würde ich diese Entscheidung nicht noch einmal so treffen. Sie war aber meines Erachtens aus der damaligen Sicht aus folgendem Grund richtig. Die Diskussion, die wir heute hier führen, ist eine Inseldiskussion. Schauen Sie einmal, was um uns herum passiert.

Fast alle europäischen Nachbarstaaten setzen auf Atomkraft. Das ist eine Diskussion, die sicherlich Beachtung finden sollte. Deshalb ist der Atomausstieg eine deutsche Besonderheit. Ich sage für meine Fraktion aber auch, dass wir nicht die Absicht haben, das wieder rückgängig zu machen. Vielmehr war ich zum damaligen Zeitpunkt und auch nach den Ereignissen von Fukushima der Meinung, dass wir die Stimmung in der Bevölkerung nicht negieren können, sondern ernst nehmen müssen.

Nur eine Sache möchte ich klarstellen: Ich kann mich nicht erinnern, dass die Freien Demokraten den Brief an RWE geschrieben haben oder dass es FDP-Minister waren, die bei der Kanzlerin gesessen und diese Entscheidung getroffen haben. Deshalb, Frau Kollegin Dorn, wenn Sie heute hier den Eindruck vermitteln, dass es einzig die FDP war und Ihr Koalitionspartner schon immer für sanfte Energie gewesen sei, dann ist dies eine der lustigsten Aktuellen Stunden, die ich je in diesem Parlament erlebt habe. Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist wirklich unglaublich.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP – Zuruf der Abg. Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Es ist ja nachvollziehbar, dass Sie diese Story stricken müssen, weil sonst der eine oder andere GRÜNE vielleicht einmal darüber nachdenken würde, wie eigentlich die Forderungen früher im Parlament waren. Wir können uns ungefähr vorstellen, wie der amtierende Energie- und Wirtschaftsminister in diesem Parlament geredet hätte, wenn wir sozusagen diesen Kompromiss heute hier präsentiert hätten: An Entrüstung wäre er nicht mehr zu überbieten gewesen, so, wie wir ihn früher kannten.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Das stimmt!)

Heute ist er ja ein Freund der CDU. So habe ich ihn eigentlich nie erlebt, wenn ich mich daran erinnere, was Tarek Al-Wazir immer auch so an Zwischentönen hatte.

Deshalb möchte ich zum Abschluss zu diesem Kompromiss sagen, den Sie hier heute so feiern, Herr Kollege Wagner – diese Strategie der Flucht nach vorne ist nicht ganz dumm, aber sie führt natürlich zu Fragen, die wir gerade aufgeworfen haben –: Wenn dieser Kompromiss Realität wird, dann ist die Frage, wer ihn bezahlen wird. Die Botschaft, die der Kollege Rock Ihnen gerade mitgegeben hat, wenn man sich die Zahlen anschaut, lautet, dass die Wahrscheinlichkeit sehr groß ist, dass es nicht die Konzerne zahlen,

Herr Kollege Rentsch, Sie müssen zum Schluss kommen.

sondern die Menschen, die hier oben sitzen, nämlich die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. Das ist sehr, sehr wahrscheinlich, Frau Kollegin Dorn.

(Zuruf der Abg. Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Weitere Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb ist es ein Kompromiss auf Kosten der Bürgerinnen und Bürger, den Sie hier politisch gemacht haben. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, ich habe noch eine weitere Wortmeldung vorliegen. Weil es immer wieder Irritationen gibt – das Präsidium hat zwar immer recht, trotzdem möchte ich es noch einmal zitieren –: „Überschreiten die Mitglieder der Landesregierung … [in der Aktuellen Stunde] die Redezeit der Fraktionen, verlängert sich die Redezeit für jede Fraktion um die Dauer der Überschreitung.“ Nur, damit wir uns verstehen.

(Günter Rudolph (SPD): Das wissen wir!)

Ja, auch für den Kollegen Rudolph, damit du das mitbekommst und es jeder weiß.

Jetzt hat der Kollege Peter Stephan das Wort, 3:25 Minuten.

(Janine Wissler (DIE LINKE): In der Geschäftsordnung steht aber auch, dass nicht zweimal der gleiche Redner sprechen darf!)

Das ist richtig. Wir wollten den Kollegen erst einmal nach vorn kommen lassen. Er ist ja erholt.

(Heiterkeit)

Möchte sonst noch jemand? – Keiner. Dann ist die Aktuelle Stunde, Tagesordnungspunkt 31, beendet.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 32 auf:

Antrag der Fraktion der CDU betreffend eine Aktuelle Stunde (Gegen kriminelle Botnetze vorgehen – hessi- sche Bundesratsinitiative muss auf Bundesebene schnell umgesetzt werden) – Drucks. 19/4300 –

Es beginnt der Kollege Veyhelmann, CDU-Fraktion.